Bücher mit dem Tag "nachkriegsliteratur"
67 Bücher
- George Orwell
1984
(4.200)Aktuelle Rezension von: FederstrichGeorge Orwell kommt in seiner Beschreibung des ausweglosen Daseins in einem staatlich gesteuerten Hamsterrad dramatisch nah an Franz Kafkas nüchterne Figuren heran, die sich Stück für Stück vom Menschsein entfremden. Winstons Motive sind nicht immer ganz eindeutig und ein wahrer Sympathieträger wird er für mich erst in den letzten Abschnitten des Romans. Die Bilder, die der Autor vor allem mit der Beschreibung des sogenannten "zwei Minuten Hasses" entwirft, verfehlen ihre Wirkung nicht. Das Werk wird erst mit Daniel Kehlmanns scharf beobachteter Analyse des Buches richtig komplett und zeigt Parallelen mit unserer heutigen Gesellschaft. Mitunter ist das Verhör O'Brians harte Kost und seine pedantisch akribische Folter, die darauf abzielt, dass Winston sich einem System unterwerfen muss, dass nur dazu da ist, sich selbst zu erhalten. Die ganze Hoffnungslosigkeit und Tragik kommt dadurch zum Ausdruck, dass selbst Winstons Liebe zu Julia bis ins kleinste zerrieben wird. Obwohl das Konstrukt des Großen Bruders reine Illusion ist, haben sich ihm Wünsche, Träume und Hoffnungen bis zur Selbsverleugnung unterzuordnen.
- Albert Sánchez Piñol
Der Untergang Barcelonas
(75)Aktuelle Rezension von: Janine2610Darum geht's:
Barcelona um 1700: Zuvi ist vierzehn, etwas großmäulig, ein Taugenichts mit rabenschwarzem Haar. Als ihn der Graf Vauban auf sein Schloss einlädt, ändert sich Zuvis Leben schlagartig. Vauban, der berühmteste Baumeister seiner Zeit, lehrt ihn, die sichersten und schönsten Festungsmauern zu bauen, und Tochter Jeanne führt ihn in die Liebeskunst ein. Aber dann tobt der Spanische Erbfolgekrieg und Zuvis Heimatstadt Barcelona droht, eingenommen zu werden. Zuvi, inzwischen vom Leben gereift, unternimmt alles, um seine geliebte Stadt zu retten.
Meine Meinung:
Vom ersten Achtel des Buches war ich noch recht begeistert.
Der junge Zuvi, der eine Lehre zum Ingenieur beim berühmten Vauban in Frankreich beginnt, fand ich in seinem leicht naiven, tollpatschigen, aber auch intelligenten und gutmütigen Wesen eigentlich sehr liebenswert und der zum einen spitzbübische und zum anderen Teil zynische Humor hat ebenfalls sehr erfrischend auf mich gewirkt.Das gesamte Buch wird aus der Sicht des nun bereits 98-jährigen Zuvis erzählt: also eigentlich hat er es der 'lieben grässlichen' Österreicherin Waltraud diktiert, die er zwischenzeitlich auch immer mal wieder persönlich anspricht bzw. beleidigt, was vielleicht lustig hätte sein sollen, aber nicht immer war, da es meines Erachtens hauptsächlich Beleidigungen unter der Gürtellinie waren, die jemanden zum Weinen bringen können, was die gute Waltraud dann ja manchmal auch getan hat ...
Leider gab es dann auch Phasen, die für mich weniger interessant waren und es mir schwer gefallen ist, der Geschichte zu folgen. Ein Abschweifen war die Folge und ehrlich gesagt, kann ich gar nicht sagen, worum es da genau gegangen ist, da ich währenddessen mit meinen Gedanken überall war, nur nicht in der Geschichte. Aber es dürfte wohl um die Ingenieurskunst, den Bau von Bastionen und diverse Kriegs- und Abwehrerzählungen gegangen sein.
Als dann wieder die Phasen kamen, die mich mehr fesseln konnten (die aber leider deutlich weniger vorhanden waren) hatte ich dann natürlich das Problem, dass ich mit den Namen, die aufgetaucht sind wenig bis gar nichts anfangen konnte, da ich nicht wusste, mit wem oder womit ich sie in Verbindung bringen soll.Die letzten 100 Seiten des Buches fand ich glücklicherweise wieder spannend, da es darin dann wirklich (kriegsmäßig) zur Sache ging. Ja, der letzte Teil war verstörend und grausam. Dass der Krieg viele (unschuldige) Opfer fordert, weiß ich, aber das in der ganzen Bandbreite und seinem Schrecken zu lesen, kann schon ganz schön aufwühlend sein: ein Schlachtfeld, und überall Menschen mit fehlenden Gliedmaßen, Leichen und noch mehr Tote. Und obwohl das Ganze nicht allzu brutal oder blutig beschrieben wurde, ist es dennoch erschreckend zu wissen, dass so ein Massaker (ein anderes Wort fällt mir dazu gar nicht ein) tatsächlich einmal stattgefunden hat.
Aber mein Gesamteindruck ist gar nicht so schlecht, wie ich zwischendurch gedacht habe. Die Seiten, die für mich nicht spannend und interessant waren, haben zwar schon in etwa die Hälfte des Buches ausgemacht, die fesselnden Phasen fand ich dafür dann aber umso lesenswerter.
Ich vergebe 4 Sterne für eine Geschichte, die mir wirklich gut recherchiert scheint, zwischendrin sehr spannend war, mich aber trotzdem wegen gewisser thematischer Erzählungen nicht immer brennend interessiert hat.
- Bernhard Schlink
Der Vorleser
(5.779)Aktuelle Rezension von: Miriam321123Alles in allem ist Der Vorleser von Bernhard Schlink das schlechteste Buch, welches ich in meinen 30 Jahren gelesen habe.
Angefangen von den schlecht gezeichneten, unrealistischen Charakteren deren Handlungen nicht nachvollziehbar sind zum inhaltlichen.
Große und wichtige Themen auf ein paar Seiten runter zu brechen und Themen, wie sexuellen Missbrauch und NS-Verbrechen, werden meiner Meinung nach relativiert und zum Teil auch einfach Falsch dargestellt.
Für mich las sich das Buch als billige Pornografie mit Nazifantasien ohne wirkliche Story. Öde, unreflektiert und eine Schande, dass dieses Buch eine solche Popularität erreicht hat.
Sprachlich kann man drüber streiten...Mir hat der Schreibstil nicht zugesagt.
- Albert Camus
Die Pest
(520)Aktuelle Rezension von: ElektrifixDie Geschichte spielt in Oran, einer Stadt an der Küste Algeriens in den 40er Jahren (194+). Sie könnte aber jeder Zeit, überall genauso geschehen.
