Bücher mit dem Tag "lenin"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "lenin" gekennzeichnet haben.

75 Bücher

  1. Cover des Buches Sturz der Titanen (ISBN: 9783404166602)
    Ken Follett

    Sturz der Titanen

     (1.281)
    Aktuelle Rezension von: Mike_Leseratte

    Dies ist nicht der erste Follett den ich lese, dennoch wahrscheinlich einer der besten. Der Einstieg ist etwas gewöhnungsbedürftig, weil man sich an die vielen sehr unterschiedlichen Charaktere gewöhnen muss. Doch sobald man dies geschafft hat, kann man das Buch echt nur noch genießen. Die verschiedenen Charaktere spiegeln wunderbar die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Länder dar, die entsprechend in dem Weltkrieg beteiligt sind. Es wird ausführlich dargestellt, wie die Kette an Umständen für den Krieg sorgt, wie der Krieg abläuft und wie wieder "Frieden" einkehrt. 

    Dennoch schadet es nicht, entsprechendes Vorwissen zu haben, um die Ereignisse in den richtigen Kontext einordnen zu können. Des weiteren ist mir zu Beginn des Buches einige "tun" aufgefallen, was den Lesefluss störte, da diese leicht hätten verhindert werden könnten. Ich kann nur vermuten, dass es Übersetzungsüberbleibsel von dem Verb "do" ist, oder eigentlich den walisischen Wortschlag aufgreifen möchte, was aber im deutschen nicht sehr gelungen ist. Dadurch, dass er nach kurzer Zeit verschwindet, fällt er auch nicht mehr sonderlich ins Gewicht.


    Insgesamt eine wunderbare Aufarbeitung und Erzählung zu Zeiten des ersten Weltkrieges. 

  2. Cover des Buches 1913 (ISBN: 9783596520534)
    Florian Illies

    1913

     (287)
    Aktuelle Rezension von: Calderon

    Schon zweimal habe ich 1913 von Florian Illies gehört, das Buch macht einfach Spaß. Es ist ein tolles Kaleidoskopt des letzten friedlichen Jahres vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der Leser unternimmt einen Streifzug durch Kunst, Literatur, Politik und Klatsch. Die Zeitungswelt gibt ein Stelldichein und alles ist mit mehr als einer deftigen Prise boshaftem Witz, Ironie und Sarkasmus gewürtzt.

  3. Cover des Buches Kind 44 (ISBN: 9783442481859)
    Tom Rob Smith

    Kind 44

     (767)
    Aktuelle Rezension von: honeyandgold

    Kind 44 war jetzt schon lange auf meiner Wunschliste und dann durch einen netten Zufall hab ich das Buch dann geschenkt bekommen. Nun lag es aber wieder auf meinem SUB und gammelt da vor sich hin.

    Nun hab ich mir endlich den Mut gefasst und das Buch in die Hand genommen und es hat mich wirklich aus den Socken gehauen.

    Ich dachte natürlich das es hier um harten Toback geht aber ich war nicht auf das vorbereitet.

    Allem voran die Grausamkeit des russischen Staates hat mich komplett aus den Socken gehauen. Mir war nie bewusst unter welchem Druck die Menschen gelebt haben müssen.

    Die Angst zu verhungern oder in ekelhaften Lebensverhältnissen zu leben, war fast an der Tagesordnung.

    Kein Schritt konnte gemacht werden ohne die Angst zu haben, verpfeifen zu werden.

    Wir schreiben das Jahr 1953. Wir befinden uns in Russland und jeder mit ein bisschen geschichtlichen Wissen, hat ein wenig die Vorstellung das es zur Stalins Zeiten nicht so rosig für die Bevölkerung aussah. Auch ich wusste zwar Eckpunkte aber das was das Buch so schonungslos berichtet, war leider bittere Realität. Hunger, Verlustängste und Vertrauensbrüche standen leider auf der Tagesordnung. Eine grausame Welt, die für viele Menschen leider Realität war.

    Zusammen mit dem erfolgreichen Leo Demidow stolpern wir über einen Fall, der grausam genug ist aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.

    Ein Kind ist gestorben, aber niemand will ermitteln. Es war ein Unfall.

    Doch Leo glaub dem ganzen nicht und fängt an selbst zu ermitteln. Nur leider macht ihm das Regime immer wieder ein Strich durch die Rechnung. Er wird als Verräter gejagt und geächtet.

    Damit beginnt eine knallharte Reise.

    Der Schreibstil liest sich flüssig, aber leider tröpfelt die Geschichte manchmal etwas vor sich hin. Durch die Grausamkeit des russischen Staates, tretten die Morde fast schon in den Hintergrund. Ein stückweit denke ich das es wollt war, aber Kinder sterben auf grausame Weise und irgendwie niemanden scheint es zu interessieren. 

    Der Tod der Kinder, rückt eigentlich immer etwas in den Hintergrund. Es wird sehr deutlich das der Schwerpunkt eher woanders liegt.

    Es macht das Buch dadurch nicht schlecht aber macht einen stutzig. 

    Leider kann ich nicht mehr dazu sagen, den der Plotwist hat mich wirklich umgefegt.

    Also wirklich umgefegt.

    Ich hab das Buch kurz weg legen müssen, um damit klar zu kommen.


    Kurzum: Jeder der diese Buch liest muss sich auf einiges gefasst machen.

    Es ist nicht mein Highlight und ich würde es nicht nochmal lesen, aber es hat sich sein Platz in meinem Regal auf jedenfall verdient.

  4. Cover des Buches Sternstunden der Menschheit (ISBN: 9783150206393)
    Stefan Zweig

    Sternstunden der Menschheit

     (204)
    Aktuelle Rezension von: sarah83sbookshelf

    Stefan Zweig beleuchtet in seinen "Sternstunden der Menschheit" verschiedene geschichtliche Ereignisse und deren Auswirkung auf die Entwicklung der Kulturen.
    Je nach Buchausgabe bekommt der Leser zwischen fünf und fünfzehn Ereignisse präsentiert.

    Wobei ... 

    Womit ich beim Lesen am meisten gehadert habe, ist die Auswahl der "Sternstunden". Sicherlich sind viele der Ereignisse, die Stefan Zweig auswählt, für den jeweiligen kulturellen Bereich wichtig und vielleicht auch essentiell, aber bei mehreren dachte ich nicht an das Wort "Sternstunde".
    Das Wort "Sternstunde" sehe ich als Leser positiv, es ist etwas Gutes; wenn Stefan Zweig mit Kriegen als "Sternstunden" daherkommt, bin ich somit ziemlich irritiert. Das gleiche gilt für Musikstücke. Begnadet oder auch kulturell neu adaptiert, sind die Geschichten dahinter sehr interessant, aber für mich keine wahrliche "Sternstunde".

    Das ist für mich z.B.: Die Erzählung über die Reise zum Südpol oder auch über die Verlegung des ersten Kabels zwischen Europa und Amerika.

    Sprachlich sind die Texte auf einem hohen Niveau und keine leichte Lektüre für zwischendurch.

    Das Buch und Stefan Zweigs Meinung sind allerdings ein Spiegel ihrer Zeit und zeigen auf, welches Gewicht gerade diese Ereignisse für den Autor hatten. 

    Daher ist das Buch eher aus geschichtlichen - besonders sozialgeschichtlichen - Aspekten zu empfehlen.

