Bücher mit dem Tag "österreicher"
77 Bücher
- Tommy Jaud
Hummeldumm
(1.485)Aktuelle Rezension von: Read-and-CreateEinerseits ist es ein leichtes Buch für zwischendurch, das sich schnell lesen lässt, andererseits war der Humor oft nicht ganz mein Geschmack. 🙈
Viele Szenen waren für mich eher unangenehm als lustig – stellenweise so sehr, dass ich mich regelrecht fremdschämen musste. Das mag sicher daran liegen, dass der Witz auf Klischees und überzeichneten Situationen basiert, die nicht bei jedem zünden.
Trotzdem muss ich sagen, dass das Buch in seiner Art gut für jemanden ist, der etwas Unterhaltsames und Anspruchsloses sucht. Für mich persönlich war es leider kein Highlight, aber ich verstehe, warum es bei anderen gut ankommt. - Stefan Zweig
Schachnovelle
(1.466)Aktuelle Rezension von: Sternenstaubfee"Schachnovelle" erzählt die Geschichte eines Mannes, der von den Nazis verhaftet und in eine Zelle gebracht wurde. Er war dort total isoliert, schon nahe daran, in der Einsamkeit den Verstand zu verlieren, bis er ein Schachbuch stehlen konnte. Um sich abzulenken, beschäftigt er sich fortan mit jeder einzelnen Schachpartie in dem Buch, lernt alles auswendig. Das rettet ihm das Leben...
** Ein Klassiker, der mich erst nach einer Weile fesseln konnte. Der Anfang war noch ein bisschen zäh, aber irgendwann hat mich die Geschichte gepackt und fasziniert.
28.10.2024
- Robert Menasse
Die Hauptstadt
(164)Aktuelle Rezension von: WortmagieDer österreichische Autor Robert Menasse ist ein glühender Verfechter der europäischen Idee. Er glaubt allerdings nicht an Europa als Nationalstaatenbund, sondern an das Konzept der Europäischen Republik. Seiner Meinung nach muss das langfristige Ziel der Europäischen Union sein, Nationen zu überwinden, Grenzen aufzulösen und gemeinsame demokratische Politik zu betreiben, weil nationaler Egoismus die EU in jeglicher Hinsicht beschneidet. Seine Kritik richtet sich demnach gegen den Europäischen Rat, während er Institutionen wie die Europäische Kommission, die tatsächlich europäische Interessen vertritt, als legitim und positiv betrachtet. Diese recht radikale Einstellung ist mehr als das Produkt halbgarer Stammtischdiskussionen. Menasse lebte einige Zeit in Brüssel und recherchierte vor Ort, wie die EU arbeitet und funktioniert, denn es wurmte ihn, dass er nicht verstand, wie Entscheidungen gefällt werden, die sein Leben direkt beeinflussen und lenken. Dort entwickelte er die Idee für „Die Hauptstadt“, der weltweit erste Roman über die Europäische Kommission, der von der Fachpresse gefeiert wurde und 2017 den Deutschen Buchpreis erhielt.
Ein Schwein geht um in Brüssel. Ein lebendiges Schwein, das durch die Straßen läuft und Brüsseler_innen wie Medien in Aufruhr versetzt. In den Korridoren der EU geht hingegen eine Idee um. Der 50. Geburtstag der Europäischen Kommission steht bevor. Müsste man feiern. Sollte man auch, für ihr Image, meint Fenia Xenopoulou, Leiterin der Direktion C (Kommunikation) der Generaldirektion Kultur und Bildung. Auschwitz als Geburtsort des europäischen Einheitsgedankens in den Mittelpunkt stellen? Warum nicht. Überlebende müssen her, Überlebende, die sich noch erinnern und Zeugnis ablegen können. Überlebende wie David de Vriend, der in einem Altersheim auf den Tod wartet, dem er vor so langer Zeit in einem Zug nach Auschwitz von der Schippe sprang. Nur möchte er lieber vergessen als zu erinnern. Kommissar Émile Brunfaut wurde indes aufgetragen, zu vergessen. Ihm wurde ein mysteriöser Mordfall in einem Brüsseler Hotel entzogen. Anweisung von oben, politische Gründe. Welche, weiß Brunfaut nicht. Er ermittelt auf eigene Faust weiter und deckt höchst schockierende Verbindungen auf. Schockieren wird auch der emeritierte Volkswirtschaftler Alois Erhart. Er wird den Grünschnäbeln des Think Tanks der Europäischen Kommission zeigen, wie radikal Europa gedacht werden muss. Und das Schwein? Das braucht einen Namen.
„Die Hauptstadt“ begegnete mir zuerst auf dem Wohnzimmertisch meiner Eltern. Damals war das Buch die aktuelle Lektüre meines Vaters und als ich ihn danach fragte, weckten seine Schilderungen schnell mein Interesse. Doch ich war auch eingeschüchtert. Ein Buch über die Europäische Kommission? Konnte ich das überhaupt lesen? Oder reichte mein Wissen über europäische Politik nicht aus, um zu verstehen, was Robert Menasse zu sagen hatte? Mein Vater beschwichtigte mich und gab sich zuversichtlich, dass ich dem Roman gewachsen sein würde. Ich bin froh, dass ich seinem Urteil vertraute. „Die Hauptstadt“ setzt nicht allzu viel Vorwissen voraus; es reicht völlig, wenn man eine ungefähre Vorstellung davon hat, aus welchen Institutionen die Europäische Union besteht und welche Aufgaben sie erfüllen. Feinheiten, Zusammenhänge und Abhängigkeiten erläutert Robert Menasse gewissenhaft, ohne die Geschichte, die er erzählt, jemals zu einer Lehrstunde verkommen zu lassen. Er verliert nie aus den Augen, dass ein Roman an erster Stelle unterhalten soll und verflechtet Erklärungen geschickt mit dem Erleben seiner Figuren.
Dadurch erkennen Leser_innen auch mit wenig Hintergrundwissen, dass der Einheitsgedanke, mit dem die Europäische Union einst gegründet wurde, heute beinahe in Vergessenheit geriet, die Mitgliedsstaaten nicht an einem Strang ziehen und alle Hindernisse in der Gestaltung europäischer Politik systemischer Natur sind. So mutiert die Organisation einer harmlosen Jubiläumsfeier zum 50. Geburtstag der Europäischen Kommission zum Kraftakt, weil einfach jedes Projekt von nationalen Interessen torpediert und zu Tode verhandelt wird. Daher wunderte es mich nicht, dass Idealismus in Brüssel nicht überleben kann. Die EU ist ein Ort, an dem Ideale, Hoffnungen und Träume mit jedem neuen Kompromiss ausgehöhlt werden. Dies veranschaulicht Menasse in „Die Hauptstadt“ durch die exemplarische Zusammenstellung seiner Figuren, die in diesem System in allen Ebenen und Institutionen arbeiten. Er zeigt, wie sie alle von der schwerfälligen, undurchsichtigen und frustrierenden Realität europäischer Bürokratie betroffen sind und jeweils mit ihr umgehen.