Das “normale” Leben wird durch das Massensterben von Ratten zunächst nur oberflächlich gestört. Und auch als die ersten Menschen an einer geheimnisvollen Krankheit sterben, wird die “Sache” klein geredet, bzw. ignoriert.
Erst als die Stadt hermetisch abgeriegelt wird, begreifen die Bewohner den Ernst der Lage.
Der Erzähler beschreibt neben Dr. Rieux, einem Arzt, der bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung versucht zu helfen, um festzustellen, dass er “nur” noch der Verwalter der Kranken ist, einige weitere Charaktere sehr detailliert.
Diese Menschen versuchen dan zusammen mit dem Doktor, der Lage Herr zu werden.
Große Themen sind: Die Trennung von liebenden Menschen, die Verhaltensveränderungen der Menschen in den verschiedenen Stadien der Epidemie, der Tod und die Vereinsamung.
Die Erfahrungen mit Corona (COVID-19) machten mich beim Lesen sehr betroffen, so dass ich schon Mal ans Abbrechen dachte. Ich habe aber “durchgelesen” und es nicht bereut.
- Stefan Zweig
Schachnovelle
(1.455)Aktuelle Rezension von: LuiseLotteKaum hundert Seiten stark ist Stefan Zweigs letztes und wohl bekanntestes Werk, "Schachnovelle", aber was für ein Schwergewicht!In ihr verdichtet sich alles, was Stefan Zweig ausmachte, seine Hoffnungen auf eine humane, von Brüderlichkeit unter den Völkern und der Hochschätzung geistiger Werte geprägten Welt, sein hohes Interesse an den Seelenlandschaften des Menschen, eindrucksvolle Porträts seiner Figuren gepaart mit einer kargen und disziplinierten, doch stets meisterhaften Sprache voller brillianter Stilistik und die Kunst der Verknappung zur Perfektion gebracht. Die Literaturgattung der Novelle beherrschte er so virtuos wie kaum ein anderer und wie alles andere, das er in seinem, von vielen Reisen stark beeinflussten Werk, das von Erzählungen, Dramen, Prosa und romanhaften Biographien reicht bis hin zu einer ungewöhnlichen Dichte an Novellen und historisch basierten Erzählungen, je geschrieben hat - allesamt gekennzeichnet durch seine Hauptthemen: Tragik, Drama, Melancholie und Resignation. Und diese vier Motive finden wir auch in seiner Meisternovelle, der "Schachnovelle" wieder.Die Handlung spielt sich ab auf einem Ozeandampfer, zwischen New York und Buenos Aires. Der Ich-Erzähler, der vielfach als Zweigs Alter Ego gesehen wird, berichtet in der Rahmenhandlung von einer Schachpartie, die ein reicher schottischer Industrieller dem sich zufällig an Bord des Schiffes befindenden erst zwanzigjährigen Schachweltmeisters Czentovic aufzwingt, der, aus Südslowenien stammend und als tumb und frei von jeglichen intellektuellen Fähigkeiten beschrieben, ein, so widersprüchlich es auch erscheinen mag, begnadetes Schachgenie ist.Während die erste Partie, die jener geniale Schachspieler, der aber unter einem eigenartigen Handicap leidet, nämlich dem, keine Blindpartien spielen zu können - im Gegensatz zu allen großen Schachmeistern der Geschichte -, gegen eine ganze Gruppe von Gegnern spielt, erwartungsgemäß mühelos an ihn geht, endet die Revanche mit einem sensationellen Remis! Verantwortlich dafür ist ein gewisser Dr. B., der sich den Spielern hinzugesellt und ihnen, die Strategie des Weltmeisters voraussehend, die richtigen Züge einflüstert, um Czentovic Paroli zu bieten. Daraufhin fordert der schottische Industrielle Dr. B. auf, eine weitere Partie zu spielen, was dieser zunächst ablehnt. Nachdem der Ich-Erzähler ihn aber wenig später zufällig auf Deck des Ozeandampfers trifft und mit ihm ins Gespräch kommt, in dem Dr. B., der als Schüler seine letzte reale Schachpartie absolviert hatte, freimütig über sein Leben und den Grund für seine klar ersichtliche Meisterschaft im Schachspielen berichtet, wendet sich das Blatt!Hier beginnt nun die Binnengeschichte, die Novelle in der Novelle! Der Wiener Dr. B. war bis 1938, dem Einmarsch der Nazionalsozialisten in Österreich, Vermögensverwalter des österreichischen Adels und Klerus. An eben jenem Vermögen waren die Nazis brennend interessiert und stellten den gebildeten Mann unter Hausarrest in einem Hotel, in dem er monatelang vollkommen isoliert war und alle Reize von außen ausgeschaltet blieben. Diese perfide Methode war außerordentlich wirksam, denn früher oder später brachen die so Gefolterten unweigerlich zusammen. Dieses Schicksal wäre gewiss auch Dr. B. beschieden gewesen, hätte er sich nicht während des langen, zermürbenden Wartens im Vorzimmer des Verhörraumes heimlich eines kleinen Büchleins bemächtigt, das sich zu seiner großen Enttäuschung jedoch als ein Kompendium von 150 berühmten Schachpartien herausstellte. In seiner Verzweiflung machte der kluge Österreicher die Not zu einer Tugend und spielte allmählich alle Partien blind nach, so dass sie unauslöschbar in seinem Kopf verankert waren. Diese geistige Tätigkeit hielt ihn, soweit dies unter den herrschenden Bedingungen möglich war, psychisch gesund und bewahrte ihn vor dem drohenden Verlust seines Verstandes. Vorerst! Denn bald hatte sein Hirn keine Nahrung mehr, die Herausforderung, der er sich gestellt hatte, war keine mehr.So beschloss er, gegen sich selbst zu spielen, neue Partien zu erfinden, wodurch es rasch zu einer Persönlichkeitsspaltung kam. Unter "Schachvergiftung" litt er, wie er dem Ich-Erzähler gegenüber einräumte, die letztend zu einem Zusammenbruch mit Wahnvorstellungen führte - der sich aber als seine Rettung herausstellen sollte! Nur wusste er, dass er sich am besten dem Schachspiel für immer fernhalten sollte, um nicht wieder in alte, fatale Muster zu verfallen. Dass er der gewünschten Schachpartie gegen Czentovic dennoch zustimmte, begründete er damit, seine theoretischen Fähigkeiten auf Praxistauglichkeit überprüfen zu wollen. Das erste Spiel gewinnt er denn auch; bei der vom Weltmeister geforderten Revanche