Bücher mit dem Tag "künstlernovelle"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "künstlernovelle" gekennzeichnet haben.

11 Bücher

  1. Cover des Buches Der Tod in Venedig (ISBN: 9783596904075)
    Thomas Mann

    Der Tod in Venedig

     (456)
    Aktuelle Rezension von: Nik_Sander

    Das erste Drittel des Buches ist eine Zumutung für den Leser. Danach wurde T. Mann offensichtlich selbst müde von seinem eigenen Schreibstil und wechselte zu einer mehr oder weniger "normalen" Erzählung. Allerdings stellt sich automatisch die Frage, ob er nicht absichtlich solch einen Unfug formulierte, um zukünftige Kritiker und Leser auszulachen... Wenn dies der Fall war, ist ihm dies gut gelungen.

    Was ich an der Novelle positiv hervorheben kann, ist die starke Symbolik. T. Mann hat enorm viel Zeit investiert, um eine innere Welt "eines" Mannes (was auch zu seinem Namen passt ;) - letztendlich ist es auch das Buch über ihn selbst) mit griechischen Mythen zu verschmelzen. Allerdings sollte man eine gute Allgemeinbildung haben, um alle Zeichen zu erkennen. Die Alternative wäre zumindest vor dem Lesen eine gute Lektüre über das Buch lesen. Denn wenn man die Symbolik des Buches nicht versteht und die versteckten Botschaften nicht bereits beim Lesen wahrnimmt, bietet das Buch aus meiner Sicht wenig literarische Schönheit.

    Und jetzt komme ich zur komplizierteren Frage des Inhalts... Ich verstehe, dass der Autor mit dem Text eigene Gedanken und homoerotische Neigungen verarbeiten wollte, ABER ganz ehrlich! Muss man wirklich einen Text über einen alten Pädophilen lesen? Ich sage klar - NEIN. Wäre das Werk nicht von T. Mann geschrieben, wäre es längst aus unserem kollektiven Gedächtnis ausradiert.

    Ein Stern muss man ja vergeben. Den zweiten Stern gebe ich für die starke Symbolik.

     

  2. Cover des Buches Klingsors letzter Sommer (ISBN: 9783458194316)
    Hermann Hesse

    Klingsors letzter Sommer

     (60)
    Aktuelle Rezension von: Ferdinand-Uth

    Klingsor ist ein alter, bekannter Maler, der in Norditalien lebt und dort einen heißen, ungebundenen Sommer erlebt, ihn malt und sich daran berauscht, aber auch bereits sein eigenes Ende vorausahnt.
    Die Erzählung von Hesse aus dem Jahr 1919 ist eine meisterhafte, wehmütige Dichtung über die Vergänglichkeit. Obwohl sie recht kurz ist, kommen viele Themen des Künstlerlebens und Hesses eigenen Erfahrungen darin vor: Sie spiegeln gewissermaßen seine Zeit am Tessiner See nach der Trennung von seiner ersten Frau wieder, wo Hesse selbst begann, Aquarelle zu malen. Themen wie die Lasterhaftigkeit (das Trinken und die Lust), des Schaffens von etwas, das überdauert, die Liebe zur Natur und auch Freundschaft kommen in der Erzählung zur Sprache.
    Schon der Anfang ist einfach wunderbar poetisch geschrieben:
    „Ein leidenschaftlicher und raschlebiger Sommer war angebrochen. Die heißen Tage, so lang wie sie waren, loderten weg wie brennende Fahnen, den kurzen schwülen Mondnächten folgten kurze schwüle Regennächte, wie Träume schnell und mit Bildern überfüllt fieberten die glänzenden Wochen dahin."