Die sensible Balance zwischen Nähe und Distanz, die Menasse dabei herstellt, faszinierte mich. Nach jedem der zahlreichen Perspektivwechsel tauchte ich langsam in den banal wirkenden Gedankenstrom einer Figur ein, der Stück für Stück Fahrt aufnahm und immer tiefer, immer signifikanter wurde. Ich gebe zu, für mich war diese Erzählweise zuerst gewöhnungsbedürftig, ich konnte mich ihrem hypnotischen Sog jedoch nicht entziehen und fühlte mich mitgerissen. Dennoch lässt Menasse niemals zu, dass seine Leser_innen von einem Blickwinkel vereinnahmt werden, indem er sie Querverbindungen sehen lässt, die die Figuren nicht wahrnehmen. Ich hatte den Eindruck, das Gesamtbild aus der Vogelperspektive zu betrachten, ohne meine Verbundenheit zu den Figuren opfern zu müssen. Das Maß an Kontrolle, das Menasse demnach auf seine Handlung ausübt, ist beeindruckend. Scheinbare Zufälle, Kreuzwege und Symboliken setzt er bewusst ein, um bestimmte Aspekte zu verdeutlichen. Nichts in „Die Hauptstadt“ geschieht grundlos. Folglich ist nicht einmal das Schwein, das herrenlos in Brüssel herumläuft und beinahe wie ein Phantom wirkt, eine willkürliche Ergänzung. Es ist eine gezielte Metapher, die sich sowohl auf die gesamte Geschichte als auch auf ihre Einzelteile anwenden lässt. Menasse selbst sprach in diesem Zusammenhang über das Spektrum zwischen „Glücksschwein“ und „Dreckssau“, meiner Meinung nach ist die passendste Assoziation jedoch die der Sau, die durchs Dorf getrieben wird – und wir wissen ja, wie lange diese Aufmerksamkeit generiert: Bis die nächste gefunden ist.
Schriftstellerisch ist „Die Hauptstadt“ genial. Robert Menasse ist ein hervorragender Autor, der ein bemerkenswertes Gespür für Subtilitäten und Zwischentöne besitzt. Er ist sich der Wirkung von Details allzeit bewusst und schreckt nicht davor zurück, diese unkommentiert zu lassen. Vieles erscheint in diesem Buch absurd und ich bin überzeugt, dass Menasse diese Absurditäten, die am gesunden Menschenverstand des europäischen Verwaltungsapparates zweifeln lassen, gezielt betonte. Ja, „Die Hauptstadt“ vermittelt Humor– doch es ist Galgenhumor, resigniert und fast bitter. Deshalb empfand ich den Roman emotional als schwer verdaulich. Die Lektüre war sehr desillusionierend, trotz all der radikalen, revolutionären und wunderschönen Ideen für Europa, die Menasse präsentiert. Es macht mich unsagbar traurig, dass das Potential der Europäischen Union ungenutzt bleibt und wir nicht daran arbeiten, das Konzept von Nationalitäten zu überwinden, um als wahrhaft geeintes Europa zu wachsen und die Vergangenheit hinter uns zu lassen. Europa ist untrennbar mit den Verbrechen des Nationalsozialismus verbunden und wird es immer sein. Sollte der Anspruch gelebter Erinnerungskultur nicht bedeuten, dass wir versuchen, das Problem an der Wurzel zu lösen und nationale Interessen hinter europäischen Interessen zurückzustellen?
Die Idee, innereuropäische Grenzen aufzulösen, Staaten abzuschaffen und eine echte europäische Identität für alle Bürger_innen aufzubauen, wirkt auf den ersten Blick heftig, meiner Meinung nach liegen die Vorteile jedoch auf der Hand. Wir würden nicht mehr von Brüssel aus „fremdregiert“, denn wir würden unsere politischen Vertreter_innen in der EU wählen, wie wir jetzt nationale Politiker_innen wählen. Würde der Kontinent Europa als Ganzes begriffen werden, stünde der Weg frei für einheitliche Politik. Ich denke da vor allem an die Ressorts Wirtschaft, Bildung und Außenpolitik. Selbstverständlich ist so ein extremer Schritt kein Garant dafür, dass tatsächlich Einigkeit entsteht. Aber ich glaube, der aktuelle Zustand der EU belegt, dass wir diese Einigkeit unter den herrschenden Bedingungen nie erreichen werden. Der politische Rechtsruck in vielen europäischen Ländern ist ein eindeutiges Signal dafür, dass wir genau jetzt versagen. Um überhaupt eine Chance zu haben, müssen wir mutig sein, umdenken und einen klaren Cut wagen, um anschließend unter neuen Voraussetzungen zusammenzuarbeiten.
Leider wird das wohl nicht passieren. Auch das vermittelt „Die Hauptstadt“. Robert Menasse mag von einem vereinten Europa träumen, er mag dafür kämpfen, optimistisch gibt er sich allerdings nicht. Wie könnte er auch, nachdem er in Brüssel hautnah erlebte, wie sich die Europäische Union Tag für Tag selbst ausbremst? Sein Roman konnte wahrscheinlich gar nicht mit einer hoffnungsvollen Note enden. Stattdessen transportiert er am Schluss die düstere Prophezeiung, dass es immer so weitergehen und sich niemals Einsicht in den grundlegenden Änderungsbedarf entwickeln wird. Zumindest habe ich es so empfunden. „Die Hauptstadt“ ist kein Hoffnungsschimmer. Es ist eine Bestandsaufnahme, die zeigt, was die EU sein sollte – und was sie in Wahrheit ist.
- Mara Ferr
Die Herzen des Monsieur Lefort
(16)Aktuelle Rezension von: foxydevilDas ist das mittlerweile 4. Buch welches ich von der Autorin Mara Ferr gelesen habe, und ich war im Vorfeld sehr gespannt.
Und diesen besonderen Krimis geht immer einer Gemeinsamkeit voraus.
Sie spielen in Paris und kommen als gutes Buch ohne extremes blutmäßiges Gemetzel aus.
Das fasziniert mich immer an Büchern der Autorin.
Dieses Cover ist außergewöhnlich und im Gegensatz zu den bisherigen Büchern ist es das bisher am passendsten zum Buchthema.
Aus dem Inhalt:
Der Protagonist Jerome Lefort ist ein Commandant im Ruhestand.
Er ist verheiratet doch diese Ehe obwohl gut situiert ist nicht mehr das was sie sein sollte.