allerdings zeigen sich alsbald die alten Symptome. Der Ich-Erzähler führt ihm diese in einem Rettungsversuch warnend vor Augen - und die Partie wird abgebrochen. Dr. B. wird niemals wieder ein Schachbrett anrühren!Wenn viele Kritiker die "Schachnovelle" als Parabel für den Kampf zwischen der Welt der Kultur und des Geistes, vertreten durch die Figur des gebildeten, klugen, geistreichen und gewandten Dr. B., gegen den Nationalsozialismus und seiner fatalen Erscheinungsformen, verkörpert durch den unintellektuellen, grobschlächtigen, geistigen Dingen so fernstehend wie man nur sein kann, Schachweltmeister Czentovic ansehen, so muss ich zustimmen. Darüberhinaus ist die Novelle aber und vor allem eine psychologische Studie vom feinsten; sie zeigt die Konfrontation der psychischen Abgründe, die ein Gefangener der Gestapo erlebt hat in der Binnenhandlung, mit der oberflächlichen Lebenswelt wohlhabender Reisender in der Rahmenhandlung, die dem Schachspiel als elitärem Zeitvertreib frönen, während es für den Protagonisten Dr. B. Rettung und Flucht zugleich war.Der Autor selbst, ein früher Befürworter eines vereinten Europas als einzige Möglichkeit, zukünftige Kriegsgefahr und etwas so Abscheuliches wie den Nationalsozialismus abzuwenden, schied 1942 in seinem brasilianischen Exil freiwillig aus dem Erdenleben, da für ihn der Zerfall dessen, was für ihn Leben ausgemacht hatte, ein Weiterleben sinnlos machte. Die "Schachnovelle" ist sein eindrucksvolles und unvergängliches Vermächtnis! - Günter Grass
Die Blechtrommel
(560)Aktuelle Rezension von: SM1"Die Blechtrommel" ist wohl das bekannteste Werk des Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass. Es bildet zusammen mit der Novelle "Katz und Maus" und dem Roman "Hundejahre" die Danziger Trilogie.
Die zentrale Figur des Buches ist Oskar Matzerath, der im Alter von drei Jahren aus Protest beschließt, nicht mehr zu wachsen.
Der Roman ist in drei Bücher unterteilt, deren Schauplätze Danzig (Buch eins und zwei) und Düsseldorf (Buch drei) sind.
Aus der Sicht der Hauptfigur wird ein Stück deutscher und europäischer Geschichte auf ungewöhnliche Weise und aus einer ungewöhnlichen Perspektive geschildert.
Auch wenn es sich dabei um alles andere als leichte Kost handelt, ist der Roman größtenteils sehr unterhaltsam, so dass sich die manchmal anstrengende Lektüre letztlich lohnt.
- Friedrich Dürrenmatt
Der Besuch der alten Dame
(1.852)Aktuelle Rezension von: michellebetweenbooksGüllen ist dem Ruin nahe. Sie haben nichts mehr und selbst der Pfändungsbeamte geht leer aus. Claire Zachanassian ist in Güllen aufgewachsen und soll nun die letzte Rettung für das Dorf Güllen sein. Die Güllener hoffen sehr auf ihre Unterstützung, doch Claire hat ein Anliegen. Die Menschen aus Güllen sind zuerst schockiert, doch dieser Schock bleibt nicht allzu lange und sie überlegen, was sie tun können…
Dass dieses Buch außerhalb meiner Komfortzone ist, weiß jeder, der sich ein wenig mit meinen sozialen Medien auseinandergesetzt hat. Dieses Buch war eine Schullektüre und ich weiß noch nicht genau, was ich von diesem Buch halten soll. So begeistern konnte es mich nicht, auch wenn der Klappentext sehr überzeugend klang. Vielleicht hatte ich zu große Hoffnung oder es passt nicht zu meinem Alter.
Das Buch ist in Akte unterteilt und wie ein Theaterstück geschrieben. Das Buch ist nicht sonderlich dick und enthält drei Akte. Dieses Buch geht nicht sonderlich in die Tiefe, denn es handelt sich um genau das, was der Titel schon verrät: ,,Der Besuch der alten Dame‘‘. Leider kommen in diesem Buch auch nicht wirkliche viele Gefühle vor. Es bleibt alles oberflächlich und man weiß nicht, was die Charaktere denken und was sie als nächstes planen. Dementsprechend konnte ich keine Bindung zu irgendeinem Charakter aus dem Buch aufbauen, das war sehr schade.
Bücher die in Form eines Theaterstücks geschrieben wurden, finde ich spannend, da sie zwischendurch einfach mal was ganz anderes sind. Abgesehen davon ist es einfach auch eine ganz andere Zeitebene und ich finde es gut, dass man hierbei noch einmal lernen kann, wie es damals war und wie es zugegangen ist. Meiner Meinung nach, hatte das Buch keine richtige Handlung. Nichts, was ich als spannend oder interessant betiteln würde, weshalb das Buch für mich auch nicht sonderlich gut war. Das fand ich sehr schade, ich habe schon etwas mehr erwartet.
Der Schreibstil von Friedrich Dürrenmatt war für mich neu, da dies das erste Buch war, welches ich von dem Autoren gelesen habe. Trotz allem hat er einen angenehmen und flüssigen Schreibstil. Ich brauchte erst mal ein wenig Zeit, um mich an die Schreibweise zu gewöhnen, da teilweise auch Wörter vorhanden waren, die ich nicht kannte. Dennoch kommt man beim lesen des Buches wirklich gut durch und hat keinerlei Probleme dem Geschehen folgen zu können.
,,Der Besuch der alten Dame‘‘ ist ein solides Buch, was meiner Meinung nach noch ausbaufähiger hätte sein können. Ich denke, man hätte noch mehr daraus holen können, aber nun gut. Ich weiß noch nicht, ob ich andere Bücher von Friedrich Dürrenmatt lesen werde oder generell Bücher aus der damaligen Zeit. Für mich hat es nichts Besonderes an sich und ich weiß nach wie vor nicht, was ich davon halten soll. Macht euch am besten selbst ein eigenes Bild von der Geschichte.
- Heinrich Böll
Ansichten eines Clowns
(465)Aktuelle Rezension von: Friedrich_SchoenhoffImmer wenn ich nicht begreife, warum ich so bin, wie ich bin, brauche ich nur das Buch zur Hand nehmen und mich an die Moral der Wirtschaftswunder-Gesellschaft erinnern. An Marie, die ihre Liebe Hans verlässt, weil er sich weigert, die Kinder, die sie bekommen könnten katholisch taufen zu lassen. Und Hans selbst, der, ohne sich hätte anstrengen müssen, in Wohlstand alt geworden wäre.