    3 von 5 Sternstunden 

  5. Cover des Buches The Noise of Time (ISBN: 9781784703325)
    Julian Barnes

    The Noise of Time

     (25)
    Aktuelle Rezension von: naninka
    Das Cover gefällt mir gut, wobei es eher an einen Spionagethriller erinnert. "The Noise of Time" (Der Lärm der Zeit) ist eine Biografie oder vielmehr Memoiren, ein Künstler- und gleichzeitig Politroman. Der Komponist Dimitri Dimitrievich Schostakowitsch litt sein Leben lang unter dem Sowjetregime, vor allem erlitt und ertrug er Todesängste. Zeitweise wurde er verehrt, dann wieder geächtet, dann wieder geschätzt und instrumentalisiert. Julian Barnes beschreibt in seinem neusten Roman die zerrissene Seele des Komponisten, der trotz seiner Qualen ein grosses Werk schuf. Die vielseitige Biografie beschreibt Tagebuch-artig, das Leben, die Lieben und das Leiden des Komponisten. Es handelt sich hierbei um eine wahre Geschichte. Gleichzeitig ist es ein Künstlerroman und beschreibt seinen Werdegang, seine Höhen und Tiefen, Erfolge und Niederlagen, Ruhm und Ehre, dann wieder Ächtung und Häme, ... Doch Schostakowitsch war nicht nur ein grosser Komponist und eine der spannendsten Künstlerpersönlichkeiten der Sowjetunion, sondern auch eines der prominentesten Opfer von Stalins Diktatur. Insofern ist es auch ein Politroman. Und es ist ein psychologischer Roman: Schostakowitschs Auseinandersetzungen mit der Sowjetrepression und ihrer Wirkung auf seine Psyche und Schaffenskraft sind eins der Hauptthemen. Die Auswirkungen dieses Drucks und der ständigen Bedrohungen sind es, die Barnes hautnah aus der Perspektive des Komponisten schildert. Trotz der Vielfalt und Dichte dieses kleinen Buchs, hat mich die Geschichte nicht gefesselt. Obwohl die Handlung spannend und dicht war, vermochte sie mich nicht zu berühren. - Lag es am Sprachstil oder daran, dass alles nur angedeutet wird. Ich weiss es nicht...
  6. Cover des Buches Farm der Tiere (ISBN: 9783864459870)
    George Orwell

    Farm der Tiere

     (917)
    Aktuelle Rezension von: Anna_Ressler

    Inhalt: Eingesperrt und ausgebeutet beschließen die Tiere auf dem Gutshof zu rebellieren. Die menschliche Herrschaft muss überwunden werden. Doch wird danach wirklich alles besser sein? Oder ist die erkämpfte Freiheit nur ein trügerisches Gebilde? 

    Meine Meinung: Die zweisprachige Ausgabe mit aktueller Übersetzung gab mir nicht nur die Möglichkeit mein englisch aufzubessern, sondern auch ins Original zu schnuppern. Orwell lässt seine Leser teilhaben an der Entwicklung der Tiere und verdeutlicht anschaulich, wie Machtstrukturen entstehen und sich verselbstständigen. Für mich war der Weg der Tiere von der Rebellion bis hin zum Ende erschreckend nachvollziehbar. Ich erkannte vergangene Systeme und leider auch unsere 'moderne' Welt darin wieder. Die verschiedenen Tierarten symbolisieren für mich verschiedene Charaktertypen und waren mit entsprechenden Eigenschaften ausgestattet. Entsprechend verhielten sie sich als Gemeinschaft. Gekonnt spielt Orwell mit den Begriffen Freiheit und Selbstbestimmung. 

    Fazit: Definitiv lesenswert - aber kein angenehmes Buch. 

    ~All animal are equal but some animals are more equal than other.~

  7. Cover des Buches Und die Erde wird zittern (ISBN: 9783806235746)
    Douglas Smith

    Und die Erde wird zittern

     (9)
    Aktuelle Rezension von: Andreas_Oberender

    "Dienstag. Ein kalter, windiger Tag. Ich war den ganzen Vormittag beschäftigt. Mittagessen mit Fürst Orlow und Resin. Ging spazieren. Um 4 Uhr fuhren wir nach Sergejewka. Tee mit Miliza und Stana. Wir lernten einen Mann Gottes kennen, Grigori aus dem Gouvernement Tobolsk."

    Mit diesen lapidaren Worten hielt Zar Nikolaus II. am 1. November 1905 in seinem Tagebuch die erste Begegnung mit dem sibirischen Bauern Grigori Rasputin (1869-1916) fest. Wie sehr das Treffen ihr Leben prägen und verändern sollte, ahnten der Zar und seine Gemahlin Alexandra an jenem Tag nicht. Rasputin gehört zu den berühmtesten – oder wohl eher berüchtigtsten – Figuren der russischen Geschichte. Über Rasputin dürfte ähnlich viel geschrieben worden sein wie über Peter den Großen, Katharina die Große, Lenin und Stalin. Bis heute wird dem Mann aus Sibirien eine erhebliche Mitschuld am Niedergang der Romanow-Monarchie und am Zusammenbruch des Zarenreiches zugeschrieben. Kaum eine andere Gestalt hat im vorrevolutionären Russland derart viel Hass auf sich gezogen wie Rasputin. In den Augen seiner Zeitgenossen war der Sibirier ein religiöser Fanatiker und Sektierer; ein Hochstapler und Scharlatan, der sich als Wunderheiler ausgab; ein reaktionärer Einflüsterer, der die Politik des Zaren verhängnisvoll beeinflusste; ein unersättlicher Lustmolch und Frauenschänder; ein Landesverräter und Spion im Sold der Deutschen. Wie Douglas Smith in der Einleitung seines Buches hervorhebt, wurde über kaum eine andere Figur der russischen Geschichte so viel Unsinn verbreitet wie über Rasputin. Smith hat es sich zum Ziel gesetzt, den Wust von Gerüchten und Legenden beiseite zu schieben, der das Rasputin-Bild bis heute prägt.

    Smith ist nicht der erste Autor, der das gängige Zerrbild von Rasputin durch ein realistisches Porträt ersetzen möchte. Alle anderen Versuche aus jüngerer Zeit, ein an überprüfbaren Fakten orientiertes Bild von Rasputin zu entwerfen, übertrifft Smith durch die ungeheure Breite und Tiefe seiner Darstellung. Mit seiner Biographie leistet er mehr, als nur Rasputins Lebensweg zu rekonstruieren, von den obskuren Anfängen in Sibirien bis zum gewaltsamen Tod im Dezember 1916. Smith bietet ein beeindruckendes Panorama der russischen Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkrieges und der Revolution. Rasputin lebte in einem Land, das aus den Fugen zu geraten drohte. Die Abneigung, die er auf sich zog, kaum dass er zum Vertrauten der Zarenfamilie aufgestiegen war, ist nur vor dem Hintergrund der Krise verständlich, in der sich das späte Zarenreich befand. Das Verhältnis zwischen der Krone und den gebildeten Ständen war nachhaltig gestört und von wechselseitigem Misstrauen geprägt. In der Presse regte sich immer wieder Kritik am Zaren und an der ominösen "Hofpartei", die angeblich den Gang der hohen Politik bestimmte. Im Regierungsapparat, aber auch in der Leitung der Orthodoxen Kirche waren Machtkämpfe und Intrigen an der Tagesordnung. Rasputin betrat ein Minenfeld, als er 1905 nach Petersburg kam. Ehe er sich versah, wurde er in die Konflikte und Spannungen hineingezogen, die das politische, gesellschaftliche und religiöse Leben Russlands bestimmten.