  3. Cover des Buches Tonio Kröger/ Mario und der Zauberer (ISBN: 9783596512799)
    Thomas Mann

    Tonio Kröger/ Mario und der Zauberer

     (172)
    Aktuelle Rezension von: BM1TE19a

    "Mario und der Zauberer" von Thomas Mann ist eine faszinierende Erzählung über die Macht des Bösen und die Auswirkungen von Massenhypnose. Manns sprachliche Fähigkeit und psychologische Tiefe sind in diesem Werk auf höchstem Niveau. Die Geschichte folgt dem Erzähler, der mit seiner Familie in einen Badeort reist und dort auf einen hypnotischen Zauberer trifft, der die Menschenmassen in seinen Bann zieht. Mann beschreibt in präziser und unheimlicher Weise, wie der Zauberer seine Macht ausübt und Mario schließlich selbst zum Opfer wird. Das Buch ist ein zeitloser Klassiker und eine eindringliche Warnung vor den Gefahren der Manipulation und des Faschismus. Manns einzigartiger Schreibstil und die düstere Atmosphäre machen "Mario und der Zauberer" zu einem unvergesslichen Leseerlebnis.

    AG

  4. Cover des Buches Lenz (ISBN: 9783746721637)
    Georg Büchner

    Lenz

     (132)
    Aktuelle Rezension von: Sternenstaubfee

    Es fühlt sich irgendwie nicht gut an, einem Klassiker so eine geringe Bewertung zu geben, aber mir hat das Buch einfach nicht wirklich gefallen. Ich bin mit dem Buch nicht warm geworden, die Geschichte hat mich nicht erreichen können, obwohl sie ja eigentlich ziemlich emotional ist. 

    15. Dezember 2023

  5. Cover des Buches Mozart auf der Reise nach Prag (ISBN: 9783746716534)
    Eduard Mörike

    Mozart auf der Reise nach Prag

     (37)
    Aktuelle Rezension von: Bionoema

    Das Werk von Mörike ist unterhaltsam und kurzweilig. Es zeigt Einblicke in das Leben und die Welt Mozarts, vor allem aber die Person Mozart - durch Anekdoten, Gespräche und in gesellschaftlichen Situationen. Obwohl es sehr unterhaltsam geschrieben ist und die einzelnen Anekdoten und Passagen aus seinem Leben einen guten Lesefluss aufweisen, fehlt mir ein tiefergreifender roter Faden mit einer ernsthaften Quintessenz. Das soll aber der Unterhaltung keinen Abbruch tun!

  6. Cover des Buches Die Suche nach dem Absoluten / Das unbekannte Meisterwerk (ISBN: 9783746660561)
  7. Cover des Buches Im Presselschen Gartenhaus (ISBN: 9783150089125)
    Hermann Hesse

    Im Presselschen Gartenhaus

     (1)
    Noch keine Rezension vorhanden
  8. Cover des Buches Tonio Kröger (ISBN: 9783100482815)
    Thomas Mann

    Tonio Kröger

     (54)
    Aktuelle Rezension von: Mary2

    „Tonio Kröger“ ist eine autobiographisch geprägte Jugendnovelle und wird vielfach als Schullektüre gelesen.

    In neun Kapiteln auf kaum mehr als 100 Seiten werden etwa 16 Jahre im Leben des Lübecker Kaufmannssohn Tonio skizziert.

    Die Novelle beginnt mit Eindrücken aus der Schulzeit Tonios. Der sensible Heranwachsende fühlt sich von seinen Altersgenossen ausgeschlossen, da er deren sportliche Hobbys nicht teilt. Sein Interesse an Kunst und Literatur hingegen wird von kaum einem der Mitschüler positiv aufgenommen.

    Die Schriftsteller-Karriere des jungen Mannes führt in nach München, wo er im Künstler-Milieu verkehrt. Intensive Betrachtungen über die Differenzen zwischen Künstler und Bürger bilden das zentrale Kapitel der Novelle. Im zweiten Teil sucht Tonio die Stätten seiner Kindheit auf und erlebt an der Ostsee ein Déja-vu.

    Sprachlich finde ich die Novelle sehr gelungen. Äußerst bildreich und sehr intensiv schildert Thomas Mann seine Handlungsträger, die Natur und die Städte.

    Ein wunderbarer Vorgeschmack auf größere Werke des Autors und ein Hinweis auf das große schriftstellerische Talent!

    Ich vergebe fünf Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Es lohnt sich, dieses Buch alle paar Jahre wieder zur Hand zu nehmen.

  9. Cover des Buches Der Platz für das Denkmal. (ISBN: B0020LB9ZM)
    Daniil A. Granin

    Der Platz für das Denkmal.