Kurzum es fehlt an Herz…auf einen Auslöser entwickelt sich eine Liebe zu Herzen und steigert sich in eine immer steigende Obsession.
Mehr möchte ich gar nicht verraten, das sollte man erlesen.
Wie schon erwähnt sind Krimis von Mara Ferr etwas Besonderes.
Kein Gemetzel und trotzdem sehr gute Unterhaltung.
Dem ist die Autorin in diesem Buch wieder gerecht geworden.
Der Spannungsbogen ist vorhanden und man möchte das Buch nimmer aus der Hand legen.
Die Auflösung ist schlüssig, hat mir persönlich sehr gut gefallen und die eigene Sprache etwas anspruchsvoller und keine Plattitüde.
Trotzdem liest es sich zügig und flüssig.
Die Charaktere sind gut gezeichnet und polarisieren.Fazit:
Ein absolut lesenwertes Buch, für Freunde des Besonderen, da hier Klassen- statt Massenware - Bernhard Aichner
Totenfrau
(455)Aktuelle Rezension von: BitzkiDer Schreibstil ist bestimmt nicht jedermanns Sache (meiner eigentlich auch nicht....).
Aber Gefühle denkt man ja auch nicht in toll ausformulierten Sätzen!
Es ist schon irre, wie es Herrn Aichner gelingt, den Leser mit einem Minimum an Worten zu treffen und ihn regelrecht mitfühlen zu lassen.
Achtung, das Buch ist rasant, fühlbar bedrückend und furchteinflößend, brutal und auch ein bisschen atemlos.
Nix für schwache Nerven. Von mir eine klare Leseempfehlung. Die beiden Folgeteile werde ich sicher auch lesen. - Cornelia Travnicek
Junge Hunde
(15)Aktuelle Rezension von: aspecialkateJohanna ist ein junges Mädchen, das sich mehr um das Wohlergehen anderer kümmert, als um sich selbst. Sei es ihre Nachbarin Julia und ihr Kind, ein alter Mann namens Herr Glantz und sein Hund Gloria, der beste Freund Ernst, der an Demenz erkrankte Vater oder die sozial engagierte Mutter, die in Peru ein Sozialprojekt unterstützt - Johanna fängt sie alle auf und muss erkennen, dass sie eine Tages allein zurück bleibt, als sich Ernst auf eine Reise nach seinen familiären Wurzeln begibt. Als Johanna das Haus ihrer Eltern ausräumt, da ihr Vater ins Pflegeheim muss, entdeckt sie eine geheimnisvolle Postkarte, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Diese gibt ihr den Anreiz sich selbst auf die Suche nach ihrer Vergangenheit und Identität zu machen, während Ernst erkennt, dass seine Suche in China mehr von Verlust geprägt ist.
Ich muss zugeben, dass ich etwas länger gebraucht habe, um das Wesen dieses Buches zu erkennen. Der Titel und das Cover haben für mich mit dem Inhalt wenig zu tun, aber es war vor allem die Geschichte selbst, die mich neugierig gemacht und gegen Ende hin nicht enttäuscht, sondern zum Nachdenken angeregt hat.
Es braucht etwas Zeit bis sich die Geschichte so richtig entwickelt und interessant wird. Ich habe das Buch anfangs einige Male weg gelegt, aber meine Neugier, wie diese Geschichte endet, hat überwogen. In diesem Buch geht es um familiäre Wurzeln, um die Konfrontation als junger Erwachsener mit alternden Eltern und der Erkrankung Demenz. Vielmehr handelt dieser Roman aber über das Finden der eigenen Identität und wie sehr eine familiäre Vergangenheit und Geheimnisse prägend für das eigene Leben sind. Die zwei Protagonisten sind Johanna und Ernst, die beide schon von Kindheitstagen an befreundet sind. In abwechselnden Episoden geht es einerseits um Johannas Identitätssuche und Vergangenheit sowie um Ernsts Reise nach China und die Suche nach seiner leiblichen Mutter. Es passieren keine aufregenden Dinge, aber durch die Begegnungen mit anderen und die Konfrontation mit Vergangenem entwickeln sich die beiden Charaktere zu Erwachsenen, die plötzlich Verantwortung über ihr eigenes Leben übernehmen müssen.
Die Geschichte von Ernst spielte sich für mich nur beiläufig ab, sie erscheint mir unnahbar, sehr fern und irgendwie fremd. Johanna kristallisiert sich als Hauptprotagonistin für mich heraus. Zu ihr hatte ich mehr Bezug und man erfuhr auch mehr über sie, auch wenn die gefühlsmäßige Ebene eher vernachlässigt wird. Man erkennt als Leser, wie sehr sich Johanna für andere engagiert, wie sehr sie nach ihrer wahren Identität sucht und auch wie verloren sie sich manchmal fühlt. Mir hat besonders dieses nostalgische Gefühl gefallen, das durch die Erinnerungen an Kindheitstagen, dieses nicht Loslassen können von "alten Dingen" und dem Haus, hervorgetreten ist. Irgendwie hätte ich mir mehr Nähe zu den Charakteren gewünscht, mehr Gefühl, mehr Input durch die anderen Protagonisten. Es ist auch irgendwie dieser Schmerz, den man an der Schwelle zum Erwachsenenwerden empfinden kann, deutlich spürbar, dieses Sinnsuchende, diese Wehmut, die man hat, wenn man mit der Vergangenheit konfrontiert wird, die plötzlich anders ist, als sie erscheint und alte Vorstellungen zu zerbrechen drohen.
Ich mag den Humor dieses Buches sehr, die poetischen Momente, diese Phasen, bei denen man glaubt, alles zerbricht, aber sich dann doch wieder eins und eins zusammenfügt. Vor allem gefällt mir das Ende, bei dem vieles offen zu bleiben scheint, aber so manches eigentlich klar und deutlich vor einem liegt. Nein, dieses Buch hat mich anfangs nicht gefesselt, aber es hat mich nachdenklich zurück gelassen und gezeigt, wie tief die familiären Wurzeln sind und welche Auswirkungen sie auf das Erwachsenwerden haben.
Junge Hunde ist ein sehr gelungener Roman über die Suche nach den eigenen Wurzeln, der zu erkennen gibt, dass man nur ganz bei sich sein kann, wenn man der Vergangenheit ein Stück näher rückt. - Robert Seethaler
Ein ganzes Leben
(457)Aktuelle Rezension von: EmmaWinterAndreas Egger ist etwa vier Jahre alt, als er zu seinem strengen Onkel in ein Alpental kommt. Seine Kindheit ist geprägt von Prügelstrafe und harter Arbeit. Aber Andreas ist irgendwann zu groß und zu kräftig für die Rute, der er ein lebenslanges Hinken verdankt. Er verdingt sich als Knecht und pachtet ein kleines Stückchen Land auf dem Berg mit einer winzigen Hütte darauf. Als eine Firma beginnt, die erste Seilbahn im Tal zu bauen, findet er dort eine bessere Arbeit und er lernt Marie kennen, die ihn von Anfang an verzaubert. Aber das Glück verbleibt immer nur für einen Augenblick bei Andreas.