Statt dessen beschließt er, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, und Clown zu werden.
Er verachtet seine Eltern, die überzeugte Nazis waren und zeigt dem Spießertum erfolgreich den gestreckten Mittelfinger, bis Marie ihn verlässt
Nun wird er der traurigste aller Komödianten, ist völlig mittellos und blickt sentimental auf sein Leben zurück.
Das Buch reflektiert in Ansätzen eine Zeit, deren Macher mich groß gezogen haben, bis ich selbst gemerkt habe, wohin das Streben nach immer mehr führt und welchen Preis ich dafür bezahlen müsste.
Jeder ist ein Kind seiner Zeit und die, die folgen, bleiben Zeit ihres Lebens ein Stück Zeuge der Zeit, ob sie wollen oder nicht. Berührend und damals 1963 skandalös, als jemand sich traute, das Gesicht des Katholizismusses zu entlarven.
Der steht heute vor ganz anderen Problemen und löst sich gerade selbst auf
- Carmen Korn
Töchter einer neuen Zeit
(224)Aktuelle Rezension von: JurueanaDie Absätze sind sehr kurz und springen zwischen schnell zwischen den einzelnen Handlungenssträngen hin und her. Habe häufig nicht mitbekommen, dass es schon wieder um jemanden anderen geht was den Lesefluss gestört hat. Kaum hatte man sich in die Handlung eingefunden gab es einen teilweise sehr großen Zeitsprung und man musste sich wieder neu eindenken. Bei den selten auftretenden Nebenfiguren wusste ich oft nicht mehr wer das eigentlich war.
In der Mitte des Buches plätschert die Handlung etwas langweilig vor sich hin, so dass ich es fast nicht weiter gelesen hätte. Die Gefühls und Gedankenwelt der Charaktere wird fast nicht dargestellt, es bleibt eine Aneinanderreihung von Ereignissen. Am Ende des Buches wird es etwas spannender und endet mit einem Cliffhanger für die Fortsetzung. Hat mich aber nicht überzeugt das nächste Band weiter zu lesen.
- Siegfried Lenz
Deutschstunde
(301)Aktuelle Rezension von: dunis-lesefutterWer von euch hält sich für pflichtbewusst? Finger hoch!👆🏻
Uwe Jepsen ist ein Ausbund an Pflichtbewusstsein. So sehr, dass er sogar über die Gültigkeit der Pflicht hinaus es für seine Aufgabe hält, ihr nachzukommen.
Er ist Polizist im fiktiven Rugbüll unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, die gegen den Maler Max Ludwig Nansen (eine Reminiszenz an Nolde/Beckmann/Kirchner) ein Malverbot verhängt haben. Jepsen überbringt die Botschaft und beaufsichtigt gewissenhaft die Entsorgung der Kunstwerke und die Einhaltung des Verbots. Sein Sohn Siggi versteht die Hartherzigkeit des Vaters nicht. Er versteckt Bilder des Malers. Als die Schreckensherrschaft endet fühlt sich Uwe Jepsen nach seiner Entnazifizierung immer noch dafür verantwortlich, den Maler zu schikanieren und seine Bilder zu vernichten. Als er seinem Sohn auf die Schliche kommt, der gegen ihn arbeitet, nimmt er auch diesen in die Mangel. Siggi entwickelt daraufhin die Manie die Bilder des Malers entwenden und verstecken zu müssen. Er wird erwischt und landet in einer Erziehungsanstalt. Dort schreibt er einen Aufsatz über die „Freuden der Pflicht“ und das Ergebnis lesen wir in dem Roman.
Siegfried Lenz Meisterwerk wurde nach seinem Erscheinungsjahr 1968 eins der meistverkauften Bücher in der die Deutschstunde nicht nur einen Aufsatz darstellt, sondern auch deutsche Geschichte aufarbeitet. Schnell wurde es zur Schullektüre. Ich habe es allerdings jetzt zum ersten Mal gelesen.
Lenz hat hier gleich dreimal Menschen in die Pflicht genommen. Uwe Jepsen, der aus blindem Gehorsam Macht ausübt und sie in Pflichtbewusstsein verkleidet, den Maler Nansen, der es unermüdlich als seine Pflicht ansieht sich dem Druck des Polizisten nicht zu beugen und letztendlich Siggi, der sie umkehrt und eine pathologische Pflicht entwickelt, die Bilder zu retten.
Uwe Jepsen ist ein kalter, von sich selbst und den Menschen enttäuschter Mann, der sogar seine Söhne opfern würde, um nach außen hin als fleißiger und gewissenhafter Staatsdiener dazustehen. Er ist blind für Veränderung und die Gefühle seiner Familie.
Der Plot ist in Norddeutschland angesetzt, und der Menschenschlag ist auch durch die Sprache gut wiedergegeben. Mir war’s allerdings das ein ums andere Mal zu ausschweifend und 200 Seiten weniger hätten dem Roman ganz gut getan.
Durch die Fülle an direkten und indirekten Dialogen, in denen sich Sätze wiederholten und Gespräche stattfanden, die nichts zur Handlung beitrugen, wich die Handlung immer wieder ab, was dem Spannungsbogen schadet. Lenz bediente sich da beides stilistischen mittels wörtliche Rede nicht durch Anführungszeichen zu kennzeichnen, also damals gab’s das auch schon.
Die Geschichte wird in zwei Perspektiven erzählt, jeweils von Siggi‘s Ich ausgehend: im Rückblick und in der damaligen Gegenwart der Besserungsanstalt.
Zum Schluss hätte ich mir den Plot etwas runder gewünscht, wobei ich mit dem offenen Ende gut leben kann.
Inhaltlich ist dies aber ein wichtiges Buch und die Frage danach, wann Verantwortungsbewusstsein endet und Machtmissbrauch beginnt, ist auch heute wieder aktueller geworden.
Die Parallelen zu realen Malern sind mir sofort ins Auge gefallen. Allerdings scheint Lenz, als er den Roman geschrieben hat, die nationalsozialistische Vergangenheiten Noldes noch nicht klar gewesen zu sein.
Ein wichtiger, moderner Klassiker, der manchmal etwas ausufert, trotzdem aber lesenswert deutsche Geschichte aufarbeitet.
- Erich Kästner
Fabian
(328)Aktuelle Rezension von: mabo63Karikatur der Zustände Deutschlands, vorwiegend Berlin zur Zeit der Weimarer Republik. Der junge Jakob Fabian streift durch Berlin und ist meist ein ironischer Beobachter des unmoralischen Leben. Dabei schaut er mit Pessimismus der Zukunft entgegen (politische Polarisierung der Kommunisten und Nationalsozialisten) und in dieser Zeit verliert er seinen besten Freund Labude (Suizid aufgrund eines dummen Scherzes).