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Ich habe diesen Autor im Buchschrank meines Opas entdeckt, und auch wenn mir die erste Erzählung, die ich gelesen habe sofort gefiel (’Die Kirche von Auvers’ ist eine Reiseerzählung in der der Ich-Erzähler auf den Spuren von van Gogh in dessen Sterbeort wandelt), hat mich das Buch anfangs etwas irritiert (’Das Haus auf der Fontanka’ berichtet von dem schwierigen Verhältnis zwischen Soldaten und den Müttern ihrer gefallenen Kameraden), weil mir das alles so zeitgemäß vorkam und ich eher einen Autor des historischen Realismus erwartet hatte (andere Bücher die da standen waren ’Das Gemälde’ oder auch ’Dem Gewitter entgegen’, daher die Erwartung). Zudem wirkte die geballte Ladung Namen in der van-Gogh-Erzählung anfangs planlos. Nachdem ich diese gelesen hatte, habe ich beschlossen, ihm gleich mal einen Wikipedia-Artikel zu widmen, denn es gab noch keinen, was ein Paradox ist, denn in zwei der noch folgenden Erzählungen geschah es dann, das eine vergessene Arbeit wieder ans Tageslicht geholt wird, und das gilt ein Stück weit auch für den Autor, von dem zirka zehn Werke auf deutsch vorliegen. In ’Der Kirche von Auvers’ hat Granin zudem die Buchproduktion von Bestsellerautoren kritisiert und das vor 40 Jahren! Auch was er da sonst an Ansichten entwickelt ist toll und habe ich so noch nicht gelesen (besonders was die Tourismusindustrie angeht, die van Goghs Schicksal geradezu karikiert). Dann las ich ’Der Gelehrte und der Kaiser’ und war begeistert. Er schildert, wie sich die Biographie des Physikers François Arago mit der Napoleons berührte, und stellt dabei eine These auf, die sogar die französischen Napoleonforscher inspirierte, Dinge neu zu betrachten. ’Variante B’ schildert ein großes moralisches Dilemma: Ein Forscher hat seine Arbeit abgegeben, die ihm die Aufnahme in höhere Kreise ermöglicht, da entdeckt er eine Vorkriegsarbeit, die seine These durchspielte, und als ungeeignete Sackgasse verwarf. Stattdessen entwirft diese Arbeit eine zweite Variante und die erweist sich als doppelt so wirksam. Nicht nur wie der junge Mann schwankt und alle Folgen zu erfassen versucht, sondern auch die Pointe, machen diese Erzählung absolut lesenswert. Völlig meiner Erwartung widersprechend war dann auch ’Der Platz für das Denkmal’: Eine Art von Science Fiction, die versucht real zu bleiben, die mir sehr gut gefallen hat: ein Beamter verweigert einem Antragssteller eine Wohnung, doch der ist hartnäckig und warnt ihn vor den Konsequenzen, bringt ihm dann Zeitungsausschnitte und Fotos aus der Zukunft, die der Beamte natürlich für Fälschungen hält, doch noch 40 Jahre später lässt ihn diese Begegnung nicht in Ruhe, denn ein Gebäude, dass auf dem Foto eines Denkmals zu erkennen ist, wurde mittlerweile erbaut. Er begibt sich auf die Spurensuche, und entdeckt, dass auch ein zweites Gebäude auf dem Foto in Kürze errichtet werden soll, also setzt er alles daran, dies zu verhindern, wohl um sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Etwas erstaunt hat mich ’Die eigene Meinung’, denn obwohl es überzeugend die Bürokratie und die Hackordnung in Wissenschaftseinrichtungen kritisiert, kam es mir im Vergleich zu den anderen Erzählungen schwächer vor. Dann las ich in der Sekundärliteratur das Wort ’Tauwetter’ und plötzlich begriff ich das Bild mit der Brücke, das mir ohnehin schon gefallen hatte. Zudem ist auch die Schlussszene psychologisch überzeugend gestaltet. Etwas anstrengend ist ’Unser Bataillonskommandeur’, weil es um ein schwieriges Thema geht: Ein Kommandeur quält sich mit seiner Kriegserinnerung, was durch das Ungesagte seine Größe entwickelt. Sie ist leicht kritisch, etwa was die Berufe der Kriegshelden angeht oder das trübe Aussehen der Stadtviertel. Solche Biografiebrüche durch den Krieg und die Vergangenheitsbewältigung scheinen Granin immer wieder zu beschäftigen. Etwas schade, dass er diese Szene mit dem Flugzeug nicht etwas mehr ausgebaut hat. Schließlich ist da noch die Reisenovelle ’Garten der Steine’, die etwas in politische Gefilde abrutscht, aber was will man erwarten, wenn ein Russe nach Japan reist? Natürlich kritisiert er die Atombombenabwürfe und polemisiert die amerikanische Haltung, aber man darf nicht überlesen, wen er das sagen lässt. Literarisch ist es aber gut gestaltet, indem es mit Perspektivwechseln arbeitet, und interessante Bilder entwirft, sowie mit Klischees spielt. Trotz der Länge und Ereignisarmut keineswegs langweilig geraten. Das mag jetzt fast ein wenig kritisch klingen, aber mir hat dieses Buch unheimlich gut gefallen, und ich mag gerade die Dinge, die mir anfangs missfielen: die Unbeholfenheit einzelner Figuren zum Beispiel, aber vor allem seine Fähigkeit, diese Charaktere absolut glaubwürdig darzustellen, ihre innere Zerrissenheit, ihre Aufopferung für die Wissenschaft (natürlich ist das eins, zwei Mal leicht sozialistisch gefärbt, z. B. was das Ende von ’Variante B’ angeht), ihr Kampf mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, die Konfliktsituationen, die Belesenheit des Autors (was man an den viele Referenzen und Details merkt), die Vielfalt von der spannenden Abenteuernovelle (’Der Gelehrte und der Kaiser’) über die Sprachlosigkeit angesichts des Geschehenen (’Das Haus auf der Fontanka’) bis hin zur medidativen Betrachtung eines fremden Landes (’Garten der Steine’) usw.
  10. Cover des Buches Op. non cit (ISBN: 9783827002570)
    Alan Isler

