Bücher mit dem Tag "länder europa russland"
6 Bücher
- Sofi Oksanen
Fegefeuer
(118)Aktuelle Rezension von: Pongokater"Fegefeuer" ist der große Wurf der finnischen Autorin mit estländischen Wurzeln. Das Buch wurde mit Preisen überhäuft und in viele Sprachen übersetzt. Aus meiner Sicht völlig zu recht. Denn Sofi Oksanen gelingt es, eine originelle und in ihren Wendungen oft unerwartete Geschichte zwischen einer jungen und einer alten Frau zu entwickeln, in der sich die Geschichte Estlands im 20. Jahrhundert widerspiegelt. Man erfährt, wie es zur Zeit der Ablösung Estlands von der Sowjetunion war, aber auch wie es unter den Kommunisten zuging. Die beiden Frauen verkörpern dabei den Willen, sich gegen widrige Umstände durchzusetzen. Das Buch ist die ideale Vorbereitung für die erste Reise nach Estland.
- Elena Chizhova
Die stille Macht der Frauen
(9)Aktuelle Rezension von: WinfriedStanzickMit ihrem mit dem russischen Booker-Preis ausgezeichneten Roman führt die Schriftstellerin Elena Chizova ihre Leser in die Zeit der Sowjetunion der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Stalin ist 1953 gestorben und ein leichtes Tauwetter hat eingesetzt. Dennoch ist es für Menschen, die anders sind, anders denken und anders fühlen und vor allen Dingen anders handeln, als es in der gleichgeschalteten Diktatur erlaubt und vorgegeben ist, schwer ihre Existenz zu fristen. Elena Chizova erzählt in ihrem berührenden Roman von drei alten Frauen, denen es über Jahre hinweg gelingt, ihre Selbstständigkeit zu behalten und die Behörden im Schach zu halten. Eine junge Frau, Antonia, findet mit ihrer kleinen Tochter Susanna Unterkunft in einer Gemeinschaftswohnung. Nach den ersten eher holprigen Versuchen gelingt es Antonia zu den bisherigen Bewohnerinnen der Wohnung, den alten Frauen Ariadne, Glikerija und Jewdokia so etwas wie eine Beziehung aufzunehmen. Die beiden alten Frauen, deren Erinnerungen und Gespräche sich immer um wichtige Begebenheiten und politische Zusammenhänge in der Vergangenheit drehen, nehmen sich der kleinen Susanna an. Das Mädchen hat einen in der damaligen Sowjetunion großen Makel: es spricht nicht. Als Susanna das Kindergartenalter erreicht, wird die Lage prekär. Doch die drei alten Frauen, mitten im verordneten Atheismus ihren christlichen Glauben lebend, schaffen es, ihre Angst zu überwinden und treten mit Mut und Kraft, einer faszinierenden Phantasie und großem Mutterwitz der allmächtig scheinenden Bürokratie entgegen, die schon an Antonias Arbeitsplatz anfängt. Es ist dieser sich auch in der hervorragenden sprachlichen Umsetzung von Elena Chizova zeigende Eigensinn, der die Bedrückung und die mit einer lähmenden Angst infiltrierte gesellschaftliche Atmosphäre dieser Zeit für den Leser und wohl auch für die Protagonisten selbst erträglich macht. Sie sind sich ihrer stillen Macht sehr wohl bewusst, haben nichts mehr zu verlieren und retten so ein kleines Mädchen vor einem ungewissen Schicksal. Man muss dieses wunderbare Buch sorgfältig lesen, die von der Übersetzerin Dorothea Trottenberg am Ende angebotenen historischen Erklärungen immer wieder durchlesen. Dann kann man dem Ablauf der Ereignisse und der anspruchsvollen Sprache Chizovas sehr gut folgen. Dorothea Trottenberg hat das Buch in gewohnter Sachkenntnis ihres historischen Gegenstandes übersetzt. Etwa zeiggleich mit dem Erscheinen dieses Buches bei DTV hat sie für herausragende Übersetzungen ins Deutsche den mit 15.000 Euro dotierten Paul-Celan-Preis 2012 bekommen für ihr Gesamtwerk. - Andrej Kurkow
