Bücher mit dem Tag "österreichische geschichte"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "österreichische geschichte" gekennzeichnet haben.

17 Bücher

  1. Cover des Buches 1913 (ISBN: 9783596520534)
    Florian Illies

    1913

     (288)
    Aktuelle Rezension von: Calderon

    Schon zweimal habe ich 1913 von Florian Illies gehört, das Buch macht einfach Spaß. Es ist ein tolles Kaleidoskopt des letzten friedlichen Jahres vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der Leser unternimmt einen Streifzug durch Kunst, Literatur, Politik und Klatsch. Die Zeitungswelt gibt ein Stelldichein und alles ist mit mehr als einer deftigen Prise boshaftem Witz, Ironie und Sarkasmus gewürtzt.

  2. Cover des Buches Schachnovelle (ISBN: 9783755769965)
    Stefan Zweig

    Schachnovelle

     (1.449)
    Aktuelle Rezension von: megalon22

    Eine kurzweilige Novelle, die jedoch im Gedächtnis bleibt.

    Auch wenn ich kein besonderer Schachspieler bin und mich dieses allseits bekannte Brett - und Denkspiel eigentlich kaum interessiert, konnte mich dieses Buch ungemein fesseln und hätte auch zum Schluss gerne noch weitergelesen. 

    Hier werden die Lebensgeschichten zweier herausragender Schachspieler auf ungeschönte Weise erzählt. Zwei Personen, die unterschiedlicher kaum nicht sein könnten, am Ende aber dennoch gegeneinander antreten. 

    Insbesondere die Passage, in welcher "Doc. B" in seiner Gefangenschaft zum Schachspiel kommt und sich daraus eine manische Sucht entwickelt, fand ich sehr spannend und interessant erzählt.

    Auf alle Fälle eine schöne Geschichte von S. Zweig. 

  3. Cover des Buches Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (ISBN: 9783946619833)
    Robert Musil

    Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

     (287)
    Aktuelle Rezension von: hufflepup_kafka

    „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Rubert Musil aus dem Anaconda Verlag zeichnet sich durch eine düstere und intellektuell anspruchsvolle Atmosphäre aus. Törleß erkundet moralische und militärische Themen im Kontext einer Eliteschule und behandelt die dunklen Seiten der menschlichen Psyche. Musils Erstlingswerk könnte man demnach dem Dark Academia Genre zuordnen und es handelt sich hierbei um einen klassischen Entwicklungsroman aus dem Jahre 1906.

    Törleß, zunächst motiviert und voller Tatendrang, wird mit der Zeit von Heimweh und Einsamkeit geplagt. Trost sucht er in den Briefen an und von seinen Eltern, doch dieser Trost weicht einer Depression aus Leere und Langeweile sozusagen, die er mit seinen neuen „Freunden“ Reiting und Beineberg zu kompensieren versucht. Als die drei Jungen ihren Mitschüler Basini als Dieb entlarven, der aus Geldnot seine Klassenkamerad*innen bestiehlt, sehen sie von einer Anzeige bei der Schulleitung ab und sehen stattdessen in ihm ein Ventil für ein Machtspiel aus Gewalt, Selbstjustiz und Bestrafung.

    Während Beineberg und Reiting Basini vor allem körperlich wie sexuell misshandeln, beteiligt sich Törleß selbst am Machtspiel aber eigentlich nur wenig und ist viel mehr der in sich gekehrte Beobachter, in dem homoerotische Neigungen wach werden. Von dieser plötzlichen auftretenden sexuellen Begierde beschämt, flüchtet er sich zuerst in die Natur- und Geisteswissenschaften wie Mathematik, Philosophie und Psychologie, und als er darin keine Lösung findet, in das Spirituelle und Esoterische.

    Bei diesem Übergang begibt sich Törleß zwischen Identitätssuche und Internatleben und verliert sich dabei in pseudo-poetischen Gedanken, die für mich als Leser einfach nur wirr und zäh waren. Einzig vom allgemein anspruchsvollen Schreibstil und zum Teil auch von den Dialogen war ich etwas angetan. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass ich es hier mit pubertierenden Heranwachsenden zu tun habe, sondern mit Akademikern im ermüdenden, sich im Kreis drehenden und nimmer endenden Diskurs.

    Alles in allem ist die Geschichte und die Figur um Törleß ein Konstrukt aus Egozentrik und Voyeurismus, mit dem ich einfach nicht warm wurde und von dem ich auch Klassiker liebenden und lesenden abrate. 2 von 5 Sternen.

  4. Cover des Buches Der Untergang der Habsburgermonarchie (ISBN: 9783709970669)
    Hannes Leidinger

    Der Untergang der Habsburgermonarchie

     (10)
    Aktuelle Rezension von: TochterAlice
    ist ein Schlager, der aus meiner Sicht kein Gehalt hat, es wird einfach etwas dahingesagt. Damit stellt er das Gegenteil zum vorliegenden Werk zum Untergang der Habsburgermonarchie dar. Die Welt der Habsburger ist nämlich sehr wohl untergegangen und zwar nicht nur aus einem Grund, sondern aus mindestens sieben (hauptsächlichen) Gründen, wie das Fazit am Ende der Ausführungen belegt. Doch es gibt viel "dazwischen", also vieles, das dazu beitrug und überaus lesenswert ist.

