Bücher mit dem Tag "nobelpreisträgerin"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "nobelpreisträgerin" gekennzeichnet haben.

22 Bücher

  1. Cover des Buches Atemschaukel (ISBN: 9783596512034)
    Herta Müller

    Atemschaukel

     (282)
    Aktuelle Rezension von: Ava_lon

    Inhalt

    Rumänien, Januar 1945. »Es war 3 Uhr in der Nacht, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.« So beginnt der erschütternde Bericht eines jungen Mannes, der in ein russisches Straflager verschleppt wird – so wie 60000 andere Rumäniendeutsche, von deren Schicksal Herta Müller in diesem ungeheuren Buch erzählt. In Gesprächen mit dem verstorbenen Dichter Oskar Pastior und anderen Überlebenden der Lager hat sie den Stoff gesammelt – und zu überwältigender Literatur geformt.

     

    Cover

    Das Cover gefällt mir überhaupt nicht, ich mag nicht so gerne Fotografien von Menschen und ich mag keine Bilder mit Zigaretten. Auch wenn es den Zeitgeist spiegelt, so sind diese Fotos nicht mein Geschmack.

    Ein Wort vorneweg

    Meine Rezensionen können sowohl Spoiler enthalten als auch Analysen und Bewertungen, wobei der Schwerpunkt auf meinen persönlichen Eindrücken liegt.

    Mein Eindruck

    Ich bin völlig frei von irgendwelchen Vorabinformationen an dieses Buch herangegangen und habe es im Rahmen ein selbst organisierten Leserunde gelesen. Nur den Klappentext kannte ich und konnte mir so ungefähr vorstellen, dass es inhaltlich betrachtet kein leichtes Thema ist. Es ist auch schon sehr lange her, dass ich mich mit den Schattenseiten des zweiten Weltkrieges auseinandergesetzt habe. Und jetzt war dieser Zeitpunkt gekommen und schon die ersten 50 Seiten trugen sehr viel Tiefe in sich. Jeder Abschnitt steht als Synonym für Aspekte des Lebens, zum Beispiel den Deckel für den Topf, um etwas zu verschließen, Gefühle in sich verbergen und einschließen, um nicht emotional zu zerbrechen. Der Zement der an einem klebt oder sich verflüchtigt spiegelt auch sehr gut die Hoffnung und so gab es eine Reihe von Sätzen, die mich von Beginn an nachdenklich zurückgelassen haben.

    Auch die vielen Wort Kreationen wie zum Beispiel Schneeverrat und Hungerengel

    verbinden die Schönheit und das Grauen miteinander. Schnee ist schön, weiß und sanft, kühl und still - allerdings auch ein Verräter, denn er zeigt die Spuren im Schnee, die jemand hinterlassen hat und die dann direkt zum Versteck führen, um der Deportation zu entgehen.

    Hunger ist grausam und ein Horror, wenn der Magen und der Darm grollen und wahrlich kein Engel, der Frieden verspricht.

    Viele Sätze erweisen sich als eine philosophische Wort Spielerei, wie zum Beispiel das schlichte Kofferpacken, wenn jemand noch nie einen Koffer gepackt hat. Was nehme ich mit? Wenn das Falsche zum Notwendigen wird und das Notwendige dann das Richtige ist, zeigt in diesem Zusammenhang immer wieder deutlich wie schnell etwas Ungewöhnliches zu etwas Normalem wird. Und all diese Feinheiten begleiten auf einer Reise, einer Reise die noch ohne Inhalt ist, sich entwickelt und letztlich vielleicht auch wieder zur Rückkehr führen wird. 

    Als LeserIn lernen wir die Geschichten von den Lagerinsassen kennen und die grausamen Erfahrungen jedes Einzelnen nehmen kein Ende.

    Es gibt zahlreiche Sätze und Worte, die mich zutiefst berührt haben und den Taumel zwischen Leben wollen / müssen und Sterben können / sollen aufzeigen.

    Auch das Wort Herzschaufel - eins werden mit seinem Arbeitsgerät, miteinander verschmelzen. Perfektion, Optimierung: die Arbeit ist ein gemeinsamer Tanz - ist eine grausame Vorstellung und zeitgleich steckt darin so viel Poesie. Hungrig und Hoffnungslos gilt es trotzdem den Lebenskampf aufrecht zu erhalten und die Arbeit mit einem geschwächten Körper zu bewältigen.

    Jedes Thema prägt den Lageralltag auf seine besondere Art und daran halten sich alle Lagerinsassen fest. Eine Haltestange aus Erinnerungen, Erzählungen und Beobachtungen.

    Es ist mehr als beeindruckend mit welcher Sprache die Autorin die Gewalt aus den Beschreibungen herausgelöst hat und ein Gefühl von Verstehen auf den Weg gibt. Sie beschönigt nicht und sie verurteilt nicht. 

    Auch wenn die Autorin ihre Worte gut wählt, so wird die bedrückende Situation im Lager mit jedem Abschnitt deutlicher und betrifft auch mich als LeserIn - eine Grenze des zumutbaren wird erreicht. Und trotzdem lesen sich die Zeilen gut, sie treffen den Kern in unserem Inneren und ein langsames Verstehen breitet sich aus. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen im Lager.

    Fazit

    Ein tolles Buch, welches ich trotz der Thematik gerne gelesen habe. Es wiegt im Herzen leicht und schwer. Es vermittelt mir ein Bild über die damaligen Geschehnisse und über die Sprachlosigkeit der Rückkehrer. Auch mein Großvater, der im ersten Weltkrieg auf den Schlachtfeldern von Verdun war, hat anschließend geschwiegen. Er hat seine Erlebnisse tief in sich vergraben, um uns Kinder / Enkelkinder vor grausamen Gedanken zu schützen, damit wir die Leichtigkeit des Lebens beibehalten können..