Parallel zur Geschichte von Andreas werden der geschichtliche Hintergrund und der technische Fortschritt aufgezeigt. Krieg, Tourismus und seine Folgen spielen eine nicht unwesentliche Rolle.
Ich habe das Buch gerne gelesen, weil ich die Sprache von Robert Seethaler sehr mag. Die Geschichte ist schön erzählt, man ist ganz dicht bei Andreas, auch wenn sich sein ganzes Leben auf weniger als 200 Seiten abspielt. An manchen Stellen hätte ich mir ein dichteres Erzählen gewünscht, um noch mehr zu erfahren. Andererseits passt es auch wieder, denn das Leben ist letztlich ebenso schnell vorbei, wie das Buch. Als Andreas auf sein Leben zurückblickt, ist er zufrieden: "Doch auf die Zeit dazwischen, auf sein Leben, konnte er ohne Bedauern zurückblicken, mit einem abgerissenen Lachen und einem einzigen, großen Staunen." (S. 176)
Die Geschichte hat für mich eine Sogwirkung gehabt, allerdings finde ich sie durchweg traurig. Sie berührt sehr, aber ich habe mich gefragt, was am Ende bleibt ... Als Seelenwärmer etc. habe ich das Buch nicht empfunden. Und doch zeigt Andreas, dass man trotz aller Schicksalsschläge ein zufriedenes Leben führen kann.
- Eva Menasse
Quasikristalle
(111)Aktuelle Rezension von: ArgentumverdeEinblicke in das Leben eines Menschen, erzählt zumeist aus dem Blickwinkel Anderer. Dreizehn Kurzgeschichten, die ein Leben porträtieren, vom Beginn als Schülerin, bis hin zum Ende, als zweifache Großmutter. Die Protagonistin Xane Molin lernt der Leser in ihren verschiedensten Rollen im Lauf ihres Lebens kennen.
Das Buch folgt in Form von 13 mehr oder weniger Kurzgeschichten in chronologischer Form dem Leben von Xane Molin. Man erfährt etwas über sie, als Tochter, Freundin, Ehefrau und Stiefmutter, als Unternehmerin und Großmutter. Der Leser erlebt ihr Ängste und Sorgen, Freuden, Beziehungen, Wünsche und Nöte. Und doch wird Xane Molin dabei des Öfteren nur am Rande erwähnt, in einem Kapitel überhaupt nicht. Immer erlebt der Leser alles durch einen Dritten. Das Ende des Buches besteht gar aus Briefen und eMails, die Amos an seine Mutter Xane schreibt. Nur in einem Kapitel kommt Xane tatsächlich selbst zu Wort. Und so ist es nicht ganz verwunderlich, dass die Protagonistin irgendwie blass bleibt, jederzeit auch jemand Anderes sein könnte, so dass sich der Leser irgendwann fragt worauf die Autorin abzielt.
Mein Fazit: Auch wenn die einzelnen Geschichten gut zu lesen sind, teils wirklich schön und interessant geschrieben, so blieb das Buch im Gesamten für mich blass und wird schnell dem Vergessen anheim fallen, einfach weil ich für mich nie so richtig erschlossen habe, worauf die Autorin hinaus möchte. Ich denke dies ist eines dieser Bücher, die schwer zu empfehlen oder eben nicht, sind. Hier muss wohl jeder für sich selbst herausfinden, wie er zu dem Buch steht.
- Elfriede Jelinek
Die Klavierspielerin
(236)Aktuelle Rezension von: AliknechtDie Klavierspielein ist ein ältliches Fräulein von 38 Jahren, an dem das Leben bisher vorbeigegangen ist. Sie lebt unter der Fuchtel ihrer ehrgeizigen Mutter. Ihre Karriere ist ins Stocken geraten und sie fristet ihr Dasein als Professorin für Klavier. Dann bringt ein Schüler ihr Leben durcheinander. Sie können aber nicht zueinander finden und die Geschichte entwickelt sich tragisch. Hervorragend in einer ganz eigenen Sprache geschrieben.
- Vea Kaiser
Makarionissi oder Die Insel der Seligen
(108)Aktuelle Rezension von: BrigitteevansEin Dorf im Gebirge, in dem eine Großmutter alles macht, damit sich in der Familie alles so entwickelt, wie sie es für gut befindet. (Natürlich ohne die anderen zu fragen, ob sie das auch so wollen).
Doch so sehr sie sich bemüht, sie kann nicht mit allen Menschen machen, was sie will. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und wir erfahren die Geschichte der Familie in 4 Generationen, die stark mit den politischen Verhältnissen zusammenhängt. Aber was hängt in Griechenland nicht mit Politik zusammen?
Über vieles musste ich schmunzeln, weil es mich an meine Zeit in Griechenland erinnert hat. Die Autorin spannt sprachgewandt die Fäden der Erzählung über Kontinente und Generationen, zeitweise in schnellem Tempo, um dann wieder Einzelheiten herauszuholen und genauer zu beschreiben. Vielleicht sind manche Figuren zu sehr auf ein Temperament festgelegt – auf der anderen Seite ist es gerade die Sturheit oder Fixiertheit von Menschen, die Dramen erst ermöglichen.
Eine Leseempfehlung für Leser_innen, die Griechenland und unterhaltsame, berührende Erzählungen mögen und einen kleinen Einblick in die Geschichte des Landes erhalten wollen.
- Anna Herzig
Er & Sie - Anatomie einer Liebe
(17)Aktuelle Rezension von: viktoria162003Meinung
Die Autorin hat einen sehr schönen Schreibstil, so lässt sich das Buch flüssig lesen. Geschrieben wird das ganze Buch aus der Sicht von „Er“ und „Sie“. Überrascht hat mich das Buch, dass es hier wohl noch eine zweite Geschichte gibt, die in der Vergangenheit 1858 spielt.
Der Wechsel der Charaktere ist sehr schön zu unterscheiden, meist durch ein neues Kapitel mit Er oder Sie als Überschrift und dem Datum. Ich hätte mir vielleicht hin und wieder einen Öfteren Wechsel der Perspektive gewünscht, denn manchmal wenn Sie oder eben Er von einem gemeinsamen treffen berichten, kann es einige Seiten dauern (in dem auch eine Menge Zeit vergehen kann) bis man das Ganze dann aus der Perspektive des jeweils anderen erlebt.
