Bücher mit dem Tag "mexikanischer autor"
11 Bücher
- Guillermo del Toro
Die Nacht
(130)Aktuelle Rezension von: BuecherbaroninWow! Ich hätte es nicht erwartet, aber es ist passiert: Der Abschluss der Trilogie ist ein absoluter Graus. Wie konnte es so weit kommen, nachdem der erste Teil so großartig und der zweite immer noch klasse war?
Das fängt schon bei dem großen Zeitsprung an, der zwischen Teil zwei und drei liegt. Grundsätzlich ist das ja eine super Sache, es bringt frischen Wind ins Geschehen und positioniert alle Beteiligten neu. Hier aber hat dieser Zeitsprung für eine völlige Veränderung der Grundstimmung gesorgt. Als Leser steht man plötzlich vor vollendeten Tatsachen, alles wirkt pessimistisch, hoffnungslos und trist.
Natürlich ist es clever, eine derart aussichtslose Lage zu kreieren, um die Hürden für die Charaktere zu erhöhen. Aber für mich hat hier einfach nichts mehr richtig gepasst. Dabei sind durchaus interessante Ideen (ich sage nur das Stichwort „Ernten“) vorhanden, werden aber leider nur oberflächlich abgehandelt. Dass Quinlan zur Truppe dazustößt, ist der einzige richtige Pluspunkt, der mir auffiel.
Und auch das „Finale“ hat mich absolut nicht abgeholt. Nach den zwei Vorgängerbänden war ich auf alles vorbereitet, aber nicht auf so ein übertriebenes, unbefriedigendes Ende. Mir blieben einfach zu viele Fragen offen. Und vor allem spannungstechnisch kann „Die Nacht“ nicht ansatzweise mit den anderen Büchern der Trilogie mithalten. Ich bin vermutlich zu streng, aber nach „Die Saat“ konnte es fast nur bergab gehen.
Fazit: Meine Frustration war nach dem Lesen von „Die Nacht“ ziemlich groß. Der dritte und abschließende Band der „The Strain“-Trilogie kann nicht mal ansatzweise mit seinen unterhaltsamen und spannenden Vorgängern mithalten. Leider kein würdiges Ende für einen grundsätzlich klasse Beitrag zum Vampir-Genre. Mehr als „Jetzt weiß ich, wie die Geschichte ausgeht“ hat mir der Roman einfach nicht gegeben.
- Guillermo del Toro
Die Saat
(386)Aktuelle Rezension von: Michael-P-KrausDer Auftakt zu dieser Trilogie hätte perfekter nicht sein können. Die Handschrift von del Toro ist unverkennbar, denn er schafft es (in Zusammenarbeit mit Chuck Hogan) das Kopfkino anzukurbeln. Aber der Reihe nach.
Die Geschichte beginnt mit der Legende von Jusef Sardu, die der kleine Abraham Setrakian vor dem zweiten Weltkrieg von seiner Großmutter erzählt bekommt. Schon hier sitzt man mit am Tisch und lauscht der alten Frau, wie sie ihrem Enkel von dem großen Mann erzählt, der zum Vampir wurde. Ein wohliger Schauer läuft einem den Rücken hinunter und man spürt, dass diese Einleitung noch bedeutsam für die Geschichte wird.
In der Gegenwart landet auf dem New Yorker Flughafen eine Maschine aus Deutschland und sofort gehen alle Lichter aus. Kein Lebenszeichen ist auszumachen. Ephraim Goodweather und seine Kollegin, Mitarbeiter der Seuchenschutzbehörde, werden zu Rate gezogen und finden die Passagiere sowie sämtliches Flugpersonal tot vor, bis auf Vier. Diese werden in Quarantäne gesteckt, doch die Regierung möchte unliebsame Pressenachrichten oder gar Klagen vermeiden, so wird das Ganze vertuscht. Am Tag darauf erfolgt eine Sonnenfinsternis und in der darauffolgenden Nacht beginnt das Grauen...