     

    230422

  2. Cover des Buches Himmel und Hölle (ISBN: 9783104026541)
    Alice Munro

    Himmel und Hölle

     (99)
    Aktuelle Rezension von: rumble-bee
    Ich habe schon viel von Alice Munro gelesen. Immer - oder zumindest oft - geht es um ungewöhnliche Frauen und ihre Schicksale, um die Bedeutung von lebensverändernden Ereignissen, um die Verstrickungen innerhalb von Familie und Freundeskreis. Dieses Buch habe ich jedoch, aus welchem Grund auch immer, als "besonders" empfunden. Besonders düster in den Untertönen, besonders weitreichend in den Konsequenzen, die man gedanklich ziehen kann.

    Ungewöhnlich oft geht es in diesen neun Geschichten zum Beispiel um den Tod und das Lebensende. In "Trost" sucht zum Beispiel eine Frau nach dem Tod ihres schwer kranken Mannes verzweifelt nach einem Abschiedsbrief - und entdeckt dabei Unglaubliches. Vielleicht hat sie ihren eigenen Mann kaum wirklich gekannt...? In "Was in Erinnerung bleibt" begegnen sich ein Mann und eine Frau auf einer Beerdigung. Was nicht ohne Folgen bleibt.  In "Eine schwimmende Brücke" macht eine schwer krebskranke Frau eine charmante Spritztour mit einem jungen Mann. Und in "Der Bär klettert über den Berg" schließlich sieht sich ein alternder Universitätsdozent mit der schwierigen Situation konfrontiert, seine an Alzheimer erkrankte Frau in ein Heim geben zu müssen.

    Gerade letztere Geschichte hatte mich dazu bewogen, dieses Buch zu lesen. Denn sie ist vor einigen Jahren grandios verfilmt worden, mit Julie Christie in der Rolle der an Alzheimer erkrankten Frau. "An ihrer Seite" heißt der Film, soweit ich mich erinnere. Mich hat beeindruckt zu sehen, dass die Kurzgeschichte eigentlich mit einem Minimum an Worten und Szenen mindestens ebenso viel ausgedrückt hat wie der ganze Film! Das kann eine Alice Munro! Sie zieht einige Pinselstriche, porträtiert ihre Figuren gekonnt, und schon entstehen ganze Landschaften und Schicksale vor dem inneren Auge des Lesers. Auch die moralische Problematik fand ich hervorragend getroffen. Ist ein Mensch, der sich nicht mehr an mich erinnert, für mich überhaupt noch derselbe...? Ich hatte einen dicken Kloß im Hals.

    Ja, ich fand es diesmal nicht ganz leicht zu lesen, dieses Buch. Man musste schon nach jeder Geschichte pausieren. Manchmal auch mittendrin. Aber der Titel der Sammlung - zumindest der deutschen Fassung - ist ausgesprochen gelungen. (Das englische Buch wurde hingegen einfach nach der ersten Geschichte benannt. Nicht immer sind veränderte deutsche Buchtitel ein Fehler!) Denn wer definiert schon Himmel und Hölle? Immer ist auch ein Körnchen des einen im anderen enthalten. Das verdeutlicht diese Sammlung auf zutiefst berührende Weise.
  3. Cover des Buches Zu viel Glück (ISBN: 9783596513000)
    Alice Munro

    Zu viel Glück

     (92)
    Aktuelle Rezension von: Alira

    In den zehn Geschichten geht es um Mord, um körperliche Gebrechen und generell um Menschen, die aus ihrer Bahn geworfen werden. Alice Munro beschreibt menschliche Abgründe ohne zu werten oder zu psychologisieren

    Allerdings war mir die Titelgeschichte - die längste und einzige Erzählung, die auf einer realen Person beruht - zum Fertiglesen zu zäh ...

  4. Cover des Buches Was ich dir schon immer sagen wollte (ISBN: 9783596503780)
  5. Cover des Buches Jazz (ISBN: 9783644004702)
    Toni Morrison

    Jazz

     (30)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Die afro-amerikanische Autorin Toni Morrison widmet sich in ihrem Roman "Jazz" dem Amerika der 20er Jahre, das gekennzeichnet ist durch Rassentrennung, Urbanisierung und einem neuen Lebensgefühl, entstanden durch die Mischung der Sklavenlieder mit moderner Instrumentalisierung, dem Jazz. Im Mittelpunkt der Handlung steht das Ehepaar Violet und Joe, das, vom Lande stammend, den Traum von Freiheit und Unabhängigkeit in der Stadt zu verwirklichen sucht. Schnell nimmt ihr Leben eine Wendung, die sie selbst sie nie für möglich gehalten hätten.
    Morrison gelingt es sprachgewaltig, das Lebensgefühl eines Jahrzehnts einzufangen und baut dabei, exemplarisch an den Protagonisten vollführt, die Geschichte der schwarzen Bevölkerung mit ein. Dabei erhebt sie nie den Zeigefinger, sondern bleibt immer der Handlung verpflichtet, die sich langsam, aber stetig entwirft und den Blick freigibt auf ein Amerika, das eigentlich überwunden schien, aber heute wieder sehr aktuell scheint. Eine Empfehlung für alle Freunde und Interessierte der amerikanischen Literatur!
  6. Cover des Buches Die gute Erde (ISBN: 9783423144377)
    Pearl S. Buck

    Die gute Erde

     (74)
    Aktuelle Rezension von: Petra54

    Klares Titelbild, passender Titel, fester Einband und Lesebändchen (in meinem Fall ein chinesisches Paar) – genau richtig für jeden Buchliebhaber. Die Autorin lebte jahrzehntelang in China und beschreibt das wirkliche Leben, was den Roman noch zusätzlich wertvoll macht.

    China um 1900. Wang Lung liebt sein Land, das ihn und seine Familie ernährt. Es ist die ganz wunderbar erzählte Geschichte einer Familie. Mit westlichem Auge und Gefühl schockt so manche Situation und Handlung, aber ich war immer mitten im Geschehen und und freute mich jeden Abend schon lange vorher auf die Lesestunde.