    Dem Autor Hannes Leidinger fehlt die Leichtigkeit vieler angelsächsischer Autoren, die es fertig bringen, ein historisches Sachbuch wie einen spannenden Roman zu formulieren, den man nicht aus der Hand legen kann. Hier habe ich mich mit der zweifellos sowohl interessanten, auch aufschlussreichen und Neues offenbarenden Lektüre ziemlich schwer getan, denn spannend war sie ganz gewiss nicht. Zumindest nicht aus meiner Sicht.

    Und das, obwohl grandiose Ansätze durchaus vorhanden waren, wie zum Beispiel gleich zu Beginn des Buches die Darstellung der realen Ereignisse aus der Sicht von Ulrich, der Hauptfigur in Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften", also einem fiktiven Kind der Zeit. Doch Einflüsse germanischer Gründlichkeit haben eindeutig überwogen und machen das Werk zu einem ausführlichen und überaus fundierten Werk über die Habsburgermonarchie, zu einem modernen Werk, das Ursachen, Einflüsse und Entwicklungen prüft und in Frage stellt.

    Ein wirklich wichtiges Werk der neuesten Geschichtsschreibung also, das jeder Historiker, der sich mit diesem Thema beschäftigt zur Hand nehmen sollte. Und nicht nur einmal. Denn es hat das Zeug zu einem Handbuch der österreichischen Geschichte, also zu einem Werk, das Kenner und Schätzer nicht wieder aus dem Regal lassen sollten. Und sicher auch das Zeug dazu, ausgiebig diskutiert zu werden, also ein Werk, das jahrzehntelang nachhallen wird. Mindestens.

    Für Laien ist es eher nichts, außer für solche, die sich sehr für die Habsburger und für österreichische Geschichte interessieren und auch schon einige Vorkenntnisse haben. Andere werden sicher enttäuscht sein und das wäre schade angesichts eines so sach- und fachkundigen Werkes.
  5. Cover des Buches Elisabeth (ISBN: 9783902862969)
    Brigitte Hamann

    Elisabeth

     (134)
    Aktuelle Rezension von: Saralonde

    Gibt es irgendjemanden, zumindest irgendeine Frau, die die Sissi-Filme nicht gesehen hat? Und deren Bild der Kaiserin Elisabeth nicht von ihnen geprägt ist? Das Sisi tatsächlich eine ganz andere war, hat sich herumgesprochen. Und fernab jeden Schmalzes präsentiert uns Brigitte Hamann ausführlich die echte Sisi. Dazu hat sie sich durch Archive und die private Korrespondenz aller möglichen Personen gelesen, die Sisi nahestanden (und natürlich auch alles, was von Sisi selbst noch erhalten geblieben ist). Man könnte jetzt vielleicht befürchten: “Oje, das hört sich staubtrocken an”, doch nein, Brigitte Hamann hat etwas, was für eine promovierte Historikern ein Glücksfall ist: Erzähltalent. Ich will nicht behaupten, das Buch lese sich wie ein Roman, aber es liest sich flüssig und ist an keiner Stelle langweilig.

    Die Kapitel sind chronologisch angeordnet, was Hamann jedoch nicht daran hindert, bezüglich eines bestimmten Themas auch Zeitsprünge zu vollziehen. Es beginnt mit der Verlobung der erst 15-Jährigen mit dem jungen Kaiser in Ischl. Hätte ich mir noch ein Kapitel über Sisis Kindheit gewünscht? Nicht unbedingt notwendig, denn Hamann verweist im Laufe des Buches an gegebener Stelle immer wieder auf Sisi als Kind.

    Das Bild, das Hamann von Elisabeth zeichnet, zeigt uns eine hochintelligente, aber auch äußerst zwiespältige Persönlichkeit, ihrer Zeit durchaus voraus, jedoch in einem solchen Maße egozentrisch, dass ihre Ideale schnell beiseite geschoben wurden, wenn es um sie selbst ging. Mir war nicht bewusst, das Sisi so viel gedichtet hat, immer wieder zitiert Hamann ihre Gedichte, die mitunter sehr aufschlussreich sind. Ergänzt wird der Text durch wirklich tolles Bildmaterial, leider nur aus den jungen Jahren der Kaiserin, da sie es im Alter sehr erfolgreich vermieden hat, fotografiert zu werden.

    Wenn ihr euch für Sisi interessiert (und sie war wirklich interessant genug!), kann ich euch das Buch wärmstens empfehlen. Unbedingte Kaufempfehlung!

  6. Cover des Buches Es geht uns gut (ISBN: 9783423146500)
    Arno Geiger

    Es geht uns gut

     (148)
    Aktuelle Rezension von: Joroka

    Drei-Generationen-Ebene


    Philipp ist dabei, die geerbte Villa vom alten Taubenmist zu befreien. Hier haben seine Großeltern Alma und Richard gelebt. Es gab gute Jahre, es gab schwere Jahre. Mit dem Handlungsverlauf erhalten wir Einblick in das Schicksal einer Familie über drei Generationen, und quasi nebenbei einen kleinen Geschichtslehrgang zu Österreich im 20. Jahrhundert.

    Ingrid, die Mutter von Philipp, ist als er noch ein Kind war bei einem Badeunfall ums Leben gekommen. Auch aus ihrem Leben an der Seite ihres 5 Jahr älteren Mannes Peter wird erzählt.