    Konsequent gibt Smith jenen Quellen den Vorzug, die zu Rasputins Lebzeiten entstanden sind, nicht erst nach seinem Tod. Für die Biographie hat Smith umfangreiche Aktenbestände aus russischen, europäischen und amerikanischen Archiven ausgewertet. Skeptisch betrachtet er die Memoiren von Zeitgenossen, die erst nach Rasputins Tod verfasst wurden. Nach dem Ende der Romanow-Monarchie waren der Diffamierung und Dämonisierung des Sibiriers keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Viel zu lange, so Smith, haben fragwürdige und problematische Quellen, die aus der Zeit nach Rasputins Tod stammen, das Rasputin-Bild bestimmt. Für die Biographie hat Smith außerdem die zeitgenössische russische Presse und die Korrespondenzen zahlreicher Persönlichkeiten ausgewertet. Es liegt auf der Hand, dass sich eine Rasputin-Biographie nicht damit begnügen kann, die gesicherten Fakten über Rasputins Leben zusammenzufassen. Smith schildert das Leben seines Protagonisten, und zugleich analysiert er, welches Bild sich die russische Gesellschaft von dem Emporkömmling Rasputin zusammenphantasierte. Was hat Rasputin tatsächlich getan, und was wurde ihm von der Öffentlichkeit angedichtet und unterstellt? Smiths Bemühungen laufen auf die Demontage eines zählebigen Mythos hinaus, auf die Widerlegung oder zumindest Abschwächung vieler Legenden, die seit über hundert Jahren im Umlauf sind. Smith geht dabei allerdings nicht so weit wie manche russische Autoren der Gegenwart, die den negativen Rasputin-Mythos in sein Gegenteil verkehren und Rasputin zum Unschuldslamm und Märtyrer stilisieren.

    Über Rasputins Leben bis zum Alter von etwa 30 Jahren ist so gut wie nichts bekannt. Rasputin erhielt keine Schulbildung; er lernte erst als Erwachsener Lesen und Schreiben. Kurz vor der Jahrhundertwende hatte er ein religiöses Erweckungserlebnis. Obgleich Ehemann und Vater, begann er ein neues Leben als Pilger und religiöser Wanderer (strannik). In seinem sibirischen Heimatdorf Pokrowskoje und später in Petersburg gewann er als spiritueller Mentor viele Anhänger und Verehrer. Anders als oft behauptet, trat Rasputin nicht als Wunderheiler und Hypnotiseur auf. Bald nach seiner Ankunft in Petersburg (1905) wurde er dem Zarenpaar vorgestellt. Auch Nikolaus und Alexandra lernten Rasputin als geistlichen Beistand schätzen, wie Tagebuchnotizen und Briefe belegen. Die Bluterkrankheit des Thronfolgers Alexej spielte eine geringere Rolle als traditionell angenommen. Die Begegnungen und Gespräche mit Rasputin hatten auf das Zarenpaar eine tröstende und aufbauende Wirkung. Besonders die Zarin konnte mit "Vater Grigori" ihre inbrünstige Religiosität ausleben. Sie war überzeugt, dass Rasputins Gebete segensreich für ihre Familie waren. Rasputin hatte kein Interesse an Theologie. Der christliche Glaube war für ihn eine Sache des Herzens, nicht des Verstandes. Mit dieser Haltung traf er den Nerv der Zarin und seiner mehrheitlich weiblichen Anhängerschaft. Rasputin zog Menschen an, die mit der in pompöser Routine erstarrten Amtskirche unzufrieden waren und sich nach emotional intensiven Glaubenserlebnissen sehnten. Smith zitiert aus Briefen, die Rasputin an die Zarenfamilie schrieb, und aus einigen Interviews, die er russischen Zeitungen gab. Diese Quellen zeigen Rasputin als Mann von schlichtem Gemüt. Seine Denk- und Ausdrucksweise war naiv und schwärmerisch.

    Wie Smith mehrfach betont, hielt sich Rasputin nie dauerhaft am Zarenhof auf. Erst 1914 nahm er sich eine eigene Wohnung in der Hauptstadt. Er kehrte immer wieder für längere Zeit in seine sibirische Heimat zurück. Oft vergingen mehrere Monate zwischen seinen Begegnungen mit Nikolaus und Alexandra. Und doch wurde die Öffentlichkeit schon bald nach Rasputins Ankunft in Petersburg argwöhnisch. Was hatte dieser ungehobelte und schmutzige Bauer im Palast zu suchen? Wie konnte es sein, dass er mit der Zarenfamilie auf vertrautem Fuße stand? Höflinge und Minister, Kirchenleute und Journalisten stellten die abenteuerlichsten Vermutungen über Rasputin und seine Rolle im Umfeld des Herrscherpaares an. Die Presse inszenierte im Lauf der Jahre mehrere Kampagnen gegen den Sibirier. Kleinere, an sich harmlose Skandale, an denen Rasputin beteiligt war, wurden von den Medien gezielt ausgeschlachtet und aufgebauscht, um Rasputin in Verruf zu bringen (Kap. 40 und 45). Auch das Parlament, die Duma, debattierte mehrfach erregt über die Frage: Wer ist dieser Rasputin, und was führt er im Schilde? Es gab etliche Gründe, warum die Spekulationen aus dem Ruder liefen und die Anfeindungen von Jahr zu Jahr bösartiger wurden. Die selbstgewählte Abschottung des Zarenpaares führte zwangsläufig zur Entstehung von Gerüchten. Mit ihrer hartnäckigen Weigerung, Rasputin fallenzulassen und wegzuschicken, fachten Nikolaus und Alexandra den Zorn all derer an, denen der Sibirier ein Dorn im Auge war. Allzu bereitwillig glaubte die Öffentlichkeit, der Thron werde von "dunklen Kräften" kontrolliert. Irgendjemand musste ja schuld daran sein, dass die Kluft zwischen Krone und Gesellschaft immer tiefer wurde. Im Ersten Weltkrieg führte die allgegenwärtige Spionage- und Verschwörungsmanie dazu, dass Rasputin und die Zarin verdächtigt wurden, im Auftrag der Deutschen die russischen Kriegsanstrengungen zu sabotieren. Auch das spannungs- und widerspruchsreiche kulturelle Klima des russischen Fin de siècle, der Zusammenprall von Aufklärung und Obskurantismus, wurde Rasputin zum Verhängnis. Scharlatane aller Art hatten um die Jahrhundertwende Hochkonjunktur in Russland, Wahrsager und Hypnotiseure, Gurus und selbsternannte Wunderheiler. In den Augen kritischer Zeitgenossen stand Rasputin stellvertretend für alle irrationalen und "mittelalterlichen" Kräfte, die Russland daran hinderten, endlich in der Moderne anzukommen (Kap. 11).