  7. Cover des Buches Madame Curie (ISBN: 0613657446)
    Eve Curie

    Madame Curie

     (14)
    Aktuelle Rezension von: sursulapitschi
    Marie Curie war eine außergewöhnliche und beeindruckende Frau. Das zeigt ihre Tochter Eve Curie mit diesem Buch auf unterhaltsame und anschauliche Weise. Sie dokumentiert das Leben ihrer Mutter anhand von Briefen und selbst Erlebtem und malt ein lebendiges Bild dieser Ausnahmefrau.

    Marya Sklodowska, wurde 1867 in Warschau geboren, war ein aufgewecktes Kind, das mit vier Jahren schon lesen konnte. Ihre Kindheit in Polen wird hier liebevoll geschildert. Es liest sich fast wie ein Roman. Aus Mania wird eine bescheidene, wissbegierige junge Frau, die sich ihren Traum, in Paris zu studieren, hart erarbeitet.
    In Paris nennt sie sich Marie, vergräbt sich in ihr Studium, wird zur sonderlichen, genialen Außenseiterin. Mit dem Physiker Pierre Curie findet sie ihr männliches Pendant. 

    Dann entdeckt Marie Spuren eines unbekannten Metalls, mit ungewöhnlicher Strahlung, was ihr Leben komplett verändert. Sie nennt es Radium und die Strahlung Radioaktivität. Diese Entdeckung erregt weltweites Aufsehen. Schon bald wird Radium industriell hergestellt und medizinisch, bei der Bekämpfung von Tumoren, genutzt.
    Pierre und Marie hätten damit reich werden können, haben aber bewusst darauf verzichtet. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollten der ganzen Welt gehören. Sie lebten bescheiden, ganz ihrer Arbeit gewidmet. Ihre künftige Berühmtheit fanden sie lästig. „In der Wissenschaft geht es um Sachen, nicht um Personen.“

    Hoch interessant ist auch ihr Engagement im ersten Weltkrieg. Marie eignete sich das Wissen zur Röntgendiagnostik an, ließ Automobile zu fahrbaren Röntgenstationen, den „kleinen Curies“, umbauen, die dann Kriegslazarette anfahren konnten. Sie etablierte Röntgenstationen in ganz Frankreich und bildete das Personal dafür aus.

    Eve Curie schafft es mit diesem Buch, eine Legende lebendig zu machen, erzählt wie eine Frau im 19. Jahrhundert die Wissenschaft so umkrempelt, dass man ihr Anerkennung zollen musste, obwohl sie eine Frau war. Sie erhielt sogar als erster Mensch überhaupt zweimal den Nobelpreis, wobei ihr Auszeichnungen nie wichtig waren. Marie Curie hat für ihre Arbeit gelebt und ist vermutlich auch daran gestorben. 1934 erlag sie einer unerklärbaren Krankheit. 

    Nach dem Lesen dieses Buches hat man das Gefühl, man kennt sie ein wenig. Ich bin sehr beeindruckt.







  8. Cover des Buches Vater telefoniert mit den Fliegen (ISBN: 9783596198269)
    Herta Müller

    Vater telefoniert mit den Fliegen

     (12)
    Aktuelle Rezension von: katzenminze
    Schon seit ich zum ersten mal auf eine von Herta Müllers Collagen gestoßen bin, bin ich ganz verliebt in sie! Aus aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnittenen Wörtern setzt Müller eine ganz neue Welt zusammen. Es ist erstaunlich, wie sehr mir die abstrakten Texte teilweise ans Herz gehen. Und es ist erstaunlich mit wie viel Kreativität hier Geschichten erfunden werden, die trotz ihrer Kürze intensiv und rund zugleich sind.

    Draußen an der leeren Fahnenstange hört man zum Glück nicht mehr die Eisenringe singen, vielleicht trauen sich jetzt die Kraniche zurück
    Seite 20

    Ein bisschen schwierig ist es manchmal, dass es keine Satzzeichen gibt. Andererseits macht das auch viel vom Charme aus. Müller spielt damit, dass das Ende eines Satzes zugleich der Anfang des nächsten sein kann. Das ergibt ein sehr interessantes Spiel mit der Sprache. Besonders beeindruckt es mich, dass die Geschichten oft auch optisch eine Einheit bilden. Mal dominiert Grün, mal Blau, mal mehr farbige Wörter, mal mehr solche mit farbigem Hintergrund. Als ob es nicht allein schon knifflig genug wäre sinnvolle neue Sätze aus diesen Schnipseln zu bilden!

    Natürlich ist „Vater telefoniert mit dem Fliegen“ nichts zum einfach runterlesen. Wie einen Gedichtband genießt man es am besten in Etappen. Und ich fand, dass gerade durch mehrmals oder laut lesen, die Texte noch an Kraft gewinnen.

    Angst ist ein greller Stoff der beim tragen auffällt wie ein Hühnerkopf als Brosche am Mantelkragen aber ein Polizist hat mal gesagt wunderbar dir glänzt steigende Furcht in den Augen wie Kaviar
    Seite 139

    Melancholisch, verwirrend, ästhetisch, experimentierfreudig, berührend, lustig, bizarr, schön. Mir fallen viele hübsche Adjektive zu diesem Büchlein ein. Günther Rüther schrieb in einem Buch über Herta Müller „Ihre Sprache ist bildreich und sparsam, schön und zugleich hart“. Und das trifft es ziemlich perfekt. Nach dem ich die „Schnipsel“ schon so sehr mag, bin ich umso gespannter auf ihre Prosawerke!