    Es handelt sich um eine gehoben bürgerliche Familie, der Großvater Richard war nach dem Krieg sogar Minister. Ob sie deshalb glücklicher zu leben wussten?.....


    Eine Familiengeschichte also. Natürlich mit ungewöhnlichen, aber nicht zu außergewöhnlichen Lebensläufen. Es wird beständig zwischen den Zeiten und Akteuren hin und her gesprungen. Einen großen Teil der Erzählung nimmt die Zeit nach der Einverleibung durch das deutsche Reich ein. Die Familie lebt in Wien, doch es könnte auch sonst eine größere Stadt in Österreich sein. Es ist so mancher Schicksalsschlag zu verkraften. Die Großeltern verlieren zum Beispiel beide ihrer Kinder.


    Das Hörbuch wird von Matthias Brandt gelesen. Seiner beruhigenden Stimme ist angenehm zuzuhören. Er spricht bedacht, gut intoniert. Bin mir nicht sicher, ob ich den Roman selber genau so gerne gelesen hätte. Bei diesem Stoff lobe ich mal wieder den Vorteil des Vorlesens. War nicht langweilig, oder langatmig, es ist so im Nachhinein aber auch nicht all zu viel hängen geblieben.


    Der Autor Arno Geiger erhielt für den Roman den Deutschen Buchpreis


    Es handelt sich um eine gekürzte Lesung auf 6 CDs mit ca. 7,5 Stunden.

  7. Cover des Buches Engel des Vergessens (ISBN: 9783442744763)
    Maja Haderlap

    Engel des Vergessens

     (38)
    Aktuelle Rezension von: Linnea_Draconis
    Fakten:

    Buchtitel: Engel des Vergessens

    Originaltitel: Engel des Vergessens

    Autor: Maja Haderlap

    Verlag: btb

    Buchreihe: /

    Seitenanzahl: 288 Seiten

    ISBN: 978-3442744763

    Preis: 10,00€ Taschenbuch

     

    Inhaltliches:

    Erzählperspektive: eigentlich Ich-Perspektive, allerdings wechselt es auch teilweise zu der dritten Person

    Lesbarkeit: sehr flüssig

    Besonderheiten des Buches: Es gibt keine Kapitel und die Geschichte wird aus vielen verschiedenen Perspektiven geschrieben.

     

    Klappentext:

    Maja Haderlap erzählt die Geschichte eines Mädchens, einer Familie und zugleich die Geschichte eines Volkes, der Slowenen in Kärnten. Überaus sinnlich beschwört die Autorin die Gerüche des Sommers herauf, die Kochkünste der Großmutter, die Streitigkeiten der Eltern und die Eigenarten der Nachbarn. Erzählt wird von dem täglichen Versuch eines heranwachsenden Mädchens, ihre Familie und die Menschen in ihrer Umgebung zu verstehen. Zwar ist der Krieg vorbei, aber in den Köpfen der slowenischen Minderheit, zu der die Familie gehört, ist er noch allgegenwärtig. Die Erinnerungen an jene schreckliche Zeit gehören für die Menschen zum Leben wie Gott. Für ihr Romandebüt wurde Maja Haderlap vielfach ausgezeichnet (u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Bruno-Kreisky-Preis, Rauriser Literaturpreis).

     

    Charaktere:

    Zentral ist das Mädchen, aus dessen Perspektive erzählt wird. Da es sich um einen autobiographischen Roman handelt, handelt es sich bei dem Mädchen um Maja selbst. Sie wächst mit den Geschichten aus der schrecklichen Partisanenzeit während des ersten Weltkriegs auf und lebt mit ihrer Familie in der Grenzregion Kärnten und Slowenien. Sie erzählt von ihrer Großmutter und von deren Zeit im KZ. Die Großmutter ist eine sehr gottesfürchtige Frau, die für alles das richtige Gebet parat hat und de von Maja als eine zentrale Figur beschrieben wird. Mehr als die Hälfte des Buches wird von dieser Person beansprucht. Maja hat zu ihrer Großmutter ein gutes Verhältnis und sucht bei ihr oft Zuflucht, doch als sie auf das Gymnasium geschickt wird, bricht die Zuneigung ihrer Großmutter ab.

    Majas Mutter ist aufopfernd und setzt sich für die Familie ein, auch sie ist sehr gläubig, wenn auch nicht so streng gläubig wie ihre Schwiegermutter. Sie hat Freude an Gedichten und an Gesängen, doch ihr Mann, Majas Vater, macht ihr das Leben durchaus schwer. Er leidet an starken Selbstzweifel und hält die Familie mit seinen Launen ordentlich auf Trab und sorgt für vielerlei negative Stimmungen im Haus. An ihn scheint lediglich Maja heranzukommen, denn von seiner Frau scheint er nicht viel zu halten. Er scheint zwei Gesichter zu haben, denn er ist zum einen selbstmordgefährdet und zum anderen ist er der trinkfeste Geselle, der bei keinem Fest fehlen darf.

    Die Charaktere weisen genug Tiefe auf um mit ihnen mitleiden zu können, auch wenn oft schnell zwischen einzelnen Charakteren gewechselt wird. Man durchlebt, wie Maja der Geist der Vergangenheit zu viel wird und wie sie versucht aus ihrer Familie zu flüchten, nur um dann doch wieder vom Engel des Vergessens eingeholt zu werden.