    Op. non cit

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Joachim_Tiele

    Vorab: es ist ein richtig schönes Buch, die deutschsprachige Ausgabe aus der hohen Zeit des alten Berlin Verlags (1), der sich auf gediegene Ausgaben aus dem relativ schmalen Feld des aufgeklärten Konservatismus spezialisiert hatte, bildungs- und kulturorientiert und damit zutiefst bürgerlich, aber auch von progressiven Lesern geschätzt und gekauft, die sich dafür interessierten, was die andere Seite dachte; dies leicht gemacht durch die Hohe Kunst der Buchherstellung, die schon seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von immer mehr Verlagen dem zunehmenden Kostendiktat geopfert wurde. Beim Berlin Verlag konnte man sich in jenen Jahren sicher sein, dass man inhaltliche wie gestalterische Distinktion und Exklusivität gekauft hatte. Die vier Novellen dieses Bandes sind auf eine geradezu exzentrische Weise schwierig, und dies ganz offensichtlich mit Bedacht. Isler (1932-2010), ein Brite, der schon in relativ jungen Jahren in die USA übergesiedelt war und dort englische Literatur erst studierte und später unterrichtete, tut sich nicht den Zwang an, seine eigene superbe Bildung vor dem Leser zu verbergen. Seine Sätze sind lang, verschachtelt, strotzen von Fremd- und Fachwörtern aus dem Kanon der klassischen humanistischen Bildung und scheinen darüber hinaus ihren Inhalt gelegentlich am Satzende verloren zu haben, bis sie, wie von spielerischer Zauberhand geführt, doch zur ihrem Ziel zurückfinden. Aber zu welchem Ziel?