Hier wird geradezu ein Kinoblockbuster in Form eines Buches präsentiert. Die Charaktere wirken glaubhaft und sympathisch, und auch ihre privaten Hintergrundgeschichten sind interessant. All das wird erzählt, ohne dass es zu viel wird, ohne dass es von der eigentlichen Haupthandlung zu sehr abdriftet. Sie bringen die Figuren näher, um ihr späteres Handeln im Lauf der Geschichte zu erklären. Hervorzuheben ist hier in meinen Augen die Figur von Abraham Setrakian, dem alten, weisen Pfandleiher, der sein Leben der Jagd nach den Strigoi gewidmet hat. In mehreren Rückblendungen wird sein Lebensweg geschildert, hauptsächlich seine Begegnungen mit den Vampiren. Man versteht, warum dieser alte Mann auf der Jagd ist.
Die Geschichte selbst wirkt sehr erfrischend und lebendig, werden hier doch mehrere Genres bedient. Vampirfreunde, die keine Lust auf melancholische und emotionale Blutsauger haben, kommen hier auf ihre Kosten. Die Strigoi ähneln eher Zombies, doch sind sie für mich gar einen Ticken gefährlicher als diese.
Des weiteren wird hier ein Endzeit-Szenario beschrieben, wie es besser nicht sein könnte. Die ganze Bedrohung kommt gar nicht mal so brachial und abrupt daher, sondern weitet sich aus, Nacht für Nacht, Tag für Tag. Glaubhaft wird geschildert, wie die Öffentlichkeit die Augen vor der Bedrohung verschließt, nur um Tourismus und Handel aufrecht zu erhalten und damit auch die Börse. Der Politik geht es lediglich um Geld und um Schadensbegrenzung.
Die ganze Geschichte hat für mich auch noch einen leisen Hauch von Bram Stokers "Dracula" an sich. Der Meister, der im Verborgenen wirkt; der alte, weise Mann mit Vornamen Abraham (Auch Van Helsing in "Dracula" heißt mit Vornamen Abraham); alte Mythen und Legenden werden erzählt; und doch wird all das in eine moderne Rahmenhandlung gebettet. Selbst die Erklärung, wie die Strigoi sich vermehren, fand ich super und es wirkt glaubwürdig.
Das Buch weist zudem geschickte Rhythmen auf, so wird mal Fahrt aufgenommen und es kommen brutale (ja wirklich brutale) Szenen vor, die einen atemlos machen und Action ohne Ende bieten. Aber auch ruhigere Passagen sind vertreten, die Zeit zum Atemholen geben. Und dann gibt es aber auch mystische, sehr unheimliche Stellen, bei denen man durch die Dunkelheit schleicht, auf der Suche nach den Vampiren, oder gar nach dem Meister... es ist fantastisch.
All das bietet ein wunderbares Lesevergnügen. Ich konnte mich kaum von diesem Buch losreißen und habe (zum Glück) alle drei Teile zuhause.
Wer Lust hat, sich von einem Regisseur zur Abwechslung mal einen Blockbuster in den Kopf zaubern zu lassen, ein Kopfkino voller Spannung, Grusel und Action und dabei auch noch Vampire, die als echte Bedrohung gelten, der macht mit dieser Geschichte keinen Fehler. Selten ein so starkes Buch gelesen. Eines meiner Highlights in den letzten 5 Jahren. - Guillermo Arriaga
Der Wilde
(12)Aktuelle Rezension von: sabatayn76‚Der Selbsterhaltungstrieb ist stärker als der Todestrieb. Daher ist der größte aller Schrecken die Angst vor dem Tod.‘ (Seite 92)
Juan Guillermo scheint den Tod zu bringen: Noch vor der Geburt stirbt sein Zwillingsbruder Juan José. Jahre später wird sein Bruder Carlos umgebracht. Und schließlich sterben seine Großmutter und seine Eltern.
Juan Guillermo bleibt allein in seinem Elternhaus zurück und sinnt auf Rache.
Ich habe bereits mehrere Bücher von Guillermo Arriaga gelesen und liebe zudem die Filme von Alejandro González Iñárritu, die häufig auf (Dreh-) Büchern von Arriaga basieren. ‚Der Wilde‘ stand trotz meines großen Interesses am Autor eine gefühlte Ewigkeit ungelesen in meinem Regal, möglicherweise hat mich die Dicke des Buches etwas abgeschreckt. Nach der Lektüre ärgere ich mich nun fast ein bisschen, dass ich diesen großartigen Roman nicht schon längst gelesen und reihenweise empfohlen habe.
‚Der Wilde‘ erzählt nicht nur die Geschichte um Juan Guillermo und seine Rache an den Mördern seines Bruders, der sein großes Idol war, sondern ist zudem verwoben mit Legenden, Mythen und Philosophie sowie dem Leben in Mexiko, thematisiert Drogenhandel, religiösen Fanatismus und Korruption, berichtet von Wölfen, deren Zucht und Zähmung.