Aber kommen wir einmal genauer zur ersten Story. Die Geschichte mit der Malerin und dem Autoren hat mir sehr gut gefallen, jedoch gab es auch ein paar Punkte die nicht ganz meinen Geschmack getroffen haben. Zuerst einmal ist es sehr Interessant zu erfahren wie die Gefühlswelt der beide aussieht. Ich finde hier stecken sehr viele Emotionen drin und beim Lesen hatte ich das Gefühl das es eine Art „Seelen-Striptease“ gewesen ist, denn es geht ganz schön in die Tiefe.
Was mir einerseits gefallen hat, ist das man hier wirklich eine Achterbahn der Gefühle erlebt, aber das andere ist, das man auch eine Menge zu lesen bekommt und ich hin und wieder ein klitzekleines bisschen das Gefühl von Langatmigkeit hatte.
Die Romanze darin fand ich sehr schön, ich mochte es wie sich beide näher kommen und sich dann doch wieder etwas voneinander entfernen. Dieses Gefühlschaos sorgte für Spannung, da man wirklich nicht voraussehen kann was wohl als nächstes passiert.
Gleichzeitig bin ich aber eine totale Romantikerin und Liebe eben Liebesgeschichten und ich persönlich hätte mir einfach ein paar treffen mehr von den beiden gewünscht, eine Detailreicheres aufeinander treffe das nicht nur durch Gefühle beschrieben wird und ein wenig mehr Happy End darin.
Kommen wir zur zweiten Geschichte, die hier ein wenig etwas Magisches an sich hat und ich mir nicht ganz sicher bin, ob es schon in Richtung Magie/Bestimmung geht? Auch hatte ich das Gefühl das es einen kleinen Zusammenhang zur ersten Story gab? Die Geschichte hat mir gut gefallen. Aber auch hier gab es wieder ein paar Punkte die nicht ganz meinen Geschmack getroffen haben.
Diese Geschichte wird ebenfalls aus mehreren Perspektiven geschildert, anders wie bei der ersten Geschichte, bin ich hier aber immer ein klein wenig durcheinander geraten (trotz toller Überschrift), da es eben mehrere Charaktere sind. Für mich dann gleich zu Beginn schon etwas zu viele, ich konnte nicht gleich von Anfang an feststellen welche wirklich wichtig für die Geschichte sind und kam mir etwas überfordert vor (aber das wird sicherlich nicht jedem passieren!).
Jedoch nach und nach lernt man die Charaktere besser kenne und eben auch zu unterscheiden.
Was mir hier aber besser gefallen hat wie bei der ersten Geschichte ist, dass man zwar ebenfalls viel über die Gefühle der Charaktere erfährt man aber trotzdem noch ein wenig mehr von der „Außenwelt“ miterlebt und nicht nur von deren Gefühlslage.
Von der Romanze her schlägt natürlich wieder die Romantikerin in mir durch und auch wenn ich die Geschichten anfangs richtig toll gefunden habe, so gefällt mir deren Verlauf nicht ganz… was aber eindeutig Geschmackssache ist…
Die Charaktere erhalten ebenfalls ein gut von mir. Auch wenn man viel Gefühl von ihnen miterlebt und ihnen schon fast auf den Grund der Seele Blicken kann, so fehlte mir einfach ein wenig mehr Beschreibung um diese herum. So hatte ich das Gefühl ihnen einerseits „nahe“ zu sein und sie doch wieder nicht recht zu kennen.
Fazit
Ein wirklich wunderschönes Buch mit sehr viel Gefühl und einen tollen Schreibstil von der Autorin. Für mich aber doch noch etwas ungewöhnlich, da man bei der ersten Geschichte doch mehr Einblick in das „innere“ der Charaktere hat wie von dessen Umgebung. Daher vergebe ich 3 Sterne, denn mir fehlte einfach noch ein wenig mehr Beschreibung von deren “Außenwelt”, ein wenig Aktion und auch einmal etwas das mich zum Lachen gebracht hätte.
- Sabine Ebert
1813 - Kriegsfeuer
(112)Aktuelle Rezension von: SophiePfIch habe das Buch nun schon vor einigen Tagen beendet und musste die Ereignisse und deren blutigen Umfang erstmal sacken lassen.
DIe Völkerschlacht ist meines Erachtens in den Medien zu den Napoleonischen Kriegen viel zu wenig präsent, obwohl sie eine der größten Schlachten der Zeit war. Entsprechend war ich positiv überrascht so ein umfrang- und detailreiches Buch, welches anhand fiktiver und realer Figuren die verschiedenen Seiten und Gesellschaftsschichten in diesem Konflikt darstellt.
Den Schreibstil fand ich zeitweise recht trocken und die Darstellung etwas zu sehr in der Zeit gerafft, sodass einige Momente nur wie überflogen anmuten. Allerdings kann ich die Intention dahinter verstehen, das Buch ist ohnehin mit 900 Seiten schon sher umfangreich. Sobald die Zeitraffung der Erzählung sich jedoch verlangsamt wurde und Gespräche zwischen den einzelnen Akteuren stattfinden, war es schwer für mich von diesem Buch loszukommen.
Zwischen all dem Elend und Tod in dieser Epoche gab es ab und an jedoch auch Hoffnungsschimmer und gerade bei den Szenen am Vorabend der Völkerschlacht sind mir bei einer speziellen sogar die Tränen gekommen.
- Peter Handke
Der kurze Brief zum langen Abschied
(33)Aktuelle Rezension von: YbrMein erstes Buch von Peter Handke war eben "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter". Das war eine super Lektüre, können Sie meine Rezension zu diesem Buch lesen. Vor allem eine sehr gute Sprache, sehr passend ausgewählte Wörter, die ein sehr genaues Bild im Kopf zu dem bilden, was erzählt wird.
Dieses Buch ist meiner Meinung nach ein bisschen weniger genau bei der Wortwahl, aber trotzdem sehr angenehm zu lesen. Da passiert meinem Geschmack nach gar nicht so viele Ereignisse, das ist eher eine ruhige Beschreibung von der Umgebung, von Gedanken der Charaktere usw.
- Angela Lehner
Vater unser
(113)Aktuelle Rezension von: Agnes_AutorinAls Eva in Wien von der Polizei in die Psychiatrie gebracht wird, behauptet sie, eine ganze Kindergartenklasse mit einer Pistole erschossen zu haben. Ihr Vater habe sich umgebracht und ihre Mutter sei sowieso tot. Nur Bernhard, ihr magersüchtiger Bruder, der ebenfalls in der Klinik – nur auf einer anderen Station untergebracht ist – scheint Eva lieb und teuer. Sie will Kontakt zu Bernhard, er offenbar nicht. Eva erzählt aus der Ich-Perspektive in der Gegenwart, wie sie sich „einlebt“, in der Klinik, ihrem Zimmer und vor allem an die Gespräche mit Doktor Korb „gewöhnt“. Zwischendurch springt sie in die Vergangenheit, in ihre und Bernhards Kindheit, in der sie oft viel zu viel Verantwortung für den Bruder übernehmen musste. Sie erinnert sich an den Vater, der stets rauchend hinter verschlossenen Türen lebte, und an die Mutter, die arbeitend und das Geld verdienend, oft ganz abwesend war.