Ein Freund des Verblichenen
(41)Aktuelle Rezension von: Igelmanu66»Ich stellte mir vor, wie sie alle bei der Kriminalpolizei saßen, die Dutzende von lästigen Fragen stellte. ... Ich musste nur noch einen erschwinglichen Killer finden, das Geld für sein Honorar auftreiben, und dann würde der von mir ideal ausgedachte Mord ein weiteres ungelöstes Rätsel werden. Ein sinnloses Leben effektvoll zu beenden, reizte mich. Und bei den rätselhaften Morden gibt es noch einen bestechenden Aspekt – man schreibt häufig in Zeitungen und Büchern über sie, man erinnert sich an alle Einzelheiten und an den Namen des Opfers, so dass ich eine reale Chance hatte, wenn schon nicht für alle Ewigkeit, so doch für lange Zeit im Gedächtnis der Menschheit zu bleiben.«
Tolja hat genug von diesem Leben. Er ist arbeitslos, seine Frau betrügt ihn, nichts macht mehr Spaß und nichts macht mehr Sinn. Eigentlich wäre er ein Kandidat für einen Selbstmord, aber das gelingt ihm auch nicht. Mit Hilfe eines Freundes heuert er schließlich einen Killer an, der ihn ermorden soll. An seinem geplant letzten Abend nimmt er eine junge Prostituierte mit in seine Wohnung und verbringt eine so schöne Zeit mit ihr, dass sie am nächsten Morgen kein Geld von ihm nimmt und ihm ihren richtigen Namen nennt. Jetzt hat Tolja eigentlich keine Lust mehr zu sterben, aber der Auftrag läuft bereits…
Andrej Kurkow ist ein renommierter und politisch engagierter ukrainischer Schriftsteller, für mich war dies sein erstes Buch von ihm. Sein Stil gefiel mir sofort, mit liebevollem Blick schaut er auf seinen Protagonisten, der sich durch ein kompliziert werdendes Leben kämpft. Die Ausgangssituation fand ich reizvoll und hatte lange keine Ahnung, wie das alles wohl ausgehen wird. Nach Unmengen von Alkohol (scheint normal zu sein in Kiew ;-) läuft es auf einen zur Atmosphäre perfekt passenden Schluss zu. So kurz das Buch ist, ist es doch rund und hat mich gut unterhalten.
Fazit: Kurz, aber gut. Tolle Atmosphäre und interessante Handlung.
- Ariëlla Kornmehl
Was Du mir verschweigst
(3)Aktuelle Rezension von: WinfriedStanzickDieser nunmehr dritte Roman der Niederländerin Ariella Kornmehl ist die traurige und am Ende doch Mut machende Geschichte der persönlichen Spurensuche einer jungen Frau namens Lunia. Mit 23 Jahren ist die gebürtige Russin aus St. Petersburg nach Amsterdam gekommen, hat einen Mann kennengelernt und ihn bald geheiratet. Der Sohn von Bas und Lunia, der bald zur Welt kommt, ist taubstumm. Weil ihr auch ihr Beruf als Maklerin immer weniger Spaß macht und sie sich, -sie weiß nicht wie- in einen anderen Mann verliebt, ist ihr Leben in einem ziemlichen Durcheinander. In dieser frühen Lebenskrise bekommt sie Nachricht von der schweren Erkrankung ihres Vaters, eines ehemaligen hochrangigen Offiziers der russischen Roten Armee. Sie fliegt nach St. Petersburg, doch so schlecht geht es ihrem Vater gar nicht. Die Eltern haben sie wohl gerufen, weil ihnen irgendetwas auf der Seele liegt. Und langsam kommen in langen Gesprächen in der Küche Bruchstücke einer Vergangenheit heraus, auf die die Mutter von Lunia nie angesprochen werden wollte, und denen sie sich auch jetzt standhaft verweigert. Was Lunia schon lange gespürt hatte: in der Familie gibt es ein Geheimnis. Sie ist nicht die Tochter ihres Vaters. Am Krankenbett sagt er zu ihr: „Es ändert sich nichts, flüsterte er, aber ich will, dass du es weißt. Dass du weißt, dass ich es auch nicht weiß. Und dass du Verständnis für deine Mutter aufbringst.