Der Roman ist von Anfang bis Ende fesselnd und liest sich unterhaltsam, verlangt durch die vielen Zeitsprünge aber die volle Aufmerksamkeit vom Leser. Ich fand den recht schnellen Wechsel der Handlungsstränge sowie die Unterbrechungen der Geschichte durch Überlieferungen aus verschiedenen Kulturen sehr kunstvoll ausgeführt und sehr abwechslungsreich, und nach der Lektüre habe ich das Gefühl, dass mir Arriaga wirklich und wahrhaftig nahegebracht hat, wodurch das Leben in Mexiko geprägt wird, was den Alltag ausmacht, wie die Menschen leben, welche Werte und Sehnsüchte sie haben.
‚Der Wilde‘ ist ein stellenweise sehr brutales Buch, wurde jedoch grandios konstruiert, ist durchweg überzeugend, und auf den letzten 150-200 Seiten wird ein so gewaltiger Sog aufgebaut, dass man sich der Geschichte nicht entziehen und das Buch nicht zur Seite legen kann.
Ich empfehle diesen Roman, in dem es unter anderem um Verrat, Macht, Verlust und Rache geht, allen, die sich für Mexiko interessieren und/oder die sich mittels einer faszinierenden Geschichte auf authentische Weise in eine andere Lebenswelt versetzen lassen möchten. - Antonio Ortuño
Die Verbrannten
(9)Aktuelle Rezension von: JosseleAntonio Ortuño Sahagún, so der vollständige Name ist ein mexikanischer Schriftsteller. Der vorliegende Roman aus dem Jahr 2013 erschien im Verlag Antje Kunstmann 2015 erstmals auf Deutsch.
Auf ein Durchgangslager für Migranten mit dem Ziel USA in Santa Rita im Süden Mexikos wird ein Brandanschlag verübt, der Dutzende Tote fordert. Das Personal des Lagers war derweil beim Feiern und die Polizei schaute machtlos weg.
Es kommt eine Mitarbeiterin der Nationalen Kommission für Migration (NkM) in Santa Rita an. Irma, genannt Negra, die ihre Tochter dabei hat. Sie soll die anreisenden Hinterbliebenen, die Überlebenden betreuen und nicht zuletzt, die NkM vor einem Imageschaden zu bewahren. Dazu ist aber vor allem ihr Nachbar und Chef, Vidal Aguirre da, der die Pressemitteilungen verfasst und mit dem sich Negra mit der Zeit liiert.
Eine der Migrantinnen, Yein, die auf der Reise mehrmals vergewaltigt wurde und ihren Mann bei dem Brand verlor, fasst ein wenig Vertrauen zu Negra und erzählt etwas von sich und ihrer Flucht aus dem Elend. Und will sich rächen.
Immer wieder werden Anschläge von Banden auf die Migrantenunterunterkünfte beschrieben und es folgt immer wieder eine nahezu gleichlautende Pressemitteilung der NkM.
Negra gerät zunehmend auch privat unter massiven Druck.
Die Perspektive, aus der erzählt wird, wechselt ständig. Es gibt den allwissenden Erzähler, der in der dritten Person formuliert, Negra erzählt in der Ich-Form, ebenso wie der Vater ihrer Tochter. Die Sprache ist teilweise sehr derb und an manchen Stellen penibel brutal, z.B. wenn der Autor schildert, was Feuer an einem menschlichen Körper anrichtet. Das macht das Buch nicht gerade einfach lesbar, obwohl die Abschnitte klar getrennt und erkennbar sind. Die Ausführungen von Negras Ex-Mann und ihren Sinn in diesem Buch habe ich z.B. bis zum Ende nicht verstanden.
Zwischendurch nimmt sich der Autor die Zeit, einige grundsätzliche Dinge zu kritisieren, so die Stadtplanung Santa Ritas, die er in sarkastischem Ton aufs Korn nimmt. (S. 32-34).
Ebenso sarkastisch kommentiert er die Heuchelei der Beamten des NkM angesichts des Anschlags (S. 51-53).