    4,5 / 5 Sternen
  9. Cover des Buches Zinkjungen (ISBN: 9783518466483)
    Swetlana Alexijewitsch

    Zinkjungen

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Bellis-Perennis

    Als „Zinkjungen“ werden die russischen Soldaten, die im Afghanistan-Krieg zwischen 1979 und 1989 gefallen sind, bezeichnet. Ihre oft von Minen zerrissenen Körper oder von den Gegnern verstümmelten Überreste wurden, eben in verlöteten Zinnsärgen in die Heimat überstellt. Damit wollte man den Hinterbliebenen die Grausamkeiten ersparen. Doch neben allerlei Körperflüssigkeiten, sickerten trotzdem Brocken der grausamen Wahrheit durch und verstörten die Angehörigen.  

    Die Autorin interviewt ehemalige Afghanistan-Kämpfer, die heute als Schwerstinvalide oft ohne Arme oder Beine und vor allem ohne ernstzunehmende Versorgung ihr Leben fristen müssen. Man erfährt von unzureichender Ausbildung und Ausrüstung, von medizinischem Material, das noch aus Beständen des Zweiten Weltkriegs stammte und von Soldaten, die die eigenen Neuankömmlinge aller brauchbaren Dinge der Ausrüstung bzw. der mitgebrachten Lebensmittel berauben.  

    Sie lässt neben Soldaten, die dort gekämpft haben, auch „Umfeld“, nämlich deren Witwen, Mütter und medizinisches Personal zu Wort kommen.

    Swetlana Alexijewitsch schreibt über das falsche Bild, das die Öffentlichkeit in der Sowjetunion von den Kämpfen hat. So wird den Menschen bewusst vorgelogen, für eine gerechte Sache zu kämpfen und die „südliche Grenze der UdSSR zu verteidigen“. Die Angehörigen der Soldaten erwarten Reichtümer wie Pelzmäntel oder die neuesten Videorecorder japanischer Herkunft, erhalten haben sie traumatisierte Veteranen, die selten wieder ins Leben zurückfinden. Anstatt Hilfe seitens des Staates zu erhalten, werden die Rückkehrer geschmäht und verachtet.

    „Ich wurde entlassen und bekam dreihundert Rubel als einmalige Unterstützung. Für leichte Verwundung gibt es einhundertfünfzig, für schwere dreihundert“. 

    In ihrer unnachahmlichen Art zuzuhören, gelingt es ihr, das Vertrauen der Betroffenen zu gewinnen und die oft kaum auszuhaltenden Geschichten aufzuschreiben. Da ist z.B. diese Gedanken eines Überlebenden: 

    „Mein bester Freund…..er war wie ein Bruder….den habe ich von einem Einsatz in einem Plastiksack zurückgebracht. Gehäutet….den Kopf abgehauen….Arme und Beine abgehackt, ein ausgeschlachtetes Tier statt eines kräftigen jungen Mannes. Ich habe meine Wahrheit im Plastiksack getragen, ich habe vor nichts mehr Angst“.

    Wie schon in ihren anderen Antikriegsbüchern kommen nicht die Politiker zu Wort, sondern die einfachen Menschen. Diesen Menschen verleiht sie ihre Stimme. Sie berichtet über die grausamen Details eines erbitterten Kampfes um jeden Zentimeter staubigen Bodens, bei dem die – sagen wir es deutlich - sowjetischen Invasoren mit aller Härte bekämpft und demoralisiert wurden. Der Vergleich mit dem nicht zu gewinnenden Vietnam-Krieg drängt sich auf.
    Dieses Buch beschreibt jenen Krieg in Afghanistan, der nicht gewonnen wurde, nicht gewonnen werden konnte, der 1989 mit dem eiligen Abzug der sowjetischen Truppen endete. Ein Ereignis, das den ohnehin labilen Zustand der Region nachhaltig geprägt und verändert hat und im Kern bis heute für den Zustand Afghanistans wegweisend verantwortlich ist. Dieser Krieg hat die Taliban und deren Schreckensherrschaft erst hervorgebracht.  

    2015 erhielt Swetlana Alexijewitsch für ihre dokumentarischen Werke über Krieg und seine Folgen für Teilnehmer und Hinterbliebene den Literaturnobelpreis. 

    Meine Meinung: 

    Dieses Buch ist extra harte Kost, die penibel recherchiert und ohne Effekthascherei präsentiert wird. Die Autorin berichtet im Anhang über die Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung dieses Buches, denn die ungeschminkte Wahrheit wollte und will niemand hören. Denn die Öffentlichkeit muss glauben, was geglaubt werden soll. Wir müssen uns bei Swetlana Alexijewitsch bedanken, dass sie dieses Buch gegen alle Widerstände von offizieller Seite veröffentlich hat und den Opfern dieses sinnlosen Krieges eine Stimme gibt.

     

  10. Cover des Buches Hundert Freuden (ISBN: 9783518025963)
    Wisława Szymborska

    Hundert Freuden

     (8)
    Noch keine Rezension vorhanden
  11. Cover des Buches Das Mädchen Orchidee (ISBN: 9783293306240)
    Pearl S. Buck

    Das Mädchen Orchidee

     (42)
    Aktuelle Rezension von: dunkelbuch

    Über vierzig Jahre steuerte sie das Reich mit staatsmännischem Geschick zwischen allen Klippen hindurch. Im Alter genoss sie im wahrsten Sinne des Wortes göttliche Verehrung und erhielt von ihrem Volk den Ehrentitel "Alter Buddha". 

    Pearl S. Buck schmückt ihre Erzählung mit glamourösen Details dieses legendären Hofstaats aus. Sie zeichnet ein absolut glaubhaftes Bild von den Rivalitäten und Verschwörungen, die den Drachenthron kontinuierlich bedrohten. Dabei verliert sie nie Tsu Hsi mit all ihren Launen aus den Augen: ihren Scharfsinn, ihre Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit, ihren wachsenden Hass auf Ausländer, ihren Aberglauben, der schließlich zum verhängnisvollen Boxeraufstand führt, und die Kompromisse, die das Ende einer Herrschaft kennzeichnen.