    Doch damit nicht genug: Aus Sicht der russischen Gesellschaft verkörperte Rasputin den Archetyp des "bösen Ratgebers", der einen willensschwachen Herrscher nach Belieben manipuliert. Aber war der Mann aus Sibirien wirklich die Graue Eminenz hinter dem Thron? Wie Smith herausarbeitet, kann überhaupt keine Rede davon sein, dass Rasputin systematisch Einfluss auf die Staatsgeschäfte genommen hätte. Einem gänzlich ungebildeten Mann wie Rasputin fehlten alle Voraussetzungen für eine ernst zu nehmende politische Betätigung. Rasputin, zeitlebens auffallend unehrgeizig, besaß kein wie auch immer geartetes politisches Programm, und er war auch nicht das Haupt einer Gruppe oder Clique, die nach der Macht im Staate strebte. Seine Möglichkeiten, auf die Regierung und die Kirchenleitung einzuwirken, waren nicht zuletzt deshalb sehr begrenzt, weil seriöse Politiker und Kirchenführer von Anfang nichts mit ihm zu tun haben wollten. An mehreren Beispielen zeigt Smith, dass der Zar Rasputins gelegentliche Vorschläge in Sach- und Personalfragen ignorierte. Rasputin hob sich noch in anderer Hinsicht von fürstlichen Günstlingen früherer Jahrhunderte ab: Er strebte nicht nach Ämtern und Titeln, und er nutzte seine Stellung nicht, um ein riesiges Vermögen zusammenzuraffen. Geld interessierte ihn nicht. Die Besitztümer, die er seiner Familie hinterließ, hatten einen Wert von gerade einmal 23.500 Rubeln (Kap. 74). Rasputins angebliches Millionenvermögen existierte nur in der Phantasie seiner Feinde.

    Was bleibt vom Rasputin-Mythos? Hatte Rasputin am Ende eine saubere Weste? Wurde ihm von seinen Kritikern durchweg Unrecht getan? Smith stellt klar, dass manche Vorwürfe berechtigt waren. Ähnlich wie die Zarin und andere konservativ gesinnte Personen bestärkte Rasputin Nikolaus II., an der Autokratie als Herrschaftsform festzuhalten und eine Parlamentarisierung des politischen Systems nicht zuzulassen. Das ist jedoch keine Überraschung. Denn warum hätte ausgerechnet ein sibirischer Bauer als Verfechter des Parlamentarismus auftreten sollen? Auch der Vorwurf sexueller Promiskuität lässt sich nur zum Teil entkräften. Rasputin, daran lässt Smith keinen Zweifel, war ein zwanghafter Fummler und Grabscher. Er konnte seine Hände nicht von den Frauen lassen, die in seinen Dunstkreis gerieten. Liebhaber der Zarin und Vater des Thronfolgers war er aber nicht. Im Krieg hatte Rasputin tatsächlich Anteil an etlichen fatalen Personalentscheidungen des Zaren. Dennoch gelangt Smith zu dem Schluss, dass nicht Rasputins Aktivitäten zu dem rapiden Ansehensverlust führten, den die Monarchie in den letzten Jahren ihres Bestehens erlitt. Ausschlaggebend war vielmehr die grotesk verzerrte Wahrnehmung Rasputins in der russischen Gesellschaft. Dem Sibirier wurden finstere Absichten unterstellt, die er nicht hatte, und ihm wurde ein Einfluss zugeschrieben, den er nicht besaß. Nach den militärischen Rückschlägen der Jahre 1915 und 1916 wurde Rasputin die Schuld an allem angelastet, was in Russland im Argen lag. Seine Mörder rechtfertigten ihre Tat damit, sie hätten die Monarchie und das Reich retten wollen. Doch kaum drei Monate nach Rasputins Tod brach das alte Russland wie ein Kartenhaus zusammen.

    An Douglas Smiths Buch wird künftig niemand vorbeikommen, der sich mit dem Untergang der Romanow-Monarchie beschäftigt. Fachhistoriker und historisch interessierte Laien können die Biographie gleichermaßen mit großem Gewinn lesen. Warum nur vier Sterne? Das Buch zeigt anschaulich, wohin es führt, wenn ein Autor zu viel über sein Thema weiß und der Versuchung nachgibt, sein gesamtes Wissen vor dem Leser auszubreiten. Über weite Strecken ist die Fülle und Dichte der vermittelten Informationen schlichtweg erdrückend. Die Erzählung wird umso minutiöser und detailreicher, je mehr sich Smith auf Rasputins Ende zubewegt. Auf die Jahre 1914 bis 1916 entfällt die Hälfte der 74 Kapitel. Es kommen Hunderte und Aberhunderte von Personen vor. Selbst unwichtige Nebenfiguren werden von Smith mit vollem Namen eingeführt, etwa die Polizisten, die Rasputin im Auftrag des Innenministeriums überwachten, oder die Prostituierten, mit denen Rasputin in Petersburg Umgang hatte. In diesem Gewimmel der Personen und Namen geht rasch jeglicher Überblick verloren. Für Leser, die mit der Geschichte des späten Zarenreiches nicht oder nur flüchtig vertraut sind, ist die Lektüre kein Spaziergang. Ohnedies braucht man gutes Sitzfleisch und Durchhaltevermögen, um den 800-seitigen Text zu bewältigen. Es handelt sich um ein anspruchsvolles Buch, das sich nicht als Gelegenheits- oder Unterhaltungslektüre eignet. 

    (Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Oktober 2017 bei Amazon gepostet)

  8. Cover des Buches Child 44 (ISBN: 9781455561445)
    Tom Rob Smith

    Child 44

     (26)
    Aktuelle Rezension von: Angelsammy

    Zwischen der stalinistischen Propaganda und der Realität im Russland des Jahres 1953 klafft eine Lücke wie der Krater von Tunguska. 

    Der Prolog legt schon eine Lunte, die am Ende des Buches eindrucksvoll zündet. 

    Selbstredend gibt es im Paradies des Arbeiters keine Verbrechen, und erst recht keine Serienmörder. Das ist dekadenter Westen. Was sonst? 

    Man bräuchte aber auch wirklich keinen individuellen Feind, wenn der Staat selbst dein ärgster Feind ist und du immerzu in Angst leben musst. 
    Archipel Gulag, KGB und die Geheimpolizei, deren wohl eifrigster Vertreter Leo Demidow ist. Ein Offizier des MGBs.
    Er ist ein Kriegsheld, liebt seine Frau Raisa, lebt materiell nicht schlecht.

    Nicht wenige hat er verhaftet und hart verhört. Dann kommt es knüppeldick. Zu seinem Entsetzen kombiniert er, dass ein Serienmörder sein Unwesen treiben muss, der Kinder ermordet. 

    Mächtige Feinde sägen ihn jedoch ab und er soll samt Frau deportiert werden.  

    Er muss um jeden Preis die Wahrheit aufdecken und den Täter schnappen, wenn er überleben will. 


    Ein sehr fesselndes, exzellent recheriertes Buch, das einem den Schweiß aus den Poren treibt. Was für ein klasse Werk des Briten mit schwedischer Mutter. 

    Dezidiert und raffiniert, komplex, mit unerwarteten Wendungen hält das Buch einen schlaflos. Cold War Fiction at its best! 

    Leo ist eine ambivalente Figur mit dennoch sympathischen Seiten und ich mag ihn. Sehr authentisch! 


  9. Cover des Buches Animal Farm (ISBN: 9783125739000)
    George Orwell

    Animal Farm

     (331)
    Aktuelle Rezension von: freeasaword

    Auf der Herren Farm in der Scheune versammeln sich die Tiere. Der weiße alte Eber Old Major findet die Unterdrückung und Ausbeutung seinesgleichen als nicht mehr tragbar. Von seinen Ideen aufgestachelt brodelt die Idee eines Aufstandes in den Köpfen der tiere...