Und genauso kommentiert er die Bemühungen (Haare mit Kamille bleichen, nur Markenklamotten aus den USA tragen etc.) mexikanischer Reicher, mit dem Ziel, von den „Gringos“ als ebenbürtig betrachtet zu werden, was aber nie gelingt „selbst wenn Du Dich in Seide kleidest, Äffchen“ (Zitat) (S. 129–132).
Es ist ein sehr bedrückendes, aufwühlendes und anklagendes, stellenweise sehr brutales Buch. Eigentlich geht es nur um Elend, Perspektivlosigkeit, Not, Angst und Gewalt. Und selbst die, denen es zumindest finanziell besser geht, wie Negra und ihr Ex-Mann sind ständig unzufrieden, was bei ihrem Ex, der bis zum Schluss namenlos bleibt in widerlichen Grausamkeiten gegenüber einer Migrantin ausartet. Mit steigender Seitenzahl machten mich die nichtssagenden Pressemitteilungen immer wütender, was der Autor vermutlich so vorgesehen hat. Aber vielleicht wäre es hilfreich gewesen, anstatt so mancher brutalen Szene mehr Hintergrund über das Geschäftsmodell der Banden und ihrer Komplizen in Staat und Polizei zu liefern. So bleibt es eine bloße Beschreibung. Kann so sein, kann auch nicht so sein. Der Autor nimmt sich ein wichtiges Thema vor, aber er erzählt es als nackte Horrorgeschichte. Er verschenkt damit, vermutlich unbeabsichtigt, die Möglichkeit, zur weltweiten Aufklärung beizutragen. Schade. Drei Sterne von mir.
- Guillermo del Toro
Das Blut
(186)Aktuelle Rezension von: SeaiceVorneweg: Ich habe Teil 1 nicht gelesen, sondern nur "Das Blut" in die Hände bekommen - tatsächlich hatte ich aber nicht das Gefühl, dass mir vorneweg etwas fehlt. Nur endet das Buch natürlich offen, da es eine Trilogie ist.
Die ich nicht weiter verfolgen werde.
Ich fand das Buch sehr langatmig zu lesen und musste mich fast schon dazu zwingen, weiterzulesen. Die ganze Story zieht sich unfassbar in die Länge, was es ziemlich langweilig macht. Nach außen hin passiert sehr viel, aber wirklich vorwärts bewegt sich so gar nichts. Nur gegen Ende hin geht es ein bisschen voran.
Man merkt auch, dass man es hier mit einem Filmemacher zu tun hat. Die Actionszenen und Kämpfe, die Darstellungen und Inszenierungen, wie die Figuren agieren, wann sie wo zu sein haben - als Film oder Serie kann ich mir die Geschichte sehr gut vorstellen.
Als Romanleserin will ich jedoch mit den Charakteren mitfiebern, ihre Motive, Wünsche und Sorgen gänzlich nachfühlen und sehen, wie sie an ihren Aufgaben wachsen oder verzweifeln. Es werden hier allerdings unzählige Rollen eingeführt, die in der Regel nur einen ganz bestimmen Sinn und Zweck haben - mit Charakterbindung ist da gar nichts. Man betrachtet sie sehr von "außen" - also wie es vor dem Fernseher der Fall ist. Häufig wechselt die Perspektive auch zwischen den Sätzen, wodurch der Schreibstil plump wird.
Keine Empfehlung meinerseits.
- Oscar Muriel
Der Fluch von Pendle Hill
(107)Aktuelle Rezension von: Igelmanu66»So sollte eine Ermittlung nicht ablaufen: Mit einem flüchtigen Verdächtigen haben wir begonnen, jetzt haben wir zwei.«
»Und wir befinden uns im verfluchten England. Die Lage ist beschissen!«Edinburgh, 1889. Inspector Adolphus McGray, Schotte mit Leib und Seele und sein aus London versetzter Kollege Ian Frey sind wie Feuer und Wasser, beginnen jedoch langsam, sich aneinander zu gewöhnen. Nach wie vor empfindet Frey aber die Arbeit in der „Kommission zur Aufklärung ungelöster Fälle mit mutmaßlichem Bezug zu Sonderbarem und Geisterhaften“ als Zumutung, während McGray ganz darin aufgeht.
Als in der Neujahrsnacht in der Irrenanstalt eine Krankenschwester ermordet wird und es Gerüchte um Geistererscheinungen und schwarze Magie gibt, machen sich die beiden Ermittler an die Verfolgung des Täters. McGray ist persönlich sehr an der Ergreifung interessiert, denn seine Schwester ist ebenfalls Patientin der Anstalt und obwohl sie seit Jahren kein Wort gesprochen hat, tat sie genau das mit dem Täter kurz vor seiner Flucht.