    Es wird hier geschildert wie das Mädchen Orchidee , von der Abstammung her bereits zum chinesischen Adel der Mandschu-Dynastie gehörend an den Hof von Kaiser Xianfeng gelangte und dort von der Kaisermutter als Konkubine und zukünftige Nebenfrau des Kaisers ausgewählt wurde. Um dort mit viel Fleiß, Geschick, Gespür für das Wesentliche, List und einer großen Portion Mut schlussendlich zur Kaiserinmutter aufstieg. Dann etliche Jahre die Geschicke Chinas für ihren noch minderjährigen Sohn lenkte und  wesentlich beeinflusste. Mit wieviel Sorgfalt, Einfühlungsvermögen und Vorausschau sie das Leben am Hofe prägt und dabei ihren stätigen Aufstieg nie aus den Augen verliert, nein, ihn geschickt festigt, damit am Ende der Thron für ihren Sohn auch sicher ist, ist das Hauptmerkmal dieses Romans. Leider und dies wird im Buch sehr deutlich, übersieht sie dabei, dass China im 19.Jh. nicht mehr isoliert in der Welt sein kann  und der Fortschritt, alles Böse und Unberechenbare auch vor ihrem Land keinen Halt macht. Dieses sehr engstirnige und konservative Verhalten hat vielen Menschen, Chinesen wie auch den vermeintlichen „Eindringlingen das Leben gekostet. Meines Erachtens nach hat die Autorin sehr kompetent diesen Umstand, warum China so vehement an den Traditionen  festhielt  sehr verständlich wiedergegeben. 

    Ausgesprochen LESENSWERT

    Ich habe davor "Die letzte Kaiserin von Anchee Min" gelesen, die gleiche Thematik mit etwas anderen Nebenprotagonisten, bin mir nicht sicher welchen der beiden Romane ich bevorzuge. Buck`s Roman ist wahrscheinlich authentischer  (Beide sind gut)


  12. Cover des Buches Die Memoiren einer Überlebenden (ISBN: 9783100439123)
    Doris Lessing

    Die Memoiren einer Überlebenden

     (37)
    Aktuelle Rezension von: AnnBee
    Lessings Roman schildert aus der Perspektive einer alten Frau den Verfall einer Gesellschaft, deren Infrastruktur und damit zunehmend auch soziale Regeln zusammenbrechen. Die Protagonistin nimmt zudem ein junges Mädchen (Emily) und ihren Hund (Hugo) bei sich auf und kümmert sich um sie, wobei sie sich allerdings nur langsam näherkommen.
    Emily unternimmt Streifzüge in die Umgebung, verliebt sich, gründet mit ihrem Freund eine Art Kommune, findet und verliert Freundinnen - während die alte Frau das Leben hauptsächlich durch ihr Fenster beobachtet. Gleichzeitig tut sich in ihrer Wohnung eine Art Parallelwelt auf, die sie immer häufiger besucht.
    Die Schilderungen dieser Parallelwelt fand ich eher langatmig, auch, weil ich damit nichts anfangen konnte. Vielleicht ist es eine Metapher für eine innere Flucht, oder für das Leben nach dem Tod, oder doch eine alternative Realität? Wie auch immer, mir ist nicht klargeworden, wozu diese Ebene gut ist. Das Buch ist andererseits an vielen Stellen spannend und enthält kluge Beobachtungen des Lebens und der Menschen. Gut gefallen hat mir die empathische Einbindung des Hundes in die Geschichte, der letztlich für den Zusammenhalt der Frau und Emily entscheidend ist.
  13. Cover des Buches Lust (ISBN: 9783644020214)
    Elfriede Jelinek

    Lust

     (36)
    Aktuelle Rezension von: Wolf-Macbeth

    Elfriede Jelineks “Lust” entfaltet eine verstörende Erzählung über die Verstrickungen männlicher Begierde und weiblicher Unterwerfung. Im Fokus steht der Fabrikdirektor als Symbol männlicher Lust, während Gerti, seine Frau, in ihrer Passivität zum Objekt der Begierde degradiert wird. Die repetitiven Erzählstrukturen, obwohl herausfordernd, verstärken die quälende Natur der dargestellten Machtverhältnisse und betonen die Dynamik von Lust und Unterwerfung.

    Was mich am meisten irritiert hat, ist Gertis Passivität. Sie stellt die Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau nicht in Frage und erlebt Sex ausnahmslos als Demütigung. Lustlos erduldet sie brutale sexuelle Gewalt, wehrt sich nicht und hat sich voll der männlichen Macht ausgeliefert. Durch Alkohol betäubt, bleibt sie handlungsunfähig und spielt das Spiel als Opfer mit.

    Jelineks Sprachgebrauch, geprägt von Vulgarität und präzisen, kühlen Ausdrücken, sowie zahlreichen Wortspielen, verleiht dem Werk eine besondere Intensität. Die immer wiederkehrenden Wiederholungen empfand ich als Tortur, jedoch stärken sie die Darstellung von sexueller Gewalt und Unterwerfung. Hierbei geht es um die männliche Lust, während die weibliche Seite durch Gertis Passivität und Unterwerfung hervorgehoben wird.

    Insgesamt liefert “Lust” eine provokante, tiefgründige Auseinandersetzung mit den Facetten menschlicher Beziehungen und der damit verbundenen Thematik von männlicher Macht, deren Lust und weiblicher Unterwerfung. Diese literarische Arbeit provoziert und will schockieren, indem sie eine eindringliche Reflexion über die Herausforderungen der zwischenmenschlichen Machtverhältnisse bietet.