Doch Eva ist kein Kind von Traurigkeit, kein Opfer, im Gegenteil. Aktiv geht sie auf die Pflegekräfte und Ärzte zu, versucht ihren Bruder mit unlauteren Methoden davon zu überzeugen, dass sie zusammengehören, dass sie für ihn sorgen kann und wird und – dass sie gemeinsam den Vater töten müssen.
Moment!? An der Stelle blättert man zurück. Hatte sie Doktor Korb gegenüber nicht behauptet, ihr Vater habe sich umgebracht? Ja, was denn nun? Spätestens hier wird einem bewusst, dass die Ich-Erzählerin nicht nur das Krankenhaus-Personal an der Nase herumführt, sondern auch mich als Leserin. Doch wann tut sie dies bewusst und wann unbewusst? Ihren Bruder irgendwann im Schlepptau erinnert das Buch, das aus drei Teilen besteht (der Vater, der Sohn, der Heilige Geist), an den Roadtrip à la Herrndorfs „Tschick“. Vollkommen angetan von Evas Persönlichkeit, ihrer vulgären Sprache und ihrem unsicheren, zerbrechlichen Kern folgt man ihr erst neugierig, was sie als nächstes anstellen und wird und begibt sich dann mit ihr auf die Suche nach der Wahrheit, die erst ganz am Ende steht.
Nicht zuletzt durch ihren Humor, der die Schwere der Tatsachen zu übertünchen versucht (mit Erfolg!) erinnert mich Evas Geschichte an die meiner Protagonistin Josy in „Unberührt“. Auch der Sprung zwischen den Zeitebenen, ganze Redewendungen wie „Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei“, der Besuch der Protagonistin im Ziegengehege sowie der Umgang mit einem kleinen Tier, das in den eigenen Händen aufhört zu atmen – hat mich immer wieder aufhorchen lassen. Und, es ist Angela Lehners Debüt gewesen! Ganz, ganz stark!
Ich werde Angela Lehner, die 1987 in Klagenfurt geboren wurde und jetzt in Berlin lebt, eine Nachricht schreiben, dass ich mich mit ihr verbunden fühle. Dass ich ihr Buch wunderbar finde, dass ich gelacht und geweint habe, dass ich es weiterempfehlen und Eva und Bernhard noch eine ganze Weile mit mir tragen werde. Absolute Empfehlung!
„Vater unser“ von Angela Lehner, dtv, 2021
Passend zum Roman las ich vorher ein Kapitel aus „Wahnsinns Frauen“ (hrsg. von Sybille Duda und Luise F. Pusch) – und zwar über Johanna die Wahnsinnige (1479-1555) von Swantje Koch-Kanz und Luise F. Pusch. Viel ist Spekulation über Johanna nach so langer Zeit, aber noch viel mehr spricht für das, was das Vorwort hervorragend zusammenfasst – die Rolle der Frau war und ist noch immer keine leichte in unserer Gesellschaft.
- Robert Schneider
Schlafes Bruder
(690)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderJohannes Elias Alder ist ein musikalisches Genie und ein ganz großer Künstler. Er lebt in einem Dorf in Österreich und sein Klang begeistert die Menschen. Zuvor aber muss er ein hartes Leben führen und wurde in Voralberg von seiner Mutter bis zu seinem fünften Lebensjahr eingesperrt leben, aber all dies und was noch kommen mag, hat den Johannes geprägt und seine Musik, sein enormes Gehör geschaffen und verstärkt. Er wird angefragt und ist als Organist gefragt und doch treibt ihn etwas um und das ist mächtiger als die Musik. Robert Schneiders Buch ist ein Bestseller und begeistert die Menschen seit Jahrzehnten und sein Klang, sein Wort, seine Pracht ist einzigartig. Immer noch!
- Thomas Sautner
Fremdes Land
(14)Aktuelle Rezension von: deidree„Fesselnd“ schrieb die Presse damals, ich sage nur „erschreckend“. Durch Zufall bin ich über diese, relativ alte, Dystopie „Fremdes Land“ gestolpert. Erschreckend, wie nahe wir heute der Erzählung von Thomas Sautner schon gekommen sind.
Überwachung, systematisches Angst machen der Bevölkerung sind nur zwei Beispiele, die uns heute nicht mehr ganz fremd sind. Der gläserne Mensch, der Politiker als Marionette von Lobbyisten sind weitere Bausteine in diesem Buch.
Das einzelne Individuum soll nicht mehr bestehen. Alle sind ruhig und gleich gestellt. Die Menschheit überwacht sich gegenseitig, merkt nicht, wie gefangen sie mittlerweile ist.
Während des Lesens glaubte ich mich in einem Thriller. Leider scheinen einzelne Teile davon schon bis in unseren Alltag vorgedrungen zu sein. Merken auch wir nicht mehr, wie wir manipuliert und klein gehalten werden?
Dieses Buch ist definitiv nichts für schwache Nerven. Die Gedanken überschlagen sich schon während und auch nach Ende des Werks immer noch.
Dank des flüssigen Schreibstils hätte ich das Buch relativ schnell lesen können, doch der Inhalt zwingt beinahe immer wieder zu kleineren Pausen.
Hoffentlich findet dieses Buch den Weg zu vielen Lesern, damit wir wieder beginnen selbständiger zu denken. In so einer beschriebenen Welt möchte ich nicht leben müssen und wünsche es auch niemanden sonst.
- Anna Mitgutsch
Wenn du wiederkommst
(25)Aktuelle Rezension von: Sturmhoehe"Wie folgt man einem geliebten Menschen in den Tod, ohne das Leben zu verlieren?" Anna Mitgutschs Protagonistin verliert nicht nur ihren Mann, sondern auch teilweise ihr eigenes Leben. Ein unglaublich ergreifender und wortgewaltiger Roman über den Verlust eines geliebten Menschen. Ein Roman nicht nur über die Trennung durch den Tod sondern auch eine Trennung durch die Entfremdung zweier Menschen, die sich lieben. Ein Roman, der nachdenklich macht und mitfühlen lässt. Eine Gesichte über die Anatomie einer Trauer mit all ihren Phasen. Und ein Buch, das erschüttert und berührt. Uns selbst nachdenken lässt, ob wir unser eigenes Leben wirklich nutzen und leben. Bevor es zu spät ist. Denn vieles kann sich nur zu schnell ändern... "Ich weiß, es war nur unsere kleine, für andere bedeutungslose Welt, die der Tod ausgelöscht hat, aber für uns war sie groß und umfassend wie das Universum." - Doris Knecht
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
(184)Aktuelle Rezension von: NorellDoris Knecht, bekannt für ihre pointierten und tiefgründigen gesellschaftlichen Analysen legt mit "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe " einen weiteren bemerkenswerten Roman vor. In gewohnt scharfem, aber gleichzeitig sensiblem Stil beleuchtet Knecht das Leben ihrer Protagonistin, die sich mit den Wellen des Lebens, das Alterns und den damit einhergehen Veränderungen auseinandersetzen muss.