Die Jagd wird dem ungleichen Team alles abverlangen und führt sie bis zum berüchtigten Pendle Hill in England, um den sich mehr als ein Hexenmythos rankt…
Auch der zweite Fall für Frey & McGray machte mir großen Spaß. Ich mag den Schauplatz, die ganze Atmosphäre der Bücher und nicht zuletzt das Ermittlerduo, deren ständige Auseinandersetzungen herrlich unterhaltsam geschildert werden. Gut gefiel mir auch, dass ein paar Fragen zur Vorgeschichte McGrays beantwortet wurden. Nicht alle, ich hoffe auf weitere Ansatzpunkte im nächsten Fall.
Der Fall war recht temporeich und präsentierte die ein oder andere Überraschung. Natürlich wurde es auch mysteriös und Hexen gab es im Lauf der Handlung reichlich. Ein paar weniger hätten es für meinen Geschmack auch getan, ich bin halt, was die Auflösung angeht, mehr auf der Seite Freys und glaube an wissenschaftliche Erklärungen ;-)
Fazit: Sehr unterhaltsame Ermittler, tolle Atmosphäre und eine spannend-mysteriöse Handlung. Die Reihe verfolge ich gerne weiter.
- Antonio Ortuño
Madrid, Mexiko
(6)Aktuelle Rezension von: Widmar-PuhlMit "Die Verbrannten" hat Antonio Ortuno einen knallharten Thriller über das organisierte Verbrechen in Mexiko geschrieben. Jetzt folgt in der gleichen, wuchtig-schonungslosen Sprache ein Roman über die Flucht eines Mannes namens Yago nach dem verlorenen spanischen Bürgerkrieg nach Mexiko - und die Flucht seines Enkels Omar vor der Mafia aus Mexico nach Madrid. Die Idee hat was, aber die Durchführung ist leider unnötig kompliziert geraten. Der Reihe nach:
1923 konkurrieren die jungen Anarchisten Yago Almansa und sein Freund Benjamín um die Liebe der schönen María. Im Spanischen Bürgerkrieg kämpft Yago dann bei den Anarchisten, Benjamín aber bei der Kommunisten. So werden sie Todfeinde. Beide fliehen gegen Ende des Bürgerkrieges nach Mexiko - Benjamín aber mit dem gestohlenen Goldschatz seiner Kampfgruppe. Dementsprechend schlechter geht es María und Yago, die auch in Mexiko enge Verbindungen zu den dort jedoch völlig korrupten Gewerkschaften pflegen.
1997 hat Yagos Enkel Omar ein Verhältnis mit seiner wesentlich älteren Chefin Catalina. Die erfolgreiche Antiquitätenhändlerin ist mit Mariachito liiert, dem mächtigen Boss der Eisenbahnergewerkschaft, und verdient sich eine goldene Nase mit dieser Connection. Als die zwei in flagranti erwischt werden, endet das für Mariachito und Catalina tödlich, doch Omar kann mit einem Haufen Geld entkommen. Auf der Flucht vor der (unfähigen) Polizei und dem brutalen Handlanger Mariachitos landet er schließlich mit Frau und Kindern in Madrid.
Beide Handlungsstränge zeigen die Verwicklung vieler "normaler" Leute ins organisierte Verbrechen - sowohl in Spanien als auch in Mexiko. Dass die Kommunisten eine wesentliche Mitschuld am Sieg Francos hatten, weil sie ihre anarchistischen und sozialistischen Verbündeten auf Betreiben Moskaus massenhaft liquidiert und verraten haben, ist eine unbequeme historische Tatsache. Ebenso
undurchdringlich ist die Verstrickung vieler Mexikaner in ekelhaften Rassismus ("Sie hassen Euch dafür, dass ihr dieses Land kolonisiert habt, wollen aber, dass ihr ihre Töchter heiratet") und die üble Mischung aus allgegenwärtiger Korruption und Drogenmafia. So gut wie jeder hat irgendwo die Pfoten im Dreck oder lässt sich bumsen, um Vorteile zu haben.