     

    Inhalt:

    Die Handlung beginnt mit den frühen Kinderjahren von Maja und es wird erzählt, wie ihre Großmutter sich um sie gekümmert hat und zu welchem Verhältnis sie zu welchen Personen steht. Im Laufe der Zeit wird Maja älter und versteht ihre Umwelt besser. Je älter sie wird, umso mehr Geschichten erzählt ihr ihre Großmutter über das KZ und darüber, was sie erlebt hat. Im weiteren Handlungsverlauf besucht Maja das Gymnasium und immatrikuliert. Dieses Thema ist in diesem Buch sehr zentral, ebenso wie das Thema der Partisanen. Maja lernt erst im fortschreitenden Alter, dass sie die Vergangenheit nie gänzlich abstreifen kann.

    Die Handlung verläuft parallel zum Heranwachsen des Mädchens. Die Autorin hat einen sehr ruhigen und gemessenen Erzählstil, der sehr mitreißend ist. Sie legt besonders auf die Charaktere großen Wert. Auffallend ist, dass die Geschichte durchwegs im Präsens gehalten ist und nur durch ein Futur Abwechslung erlebt. Durch die gewählte Zeitform werden die Erzählungen intensiviert und treten genauer ins Gedächtnis.

    Dass dieser Roman den Bachmannpreis 2011 gewonnen hat, ist kaum verwunderlich. Auch die Thematik Kärnten/Slowenien ist aktuell. Ein tolles Leseerlebnis, das literarisch hervorragend gelungen ist.

     

    Cover:

    Das Cover ist sehr schlicht gehalten und erinnert mich an das Haus, in dem sich die meisten der Erzählungen abspielen. Die Hausmauer wirkt alt und weist darauf hin, dass es sich um keine moderne Geschichte handelt, sondern, dass die Erzählzeit in der Vergangenheit angesiedelt ist. Die Schriftart passt gut zum Hintergrund und die rote Titelfarbe hebt sich gut vom hellen Cover ab. Ein gelungenes Cover, das zum Buch passt.

     

    Empfehlenswert: Ja, dieses Buch ist sehr zu empfehlen.


    Diese Rezension erschien ebenfalls hier:

    http://lesedrachen.blogspot.co.at/2017/11/engel-des-vergessens.html

  8. Cover des Buches Maria Theresia und Marie Antoinette (ISBN: 9783650401977)
    Paul Christoph

    Maria Theresia und Marie Antoinette

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Bellis-Perennis
    ... so beginnen die meisten Briefe Maria Theresias an ihre Tochter Marie Antoinette.
    Paul Christoph stellt in seinem Buch den Briefwechsel zwischen Maria Theresia (1717-1780) und Marie Antoinette (1755-1793) vor. Die eine ist Herrscherin über den Vielvölkerstaat Österreich, die andere ist Königin von Frankreich.

    Maria Theresia ist Mutter von insgesamt 16 Kindern, die ein beinahe unbezahlbares (Heirats)Gut für die Herrscherhäuser Europas darstellen. Maria Antonia ist das 15. Kind der Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn, die häufig aber falsch als Kaiserin Maria Theresia bezeichnet ist. Es ist ihr Mann Franz Stephan von Lothringen, der die Deutsche Kaiserkrone trägt. Später wird ihr Sohn Joseph II. "Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sein. Österreich wird erst 1804 unter Franz II, Kaisertum. 

    Der Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter ist sehr innig. Maria Theresia, die ihre Kinder in eher bescheidenem Luxus aufgezogen hat, gibt Marie Antoinette immer wieder gute Ratschläge und erteilt Benimmregeln. Doch wie es sich für Kinder gehört, werden die nicht oder nur wenig befolgt.

    „..Meine teure Tochter, ich beschwöre Sie damit aufzuhören; das zieht nicht nur schlechte Gesellschaft an und verursacht übles Gerede.“ S.222

    Die überbordende Verschwendungssucht, die Intrigen und die Leichtfertigkeit am französischen Hof überfordern die junge Österreicherin. Leider hat sich Marie Antoinette wenig für Bildung und andere Menschen interessiert. Sie ist unter anderem auch deshalb recht schnell im Gespinst der Hofintrigen gefangen. Allerdings muss man bedenken, dass die Vierzehnjährige aus dem geschützten Bereich des Wiener Hofes ohne eine einzige Vertraute nach Paris verheiratet wird. Der Kulturschock muss gewaltig gewesen sein.

    Doch auch in Frankreich ist nicht alles Gold was glänzt.
    Missernten, Misswirtschaft und Verschwendungssucht bluten das Land aus und wird dann 1789 in die Katastrophe führen.

    Interessant sind die Informationen, die Mutter und Tochter über die politische Weltlage austauschen. So ist in einigen Briefen über den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg von England zu lesen, der Frankreich dazu zwingt England gegenüber Stellung zu beziehen. Auch die Spannungen zwischen Österreich und Preußen, dem ewigen Erzfeind, kommen zur Sprache.

    Maria Theresia hat natürlich Spione und Zuträger, unter anderem Graf von Mercy-Argentau, am Französischen Hof und ist deshalb über jeden, der oft unbedachten Schritte ihrer Tochter informiert.