Seine grosse Liebe zu Cornelia löst er auf da diese sich mit einem reichen Filmdirektor einlässt - der Karierre wegen.
Ursprünglich hiess der Roman "der Gang vor die Hunde" und war eine Warnung vor dem nahenden Abgrund.
[Die große Arbeitslosigkeit, die der wirtschaftlichen folgende seelische Depression, die Sucht sich zu betäuben, die Aktivität bedenkenloser Parteien das waren Sturmzeichen der nahenden Krise. Und auch die unheimliche Stille vor dem Sturm fehlte nicht - die einer epidemischen Lähmung gleichende Trägheit der Herzen. Es trieb manche, sich dem Sturm und der Stille entgegenzustellen. Sie wurden bei Seite geschoben] ..[man lief den Rattenfängern nach, hinein in den Abgrund, in dem wir nun mehr tot als lebendig angekommen sind und uns einzurichten versuchen als sei nichts geschehen. Das vorliegende Buch das Großstädtische Zustände von damals schildert ist kein Poesie - und Fotografie Album sondern eine Satire. Es beschreibt nicht, was war, sondern es übertreibt. Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äußerste was er vermag. Wenn auch das nicht hilft dann hilft überhaupt nichts mehr.
Dass überhaupt nichts hilft, ist - damals wie heute - keine Seltenheit.
Eine Seltenheit wäre es allerdings wenn das den Moralisten entmutigte. Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten. Ihn füllt er, so gut er kann, aus. Sein Wahlspruch heisst immer und heisst auch jetzt: Dennoch!"
Erich Kästner
Leseempfehlung.
- Mechtild Borrmann
Trümmerkind
(280)Aktuelle Rezension von: AleksandraKlappentext: "Hamburg 1946/47 - Steineklopfen, Altmetallsuchen, Schwarzhandel.
Der 14jährige Hanno Dietz kämpft mit seiner Familie im zerstörten Hamburg der Nachkriegsjahre ums Überleben. Viele Monate ist es bitterkalt, Deutschland erlebt den Jahrhundertwinter 1946/47.
Eines Tages entdeckt Hanno in den Trümmern eine nackte Tote - und etwas abseits einen etwa dreijährigen Jungen. Der Kleine wächst bei den Dietzens in Hamburg auf. Monatelang spricht der Junge kein Wort. Und auch Hanno erzählt niemandem von seiner grauenhaften Entdeckung. Doch das Bild der toten Frau inmitten der Trümmer verfolgt ihn in seinen Träumen.
Erst viele Jahre später wird das einstige Trümmerkind durch Zufall einem Verbrechen auf die Spur kommen, das auf fatale Weise mit der Geschichte seiner Familie verknüpft ist …"Bei diesem Buch hat mich am meisten die Überschrift angezogen. Hin und wieder neige ich dazu, Geschichten, aus dem oder nach dem 2. Weltkrieg zu lesen. Das Cover ist fantastisch, gespart an Farben, es war auch eine farblose Zeit, die Trümmern und das Kind.
Die Geschichte ist Anfangs in drei Teile unterteilt, zwei aus der Vergangenheit und ein Teil aus der Gegenwart. Am Ende ergibt alles ein Ganzes. Alle Hauptprotagonisten sind so realistisch erklärt, dass ich mich gar nicht entscheiden kann, wen ich am meisten mochte. Die Schreibweise war sehr angenehm, führte mich sofort in eine fantastische Zeitreise. Eine Zeitreise, die so bildlich die Orte, Menschen, Ereignisse und Gefühl beschrieb, dass ich dachte ein Teil von dem Buch zu sein.
Die Geschichte las ich bewusst langsam, denn ich wollte sie genießen, jedes mal wenn ich hinein getaucht bin. Ich gebe zu, anfänglich war es verwirrend, drei Orten, drei verschiedene Familien und Handlungen zu folgen, aber langsam bekommt der Leser ein Gefühl wohin das Ganze führt.
Trotzdem, am Ende, obwohl sich der Leser einen Teil schon denken konnte, kamen überraschende und erschreckende Tatsachen ans Licht. Ja, da habe ich tatsächlich mit dem Buch "geschimpft, gestritten, gelitten". Mein Gefühlschaos war groß.
Es ist traurig zu wissen, dass diese Erzählung, auch eine Wahrheit, eine Vergangenheit von jemanden sein kann/könnte.
Ich weiß nicht, ob ich das Buch unbedingt als Krimi einstufen würde, aber ich würde es jedem empfehlen. Denn, meiner Meinung nach, ist es ein tolles Buch.
Von der Autorin werde ich sicher bald wieder etwas Neues lesen.
- Simone de Beauvoir
Die Mandarins von Paris
(42)Aktuelle Rezension von: ninchen1809Ein Meisterwerk! Simone de Beauvoir gelingt in ihrem Roman eine perfekte Verknüpfung von Zeitgeschichte (politische Entwicklung in Frankreich nach dem 2. Weltkrieg) und privater Schicksale. Der Roman spielt größtenteils in Paris, zwischendurch aber auch in den USA, Portugal oder Mexiko. Die Charaktere sind perfekt und äußerst real herausgearbeitet. Auf knapp 800 Seiten kommt aufgrund wunderbarer, zum Nachdenken anregender Dialoge und einer lebendigen Erzählweise auf keiner einzigen Seite Langweile auf. Besonders beeindruckend sind die zwei verschiedenen Erzählebenen: Zum einen die des Journalisten Henri in der dritten Form und der Psychologin Anne in der Ich-Form. Diese beiden Protagonisten führen in die Welt der Pariser Intellektuellen. Bei der Geschichte um Henri wird der Zerfall der durch die Résistance verbundenen Pariser Intellektuellen und der Niedergang des französischen Kommunismus aufgegriffen. Sein vergeblicher Kampf um die Zeitung „Espoir“ steht für ihn im Vordergrund. Die Schicksale dreier Damen, Paule, Josette und Nadine, und deren Liebe zu Henri sind in diese Geschichte verwoben. Anne, die Ehefrau einer Hauptfigur der „Mandarins“, ist nicht unmittelbar in die politischen Diskussionen einbezogen. Die Suche nach persönlichem Glück und eine schöne Liebesgeschichte spielen in Annes Leben eine weitaus größere Rolle. Sie verliebt sich in Chicago in einen Schriftsteller namens Lewis, der mit ihr sein Leben verbringen möchte, sie aber ihr „altes“ Leben in Paris nicht aufgeben will. Insgesamt eines der besten Bücher, das ich gelesen habe. 100% empfehlenswert!!! - Wolfgang Koeppen
Tauben im Gras
(230)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerHier geht's zur Kurzmeinung auf meinem Blog.