Das ist ebenfalls typisch für diesen Autor, der 2010 als einer der besten seines Landes geehrt wurde, obwohl er mt 41 Jahren noch recht jung für die Branche ist: Sein Personal ist alles andere als nett. Er beschreibt Menschen, die halt so sind, wie sie sind - und so reden, wie die Leute nun mal reden. Das ist oft alles andere als schön zu lesen, aber kreuzehrlich.
Schade nur, dass die zwei gespiegelten Handlungsstränge so unordentich in zeitlich gegenläufigen Kapiteln einander folgen. Auf "Guadajara, 1997" folgt "Ein Strand von Veracruz, 1946", danach wieder Guadajara 1997 und dann plötzlich "Madrid, 1923" - und so weiter. Das stiftet eine unnötige Verwirrung (schon weil man dadurch die Figuren erst spät wirklich kennen lernt), die man anders hätte auflösen müssen. - Álvaro Enrigue
Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles
(4)Aktuelle Rezension von: Gwhynwhyfar«Einst war ich frei wie der Wind, jetzt ergebe ich mich und das ist alles.» (Gerónimo; Gokhlayeh oder Goyathlay, Schamane der Chiricahua-Apachen)
Bereits in meiner Kindheit hat mich das Thema gepackt, ich weiß nicht wie oft ich die Tecumseh-Bände gelesen haben. Für Karl May, US-Western und ähnlichen Unsinn hatte ich nach diesen Büchern nichts übrig. Und im Laufe meiner Lesezeit bin ich einigen Büchern und Filmen begegnet, die sich dem Thema der Ureinwohner Amerikas auf realistische Weise nähern. Vielseitige Völker, verschiedene Arten zu leben und auch die Art untereinander Krieg zu führen. Dieser Roman widmet sich sehr intensiv den Apachen. Wo soll man mit diesem hochkomplexen Werk anfangen?
«Wir waren einfach nur Menschen und eines Tages machte uns jemand zu Mexikanern, Koreanern, Zulu. Zu Menschen, die man rasch in eine Schublade stecken muss, um sie nach Möglichkeit auszurotten oder ihnen, falls das nicht geht, eine Sprache aufzuzwingen, Grammatik beizubringen und Schuhe zugeben, um ihnen welche verkaufen zu können, wenn sie das Barfußlaufen nicht mehr gewöhnt sind.»
Álvaro Enrigue, in Guadalajara, Mexiko geboren, lebt und arbeitet in New York, beschreibt in seinen Roman eine eigene Reise durch die Zeit. Er hat sich intensiv mit der Geschichte der Apachen und deren Völkermord beschäftigt und begab sich 2017 mit seiner Familie auf eine Reise zu den historischen Schauplätzen im Grenzgebiet zwischen der USA und Mexiko. Sie besuchten die Gräber von Naiche und Gerónimo. Recherchen und Gedanken fließen ein und so ganz nebenbei blättert sich neben der Geschichte der Apachen auch die der USA und Mexiko auf, die mit der der Apachen, die sich Ndee (Mensch) nannten, eng verflochten ist. Feinde, die sich ständig bekämpfen, sich gegen den anderen zusammenschließen, Grenzverschiebungen zwischen den USA und den Mexikanern, mitten drin die Gran Apachería, das Reich der Apachen, das ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine riesige Landfläche im Osten und Süden von Arizona, große Teile New Mexicos, den Süden Colorados, den Westen und Südwesten von Texas sowie große Areale der angrenzenden Bundesstaaten Sonora, Chihuahua, Coahuila, Nuevo León und Tamaulipas im Norden Mexikos umfasste. Die Stämme wurden immer weiter dezimiert und in unfruchtbare Gebiete zurückgedrängt, was ihrerseits zu Überfällen auf Siedler führte. 1835 führten die mexikanischen Staaten Sonora und Chihuahua Prämien auf Apachen-Skalpe ein, wieder einmal. Die Apachen unterzeichneten immer wieder Verträge, kämpfen mal für die eine, mal für die andere Seite, wurden aber immer wieder betrogen.
«Das Gebiet war so undurchdringlich und die Ndee so unbestechlich sie selbst, dass die Spanier, nicht einmal Missionare zurückließen. ... müssen die Apachen wie ein eigenes Ökosystem vorgekommen sein: Vettern des Bären, Dornenesser. Auch das waren sie und es machte den Priestern Angst.»