    Ständig ermahnt sie Marie Antoinette doch endlich den wichtigen männlichen Thronfolger zu gebären. Eingedenk ihres eigenen Schicksals verständlich. Die Ironie des Schicksals lässt den ersehnten Dauphin erst 1781 also nach dem Tod Maria Theresias zur Welt kommen. Die 1778 geborene Marie Thérèse Charlotte, Madame Royale, zählt nicht wirklich.

    Anhand des Briefwechsels ist die Wandlung der jungen Erzherzogin von Österreich zur Königin von Frankreich zu verfolgen. Ihre wahre Größe wird Marie Antoinette erst als Bürgerin Capet erreichen, als sie 1793 ihren Kopf unter die Guillotine legen wird. Das müssen weder Maria Theresia noch Antoinettes Bruder, Joseph II (1741-1790), erleben.

    Meine Meinung:

    Der Autor bringt seinen Lesern eine ungeheure Fülle von Zahlen, Daten Fakten zur Kenntnis. Viele hunderte Fußnoten ergänzen dieses Buch ebenso wie die abgedruckten Faksimiles einzelner Originalbriefe. Die Briefe sind in teilweise fehlerhaftem Französisch geschrieben.

    Der intime Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter gibt einen wunderbaren Einblick in die Geschichte zweier unterschiedlicher Herrschaftshäuser: Dem doch eher pragmatischen Wiener Hof, mit seinem „Spanischen Hofzeremoniell“ und dem leichtlebigen, eher weltoffenen Französischen Königshaus.

    Die ständigen Ratschläge der Mutter treffen natürlich auf den Widerspruchsgeist der Tochter. Maria Theresia versucht so gut es geht, die Tochter im fernen Paris anzuleiten. Vergebens sind die Bemühungen, Frankreichs Königin vor falschen Freunden zu warnen. Dies wird dann in der sogenannten „Halsband-Affäre“ ihren Höhepunkt und die Beliebtheit der Königin ihren Tiefpunkt erreichen.

    Die Briefe sind penibel übersetzt, die historischen Details gut recherchiert. Schön sind die Bemühungen Maria Theresias dargestellt, das fragile Gleichgewicht zwischen den Europäischen Großmächten Frankreich und Österreich zu behalten.

    Dem französischen Schreibstil entsprechend sind die Übersetzungen der Briefe ähnlich blumig. Das passt aber perfekt zur damaligen Zeit.

    Gut gefällt mir auch das Cover. Es ist eine geschickte Collage zweier Bilder. Nämlich das von Élisabeth-Louise Vigée-Lebrun, Versailles (Marie Antoinette), und das Maria Theresias von Joseph Hickel, Wien.

    Ergänzt wird das Buch durch Fotos zweier Gemälde: Maria Theresia (Joseph Decreux, 1769) und Marie Antoinette (von einem unbekannten Meister, 1771)

    Zu Beginn erläutert der Herausgeber den „Geheimen Briefwechsel“. Viele Fußnoten, Kommentare und eine genealogische Übersicht helfen den Lesern diesem detaillierten Briefwechsel zu folgen. Ein Literaturverzeichnis rundet dieses interessante Buch ab.

    Die Originalbriefe (rund 170 davon sind erhalten) werden im Österreichischen Staatsarchiv aufbewahrt.

    Fazit:

    Wer sich nicht scheut, tief in die Familiengeschichte des Hauses Habsburg-Lothringen bzw. Bourbon einzusteigen, erhält ein facettenreiches Abbild des 18. Jahrhunderts. Ich gebe gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
  9. Cover des Buches Die häßliche Herzogin (ISBN: 9783746656274)
    Lion Feuchtwanger

    Die häßliche Herzogin

     (36)
    Aktuelle Rezension von: taciturus
    Mit gierigen Blicken werfen die drei großen Fürsten ihrer Zeit – Albrecht von Habsburg, Ludwig von Wittelsbach und Johann von Luxemburg – ihre Augen auf das Herzogtum Tirol. Der dortige Fürst ist in die Jahre gekommen und hat nur einen legitimen Nachfolger, seine Tochter Margarete. Margarete, ein Kind von überdurchschnittlicher Intelligenz, bewandert in Politik, doch kein schöner Anblick für das Aug. In späteren Jahren wird sie den Beinamen „Maultasche“ tragen, nachdem ein Kind bei einem öffentlichen Auftritt Margeretes diesen Aufschrei getan haben wird. Es beginnt ein Poker um Tirol, eine Mischung aus Heiratsvermittlung, Intrige und Kampf in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Lion Feuchtwanger schreibt dabei mit einer anspruchsvollen Sprache. Zwar eher kurze Sätze, manchmal auch nur Fragmente, gelingt es ihm eine besondere Atmosphäre zu schaffen und den Lesern Zugang zu seinen Figuren zu ermöglichen. Oft liegen viele Feinheiten in kleinen Details, die man leicht überlesen könnte, wenn man zwischenzeitlich kurz die Aufmerksamkeit etwas schweifen lässt. Gerade viele wichtige Ereignisse, werden so behutsam aufgebaut und nicht reißerisch aufgearbeitet. Dabei schildert uns der Autor nicht Länge mal Breite die Gedanken, Emotionen und Motive seiner Charaktere, sondern lässt diese durch ihre Handlungen, ihre Aktionen und Reaktionen, lebendig werden und überlässt somit einem großen Teil der Interpretation den Lesern. Gerade dadurch entstehen oft sehr aussagekräftige Szenen, die den Leser packen und in denen oft mehr mitschwingt als nur die bloßen geschilderten Handlungen. In denen oft ein Lebensgefühl einer fremden Zeit spürbar wird und Geschichte erlebbar. Für mich war dies das erste Buch von Lion Feuchtwanger und ich bin sehr froh es gelesen zu haben. Hier findet man alles was man sich von einem guten historischen Roman erwartet. Eine spannende Geschichte in der Geschichte, die möglichst nahe an der erforschten Wirklichkeit liegt. Lebendige Figuren und zugleich zeitlose Fragen, wie die Frage nach dem Wert der optischen Schönheit. Ich bin restlos begeistert.
  10. Cover des Buches Der Wintersoldat (ISBN: 9783406739613)
    Daniel Mason