    Ohne die Hinweise des – gegenüber dem Text hier bei LovelyBooks deutlich ausführlicheren – Klappentextes wäre man auch bei guten Allgemeinkenntnissen der europäischen Literatur seit, sagen wir, Shakespeare schnell aufgeschmissen, denn Isler zeigt in seinen Texten vordergründig nicht, was er denn eigentlich darstellen will, und worauf er sich bezieht; dass die Texte anspielungsreich sind, merkt man schnell, obwohl man sich nicht sicher sein kann, worauf sie anspielen. Und dies ist pure Absicht. Op. non cit., der Titel der Sammlung, sagt ganz klar, dass die Werke, auf die die Texte Bezug nehmen, nicht angeführt werden. Entweder man kennt sie, oder man findet sie heraus, oder man steht auf dem Schlauch. Gemeinsam ist allen vier Texten die Ausgrenzung ihrer Protagonisten aus den Gesellschaften, in denen sie leben, durch ihr Jüdisch-Sein in einer nicht-jüdischen Welt. Dies ist allerdings bei Isler frei von jeder Form von Lamento, sondern von einer Selbstironie, wie sie deutschen Lesern vielleicht aus Salcia Landmanns Jüdische Witze (2) bekannt ist. Nicht nur werden sie in Islers Novellen von Christen verachtet und zum Abschwören ihres Glaubens aufgefordert, sondern sie selbst verachten bisweilen nicht nur ihren eigenen Glauben, aber auch ihre christlichen Mitbürger, nehmen etwa Essenseinladungen bei diesen nicht an, weil dort nicht koscher gekocht wird, oder weigern sich, mit einer Frau zu schlafen, weil sie ein Kreuz an einer Kette um den Hals trägt.

    Das Monstrum etwa hat den ungenannt bleibenden Shylock aus Shakespeares Der Kaufmann von Venedig zum ich-erzählenden Protagonisten, wobei der zentrale Plot in Shakespeares Drama bei Isler als mein Jahrhundertprozess allenfalls am Rande erwähnt und sachlich anders aufgelöst wird. Zwei der Figuren Shakespeares, Antonio und Bassanio, werden bei Isler zu der einen Person Antonio Bassanio, dem, nur bei Isler, bekehrten Juden Ascher Bassan, und damit der Streit um das Pfand zu einem Streit unter Juden. Eine der Nebenfiguren des Dramas, einer der Freier Portias, ein Engländer, dem Shylock bei Shakespeare nicht begegnet, tritt bei Isler zusammen mit diesem auf, aber um das herausfinden zu können, sollte man einen Blick in das Drama werfen und nicht nach dem Namen suchen, sondern nach der Beschreibung der Bekleidung der jeweiligen Figur. Als Ergebnis zeigt sich dann, dass sich Isler, gebürtiger Engländer, über die Engländer und ihr Auftreten im Ausland lustig macht, aber dies als jüdischer Engländer auf dem Umweg der Beschreibung der Begegnung eines Engländers auf Reisen mit einem Juden.

    Ähnlich wie die auf Shakespeare verweisende Geschichte haben auch die anderen drei in ihnen selbst ungenannt bleibende Bezüge, etwa Der Bacon-Liebhaber auf Coleridges Poem Kubla Khan, Die Überfahrt auf Wildes Komödie Ernst sein ist alles und Die Affäre auf Zolas Ich klage an. Diese Bezüge sind allerdings aufs höchste vertrackt. Der Bacon-Liebhaber könnte mit gleichem Recht Der Geigenbauer heißen, doch seine Liebhaberei bezieht sich auf den Philosophen Bacon ebenso wie auf den gleichnamigen Schinkenspeck in englischen Puddings, auf die der jüdische Protagonist trotz seiner glaubensbedingten Speisevorschriften nicht verzichten mag, genauer gesagt, auf seine Lebensgefährtin, eine von den Nachbarn so bezeichnete Judenhure, wie der Titel gleichfalls hätte lauten können, deren Spezialität am Herd allerlei Puddings mit nicht-koscheren Zutaten sind. Als einen Auftrag fertigt er nicht eine Geige, sondern eine Dulcimer (eine Art Zither), und auf der Reise zum Auftraggeber, der das Instrument für seine Tochter bestellt hatte, begegnet er einem jungen Mann, der Interesse an dem Instrument zeigt, nach der Vorführung der Dulcimer und der Erläuterung des Auftrags Opium in sein Weinglas träufelt und daraufhin sofort einschläft. Die Zeilen A damsel with a dulcimer / In a vision once I saw aus Kubla Khan, Coleridges Opiumabhängigkeit und seine spätere Selbstaussage, dass er diese Vision in einem Traum hatte, sollte man kennen, andernfalls kann man als Leser den Bezug nicht herstellen. In Die Überfahrt den Bezug zu Wilde zu sehen, ist vergleichsweise einfach, denn er wird als in der Geschichte auftretende Person genannt, und ein Namenswechsel, wenn auch aus jeweils anderen Gründen, findet in Islers Novelle wie in Wildes Komödie statt. Der Hinweis auf Zola und die Affäre Dreyfus in Die Affäre ist fast eine Irreführung, denn die Geschichte spielt in der Gegenwart der off Broadway Theaterszene in New Yorks Greenwich Village. Sie wirklich goutieren, und Islers Erzählabsicht einordnen, kann man wohl nur im Zusammenhang mit Kenntnissen über die Konkurrenzsituation der Londoner Theaterszene zu Zeiten Shakespeares und der damaligen Diskussion über populäre Theaterstücke, die dem Geschmack des Publikums entsprachen.