“ Nun erst recht will Lunia von ihrer Mutter mehr erfahren. Aus den wenigen Hinweisen von ihr und krampfhaft in ihren eigene Erinnerungen kramend, geht sie zurück in das tschechoslowakische Brünn des Jahres 1968. Sie befragt frühere Freunde der Familie, und endlich konfrontiert sie ihre Mutter: sie hatte wohl als slowakische Studentin Beziehungen mit verschiedenen Männern und flüchtete sich nach der Verhaftung ihres Geliebten während der russischen Niederschlagung des Prager Frühlings in die sicheren Arme eines russischen Offiziers. Der sei mit ihr nach St. Petersburg gegangen und habe Lunia als seine eigene Tochter angenommen und geliebt. Die Mutter appelliert an ihre Tochter sich damit abzufinden, so wie sie es ihr Leben lang getan hat. Mehr Öffnung ist nicht möglich. Und so kehrt Lunia nach Amsterdam zurück, ohne zu wissen, wer nun ihr Vater ist. Doch was sie gefunden hat, ist eine neue Sicherheit in ihrem Leben, Orientierung und Sinn: „Fakt ist, dass ich auf die Welt gekommen bin. Und die Welt in mich. Ich muss versuchen, etwas daraus zu machen.“ - Andrej Kurkow
Petrowitsch
(15)Aktuelle Rezension von: Anja_LevEin echter Kurkow. Die kasachische Wüste, als Kindernahrung getarnte Drogen, der ukrainische Geheimdienst, die nationalistische Partei und das Geheimnis des ukranischen Nationaldichters Taras Schewtschenko, heiliger Sand und nicht zuletzt das Chamäleon mit Namen Petrowitsch ergeben ein verrücktes Abenteuer, lakonisch und mit viel Witz erzählt. villeicht nicht ganz so gut wie "Picknick auf dem Eis" aber dennoch ganz wunderbar. - Tor Bomann-Larsen
Der Leibarzt des Zaren
(1)Aktuelle Rezension von: papalagiKlappentext: "Es ist die Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918, gegen halb zwei Uhr morgens, als im Keller einer Villa im sibirischen Jekaterinburg jene Schüsse fallen, die in Russland das Ende der alten Zeit besiegeln. Unter den elf Toten dieser Nacht ist auch der Leibarzt der kaiserlichen Familie, Doktor Jewgenij Sergejewitsch Botkin. Der 53-jährige Mediziner ist einer der engsten Vertrauten des Zaren und doch kein blinder Gefolgsmann. In seinem Tagebuch lässt Botkin seine Zeit am Hof Revue passieren und berichtet vom Alltag in der Gefangenschaft. Er durchschaut die Schwäche Nikolaus II, der - gefangen im Glauben an seine von Gott gewollte Herrschaft - unfähig ist, auf die Ereignisse zu reagieren und dem religiösen Wahn der Zarin Alexandra entgegenzuarbeiten. So werden seine privaten Aufzeichnungen zur Chronik eines angekündigten Untergangs." Der Leibarzt des Zaren, Dr. Botkin, schildert das letzte Jahr zusammen mit der Zarenfamilien in der Gefangenschaft. Immer wieder blickt er auch weiter zürück auf die vergangenen Jahre. Man weiss, dass Dr. Botkin während der Gefangenschaft wirklich Tagebuch geführt hat, diese sind aber bis heute nicht gefunden worden. Der Roman liest sich sehr gut, ist spannend und gibt einen interessanten Einblick in die Zarenzeit.