Kurzmeinung
+ beeindruckender Stil, vor allem die vielen Synonyme und bildhaften Umschreibungen, die sich auseinander entwickeln und in freien Assoziationsketten aneinander gefügt werden
+ fließende Übergänge zwischen den Perspektiven durch Verknüpfung über unvollständige Sätze oder identische Worte
+ starke Verflechtung der Perspektiven, indem die Figuren sich wechselweise begegnen
- sprachlich so komplex, dass es sehr viel Konzentration erfordert und anstrengend zu lesen ist
- fühlt sich ziellos an, auch wenn das Ziel, das München der Nachkriegszeit zu analysieren, durchaus erreicht wird
- Heinrich Böll
Irisches Tagebuch
(212)Aktuelle Rezension von: FederstrichGott sei Dank hat Irland den Weg aus seinem einstigen Hungerdasein gefunden. Statt auszuwandern ist die grüne Insel ein Sehnsuchtsort für Millionen geworden. In Heinrich Bölls Tagebuch scheint die Geschichte von der Realität überholt worden zu sein. Auf den ersten Blick, denn der Spirit lebt! Irland ist lebendig gewordene Geschicht, vom Stein bis zum Menschen. Böll lässt die Inselbewohner lebendig werden und man ahnt, dass sie sich moderner geben, in ihren Traditionen und ihrem Glauben jedoch fest verwurzelt sind. Das Buch ist kein Reiseführer, es ist eine Erinnerung und gleichzeitig der Blick in die Kristallkugel. Unverzichtbar, wenn man als Irlandanfänger einen ersten Einblick in die Seele des Landes gewinnen will.
- Günter Grass
Im Krebsgang
(205)Aktuelle Rezension von: FarbwirbelGünther Grass' Novelle 'Im Krebsgang' lag schon Jahre auf meinem SuB und nun habe ich es endlich geschafft, sie zu lesen.
Inhaltlich war ich tatsächlich überrascht, denn ich dachte, dass es ein historienbezogenes Werk ist und wusste nicht, dass er auch hochgradig aktuell ist.
In der Novelle geht es um Paul Pokriefke, der selbst als Journalist arbeitet und dem Leser einen Schweinsgalopp durch Vergangenheit und Gegenwart eröffnet.
Zu Beginn geht es um Gustloff, Frankfurter und Marinesko, drei historische Personen, die im Zusammehang mit dem NS-Regime stehen. Dabei sei kurz erklärt, dass Gustloff als Nazi von Frankfurter, einem Juden, erschossen wurde. Später, als Hitler die KDF-Fahrten eingeführt hatte, wurde eines der Schiffe Gustloff genannt. Wie es der Zufall so will, ist eben jene Gustloff das Boot, mit dem Mutter Pokriefke später mit ihrem Sohn Paul im Bauch vor den Russen flüchtet. An dem Abend, als die Gustloff abgeschossen wird, wird Paul geboren und Mutter Pokriefke erzählt diese Geschichte ein ums andere Mal ihrem Sohn und später auch ihrem Enkel Konrad.
Wie sich im Lauf der Geschichte herausstellt, ist Konrad sehr vereinamt von dieser Geschichte und entwickelt sich Stück für Stück zu einem Neonazi. Sein Vater beobachtet im Web diese Entwicklung, denn Konny schreibt auf einer Website darüber, doch wirklich einzugreifen wagt er nicht, hat er doch nicht wirklich Kontakt zu ihm.
Die Geschehnisse spitzen sich zu und die Geschichte wird wiederholt. Am Ende kann man tatsächlich die letzte Phrase der Novelle als Kern dieser erkennen:
Das hört nicht auf. Nie hört das auf. - S. 216
Grass fragt in seiner Novelle nach der Idiotie, die Menschen inne haben, die nationalsozialistisches Gedankengut in sich tragen. Vor allem aber trägt er hier einen Sachverhalt vor, der gar nicht so oft thematisiert wird: Intelligtente Menschen und wie diese so denken können und auch, was die Geschichte der Familie in einem jungen Menschen machen kann, wie sie sich weiterträgt. Das war hochinteressant.
[…] Wolfgang Stremplin, der sich online David genannt hatte, einen, wie er sagte, „Nachweis arischer Herkunft“ vorlegte und sich dabei ironisch gab. Den Kommentar zu dem, was er ohnehin wußte, lieferte mein Sohn aus ruhiger Gewißheit: „Das ändert nichts am Sachverhalt. Allein ich mußte entscheiden, ob die mir als David bekannte Person als Jude sprach und handelte.“ - S. 182
Auf der anderen Seite habe ich das Werk nur schleppend fertig bekommen. Gerade der Einstieg mit all den historischen Persönlichkeiten und dem fast abgehackten Schreibstil war für mich nur schwer anzunehmen. Das Buch wurde zum Schluss hin immer interessanter und dennoch blieb der erste Eindruck für mich sehr präsent. Da ist der Titel dann aber wieder sehr genial gewählt. Im Krebsgang. Genau so wird die Geschichte nämlich erzählt.
Den Ich-Erzähler Paul mochte ich sehr gern. Gefangen in dem Rahmen seines Lebens und mit einer großen Schippe Ironie erzählt er daraus.
Schluß mit Gernegroß! Wer sich mit funfunddreißig und beginnendem Haarausfall noch ein Kind andrehen läßt, ist nicht zu retten. Was heißt hier Liebe! Die gibt’s allenfalls wieder ab siebzig, wenn ohnehin nichts mehr läuft. - S. 42
Seine Mutter war für mich so etwas wie das Ebenbild der Nachkriegsgeneration, die danach in der DDR lebte. Irgendwie politsch verwildert im Kopf, wenn man das so sagen kann.
Da ich vom Schreibstil und dem Aufbau der Geschichte nicht zu 100 % überzeugt bin, ich aber mit der Aussage d'accord gehe, bin ich mal wieder im Sternekonflikt. Ich vergebe drei Sterne und würde gerne noch einen imaginären, halben Sternd dazugeben.
- Bertrand Badiou
Herzzeit
(45)Aktuelle Rezension von: riraraffiQuelle relation
Die Briefe, die Ingeborg Bachmann und Paul Celan als große Poeten sich gegenseitig als private Kommunkation geschrieben haben sind so weit von dem, wie wir heute kommunizieren. Jedes Wort wirkt klug gewählt, obwohl sie selbst sagen, dass dem nicht der Fall sei. Ihre Beziehung bleibt so zaghaft angedeutet und es ist beeindruckend, wie sie trotz der unregelmäßigen Abstände irgendwie stets in Kontakt bleiben,, sich gegenseitig Gedichte widmen, Briefe schreiben (und sie nicht abschicken).