Der Roman beginnt mit einem fiktiven Strang. 1836 wird in dem mexikanischen Ort Janos die Mexikanerin Camila Ezgurra von Apachen bei einem Überfall mit Viehdiebstahl verschleppt – ihre Familie wird massakriert, die Ranch in Flammen gesetzt. Sie wird brutal behandelt und bekommt die Möglichkeit, Suizid zu begehen. Doch sie beißt sich durch, schafft sich so Respekt. Dieser Strang beschreibt detailliert das harte Leben der Apachen, ihre Zähigkeit, in der kargen Natur zu überleben, zeigt ihre Anpassungsfähigkeit und ihren Mut. Letztendlich eine Studie, die sich die sich in die Erzählung einpasst.
Im dritten Strang erhält eine Weile später Leutnants José Maria Zuloaga den Auftrag, einen Suchtrupp zusammenzustellen und die Frau zurückzubringen. Nicht gerade ein Job, um den man sich reißt, und so muss er nehmen, was sich bietet: die Nonne Elvira, eine Scharfschützin; die Yaqui-Zwillinge, die seit Jahren im Gefängnis hocken, ihre Freiheit erhalten, wenn sie mitreiten; ein verkrachter Tanzlehrer; ein junger Rarámuri-Indio und ein Apache der als Fährtenleser zugeteilt wird. Diese beiden Stränge zeigen das harte Leben dieser Zeit, es gibt feine Naturbeschreibungen und ein Gefühl für diese blutige Zeit und ihre Auseinandersetzungen.
Gerónimo (1829–1909), der mit richtigem Namen Gokhlayeh oder Goyathlay, hieß, war der legendäre Schamane und Anführer der Chiricahua-Apachen. Er führte mit den Mexikanern Krieg, fügte ihnen viel Schaden zu, weil sie seine Mutter, Frau und Kinder 1858 in Chihuahua ermordet hatten. Später kämpfte er für die US-Truppen gegen die Mexikaner. 1877 wurde Frieden geschlossen und Gerónimo erklärte sich bereit, sich mit seinem Clan in einem Reservat anzusiedeln. Man gab ihnen Land in der Wüste, wo kein Halm wuchs, kein Tier, kein Mensch überleben konnte. Verständlicherweise büchste der Stamm aus, zog sich in die Sierra Madre zurück, begann wieder mit den Überfällen. Die Soldaten kesselten die Apachen immer weiter ein, doch meistens entwischten sie geschickt. 1886 stellte sich Gerónimo, der müde war und keinen Ausweg mehr sah: «Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles». Die Apachen wurden wieder unwürdig eingesperrt, Gerónimo demütigte man, stellt ihn zur Schau. Es gibt ein Gerücht, wonach der Großvater von G.W. Bush und Mitstudenten das Grab geschändet haben sollen. Und dieses Buch handelt auch von diesem großen Krieger. Es ist ein hochkomplexer Roman, der verschiedene Sichten vereint, Die der Apachen, die der Verfolger, der Erzähler selbst auf Entdeckungsreise, der Historiker; ebenso schafft es Álvaro Enrigue, jeweils den sprachlichen Stil anzupassen. Meine Hochachtung! Mir hat der Roman gefallen, aber es ist sicher keine leichte Kost, ein Roman für jedermann.
Álvaro Enrigue, geboren 1969 in Guadalajara, studierte in Mexico City Kommunikationswissenschaften, lehrte anschließend Literatur des 20. Jahrhunderts und promovierte an der University of Maryland. Seit seinem 1996 erschienen Debüt »La muerte de un instalador« gehört er zu den wichtigsten iberoamerikanischen Gegenwartsautoren und gilt als der bedeutendste mexikanische Autor seiner Generation. Seine Werke sind preisgekrönt und wurden in viele Sprachen übersetzt. »Aufschlag Caravaggio« (Blessing, 2015), war der erste Roman des Autors, der auf Deutsch erschienen ist. Álvaro Enrigue lebt in New York.
- Juan Rulfo
Pedro Paramo
(26)Aktuelle Rezension von: letusreadsomebooksAls Juan Preciados Mutter stirbt, rät sie ihm, seinen Vater Pedro Páramo aufzusuchen und diesen um die lange ausstehende Unterstützung zu bitten. Er macht sich auf in das Dorf Comala, in dem sein Vater leben soll, doch statt einer blühenden Landschaft und einer prächtigen Hazienda findet Juan ein heruntergekommenes, verlassenes Geisterdorf vor, in dem die Seelen der Dorfbewohner fortleben. Gleichzeitig erfährt der Leser mehr über das Leben Pedro Páramos, welcher als Patron über das Dorf herrschte und seinen Bewohnern das Leben schwer machte.