    Op.non.cit allein als literarisches Rätselbuch, als exzentrischen Spaß eines alten Kauzes und emeritierten Literaturprofessors anzusehen, würde zu kurz greifen. Es sprüht vor Lust und Leben, der Lust an subtiler Erkenntnis und dem Leben in seiner prallsten Form, Derbheit und Frivolität eingeschlossen. Wer sich auf den Weg dieses Buches macht, und der Leser mag versichert sein, dass die Hinweise in dieser Rezension allenfalls die ersten Schritte erleichtern, keineswegs das Äquivalent des den Mörder Verratens bei einem Krimi darstellen, macht sich auf den Weg eines Grundlagenkurses in Sachen Weltliteratur unter besonderer Berücksichtigung des jüdischen Einflusses auf sie, ebenso wie der Darstellung jüdischen Lebens und Denkens in ihr. Flucht und Diaspora, Namen und Bedeutungen, Erschaffung und Verlust von Identitäten und Vermögen, Klugheit und Torheit, Schönheit und Hässlichkeit, Witz und Magie von der Renaissance bis in die Gegenwart sind die Gegenstände, die dieses Buch zu erforschen und aufeinander zu beziehen einlädt. Der Weg dorthin ist der der Anarchie des Denkens, verkleidet als Bildungsreise durch Jahrhunderte und Kontinente. Also durchaus eine seriöse Angelegenheit…

    Joachim Tiele – 08.02.2016

    _________

    (1) http://www.zeit.de/2012/11/Berlin-Verlag

    (2) Salcia Landmann, Jüdische Witze, dtv, 1963 (und öfter)
  11. Cover des Buches Domenica, Die Geschichte einer Sängerin (ISBN: 9783458344063)
    Marceline Desbordes-Valmore

    Domenica, Die Geschichte einer Sängerin

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Ferrante
    Eine kleine Entdeckung ist diese französische Novelle aus dem 19. Jhdt.! Domenica ist früh Waise geworden und steht jetzt unter der Herrschaft ihres gierigen Onkels, der ihr herausragendes Gesangstalent zu Geld macht und sie bald an einen lüsternen alten Fürsten verkaufen möchte... Erzählt wird die Geschichte von dem in Domenica verliebten Regis, dem armen deutschen Maler, der im selben Haus wie Domenica in Rom wohnt und sich mit deren deutschen Amme anfreundet. Regis erzählt die Geschichte heimgekehrt seinem Freund Karl, und Kommentare der beiden unterbrechen immer wieder die Erzählung. In einer Zeit, in der historische Romane Bestseller sind, müsste diese kleine und opulente Liebesgeschichte viele Leser begeistern. Im Zentrum steht Domenicas Stimme und ihr Verhältnis zu anderen Stimmen, den Stimmen, die Regis hört, und den Stimmen, mit denen sie singt. Das Ganze erinnert auch leicht an Rilkes Malte, da hier ein ebenso unglücklicher Künstler in einer eigentlich als mondän geltenden Stadt arm vor sich hin lebt. Doch Regis bekommt Arbeit vom Papst und kann aufblühen - Domenica aber wird von einer Katastrophe erschüttert. Die Geschichte ist schön stimmungsvoll, aber nicht kitschig erzählt und macht Lust auf die weiteren Romane und Novellen der Autorin, von denen es aber leider nichts in deutscher Übersetzung gibt.
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