  14. Cover des Buches A Mercy (ISBN: B00589K0QW)
    Toni Morrison

    A Mercy

     (6)
    Noch keine Rezension vorhanden
  15. Cover des Buches Hunger nach dem großen Leben (ISBN: 9783257215366)
    Doris Lessing

    Hunger nach dem großen Leben

     (5)
    Aktuelle Rezension von: Giselle74

    Mit "Hunger nach dem großen Leben" hat Doris Lessing eine ebenso alltägliche wie verstörende Geschichte geschrieben, die zwar inhaltlich im Afrika der Kolonialzeit verhaftet ist, aber so ähnlich auch heute noch ablaufen könnte.
    Jabavu lebt mit seiner Familie in einer Dorfgemeinschaft. Sein Vater und sein Bruder sorgen für die Familie, bearbeiten jeden Tag die Felder. Jabavu möchte so nicht leben. Er träumt von der großen Stadt, von Reichtum und einem anderen Leben. Er verweigert die Feldarbeit, bringt sich selbst das Lesen bei und ist unzufrieden mit sich und der Welt. Eines Tages nimmt er seinen Mut zusammen und macht sich auf den Weg in die Stadt der Weißen. Die Gefahren sind groß, schon unterwegs wird er fast für die Arbeit in den Minen gepresst, angekommen, fällt es ihm schwer, sich zurechtzufinden. Zumal ein farbiger "Herumtreiber" mit äußerstem Misstrauen betrachtet wird. Jabavu stellt fest, dass es fast unmöglich ist, Arbeit zu bekommen, dass er andere Kleidung braucht und Geld. So gerät er in die Fänge einer Diebesbande, die zunächst vorgibt, ihm helfen zu wollen. Seine Geschichte endet im Gefängnis, wo ihm die Hoffnung bleibt, irgendwann als "besserer " Mensch neu anzufangen.
    Doris Lessing versucht sich in die Denkweise der vielen jungen Menschen hineinzuversetzen, die die Versprechungen der Stadt dem einfachen Leben auf dem Lande vorziehen, die genauso sein wollen, wie die so sehr bewunderten reichen (und meist auch hellhäutigen) Stadtmenschen. Die dabei aber übersehen, dass Hautfarbe und Gesellschaftsstand unüberbrückbare Grenzen schaffen, gerade in Kolonialgesellschaften, die von der Ausbeutung angeblich minderwertigerer Menschen leben. Die kleine Handvoll gebildeter Farbiger wird mißtrauisch beobachtet, besonders, wenn sie versucht, denen zu Bildung und einem lebenswerten Leben zu verhelfen, die doch dumm und arm viel besser zu beherrschen sind.
    Die Erzählung, die heutzutage nur allzu Bekanntes beschreibt, dürfte in den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich explosiver gewirkt haben. Die 50iger Jahre waren auch die Zeit Martin Luther Kings, die Zeit des Kampfes gegen Rassentrennung in den USA, die Zeit der ersten Unabhängigkeitsbestrebungen afrikanischer Staaten, aber auch die Zeit der Apartheit, eine Zeit des Umbruchs also. Proafrikanische Texte einer weißen in Simbabwe aufgewachsenen Frau dürften nur bei den wenigsten der zunächst hauptsächlich britischen Leser zu Freudentaumel geführt haben.
    Ich persönlich finde den Ansatz schwierig, als weiße Frau die Erfahrungen und Denkweise eines aus dem Familienbund gerissenen Jugendlichen zu beschreiben und zwar ausschließlich aus Jabavus Sicht. So trifft Naturvolk auf europäische Zivilisation - und vieles was im Text schlicht naiv wirkt, entspringt einem völlig anderen Denk- und Handlungsansatz. Daher hat mich der zu seiner Zeit wichtige und kritische Beitrag aus heutiger Sicht nicht völlig überzeugt.
    Schlußendlich haben Lessings kritische Texte ihr aber den, wenn auch umstrittenen, Nobelpreis eingebracht.

  16. Cover des Buches Marie Curie – eine Frau verändert die Welt (ISBN: 9783949276064)
    Christine Schulz-Reiss

    Marie Curie – eine Frau verändert die Welt

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Claudia_Reinländer

    Klappentext / Inhalt:

    Eine fesselnde Erzählung über die bewegende Lebensgeschichte der größten Wissenschaftlerin aller Zeiten.
    Was genau weckte Marie Curies Liebe für die Forschung und welche Überraschungen hielt der Weg zur erfolgreichen Wissenschaftlerin bereit? Sie prägte den Begriff Radioaktivität und trug maßgeblich zum Kampf gegen den Krebs bei. Doch nicht nur das: Marie Curie war die erste Frau, die den Nobelpreis erhielt – und das gleich zwei Mal!
    120 Jahre Nobelpreis.

    Cover:

    Das Cover zeigt eine Frau mit etwas leuchtendem, strahlendem in der Hand, was sich darüber hinaus ausbreitet. Es vermittelt die Radioaktitivität, welche von ihr erfunden wurde, denn es handelt sich bei der Frau um Marie Curie. 

    Meinung:

    Eine beeindruckende Biografie von einer beeindruckenden Frau, welche die Wissenschaft beeinflusste und prägte. Die erste Frau, die einen Nobelpreis erhielt und hier mit ihrer Geschichte bereits den Jüngsten vermittelt, was dies bedeutet. Man taucht ein in ihre Welt, die damaligen Umstände und Entwicklungen. Als Frau und noch dazu als Wissenschaftlerin hatte sie es nicht immer leicht, denn Frauen hatten damals nicht die gleichen Rechte wie Männer und wurden nicht für wahr genommen. 

    Die Geschichte von Marie Curie ist beeindruckend. Die Biografie soll bereits der jüngeren Generation zeigen, was damals geleistet und erschaffen wurde und zeigt wie wichtig und bahnbrechend diese Entwicklung war, wenn auch ihre Folgen damals noch nicht erkannt wurden. Zwar prägte Curie die Radioaktivität und trug auch maßgeblich zum Erfolg gegen den Krebs bei, aber die Ausmaße der Radioaktivität in seiner Gänze waren ihr damals noch nicht bekannt. 