Wie wertvoll geschriebenes Wort war und dann auch noch von Zweien, die das geschriebene Wort zu ihrer Berufung machen. Und obwohl, wie auch im Nachwort erklärt, so oft sichtbar wird, wie sie um Worte ringen und mit ihnen kämpfen, beschränkt auf das, was sie einander in Entfernung schreiben, bleibt der romantisierende Gedanke im Kopf, dass alles einfacher war, als man nicht 24/7 über Whatsapp kommunizierte. Der Gedanke, dass sie vielleicht zueinander gefunden hätten, wenn sie Missverständnisse in einem 2-Minuten-Anruf geklärt hätten ist erschauderlich. Demütig blicke ich auf die Möglichkeiten der Kommunikation, die uns so viel erschweren, aber an sich auch so viel vereinfachen.Ich ringe selber mit den Worten, die ich für das Gelesene habe, möchte es aber jedem empfehlen, der sich eine Herzzeit wünscht.
Und abschließend einige Worte zu Paul Celans Ehefrau Gisèle Lestrange:
Il ne me reste qu'à exprimer mon admiration pour cette femme élégante, courageuse et sage. Pendant la lecture, j'avais tellement envie de lui envoyer une lettre du fond de mon cœur. Quelle dame ! - Anna Seghers
Das siebte Kreuz
(223)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer>Das siebte Kreuz <, geschrieben von einer in Frankreich lebenden Emigrantin, spielt 1937 in Deutschland und erzählt die Geschichte von Flüchtlingen aus einem Konzentrationslager. Geschrieben von einer Kommunistin, ist es gleichwohl kein politisches Kampfbuch. Denn es kennt keine Aggressivität: Die Trauer der verjagten Autorin ist stärker als ihre Empörung. Nicht ein Rachegesang ist > Das siebte Kreuz<, sondern eine Elegie, nicht ein Buch des Hasses, sondern der Barmherzigkeit. Im Unterschied zu den meisten ihrer Romane verkündet Anna Seghers hier keine Philosophie, sie wirbt für keine Ideologie, sie deutet kein Programm an. Ihr ist nur noch die einzige Hoffnung geblieben: die Redlichkeit, die Rechtschaffenheit des Individuums. Im innersten gäbe es etwas, > was unangreifbar war und unverletzbar<. So überwinden die Menschen auf dem Fluchtweg jenes Mannes, auf den im Konzentrationslager das siebte Kreeuz wartet, ihre Angst und helfen dem Ausgestoßenen. Das poetische Meisterwerk ist zugleich ein Kriminalroman, doch mit ungekehrten Vorzeichen: Verbrecher in den Uniformen der SS und SA verfolgen einen Unschuldigen.
> Marcel Reich – Ranicki <
Aus sieben gekappten Platanen wurden im Konzentrationslager Westhofen Folterkreuze für sieben geflohene Häftlinge vorbereitet. Sechs der Männer müssen die Flucht mit dem Leben bezahlen. Das siebste Kreuz aber bleibt frei: Georg Heisler kann entkommen, er findet den Weg in die Freiheit. Sein langer, dramatischer Fluchtweg gleicht einem sezierenden Schnitt durch Schichten und Mentalitäten des nationalsozialistischenDeutschlands.
Dieser Roman von Anna Seghers läßt uns Leser nach Beendigung des Buches in einem riesigen Vakuum, gefüllt mit Emphatie und Beklemmung, etwas mitgenommen zurück. Wir werden uns bewußt, dies war die Zeit bevor die ganze Welt Kopf stand. Das Übel brodelte schon massiv, der Gestank dieser braunen Kloake schwebte unheilvoll über das Land.
Das siebte Kreuz, ist das antifaschistische Buch schlechthin und gehört zu Recht in den Kanon der Literatur. Es sollte als allgemeine Schullektüre integriert werden.
Klare Leseempfehlung !
“ Dieses Buch ist den toten und lebenden Antifaschisten Deutschlands gewidmet.“
Anna Seghers
- Elizabeth Taylor
Blick auf den Hafen
(6)Aktuelle Rezension von: ClariEin sehr eintöniges Leben bestimmt das Geschehen in dem vorliegenden Roman von Elizabeth Taylor. Es handelt sich bei ihr nicht um die berühmte amerikanische Schauspielerin sondern eine englische Autorin, die von 1912 bis zu ihrem Tod 1975 in Penn, Buckinghamshire gelebt hat. Nach sechs Jahren Krieg, von dessen Auswirkungen nichts zu spüren ist, lebt man ohne besondere Ereignisse in dem kleinen Hafenstädtchen Newby in England. Nachbarschaftlicher Klatsch und Tratsch beleben das ansonsten nichtige Leben der kleinen Hafengemeinde. Mrs. Tory ist geschieden und Beth, ihre beste Freundin, schreibt Romane. Letztere glaubt sich im Frieden mit Mann und Töchtern, doch ganz so einfach ist es nicht. Kaum spürbar spielen Intrigen, Eifersüchteleien und Missgunst in die privaten nachbarschaftlichen Beziehungen hinein. Robert, der ortsansässige Arzt und Ehemann von Beth, pflegt eine heimliche Liebschaft mit Tory. Beth ist zu sehr vertieft in das Schreiben ihrer Romane, als dass sie ahnt, was sich im Geheimen zwischen Robert und Tory abspielt. Selbst ihre Töchter Prudence und Stevie nimmt Beth in ihrer romanhaften Fantasiewelt kaum mehr wahr. Einige andere Figuren beleben das Bild dieser engen Gemeinschaft, in der man sich Abwechslung nur durch geheime Liebschaften und den Tratsch darüber aneignen kann. Gespräche drehen sich um Alltägliches: was man über diesen oder jenen denkt und wer sich mit wem trifft. Essen und Trinken, Krankheiten und nervöse Eitelkeiten beleben dieses absolut eintönige Leben. Ein älterer Bohemien, die Schriftstellerin Beth, ihr Mann Robert und seine Liebschaft mit der schönen Nachbarin bieten Gelegenheit, über das verborgene Leben mehr zu erfahren, als der äußere Schein verspricht. Die Charaktere sind in ihrer Eigenart gut gezeichnet. Ein Handelsstrang ist nur insofern erkennbar, als das Leben aller Figuren fortschreitet, und Veränderungen in aller Gemächlichkeit ihren Lauf nehmen. Die Autorin beschreibt mit feiner Beobachtungsgabe menschliche Lebensläufe, die jeder großen Aufregung entbehren und in den kleinlichen Dingen des Alltags hängenbleiben. Eine kleine aber feine Mittelklassegesellschaft spiegelt das Leben so, wie es ist. Poetisch fein ziseliert fehlt jedoch ein Spannungsbogen, der die Lektüre erst zu einem aufregenden Abenteuer machen könnte. Für den Leser gesellschaftlicher Anschauungslektüre einer bestimmten Zeitströmung ist die Wiederentdeckung der Autorin durch den Dörlemann Verlag ein Gewinn. Die Aufmachung ist wie immer in diesem Verlag von feiner und aufwendiger Machart. - Jurek Becker
Bronsteins Kinder
(88)Aktuelle Rezension von: CarinaElenaDieses Buch hatte ich mal als Schullektüre und fand es richtig gut 🤗 habe es sogar ein 2. Mal gelesen und fand es da noch besser. "1973 entdeckt der achtzehnjährige Hans Bronstein, dass sein Vater zusammen mit zwei anderen Männern im Wochenendhaus einen ehemaligen KZ-Aufseher gefangen hält und von ihm ein Geständnis seiner Verbrechen erzwingen will, statt ihn einem staatlichen Gericht zu übergeben. Verzweifelt und erfolglos versucht der Gymnasiast, mit seinem Vater zu reden und angemessen auf dessen Vorgehensweise "richtig" zu reagieren..."