    Der Wintersoldat

     (89)
    Aktuelle Rezension von: Erwin-Reader

    Lucius Krzelewsky, Student der Medizin aus begütertem Hause im Wien der bereits dahinschwindenden K+K Monarchie. Er ist ein unbeholfener Protagonist, der jedoch unglaublich gut beobachtet. Was so unscheinbar beginnt, ist nichts weniger, als ein Meisterwerk in vielerlei Hinsicht. 

    Es geht um das Verhältnis eines jungen Mannes zu seiner Mutter. Es geht um seinen Reifeprozess - beschleunigt durch den Krieg. Es geht um seine erste Liebe - dabei muss er erst herausfinden, was das ist. Es geht um den Krieg und was er aus den Menschen macht, die ihn durchleben müssen - zu Hause und an der Front. Und es geht um Schuld und Sühne - wie erträgt man es, wenn man falsche Entscheidungen getroffen hat? Manche Entscheidungen prägen unser ganzes Leben.

    Es ist eines der wenigen Bücher, die mich völlig aufgewühlt und in Bann geschlagen haben. Die Szenen im Lazarett und seine unfreiwilligen Fronterfahrungen sind so bildgewaltig und lebendig, dass man sie kaum erträgt. Trotzdem absolut lesenswert!

  11. Cover des Buches Rosie und der Urgroßvater (ISBN: 9783423625562)
    Monika Helfer

    Rosie und der Urgroßvater

     (4)
    Aktuelle Rezension von: mysticcat
    Ich war noch niemals in New York (außer am Flughafen) und nach Hohenemms komme ich auch erst in in paar Wochen zum ersten Mal, wenn ich mir "s'Ländle" anschaue, wie Vorarlberg im eigenen Dialekt genannt wird.

    In meiner Schulzeit musste ich "Spielplatz der Helden" von Michael Köhlmeier lesen, was mich vor weiteren Bücher von ihm abgeschreckt hat - ganz zu unrecht, wie ich jetzt meine, denn dieses Buch hat mir im Gegensatz um langatmigen Expeditionsbuch sehr gut gefallen und mich kurzweilig unterhalten.

    Rosie lebt mir ihrer Großmutter und Mutter in New York, wo sie einmal wöchentlich ihren über 90-jährigen Uropa besucht, der ihr jedes Mal eine Geschichte aus längst vergangenen Tagen aus dem fernen Hohenemms erzählt. Da es sich um eine jüdische Familie handelt, die in den früheren Generationen viel in der Region erlebt hat und deren Familengeschichte dort im Zeit des Nationalsozialisms endet, haben mich die Geschichten fasziniert, ebenso der Umgang von Rosie mit ihrem gehbehinderten Urgroßvater.

    Fazit: Lesenswert für alle Altersklassen.
  12. Cover des Buches Der geheime Grossvater (ISBN: 9783895921971)
    Christine Nöstlinger

    Der geheime Grossvater

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Holden
    Die Autorin schildert in ihrem Erinnerungsbuch ihre enges Verhältnis zu ihrem Großvater während der Kindheit, wobei alles vor dem Hintergrund von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg spielt, Für ein Kinderbuch enthält das Buch erstaunlich viele Passagen über die Naziverbrechen und die Entbehrungen des Krieges. Von mir gibts 3-4 Sterne.
  13. Cover des Buches Die Habsburger in Lebensbildern (ISBN: 9783492247535)
  14. Cover des Buches The Third Man (ISBN: 9788742974513)
    Graham Greene

    The Third Man

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Holden
    Die gekürzte und vereinfachte Fassung des legendären Nachkriegsthrillers, für mittlere Englischschüler empfehlenswert, macht Lust auf mehr in Form der deutschen umfangreicheren Übersetzung und des Films, ich hab schon wieder die Zithermusik im Ohr! Anton Karas rocks!
  15. Cover des Buches Habsburg (ISBN: 9783406706530)
    Pieter M. Judson