    Inhaltlich möchte ich nicht zu viel vorweg nehmen und halte mich daher mit zu vielen Details zurück und möchte nicht zu viel verraten.

    Der Schreibstil ist angenehm und gut und flüssig lesbar. Den Ereignissen und Handlungen kann man gut folgen. Auch die Hintergründe werden gut beschrieben, so dass man sich in die Zeit und Gegebenheiten gut hinein versetzten kann. Die Eckpunkte ihres Lebens werden hier gut eingebunden und die Geschichte vermittelt, wie wichtig es ist, an dass zu Glauben wovon man träumt und wofür man kämpft. Marie Curies Geschichte ist beeindruckend und hier kindgerecht und verständlich umgesetzt. Die einzelnen Abschnitte haben eine gute Länge und auch die Gliederung hat mir gut gefallen. Die eingebauten Hintergründe und Informationen sind nicht nur für die jungen Leser informativ und lehrreich auch als Erwachsener kann man hier sein Wissen auffrischen. 

    Ein tolles Buch, welches einem das Leben und Schaffen von Marie Curie näher bringt.

    toll sind auch die eingebundenen Illustrationen und Zeichnungen, welche das Ganze sehr gut abrunden und die Textabschnitte auflockern. Die Zeichnungen sind toll gewählt.

    Fazit:

    Ein tolles Buch, welches einem das Leben und Schaffen von Marie Curie näher bringt.


  17. Cover des Buches Kristin Lavranstochter. Erstes Buch: Der Kranz. (ISBN: 9783451046612)
  18. Cover des Buches Afrikanische Tragödie (ISBN: 9783596522347)
    Doris Lessing

    Afrikanische Tragödie

     (31)
    Aktuelle Rezension von: AnnBee

    Südafrika in den 1940ern/1950ern, ein Land, dass geprägt ist durch den Rassismus der Kolonialmächte und der weißen Siedler. Lessings Roman beginnt fast wie ein Krimi: ein schwarzer Angestellter (Moses) hat eine weiße Farmersfrau (Mary) ermordet. Dann spürt sie dem Leben auf der Farm nach, um diese Tat zu verstehen. Diese Spurensuche in Marys früherem Leben ist so bedrückend wie beeindruckend. Nach einer schönen Zeit als junge Frau in der Großstadt gibt Mary schließlich dem sozialen Druck zu heiraten nach und zieht zu Dick Turner auf seine Farm. Sie leben dort in großer Armut, Einsamkeit und Eintönigkeit. Nachdem Mary erkennt, dass es für sie keinen Ausweg aus diesem Leben gibt, verfällt sie zusehends in eine Depression. Gleichzeitig lässt sie all ihre Wut und Frustration an den schwarzen „Angestellten“ aus. Eine Stärke dieses Romans ist, dass Lessing keine allzu einfachen moralischen Urteile fällt, und dennoch mit höchster Eindringlichkeit den allgegenwärtigen Rassismus seziert. Teilweise ist das wirklich hart zu lesen, da dieser Rassismus so widerwärtig ist und gleichzeitig alles so hoffnungslos scheint. Dennoch, oder deswegen, ein sehr gutes und wichtiges Buch.

  19. Cover des Buches Kristin Lavranstochter. Zweites Buch: Die Frau. (ISBN: 9783451046629)
  20. Cover des Buches Kristin Lavranstochter. Drittes Buch: Das Kreuz. (ISBN: 9783451046636)
  21. Cover des Buches Die Nacht ist aus Tinte gemacht (ISBN: 9783932513886)
    Thomas Böhm

    Die Nacht ist aus Tinte gemacht

     (13)
    Aktuelle Rezension von: parden

    EINBLICKE IN KINDHEIT UND JUGEND DER LITERATURNOBELPREISTRÄGERIN...

    In "Die Nacht ist aus Tinte gemacht" erzählt die Berliner Schriftstellerin Herta Müller ihre Kindheit im rumänischen Banat. Aus dem Gespräch heraus, ohne Manuskriptvorlage, erzeugt ihre behutsam sich vorantastende Stimme eine dichte, spannungsreiche Atmosphäre, in der vor dem Ohr des Hörers eine Welt zum Leben erweckt wird, die nur noch in der Erinnerung existiert. 

    Das Leben der Banater Schwaben in Nitzkydorf ist geprägt von bäuerlichen Bräuchen und harter Arbeit. Die Abgeschlossenheit dieses kleinen Kosmos bekommt durch den Schulbesuch erste Risse: Im ständigen Wechsel zwischen Dialekt, Hochdeutsch und Rumänisch entdeckt das Kind, dass die Sprachen ganz unterschiedliche Augen haben, mit denen je andere Dinge wahrgenommen werden können. Durch die Risse wird aber auch die Gewalt deutlicher erkennbar, die in den Körpern sitzt, derer sich die politischen Regime brutal ermächtigen. Für die 1953 Geborene sind die Folgen von Krieg, Deportation der Mutter in ein stalinistisches Straflager, Alkoholismus des Vaters und Enteignung der Familie alltäglich spürbar. So beschreibt Herta Müller ihre Kindheitsängste im Rückblick - als sie auf die Nachstellungen und Drangsalierungen durch den gefürchteten Geheimdienst Securitate zu sprechen kommt als Einübung in die spätere "Angst aus politischen Gründen". Angst, die in der Diktatur Ceausescus bewusst zum Machterhalt eingesetzt wurde. 

    Der ungewöhnlich lange Klappentext fasst den Inhalt dieses ungewöhnlichen Hörbuchs sehr gut zusammen. Eine Stunde und 54 Minuten lang kann der Hörer der Stimme der Literaturnobelpreisträgerin (2009) lauschen, wie sie sich in Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend im Banat ergeht, einer historischen Region in Südosteuropa, die heute in den Staaten Rumänien, Serbien und Ungarn liegt. Herta Müllers damaliger Wohnort Nitzkydorf fiel später Rumänien zu, sämtlicher Privatbesitz wurde enteignet, die Drangsalierungen waren alltäglich.