    Eines nachts, von Hunger getrieben starten die Tiere die Revolution gegen ihren Herrn Jones.
    Ihr daraus entstehendes System nennen sie den Animalismus, in dem folgenden Regeln zu gelten haben:

    Alles, was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind.
    Alles, was auf vier Beinen geht oder Flügel hat, ist ein Freund.
    Kein Tier soll Kleider tragen.
    Kein Tier soll in einem Bett schlafen.
    Kein Tier soll Alkohol trinken.
    Kein Tier soll ein anderes Tier töten.
    Alle Tiere sind gleich.

    Als sie sich endlich von ihm befreit haben, denken sie, dass alles immer besser wird und nun alle gleich wäre. Ob dieses neue System auf der "Farm der Tiere" funktioniert oder ob es doch zu Chaos oder ähnlichem kommt erfahrt ihr im Buch.

    Diese Geschichte erschien 1945.
    Sie ist definitiv ein politisches Meisterwerk.
    Eine Fabel in der die Ereignisse der russischen Revolution auf eine kleine Farm übertragen wurde.
    Mit der Farm Tiere hat der Autor es geschafft, den Ideologen, dem Machtstreben einen hässlichen Spiegel vorzuhalten. 

  10. Cover des Buches Höllensturz (ISBN: 9783570553619)
    Ian Kershaw

    Höllensturz

     (18)
    Aktuelle Rezension von: dunkelbuch

    Will man sich über die historische Entwicklung Europas im letzten Jahrhundert bzw. von 1914 - 1949 ein Bild machen, dann ist wohl kein Buch besser als dieses dafür geeignet!                            

  11. Cover des Buches Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten (ISBN: 9783462301496)
    Christian Kracht

    Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten

     (107)
    Aktuelle Rezension von: Tengo
    Witzige Dystopie, brillante Sprache, spannender Plot. Für mich der beste Kracht bis heute und der Grund, warum ich seither alles von ihm gelesen habe.
  12. Cover des Buches Lenin kam nur bis Lüdenscheid (ISBN: 9783442158720)
    Richard David Precht

    Lenin kam nur bis Lüdenscheid

     (51)
    Aktuelle Rezension von: betapoet

    Richard David Precht Lenin kam nur bis Lüdenscheid: Meine kleine deutsche Revolution ist ein humorvolle und ernste Rückschau auf die Sozialisation und Erziehung des Philosophs Richard David Precht.
    In sorgsam abgestuften Kapiteln wir die enstehende Wertekanon seiner Eltern und deren Einfluß auf die Familie von den frühen Sechzigern bis zum Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger ausgerollt und in vielen persönlichen Erfahrungen geschildert. Dabei hat der neue Wertekanon starke Auswirkungen auf die schulische und Identitätsstiftende Laufbahn. Keine übliche Westsozialisation mit Sweet T.Rex und Deep Purple, sondern Franz Josef Degenhardt und Hannes Wader, amerikanism freies Denken und Natur sowie eine Begeisterung für Sportler aud den sozialisten Staaten spielen dabei eine große Rolle. Precht erstellt ein linkes, Kommunistisches Diorama von den Einflüssen des Viernam Krieges, über die RAF bis zu der Verblassung der Linken im Gründungsfieber und Erschaffung einer 80er Jahre Wohlstandsgesellschaft.
    Besonders gut gefallen haben mir die Sozialisation im westdeutschen Schullalltag zwischen Alt Nazis und reaktionären Gedankengut und der Einzug der links orientierten Refendare und Kumpellehrer. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht. Ganz in der Nähe von Solingen. Werte werden in dieser Familie gelebt, egal ob die Mehrheit einen anderen gesellschaftlichen Entwicklungen und Zielen in Anpassung voranschreitet.
    Das Anderssein und die Kritik werden zur Kompetenz, die heute immer noch eine enorme Kraft und Brillanz des Autors ausmachen. Dieses Buch hat mich, ebenfalls Kind dieser Jahrgänge, zum Abgleich und Reflexion mit meiner eigenen Biographie sehr stark angeregt. Besonders stark finde ich die letzten Seiten die den den Status Quo einer Gesellschaft aufzeigt(Stand 2005) die immer wieder ihre eigenen Gedankenschöpfungen verfolgt egal ob Zustände bleiben oder eher nicht. Tolles Buch.

  13. Cover des Buches Sturz der Titanen (ISBN: 9783785753286)
    Ken Follett

    Sturz der Titanen

     (114)
    Aktuelle Rezension von: Federstrich

    Gewöhnlich wird Ken Follett mit Superlativen überhäuft und in der Regel wird er diesen uneingeschränkt gerecht. Auch für dieses Werk des Autors, das den Anfang einer Trilogie markiert, kommt meine unmaßgebliche Meinung nicht umhin, sich den Jubelrufen anzuschließen. Im Zusammenhang mit einem Hörbuch muss der Lorbeer allerdings auch an den Sprecher weitergereicht werden. In diesem Falle Johannes Steck, der mit seiner markanten Stimme sofort in das Geschehen eintauchen lässt und jedem Charakter Ausdruck verleiht. Soweit mir bekannt, gibt es eine weitere Hörbuch-Version mit einem anderen Sprecher, den ich von dieser Bewertung allerdings ausnehme. Follett und Steck beginnen ihre Erzählung in der Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. In mehreren Ländern werden Familien porträtiert, die durch die Wirren des Schicksals in den Krieg hineingezogen werden und sich mitunter auch auf dem Schlachtfeld begegnen. Wahrhaft meisterlich versteht es Follett in bekannter Manier die Handlungsstränge zusammenzufügen, die Geschichte zwar abzuschließen und doch soviel Spannung zu erzeugen, um erfahren zu wollen, wie es mit den Familien weitergeht. So hätte ich mir meinen Geschichtsunterricht gewünscht.

  14. Cover des Buches Das Philosophenschiff (ISBN: 9783446279421)
    Michael Köhlmeier

    Das Philosophenschiff

     (104)
    Aktuelle Rezension von: Leseratz_8

    Da durch den Klappentext bereits die Handlung bis zur Mitte des Romans verraten wird, spare ich mir eine Erklärung zum Inhalt.

    Leider war es genau dieser Klappentext, der mich zum Buch hat greifen lassen, es ist mein erstes Buch von Michael Köhlmeier. 

    Warum schreibt der Autor dieses Buch, wenn es ihm um die Geschichte geht, warum dann dieser Klappentext? Wenn es ihm um Philosophie geht, warum erzählt ein junges Mädchen, warum nicht z.B. ein Tagebuch von Lenin finden? 

    Während des Lesens hatte ich immer wieder das Gefühl, dass die Erzählung atemlos und besonders einer Hundertjährigen nicht angemessen ist. Kurze Sätze, eine exzessive Verwendung von Satzzeichen oder auch Sätze, die eigentlich gar keine sind. Ich fand es anstrengend! 

    Weder die Architektin, noch der Erzähler waren mir sympathisch und so konnte ich das Buch immer wieder weglegen, wenn mir der schon beschriebene Stil zu viel wurde. Ich habe bis zum Ende durchgehalten, immer in der Hoffnung auf eine Erklärung, die leider nicht kam. 

     

    Fazit: Ich habe die Idee des Buches scheinbar nicht verstanden. Die Unfähigkeit eines Regimes, welcher Art auch immer, gegensätzliche Meinungen zu akzeptieren bzw. zu integrieren, ist nichts Neues. Ob der Monolog von Stalin uns die Denkweise von Putin verdeutlichen soll, ich weiß es nicht. Außerdem war mir meine Zeit zu schade, die sicher vorhandenen Interviews mit dem Autor auf der Suche nach Antworten zu recherchieren.