    Habsburg

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Andreas_Oberender

    Wenn ein Staat zerfällt und untergeht, dann ist die Versuchung groß, die Geschichte dieses Staates von seinem Ende her zu deuten. Noch größer ist die Versuchung, im Scheitern den Beweis dafür zu sehen, dass der betreffende Staat auf lange Sicht gar nicht überlebensfähig gewesen sei und "zwangsläufig" habe untergehen müssen. Kaum ein anderer Staat der europäischen Geschichte ist so sehr mit dem Stigma des "unausweichlichen" Scheiterns behaftet wie jenes Gebilde in Ostmitteleuropa, das wahlweise als Habsburgerreich, als Donaumonarchie oder – bezogen auf die Zeit von 1867 bis 1918 – als Österreich-Ungarn bezeichnet wird. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte weithin Einigkeit: Die Habsburgermonarchie war untergegangen, weil sie als Vielvölkerreich im Zeitalter des Nationalstaats "historisch überholt" war, ein Anachronismus, ein Relikt aus vormodernen Zeiten. Die These vom "unvermeidlichen" Untergang des Habsburgerreiches war umso plausibler, als zeitgleich mit Österreich-Ungarn auch zwei andere Vielvölkerreiche zerfielen, das zarische Russland und das Osmanische Reich. Unerbittlich, so schien es, hatte die Geschichte ihr Urteil gefällt: Multiethnische Reiche besaßen keinen Platz mehr in der modernen Welt. Der Nationalstaat mit einer ethnisch möglichst homogenen Bevölkerung galt nach dem Ersten Weltkrieg endgültig als optimale, wenn nicht gar als einzig "zulässige" Staatsform für die Völker Europas.

    Der amerikanische Historiker Pieter Judson wendet sich mit seinem Buch gegen die langlebige Tradition, das Habsburgerreich zu pathologisieren und zum Inbegriff politisch-wirtschaftlicher Rückständigkeit zu stilisieren. Zwar endet auch Judsons Buch mit dem Zerfall der Habsburgermonarchie im Herbst 1918, aber dieser Zerfall erscheint nicht als längst überfälliger Endpunkt eines jahrzehntelangen Siechtums. Als der Weltkrieg im Sommer 1914 ausbrach, steckte Österreich-Ungarn nicht in einer existenzgefährdenden Krise, wie Judson betont. Erst die Belastungen des Krieges erschütterten das Reich so sehr, dass es sich Ende 1918 binnen weniger Wochen auflöste. Nicht der Untergang der Monarchie steht bei Judson im Vordergrund, sondern die Frage, wie sich das multiethnische Reich der Habsburger im 18. und 19. Jahrhunderte entwickelte und warum es so lange erfolgreich "funktionierte". Drei große Themenkomplexe beherrschen das Buch: Die Entwicklung des Staates und seiner Institutionen (Verfassungsordnung, Verwaltung), das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft und schließlich die Nationalitätenproblematik. Judson spannt einen Bogen von den Reformen Maria Theresias Mitte des 18. Jahrhunderts bis hin zur Gründung der ostmitteleuropäischen Nachfolgestaaten, die aus dem Habsburgerreich hervorgingen. Judson begleitet den habsburgischen Länderkomplex auf seinem Weg vom absolutistisch regierten Fürstenstaat der Vormoderne zum modernen Verfassungsstaat des Industriezeitalters. Er zeichnet die Entwicklung von der Stände- und Untertanengesellschaft zur Klassen- und Bürgergesellschaft nach, und er analysiert, welche Wirkungen Nationalismus und Nationalbewegungen im Habsburgerreich entfalteten.

    Wer das Buch zur Hand nimmt, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass es kein zum Schmökern gedachtes "Lesebuch" ist. Der weitgespannte chronologische Rahmen und Judsons Bemühen, allen Regionen und Völkern des Habsburgerreiches gleichermaßen gerecht zu werden, machen das Buch zu einer anspruchsvollen Lektüre. Neben Judsons eigenen Vorarbeiten ist auch die umfangreiche internationale Forschung zur Geschichte des Habsburgerreiches in die Darstellung eingeflossen. Das Buch ist eher analysierend als erzählend angelegt. Informationen zur Ereignisgeschichte sind auf ein Minimum beschränkt. Einen anekdotenreichen und kurzweiligen Spaziergang durch anderthalb Jahrhunderte habsburgischer Geschichte darf der Leser nicht erwarten. Judson stellt das Reich bzw. Imperium in den Mittelpunkt der Darstellung. Der habsburgische Länderkomplex war von alters her eine sogenannte Kompositmonarchie, ein Konglomerat von Territorien, das bis Mitte des 18. Jahrhundert allein von der Dynastie zusammengehalten wurde. Maria Theresia und ihr Sohn, Joseph II., nahmen das große Werk der bürokratischen Zentralisierung und Vereinheitlichung in Angriff, das mehrere Generationen von Herrschern, Ministern und Beamten beschäftigen sollte. Verwaltung, Justiz und Bildungswesen dienten als Instrumente für eine stärkere Integration des Vielvölkerreiches. Wie Judson immer wieder hervorhebt, strebten die Habsburger nie danach, die Nationalitäten der Monarchie zu einem sprachlich und kulturell homogenen Volk zu verschmelzen. Sie begnügten sich mit der administrativen Vereinheitlichung ihrer Länder, während das Recht der einzelnen Völker auf Pflege ihrer Sprachen und Kulturen unangetastet blieb. Ein unparteiischer Verwaltungsapparat, Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz (Allgemeines Gesetzbuch von 1811) sowie das Bekenntnis zur "Einheit in Vielfalt" waren die Grundlagen, auf denen das Reich bis zuletzt ruhte.