    Aber auch vor diesen Veränderungen zeichnet sich durch die Stimme Herta Müllers eine Kindheit ab, die heute kaum noch vorstellbar ist - geprägt durch harte Arbeit, Disziplin und Einsamkeit. Faszinierend, wie viele Details von ihren damaligen tiefen Gedanken und Gefühle der Autorin noch erinnerlich sind. Es zeichnet sich ab, dass die hohe Sensibilität, der Wunsch des Hinterfragens, die bereits von Kindheit an stets begleitende Angst in Verbindung mit einem tiefen Verständnis für das Wesen der verschiedenen Sprachen sicherlich dazu beigetragen hat, dass Herta Müller ihren Ausdruck später als Schriftstellerin suchte.

    Weitestgehend chronologisch legt die Autorin hier ein Zeugnis ihrer Vergangenheit dar - nicht als Lesung, sondern im freien Vortrag, vermutlich als Antwort auf Fragen, die hier nicht mit aufgezeichnet wurden. Stellenweise kraftvoll, oftmals aber auch eher leidend und melancholisch lässt die Stimme den Hörer teilhaben an den Erinnerungen. Normalerweise würde mich solch ein an manchen Stellen nahezu depressiv klingender Vortrag stören - wenn man aber der Geschichte lauscht, ahnt man, auch wenn manches nur angedeutet wird, wie man auch auf den Gedanken an einen Suizid als Erlösung kommen kann.

    Ich war fast enttäuscht, als das Hörbuch beendet war. Es war ungemein interessant, in diesen fremden Kosmos einzutauchen, und tatsächlich bin ich nun wieder neugierig geworden auf die Werke Herta Müllers, obschon ich vor einigen Jahren mit 'Atemschaukel' so meine Probleme hatte...


    © Parden

  22. Cover des Buches Das fünfte Kind (ISBN: 9783455812138)
    Doris Lessing

    Das fünfte Kind

     (227)
    Aktuelle Rezension von: KarenAydin

    Doris Lessing, Das fünfte Kind, aus dem Englischen von Eva Schönfeld. Hoffmann und Campe, Hamburg 1988, (Deutsche Erstausgabe), engl. The Fifth Child (1988).

    Ich mag Bücher, die mysteriös sind, die Genregrenzen überschreiten und die völlig unterschiedliche Interpretationen zulassen. Der Roman „Das fünfte Kind“ der Literaturnobelpreisträgerin von 2007 („Das goldene Notizbuch“) gehört für mich ganz klar zu den immer wieder lesenswerten Klassikern der Weltliteratur

    Worum geht es in dem Roman? In den wilden 1960ern, in denen für freie Liebe und das Loslösen aus der bourgeoisen Enge geworben wird, treffen sich zwei Menschen auf einer Party, die eine völlig andere Vorstellung vom Leben und dem perfekten Glück haben. Harriet und David leben keusch, sehnen sich nach einem unzeitgemäßen Idyll, einer monogamen Beziehung, vielen Kindern und einem schönen Haus. Diesen Traum können sie sich auch mit der finanziellen Hilfe und tatkräftigen Unterstützung ihrer Eltern erfüllen. David geht arbeiten, Harriet versorgt das Haus und die vier Kinder, die in kurzen Abständen geboren werden und bewirtet zahlreiche Gäste, die das Paar in dem dreistöckigen viktorianischen Haus besuchen. Obwohl sie eine kleine Pause in der Familienplanung einlegen möchten, wird Harriet wieder schwanger – doch diesmal ist alles anders. Durch die schwierige Schwangerschaft wird Harriets Traum vom Mutterglück schon auf eine harte Probe gestellt, aber die eigentlichen Probleme beginnen erst, als der „kleine Neanderthaler“, wie Harriet den Sohn Ben nennt, auf der Welt ist. Denn er ist anders. Größer, gieriger, kräftiger, brutaler, düster, hässlich, unverständig und unmoralisch. Die anderen Kinder beginnen sich vor ihm zu fürchten und die Verwandten raten dazu, ihn in eine Institution zu geben. Und auch Harriet hat Angst vor dem, was sie da in die Welt gesetzt hat.
    Natürlich passiert viel mehr. Auf knapp 150 Seiten entwirft Doris Lessing ein düsteres, unangenehmes und dichtes Szenario. Seltsame Ereignisse, das unheimliche Äußere des Kindes, die merkwürdigen Reaktionen der Menschen auf Ben – dies alles sind Elemente, die zusammen eine richtig gute Monströses-Kind-Horrorstory bilden- wenn man die Erzählung so lesen möchte.

    Tatsächlich sind aber natürlich viele Themen enthalten, über die man nachdenken kann. Stimmt wirklich etwas mit dem Kind nicht oder mit der Mutter? Wurde es so geboren oder wurde es zu dem gemacht, was es ist? Wie egoistisch darf man seine Ideale verfolgen? An keiner Stelle macht Lessing es und so einfach, dass sie uns mit der Nase auf die Moral von der Geschicht‘ stößt.

    Für wen ist dieser Roman etwas? Für alle, die gerne gute Horrorgeschichten lesen, in denen sich das Unheimliche sanft in das Leben der Protagonisten drängt, aber unwiderruflich einnistet, die aber zugleich neben der vordergründigen und spannenden Story jede Menge Stoff zum Nachdenken bieten. Für alle diejenigen, die auch Erzählungen wie Henry James „The Turn of the Screw“ mögen.

    Für wen ist dieser Roman nichts? Für alle diejenigen, die lieber handfeste und actionreiche Horrorstories lesen. Körperteile fliegen hier nicht. Es ist die Präsenz, die an sich schon unheimlich ist.



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