  15. Cover des Buches Kalendergeschichten (ISBN: 9783518189313)
    Bertolt Brecht

    Kalendergeschichten

     (23)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    „Kalendergeschichten“ von Bert Brecht, das sind kurze Geschichten und Gedichte über das menschliche Sein und Brechts Gedanken dazu. Brecht erzählt Geschichten in für ihn fast schon biederer Manier mit Bildern aus der Bibel oder dem Buddismus, über große Personen wie Sokrates oder Francis Bacon, und immer geht es dabei um den Humanismus, um das, was die Menschen ausmacht. Brecht fasste diese Geschichten kurz nach dem Krieg zusammen und veröffentlichte sie 1949 und wie ich finde tat er gut daran, denn es sind keine kämpferischen Schriften, keine Anklagenden, sieht man einmal von dem Gedicht „Kinderkreuzzug 1939“ ab, das einen bitteren Blick auf den Krieg wirft. Es wirkt fast wie ein Mutmach-Bändchen für das geschlagene Deutschland, eine Erinnerung daran, das wir nicht nur Krieg und Endsieg kennen, sondern auch den Humanismus kennen, den jeder Leser für sich selbst sicherlich in einer der kleinen Geschichten wieder entdecken kann, denn Brecht spielt mit den Grundgedanken der Menschlichkeit und Nächstenliebe und gibt ihm viele Fassetten Leider ist in meiner Ausgabe nicht der komplette Inhalt des eigentlichen Buches enthalten, es fehlt hier und da ein Stück, was ich sehr schade finde. Aber eine Komplette Ausgabe wird besorgt. Die Geschichten haben mir fast alle sehr gut gefallen und über den „unglücklichen Sokrates“ musste ich sogar lauthals lachen. Eine kurze Lektüre mit Gehalt, für zwischendurch oder auch für länger.
  16. Cover des Buches Der Lärm der Zeit (ISBN: 9783442716524)
    Julian Barnes

    Der Lärm der Zeit

     (87)
    Aktuelle Rezension von: holzmair_eva

    Angeregt zu dieser Lektüre wurde ich durch den Besuch der Oper Lady Macbeth von Mzensk in einer großartigen Aufführung der Wiener Staatsoper vor wenigen Tagen. 

    Genau dieses Werk liefert den Komponisten Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch dem Stalinistischen Säuberungswahn aus, weil Genosse Stalin die Aufführung der Oper am 26. Januar 1936 im Bolschoi Theater noch in der Pause verlässt. Fortan wartet Schostakowitsch jede Nacht mit gepacktem Koffer vor der Aufzugstür, um Frau und Kindern den Anblick der Schergen zu ersparen, denn sie holen „einen immer mitten in der Nacht“. Doch die Schergen bleiben aus. Am Ende seines Lebens wird Schostakowitsch, von Selbstzweifeln geplagt, laut Barnes feststellen: „Indem sie ihn leben ließen, hatten sie ihn umgebracht.“  

    Schostakowitsch ärgert sich über die Besucher (z.B. Sartre) aus dem Westen, die Stalin bewundern und begeistert über eine Sowjetunion schreiben, die es so nicht gibt, denn der Sowjetmensch hat gelernt, Fremden gegenüber nur die Propagandameinung zu äußern, damit ihn die Machthaber nicht verfolgen (das kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?).

    Der Komponist, der sich selbst als feig bezeichnet, versucht irgendwie durchzukommen, nicht der Partei beizutreten, sie jedoch mit mittelmäßigen, dem Geschmack der Kulturbonzen entsprechenden Kompositionen bei Laune zu halten, und dazwischen  Musik zu schreiben, die ihm am Herzen liegt. Jeden Morgen tröstet er sich mit zwei Gedichten von Jewtuschenko, von denen eines Die Karriere treffend seine Situation beschreibt: „Ein gelehrter Mann zu Galileos Zeit / wusste wie Galileo Bescheid: / Die Erde dreht sich ganz bestimmt / Jedoch er hatte Weib und Kind“.

    Unter Chruschtschow wird Schostakowitsch genötigt, der Partei beizutreten. Von den ins Ausland geflohenen Kollegen wird er deshalb bei einer Propagandareise in die USA gemieden. Er muss Reden verlesen, die nicht er, sondern irgendein Parteiapparatschnik geschrieben hat. Er versucht, sich mit Ironie davon zu distanzieren, aber niemand begreift diese Ironie. Die Zuhörer:innen nehmen das Geschwafel aus seinem Mund ernst.

    So begleitet die Leserin / der Leser den Komponisten Schostakowitsch durch ein von staatlicher Willkür bestimmtes Leben, das auch einige Glücksmomente bereithält, die jedoch „von allem, woran er sich nicht erinnern“ will, „überdeckt und verwoben“ werden.

    Julian Barnes liefert eine brillante Analyse des Verhaltens eines Künstlers in der Diktatur. Sie ist gerade jetzt wichtig, wo wir dazu neigen, vorschnell Menschen zu verurteilen, die sich nicht gegen den von ihrem Machthaber losgetretenen Krieg aussprechen.

    Großes Lob auch an die Übersetzerin der deutschen Fassung, Gertraude Krueger, die hier ausgezeichnete Arbeit geleistet hat.



  17. Cover des Buches Stalin (ISBN: 9783104008004)
    Simon Montefiore

    Stalin

     (19)
    Aktuelle Rezension von: Bella5
    Diese Stalin - Biographie ist unglaublich gut geschrieben und liest sich fast wie ein Roman. Hier gibt es quasi "Geschichte zum Anfassen". Dieses Sachbuch ist auch etwas für Leute, denen solche Darstellungen sonst zu "trocken" sind.
  18. Cover des Buches Red Star Over Russia (ISBN: 9781854379351)
    David King

    Red Star Over Russia

     (4)
    Aktuelle Rezension von: muddi
    Opulenter Bildband, der visuell eindrucksvoll schildert, wozu Worte fehlen: Die Greuel des Stalinismus, des zweiten Weltkrieges, der russischen Front. Bildmaterial, das es in keinem anderen historischen Werk z usehen gibt wurde von Russlandkenner und -forscher David King in Jahrzehnten, oft unter Lebensgefahr, zusammengetragen, sortiert, kontextuiert und schließlich in diesem Band zusammengafasst. Die internationale Anerkenneung findet hoffentlich auch in Deutschland einen entsprechenden Widerhall.
  19. Cover des Buches Der wahrhaftige Volkskontrolleur (ISBN: 9783852186795)
    Andrej Kurkow

    Der wahrhaftige Volkskontrolleur

     (26)
    Aktuelle Rezension von: samo
    Inhalt:

    Es ist unglaublich, was Pawel Dobrynin erlebt, nachdem er unerwartet zum Volkskontrolleur auf Lebenszeit für die ganze Sowjetunion gewählt wird. Auf seiner Reise durch die Sowjetunion begegnet er einer Vielzahl von schillernden Figuren: darunter dem geheimnisvollen Kremlträumer, dem Gedichte vortragenden Papagei Kusma und einem Engel, der aus dem Paradies desertiert ist. Der Engel ist auf der Suche nach einem Gerechten, um mit ihm gemeinsam ins Paradies zurückzukehren, denn bislang ist noch kein einziger Sowjetbürger dort eingegangen.