Gabriel García Márquez schrieb in einem Artikel der Zeitschrift Araucaria de Chile über Rulfos Roman, dass dieser der erste nach Kafkas Die Verwandlung war, welcher in ihm große Gefühle geweckt habe. Márquez, der nach der Veröffentlichung von bereits vier Romanen in einer kreativen Flaute steckte, verschlang Pedro Páramo und konnte es in und auswendig.
Rulfos kurzes und einziges Buch erschien 1955, und obwohl er nebenher nur wenige Kurzgeschichten veröffentlichte, ließen sich viele lateinamerikanische Autoren von ihm inspirieren. Das merkt man auch, wenn man z.B. García Márquez liest. Rulfo scheint die lateinamerikanische Literatur sehr geprägt zu haben, was den Schreibstil betrifft. Gleichzeitig ist es auch eines der früheren Werke, die dem Magischen Realismus zugeordnet werden können. Je nach Interpretationsweise könnte man auch sagen, dass sich das Buch mit psychischer Krankheit befasst. Die Entscheidungsfreiheit des Lesers, ob sich die Ereignisse nun wirklich zutrugen oder sich alles nur in Juans Kopf abspielte, hat mir gefallen. Ich mag ambivalente Geschichten, die sich an der Grenze zwischen Realität und Traum/Wahnsinn bewegen.
Auch die Sprache des Romans ist großartig. Wenn man die einzelnen Sätze auskostet, stimmt es einen geradezu traurig, dass dieser Mann nur dieses eine Buch geschrieben hat. Passagen wie die folgende haben die Atmosphäre, die in Comala herrscht, greifbar gemacht:
Es fehlte noch lange bis zum Morgengrauen. Der Himmel war voller Sterne, dicker Sterne, aufgebläht von so viel Nacht. Der Mond war aufgetaucht und bald wieder verschwunden. Es war einer dieser traurigen Monde, die keiner anschaut, auf die keiner achtet. Er hatte eine Weile verzerrt am Himmel gestanden, kein Licht ausgestrahlt und sich dann hinter den Bergen versteckt.
Allgemein konnte ich mir dieses trostlose, verflucht scheinende Dorf, dass von negativen Emotionen beherrscht wird, sehr gut vorstellen. Doch so toll die Sprache auch sein mag – der Roman ist unglaublich verwirrend. Rulfo arbeitet mit einer Multiperspektivität, die für meinen Geschmack zu übertrieben ist. Ich habe gerne mehrere Haupt- und Nebencharaktere, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird. Dadurch bekommt man als Leser ja auch ein viel besseres und objektiveres Gesamtbild der Situation. Hier jedoch waren einfach zu viele Figuren, zu viele spanische Namen, die sich teils ähnlich waren, zu viele Menschen, die kurz erwähnt wurden. Sie haben zwar allesamt zur Story beigetragen und dazu, Pedro Páramo zu charakterisieren. Dennoch war mir oft nicht klar, aus wessen Sicht gerade erzählt wird, besonders, da die einzelnen Abschnitte manchmal erst sehr spät einen Namen preisgeben. Dazu kommt, dass nicht alles chronologisch erzählt wird, was normalerweise kein Problem für mich ist, bei dieser Dichte an Personen und Geschehnissen allerdings schon. Das war mir zu viel Rätselraten und Durcheinanderkommen, sodass es meine Freude am Lesen doch erheblich getrübt hat.
Sprachlich und atmosphärisch ist Juan Rulfos Pedro Páramo Spitzenklasse und man kann deutlich erkennen, dass andere lateinamerikanische Autoren ihre späteren Werke davon haben beeinflussen lassen. Die vielen Figuren, Ereignisse und zeitlichen Sprünge haben mich allerdings so verwirrt, dass ich mich gar nicht richtig darauf konzentrieren konnte, das Buch zu genießen. Im Nachhinein hat es mir besser gefallen als beim Lesen selbst. Es ist definitiv lesenswert, allerdings sollte man eine gewisse Bereitschaft mitbringen, sich auf eine ungewöhnliche, wenn nicht sogar schwierige Erzählweise einzulassen. Ich würde 3,75 Sterne vergeben.
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