Die Themen, die Knecht in diesem Roman anspricht, sind vielfältig: Es geht um das Alter und den damit einhergehenden Verlust von Erinnerungen, aber auch um Beziehungen - vor allem jene, die in der Familie oft unausgesprochen schwelen und dennoch tiefen Einfluss auf das eigene Leben haben. Zentral ist die Frage, wie man angesichts von Verlusten, weiterlebt und welche Rolle die Erinnerung dabei spielt. Die Vergesslichkeit der Protagonistin wirkt dabei wie eine Schutzstrategie gegen zu viel Schmerz, was die Leser innen zu der Frage führt, inwieweit es hilfreich ist, sich an alles zu erinnern.
Knecht schafft es, alltägliche Situationen und emotionale Herausforderungen mit einer Mischung aus Melancholie, Humor und scharfsinniger Beobachtungsgabe zu erzählen. Die Reflexion über das Altern und den Verlust, sowohl von Erinnerungen als auch von zwischenmenschlichen Bindungen, wird zu einer berührenden Geschichte. Dieser Roman bleibt nicht nur im Gedächtnis, sondern regt auch dazu an, über das eigene Leben und seine Prioritäten nachzudenken.
- Milena Michiko Flasar
Herr Katō spielt Familie
(62)Aktuelle Rezension von: mariameerhabaDie Autorin kann schreiben, das habe ich deutlich gemerkt, aber sie zieht die Handlung in die Länge und überhäuft einen mit so vielen Details, dass ich das auf die Dauer nicht ausgehalten habe. Wären doch die Details irgendwie interessant, würde ich weiterlesen, aber es ist stinknormaler Alltag, sogar noch schlimmer als normaler. Es ist verdammt langweiliger Alltag.
Sobald die Frau auftaucht und dem Protagonisten von ihrer Arbeit erzählt, löst sich die Starre der Handlung und plötzlich war das so interessant, spannend, voller Leidenschaft. Als sie ihm ihre Visitenkarte gab und vorschlug, er solle doch bei ihnen mitarbeiten, da habe ich fast ein Ja gebrüllt. Mach es, tu es, verschwinde aus diesem schrecklichen Alltag und lebe ein Leben, was du dir nicht einmal erträumt hättest.
Aber dann verschwindet die Frau, der Alltag geht weiter, die Starre kehrt zurück und das mit einer Heftigkeit, dass es mir die Augenlider festzugeschlagen hat. Er erzählt von seinem Haus, von den letzten Jahren, der Arbeit, der Gedanken, der simplen Wünsche, die Pensionierung, und ich wollte sofort einschlafen, damit das Buch aus meinen Händen fällt und irgendwo verschwindet.
Die Autorin überhäuft mich mit Details, die ich selbst erlebt habe, die ich selbst erzählen könnte, vielleicht sogar aufregender, wahrscheinlich auch lebhafter. Und dann weigert sie sich, Absätze zu machen, füllt die Seiten ohne Zeilenumbrüche auf, bis ich den Verstand fast verloren habe und mich weigerte, eine weitere Zeile zu lesen.
Das Buch ist eine Schlaftablette. Es hat so eine interessante Idee und doch wird es von der Handlung verdrängt, die zäh ist und dafür sorgt, dass das eigene Leben viel, viel, viel aufregender wirkt. Ich habe mir das nicht lang antun können.
- Eva Menasse
Dunkelblum
(89)Aktuelle Rezension von: KaJaDer Schreibstil von Eva Menasse hat mich sofort begeistert. Oft mit einem Augenzwinkern und immer auf den Punkt. Trotzdem habe ich fast 100 Seiten gebraucht, um richtig in die Geschichte zu kommen, da zu Beginn sehr viele Charaktere und Handlungsstränge eingeführt werden und einige Zeitsprünge nicht direkt erkennbar waren. Aber dann hat mich das Buch komplett in seinen Bann gezogen.
- Angela Lehner
2001
(48)Aktuelle Rezension von: Julia92Inhalt: Es ist das Jahr 2001 und im Tal ist alles wie immer. Die Berge sind schroff, die Touristen unersättlich, die Jugendlichen auf der Suche nach Alkohol und Abenteuern und die Eltern abwesend. Eine Zukunft hat hier keiner, am allerwenigsten Julia, die in der Hauptschule zum sogenannten Restmüll gehört, was ihr egal ist -, denn für sie zählt nur eins: Hip-Hop und der Zusammenhalt ihrer Crew. Bis ihr Geschichtslehrer eines Tages die ganze Klasse zwingt, an einem politischen Experiment teilzunehmen, und damit eine Lawine an folgenschweren Ereignissen lostritt.
Meinung: Ich kam gut in die Geschichte rein, da mich Lehners Schreibstils von Beginn an sehr unterhalten hat. Man lernt Julia und ihre Crew kennen, sowie ihren Bruder und Klassenkameraden. Der österreichische Schmäh und die Ansicht der Jugendlichen auf Touristen sind besonders gelungen und haben mich mehrere Male zum Schmunzeln gebracht. Leider konnte ich zu keinem der Charaktere einen Bezug aufbauen, was vermutlich von der Autorin beabsichtigt ist, aber für mich ist es etwas zu viel von dieser Hoffnungslosigkeit, die sich durch das ganze Buch zieht. Die Jugendlichen haben (zumindest der Großteil) keine Perspektive, keinen Antrieb, keinen Ansporn, der sie dazu bewegt, etwas aus ihrem Leben zu machen. Anfangs taten mir Julia & Co leid, mit der Zeit machte sich Fassungslosigkeit breit. Auf die Rolle der Eltern gehe ich hier nicht näher ein (eventuell Spoilergefahr). Gegen Ende bekommt man Brocken vorgeworfen, die auf eine Veränderung, auf eine Lösung hindeuten, doch ich wurde schließlich enttäuscht. Viele Fragen sind offen geblieben. Vermutlich will die Autorin die Leserschaft dazu animieren, sich alternative Möglichkeiten der weiteren Entwicklung auszudenken, doch mich konnte der Schluss nicht überzeugen. Im Gegenteil. Ich hatte gehofft, dass gewisse angeschnittene Themen noch aufgelöst werden. Ich kann das Buch weder empfehlen noch davon abraten. Man muss sich auf die Message einlassen, um sich eine Meinung bilden zu können.