    Erschütterungen wie die napoleonischen Kriege und die Revolution von 1848 überstand das Habsburgerreich unbeschadet. Judson verweist immer wieder auf die Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit des Reiches, auf die Flexibilität und Reformbereitschaft der einzelnen Herrscher und ihrer Regierungen. Die Suche nach konstruktiven Lösungen für neue Probleme und Herausforderungen hörte niemals auf, mochte die Komplexität der Verhältnisse im Vielvölkerreich auch bisweilen entmutigend wirken. Selbst die Ära Metternich war keine Zeit bleierner Stagnation wie traditionell behauptet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lösten das Parlament, tatkräftige Kommunalverwaltungen und zivilgesellschaftliche Kräfte die Krone als Impulsgeber für die Weiterentwicklung und Modernisierung der Monarchie ab. Viele Leser dürfte es überraschen, dass Judson die Bedeutung des Nationalismus eher gering einschätzt. Aus Judsons Sicht war es nicht die Nationalitätenproblematik, die dem Reich zum Verhängnis wurde. Die Frage, wer die Träger des Nationalismus waren und welche Wirkung der Nationalismus im politischen Tagesgeschäft und im Alltagsleben entfaltete, nimmt in der zweiten Hälfte des Buches breiten Raum ein. Die Beziehungen zwischen dem tonangebenden "Staatsvolk" der Deutschösterreicher auf der einen und den Ungarn sowie Slawen auf der andere Seite waren nicht spannungsfrei. Während der langen, scheinbar endlosen Herrschaft Kaiser Franz Josephs kam es jedoch nie zu Konflikten, die das Reich hätten sprengen können. Im Gegenteil: Wie Judson an vielen Beispielen zeigt, wurde das Imperium im ausgehenden 19. Jahrhundert über ethnische und nationale Trennlinien hinweg nicht etwa als Völkergefängnis wahrgenommen, sondern als "Beschützer" der in seinen Grenzen lebenden Völker. Peripheren Regionen wie Galizien und Bosnien-Herzegowina bot die Zugehörigkeit zur Donaumonarchie die Chance auf Teilhabe an der europäischen Moderne. Der übernationale Habsburgerstaat galt als Garant für Frieden und Stabilität, zivilisatorischen Fortschritt und wirtschaftliche Prosperität. Als er Ende 1918 die Ansprüche und Erwartungen der Nationalitäten nicht mehr erfüllen konnte, brach er zusammen. Die Loyalität der vielen Volksgruppen gegenüber dem Reich, lange Zeit der wichtigste Aktivposten der Habsburger, hatte sich in den vier zermürbenden Kriegsjahren verbraucht.

    Pieter Judson stellt viele liebgewonnene Vorurteile und Klischees über die Habsburgermonarchie in Frage. Er hebt die positiven Leistungen und Errungenschaften des Reiches hervor, die Fähigkeit zur Integration vieler Völker, Kulturen und Religionen. Gleichzeitig schließt sich Judson einem Forschungstrend an, der die Brisanz des Nationalismus in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg geringer einschätzt, als es lange Zeit der Fall war. Auch in Österreich-Ungarn war der Nationalismus im Wesentlichen eine Herzensangelegenheit von Berufspolitikern und Intellektuellen. Große Teile der Bevölkerung, vor allem die Bauern, waren für nationale Leidenschaften unempfänglich. So wichtig es auch ist, die vermeintlich zentrale, alles beherrschende Stellung des Nationalismus im Europa des 19. Jahrhunderts zu hinterfragen, so drängt sich doch bisweilen der Eindruck auf, dass Judson mit seiner Verharmlosung des Nationalismus zu weit geht. Es ist irritierend, dass Judson die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und den Balkanstaaten am Vorabend des Ersten Weltkrieges gänzlich ausblendet. Ausgehend von ihren neugegründeten Nationalstaaten strebten die Serben und Rumänen nach der "Befreiung" ihrer auf habsburgischem Boden lebenden Landsleute. Damit stellten sie die territoriale Integrität des Habsburgerreiches in Frage. Judson konzentriert sich zu sehr auf die Binnenverhältnisse in der Donaumonarchie. Es hätte nicht geschadet, wenn er das Reich stärker in europäischen Zusammenhängen verortet hätte. Der interne Nationalismus mag für das Reich weniger bedrohlich gewesen sein, als lange angenommen; der externe Nationalismus der Balkanstaaten jedoch war im Juli 1914 der Grund für den Entschluss der Wiener Regierung zum Krieg. Österreich-Ungarn war eine "bedrängte Großmacht" (Konrad Canis). Dieser äußeren Bedrängnis und ihrer destabilisierenden Wirkung auf die inneren Verhältnisse der Monarchie trägt Judson nicht genug Rechnung.

    Das Buch bewegt sich auf einem relativ hohen Reflexionsniveau. Es eignet sich nicht als Gelegenheitslektüre und auch nicht für eine erste Annäherung an die Geschichte des Habsburgerreiches im 18. und 19. Jahrhundert. Fast einhundert Jahre sind seit dem Zerfall des Habsburgerreiches vergangen. Pieter Judson bietet mit seinem Buch einen Anstoß für die wohlwollende Neubetrachtung eines Vielvölkerstaates, der Ostmitteleuropa über Jahrhunderte geformt und geprägt hat. 

    (Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im April 2017 bei Amazon gepostet)

  16. Cover des Buches Österreich (ISBN: 9783406592133)
    Helmut Schmidt

    Österreich

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Lucia
    Umfassender Überblick zur Geschichte Österreichs vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Sehr spannend erzählt. Absolut empfehlenswert!
  17. Cover des Buches Otto von Habsburg (ISBN: 9783850028028)
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