Jurek Becker erzählt die erschütternde Geschichte aus der Sicht des Sohnes, der sich nach einem Jahr an die schrecklichen Ereignisse erinnert und versucht, nicht den Verstand zu verlieren, sondern darüber hinwegzukommen. Es gibt mehrere Strenge in dem Buch, einmal die Taten von Hans Vater und deren Freunden die den KZ Aufseher gefangen halten, dann die Liebe zwischen Hans und Marta die sehr kompliziert ist und die Beziehung zu seiner Schwester Ellen die in der Irrenanstalt sitzt.
Das Buch hat seine Höhen und Tiefen, dennoch sehr gut geschrieben 😎
- Wolfgang Borchert
Draußen vor der Tür
(224)Aktuelle Rezension von: OrishaEin Mann kommt nach Deutschland. Er kommt zurück, nach drei Jahren Sibirien, nach fünf Jahren Krieg. Zurück in eine Heimat, die nichts mehr für ihn bereit hält. Seine Frau liegt bei einem anderen. Der Oberst kennt ihn nicht mehr. Ein Job wird ihm nicht gegeben. Die Eltern sind tot. Da bleibt für Beckmann nur noch ein Weg - der Gang zur Elbe…
Bocherts "Draußen vor der Tür" zählt zu Recht zu den Klassikern der Nachkriegszeit. Mit seiner Figur Beckmann fängt Borchert das Leben eines Kriegsheimkehrers ein. Beckmann steht vor den Trümmern seines Lebens und wird mit unserer Gesellschaft konfrontiert. Eine Gesellschaft, die nach dem Krieg die Verantwortung von sich schob, die auf die anderen zeigte - ohne sich selbst zu hinterfragen. Die Anfängern keine Chancen mehr gab. Die dem Elend, draußen vor der Tür, den Rücken kehrt. Selbstmorde stehen an der Tagesordnung. Doch das interessiert niemanden.
Borchert fängt mit seinem Drama ein Stück Nachkriegsgeschichte ein. Eine Geschichte, die die Situation nach 1945 gut illustriert und den 1000den Schicksalen der Kriegsheimkehrer eine Stimme gab. Sicher in extremer Form, doch die braucht es, um wachzurütteln.
Kurzum: Ein Klassiker, den man gelesen haben sollte. Empfehlenswert.
- Heinrich Böll
Wo warst du Adam
(63)Aktuelle Rezension von: AnnaBerlinIch durfte das Buch während der Schulzeit lesen und bin unglaublich froh darüber. Es handelt in Form unterschiedlicher Kurzgeschichten immer von demselben Thema: Der 2. Weltkrieg, vorgestellt in unterschiedlichen Perspektiven, die doch alle immer wieder verdeutlichen, wie sinnlos Handlungen während des Krieges waren und mit ihnen der gesamte Krieg. Dabei sind die Blickwinkel sehr unterschiedlich und gerade deswegen so glaubwürdig: Soldaten, Generäle, Juden, sie alle kommen darin vor.
Böll schreibt gegen den Krieg und auch nur so kann man das Buch verstehen. Natürlich, es ist keine einfache Lektüre, aber Interpretationen enden immer bei dem gleichen Fazit: Ein Buch, dass mit seinen kleinen Details den Krieg besser darstellt, als ein Geschichtsbuch mit 1000 Seiten und ebenso vielen Bildern. - Myron Levoy
Der gelbe Vogel
(280)Aktuelle Rezension von: SophelliestIch habe das Buch vor Jahren in der Schule gelesen und habe nun wieder dazu gegriffen. Das Buch hat mich wirklich erstaunt.
Die Story
Die Geschichte ist einfach, aber dennoch bewegend. Es passieren realistische Dinge und nichts wirkt aus dem Erzählfaden gerissen.
Die Charaktere
Alan, der Hauptcharakter, ist wirklich sehr sympathisch, nicht perfekt und wirkt daher nahbar. Es macht Spaß, ihm auf seinem Weg, Naomi zu helfen, zu begleiten, besonders während sich die Beziehung zwischen den Beiden entwickelt. Auch die anderen Charaktere sind einfach sehr realitätsnah und gut gestaltet, sodass man sie gut fassen kann. Das einzige, was ich kritisieren muss, ist, dass ich finde, dass Alan sich nicht seinem Alter entsprechend verhält. Er soll 12 sein, meiner Meinung nach, gerade gegen Ende des Buches verhält er sich viel mehr wie 14/15. Ich weiß, dass man das mit dem Erwachsenwerden durch seine Aufgaben erklären kann, aber gerade auch wie er über Naomi spricht, finde ich, wirkt er einfach älter.
Der Schreibstil
Ich finde den Schreibstil angenehm, auch wenn der Einstieg in das Buch ein bisschen plötzlich war und ich dadurch ein wenig überfordert war. Was mir sehr gut gefallen hat, war, dass jeder Charakter eine eigene Art zu sprechen hatte und das eben im Schreibstil sehr deutlich rüber kam.
Fazit
Ein sehr schönes Buch über ein ernstes Thema, mit dem man sich die Schrecken der Nazis sehr gut vor Augen führen kann.