    Fazit:

    Zuerst einmal muss ich sagen, dass Dobrynin diese Figuren überhaupt nicht trifft - dies sind alles einzelne Handlungsstränge, die nicht miteinander verknüpft werden, was ich sehr enttäuschend fand. Auch den schwarzen Humor, den ich normalerweise sehr liebe, habe ich hier vergeblich gesucht. Auch Spannung kam nur einmal kurz auf, sonst war es eher eine dahinplätschernde Erzählung. Die Idee des Romans war sehr gut, nur die Umsetzung lässt zu wünschen übrig.
  20. Cover des Buches Alles fließt (ISBN: 9783550087950)
    Wassili Grossman

    Alles fließt

     (5)
    Aktuelle Rezension von: Jossele

    „Alles fließt“ ist eine Erzählung/ein Essay des russischen Schriftstellers Wassili Grossman, die in den Jahren 1955 bis 1963 entstand und erst 1989 erstmals in der Sowjetunion abgedruckt wurde. Mein Exemplar ist die 1. Auflage aus dem Ullstein Verlag vom September 2019 in der Übersetzung von Annelore Nitschke und mit einem Nachwort von Franziska Thun-Hohenstein. Außerdem sind ein Namensverzeichnis und Anmerkungen angehängt. Dieses Exemplar ist bei Lovely Books – warum auch immer – so nicht gelistet. Das hier gelistete und abgebildete Exemplar ist eine ältere Ausgabe.

    Grossman erzählt die Geschichte des ehemaligen Studenten Iwan Grigorjewitsch, genannt Wanja, der denunziert und nachfolgend inhaftiert wird. Nach fast dreißig Jahren im Gefängnis und in ostsibirischen Lagern kommt er nach dem Tod Stalins frei und kehrt zurück nach Moskau. Dort trifft er seinen Cousin wieder, der ein erfolgreicher Wissenschaftler ist, er fährt nach Leningrad, wo seine ehemalige Geliebte lebt und er fährt nach Sotschi, wo er seine Kindheit verbrachte. Doch wohin er auch fährt, es erwarten ihn meist Enttäuschungen. Eine Ausnahme bildet die Begegnung mit seiner Zimmerwirtin Anna die seine späte Liebe wird und mit der er sich austauscht. Doch Anna stirbt bald an Krebs.

    Die an sich schon recht düstere Rahmenhandlung ist das Gerüst für Grossmans Überlegungen zur russischen Seele und Mentalität, zu Lenin und Stalin und zur Geschichte Russlands und der Sowjetunion. Diese niedergeschriebenen Gedanken durchbrechen die Handlung immer wieder, was das Lesen des Buches nicht ganz einfach macht. Ein zentraler Begriff in Grossmans Betrachtungen ist der Begriff der Freiheit, die als erstrebenswertes hohes Gut ansieht und die er in der Sowjetunion ständig vermisst. Er sagt dem russischen Volk gar eine „Leibeigenschaftsmentalität“ nach. Ein zweiter zentraler Begriff ist die Schuld. Fast alle, denen Iwan Grigorjewitsch in dieser Erzählung begegnet, haben sich in irgendeiner Art und Weise schuldig gemacht und alle plagt ein schlechtes Gewissen. Und doch will Grossman sie nicht vorschnell verurteilen. Der Philanthrop behält doch immer die Oberhand.

    Hier ein paar Zitate, die mir aufgefallen sind:

    „Stalin starb ungeplant, ohne Anordnung der richtungweisenden Organe. Stalin starb ohne persönliche Anordnung des Genossen Stalin. (S. 33)

    „Dieser Tod enthielt ein Element freien, unvermittelten Geschehens, das dem Wesen des stalinistischen Staates unendlich fremd war.“ (S. 34) 

    „Doch draußen in der Freiheit traf er manchmal aus dem Lager entlassene Menschen, deren unterwürfige Heuchelei, Angst vor eigenem Denken und Grauen vor einer neuen Verhaftung so ungeheuer groß waren, dass sie weitaus mehr eingekerkert schienen als während ihrer Zeit im Arbeitslager.“ (S. 110)

    „Im Zimmer des Untersuchungsrichters erschien der Gedanke an die stickige, stinkende Zelle wonnevoll, wehmütig dachte man an die vertrauten, zermürbten Gesichter der Pritschennachbarn.“ (S. 173)

    „In einem Streit legte es Lenin nicht darauf an, den Gegner zu überzeugen. Er wandte sich im Streit gar nicht an ihn, sondern an die Zeugen des Streits……..Im Streit suchte Lenin nicht die Wahrheit, er suchte den Sieg.“ (S. 196)

    „Alle seine Fähigkeiten, sein Wille, seine Leidenschaft waren einem Ziel unterworfen – der Machtergreifung. Er opferte diesem Ziel alles, er opferte und tötete um der Machtergreifung willen das Heiligste, was Russland hatte – seine Freiheit.“ (S. 197)

    „Und je härter seine Gangart wurde und je schwerer seine Hand und je gehorsamer sich Russland seiner gelehrten und revolutionären Gewalt beugte, umso weniger Kraft hatte er, die wahrhaft satanische Macht der alten Leibeigenschaftsmentalität zu bekämpfen.“ (S. 205)

    Alles in allem ist es ein Buch auf mehreren Ebenen, das das außergewöhnliche Talent Grossmans erahnen oder durchscheinen, aber wegen seiner stilistischen und thematischen Brüche nicht wirklich zur Geltung kommen lässt. Vier Sterne.

  21. Cover des Buches Ten Days That Shook the World (ISBN: 9783849164355)
  22. Cover des Buches Mein russisches Abenteuer (ISBN: 9783770184651)
    Jens Mühling

    Mein russisches Abenteuer

     (34)
    Aktuelle Rezension von: Kristall86

    Klappentext:

    „Weit hinter Moskau liegt das echte, das »russische« Russland

    Fast ein Jahr lang reist Jens Mühling durch Russland und porträtiert aus ganz persönlicher Perspektive eine Gesellschaft, deren Lebensgewohnheiten, Widersprüche, Absurditäten und Reize hierzulande nach wie vor wenigen vertraut sind. Auf seiner Reise erlebt er unglaubliche Begegnungen: Eine Einsiedlerin in der Taiga, die erst als Erwachsene erfahren hat, dass es jenseits der Wälder eine Welt gibt. Ein Mathematiker, der tausend Jahre der russischen Geschichte für erfunden hält. Ein Priester, der in der atomar verseuchten Sperrzone von Tschernobyl predigt. Ihre Lebensgeschichten fügen sich zu einem faszinierenden Porträt der russischen Seele.“



    Das Buch von Jens Mühling ist ein echter Bestseller mir über 25.000 verkauften Exemplaren und hier mit dieser Neuauflage dürfen wir Leser wieder abtauchen. Ich war und bin ein großer Fan russischer Literatur, russischer Reportagen (gerade von Gerd Ruge), egal ob mit politischen Hintergrund oder einfach nur der Natur wegen - Russland ist ein höchst interessantes Land. Mühling geht in diesem Buch auf äußerst viele Themen ein, die Einem nunmal beschäftigen. Die Geschichte mit der Einsiedlerin kenne ich schon sehr lange und ihre Geschichte verfolge ich seit Jahren. Mühling nimmt das alles hier nochmal auf und beschreibt das sehr gefühlvoll und spannend. Ja, auch das ist Russland. Aber das ist nur eine von ganz vielen Geschichten hier. Jens Mühling will dem Leser auf ganz ruhige und auch sachliche Weise die Vielfältigkeit Russlands näher bringen. Bei mir hat er es geschafft. Sein Buch liest sich spannend, amüsant, geheimnisvoll und auch irgendwie aufklärend. Ich vergebe hier sehr gern 5 von 5 Sterne und dazu eine Leseempfehlung!