Aufgrund des tollen Schreibstils und der interessanten Grundidee vergebe ich 3 von 5 Sternen.
- Bettina Wagner
Die Mord GmbH (Kurzgeschichte, Krimi) (Die 'booksnacks' Kurzgeschichten Reihe)
(12)Aktuelle Rezension von: pardenOHNE WIRKLICHE POINTE...
Ehepartner sind ihre Spezialität … Lehmann ist alles andere als glücklich in seiner Ehe mit Yvonne. Doch eine Scheidung käme ihn teuer zu stehen. Wie gut, dass die Mord GmbH für jedes Problem die passende Lösung hat…
Lehmann steht unter dem Pantoffel seiner Frau, was ihm verständlicherweise nicht gefällt. Da sie aber das Geld in die Ehe gebracht hat, würde eine normale Trennung ihn nur ruinieren. Da kommt der Hinweis auf die Mord GmbH gerade recht...
Dass es eine Telefonnummer gibt, die Lehmann mit der Mord GmbH verbindet, ist verständlich. Weniger vorstellbar jedoch ist es, dass er sich mit der Firmeninhaberin persönlich trifft, ihr den Auftrag erteilt und erst nach erfolgreichem Abschluss zahlt. Kann jemand, der Auftragsmorde ausführt, es ernsthaft riskieren, dass sein/ihr Gesicht bekannt ist - und die Adresse gleich noch dazu? Wäre die Gefahr nicht viel zu groß, dass die Polizei irgendwann Wind davon bekommt? Das Geschäftsmodell wie es hier geschildert wurde, konnte ich mir so einfach nicht vorstellen.
Dazu kam dann noch der vollkommen unspannende Ablauf und das keinesfalls überraschende (offene) Ende. Unspektakulär und langweilig? Ja, ziemlich. Schade.
© Parden
- Dirk Stermann
Sechs Österreicher unter den ersten fünf
(75)Aktuelle Rezension von: NiWaDirk Stermann hat sich mittlerweile in den österreichischen Medien einen Namen gemacht. Wie der aus Deutschland stammende Entertainer den Kulturschock und das Einleben ins hiesige Gebaren erlebte, schildert er anhand kurzweiliger Alltagsepisoden, die bis dahin für den Wahl-Wiener alles andere als alltäglich waren.
Der Autor ist eine prominente Stimme genauso wie ein bekanntes Gesicht, das längst jahrzehntelang in der Sendung „Willkommen Österreich“ über den Bildschirm flimmert. Obwohl sich der rheinische Wahl-Wiener mittlerweile gut im Umgang mit dem hiesigen Charme hält, zeigt er in diesem Buch, dass Deutsche und Österreicher mehr als nur die Sprache voneinander trennt. Es ist seine Geschichte der Integration, die er mit Herz, Humor und einer ordentlichen Portion Schmäh erzählt.
"Wenn man dann irgendwann draufkommt, dass man Deutscher ist, ist das eine mittlere Katastrophe." (S. 10, eBook)
Dieses Buch ist mir schon früher aufgefallen, weil ich den trockenen Humor von Dirk Stermann mag und auf seine Sicht der österreichischen Kultur neugierig war. Allerdings hatte ich es aus den Augen verloren, bis sich mir die Frage stellte, wie es ein Deutscher empfindet, wenn er sich in Österreich niederlässt.
Stermann erzählt großteils chronologisch wie ihn einst das Studium an die Wiener Universität trieb. Es folgen berufliche und private Stationen, die sich episodenhaft aneinanderreihen und seinen Eindruck der österreichischen Kultur betonen. Herzstück ist eine bissig-charmante Analyse des Österreichisch-Seins sowie eine Liebeserklärung an Land und Leute, die auf Außenstehende teilweise eine skurrile Wirkung haben könnte.
"Nachdem ich also gerade versucht hatte, Deutschland hinter mir zu lassen, wurde ich in Wien zum täglichen Deutschsein verurteilt." (S. 10 - 11, eBook)
Zuerst einmal ist es ein witziges Buch, weil Stermann mit trockenem Humor von seinem Leben in Wien erzählt und viele Szenen, die tatsächlich realistisch und eindeutig dem Alltag entnommen sind, schon merkwürdig und vielleicht sogar lächerlich wirken, wenn man die hiesige Kultur nicht kennt.
Erzählt wird, dass es Herr und Frau Österreicher grundsätzlich äußerst bescheiden geht und die schlechte Laune ohnehin das höchste der Gefühle ist.
Geschildert werden außerdem Sprachbarrieren, die nicht nur von unterschiedlicher Aussprache und alteingesessenem Dialekt herrühren, sondern aufgrund eigentümlicher Wortverwendungen entstehen, die für Nicht-Österreicher zum Stolperstein werden. Hinzu kommt die Betonung, welche dem regionalen Ohr sagt, wie eine Aussage oder Frage zu bewerten ist. Ungeübte stehen oftmals vor einem Rätsel, das sich als unlösbar erweist.
"Dort grüßte mich täglich der Oachkatzlschwoaf." (S. 11, eBook)
Besonders präsent sind Themen wie die damalige Politik - das Werk ist 2012 erschienen - sowie die Bedeutung von Cordoba, was für Außenstehende wohl nur eine Stadt in Spanien ist, aber für Österreich einen fußballerischer Triumph über den großen deutschen Bruder bedeutet.
"Das ist vielleicht das Grundproblem österreichischen Fußballs (...)" (S. 111, eBook)
Stermann schreibt witzig, spritzig und man merkt, er hat sich in seine Wahlheimat und die österreichische Seele verliebt. Mir als Österreicherin hat er damit „schön getan“ und eventuell hilft es dem oder der deutschen Leser:in dabei, mehr über dieses kleine Land mit Alpen, Wiener Walzer und seinen Schmäh zu erfahren. - Brigitte Teufl-Heimhilcher
Liebe, Macht und rote Rosen
(24)Aktuelle Rezension von: Christine_Foellmer-MaierDie Geschichte von Sybille, die umständehalber zu einem politischen Amt kommt. Amt & Liebe sind "unter einen Hut" zu bringen. Obwohl ich mich nicht sehr für Politik interessiere, sind die Einblicke "hinter die Kulissen" der Politik in heiterer Weise geschildert. Der Autorin, Brigitte Teufl-Heimhilcher, gelingt es hervorragend, mit ihrer amüsanten Erzählart und feinem Humor den Leser / die Leserin zu unterhalten. Ich habe das Buch fast in einem Zug gelesen und empfehle es gerne!