  23. Cover des Buches Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Country-Star war (ISBN: 9783499249389)
    Pauls Toutonghi

    Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Country-Star war

     (39)
    Aktuelle Rezension von: Buecherspiegel

    Meine Urlaubsleseperle war dieses Jahr „Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Country-Star war“ von Pauls Toutonghi. Nach wenigen gelesenen Zeilen ist man mittendrin in dieser Geschichte eines Teenagers, der in Milwaukee groß wird. Wir schreiben übrigens das Jahr 1989, ein geschichtsträchtiges Jahr. Das gilt auch für Yuri, denn seine Eltern sind einst aus dem sowjetischen Lettland geflüchtet, preisen Amerika als gelobtes Land, in dem alles möglich und frei ist, im Gegensatz zur Sowjetunion. Und da verliebt sich Yuri ausgerechnet in seine Mitschülerin Hannah, einer Kommunistin, die engagiert ihren Weg geht und nicht zu beeindrucken von den echten Erlebnissen von Yuris Familie ist. Hannahs Vater, Dr. Graham, bezieht sogar Prügel von Herrn Balodis, als dieser seinen Sohn bei einer morgendlichen Demonstration erwischt. Yuri soll eine kommunistische Zeitung beim Schichtwechsel an Arbeiter verkaufen. Dr. Graham hat, nach Meinung von Herrn Balodis, schließlich nie unter dem Kommunismus leiden müssen, hat nie erfahren, dass er zum Beispiel kein Recht gehabt hätte wieder zurück nach Amerika zu gehen, sollte es ihm im sowjetischen Lettland nicht gefallen. Yuri stellt sich ähnliche Fragen, wie es ihm wohl ergangen wäre, wenn er nie die Möglichkeiten gehabt hätte, frei und offen in eine Bibliothek zu gehen und alle Bücher auszuleihen, die er lesen wollte. So sucht er Trost in perfekten, präzisen Sätzen, wenn er mal nicht weiter weiß in seinem Leben.
    Die überaus liebenswerte Beziehung zwischen dem Bourbon trinkenden Vater und seinem Sohn, der mehr als vorsichtigen Mutter, die Spracheigenheiten, all das ist vom Autor sehr herzlich beschrieben. Man leidet bei jeder Zeile Schwermut und bei den kleinen und großen Katastrophen, lacht und freut sich bei positiven Ereignissen.
    Und da ist natürlich die Country-Musik, die die Familie bereits in Lettland begleitet hat, der Vater singt beharrlich seine Lieder. Als die Ereignisse sich während dem Mauerfall in Deutschland überschlagen, ändert sich auch für die Familie Balodis alles. Sie erwarten Besuch aus der alten Heimat.
    Toutonghi ist wichtig immer wieder zu betonen, welche Freiheiten sein junger Protagonist Yuri in Amerika erleben darf, seine Meinung frei zu äußern, Musik laut, sogar bei geöffnetem Fenster zu hören. Dessen Vater lässt er die Frage stellen, warum es Arbeitern in einem sozialistischen Staat besser gehen soll als im kapitalistischen Amerika? Yuri flüchtet in diesen Augenblicken zu seinen Büchern, die ihm seine Mutter, die in einer Bibliothek arbeitet, stapelweise mitbringt. Über allem schweben Liebesgeschichten, nicht nur zwischen Yuri und Hannah.
    Witzig sind die zum Teil langen Zwischenüberschriften, die für sich schon eine Geschichte erzählen. Um mit den Worten von Yuris Vater zu enden, eine wunderbare Story, nach meiner Meinung.
    Informationen über den Autor finden sich im Netz zum Beispiel unter rowohlt.de/autor/pauls-toutonghi.html


  24. Cover des Buches Alexandra Romanowa (ISBN: 9783492249409)
    Carolly Erickson

    Alexandra Romanowa

     (16)
    Aktuelle Rezension von: engineerwife

    Monatshighlight !!! Ich bin eigentlich von Haus aus kein allzu großer Freund von Biographien aber ich muss gestehen, diese hier hat mich mehr als beeindruckt! Als in unserer Leserunde im Monat April das Thema Russland als Monatsmotto gewählt wurde, schlug mein Herz gleich ein wenig höher. Nicht erst seit einem Besuch in St. Petersburg vor zwei Jahren, bin ich große Verehrerin dieser wunderschönen Stadt und natürlich der damals ansässigen Monarchie. So fiel mir dann in diesem Zusammenhang die fast schon romanartig anmutende Biografie der russischen Zarin Alexandra Romanowa in die Hände. Ich gebe zu, anfangs war ich erschlagen von den vielen Namen, Zusammenhängen und wer nun mit wem wie verwandt war. Doch bald schon hatte ich mich so eingelesen in das Leben der ehemaligen Großherzoglichen Hoheit Prinzessin Alix Viktoria Helene Luise Beatrix von Hessen und bei Rhein, dass ich das Buch nicht mehr zur Seite legen konnte. Sie beeindruckte mich, da sie dem Druck ihrer Familie widerstand und sich schließlich für ihre große Liebe Nicholas II aufsparte, den sie liebevoll Nicky nannte. Der Ehe der Beiden wurde schließlich stattgegeben, doch wer sich danach das Paradies auf Erden für Alix vorstellte, musste schnell feststellen, dass er sich nicht mehr hätte täuschen können. Von der ersten Stunde an spürte Alexandra die Ablehnung ihrer Schwiegermutter, die in ihr nur „die Deutsche“ sah. Schnell stellt sich heraus, dass Nicholas selbst eher von sanftem Gemüt ist, was in der Ehe seine Vorteile haben mag aber für die Politik eher abträglich ist. So lernt Alexandra schnell, dass sie die starke Rolle übernehmen muss, was ihr wiederum keine Freunde schafft … 

    Ich habe mich verloren in diesem wunderbaren Buch, das mir Seiten der Monarchie – nicht nur der russischen – aufgezeigt hat, die mir Gänsehaut bescherten. Aber auch ein eindringlicher Einblick auf die andere Seite, die der einfachen Menschen, die Hunger hatten und einfach auch ein bisschen leben wollten, hat mich an vielen Stellen wieder in die Realität zurückgeholt. Die Gegensätze waren einfach zu groß zwischen dem einfachen Volk und der glänzenden Monarchie, die wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt haben muss. 

    Beim Lesen habe ich mich gegen Schluss immer wieder ertappt dabei zu hoffen, dass vielleicht doch noch ein Wunder geschehen mag. Die Geschichte belegt natürlich das Gegenteil und es macht heute noch betroffen, dass es für die Bevölkerung auch nach der Exekution der gesamten Zarenfamilie nicht besser wurde. Der Bolschewismus war leider auch nicht die Lösung. 

    Von mir bekommt dieses Buch sechs von fünf möglichen Sternen!!! Ich freue mich nun schon auf die Biographie von Nicky Bruder Michail, die noch auf meinem SUB schlummert. Anderer Autor, andere Sichtweise, bin schon gespannt …

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