Bücher mit dem Tag "ostanatolien"
7 Bücher
- Orhan Pamuk
Schnee
(160)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderHerr Pamuk hat zu recht den Literatur-Nobel-Preis bekommen. Er scheint mit klarer, aber sehr ausdrucksstarker Sprache und entfalltet Geschichten die einen nicht mehr los lassen. In Schnee geht es um einen Journalist der in die Türkei geschickt wird, um über eine außergewöhnliche Mordserie zu berichten. Junge Mädchen werden gezwungen ihre Kopftücher abzulegen und bringen sich dann aus scham selbst um. Spannend, sehr tiefgreifend und nah am Leben.
- Feridun Zaimoglu
Leyla
(51)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderTief in den Bergen, in einem kleinen Bergdorf treffen wir auf Leyla. Das Buch spielt in der alten Türkei und Traditionen und Lebensregeln sind noch viel strenger als heute. Leyla ist eine lebenslustige junge Frau und sie interessiert sich für alles und Bildung ist für sie sehr wichtig. Sehr zum Leidwesen der MÄnner in ihrer Familie, denn es gehört sich einfach nicht für eine junge Frau so viel zu lernen und zu studieren. Ganz langsam versucht sie alte Barrieren aufzuweichen und ihren eigenen Weg zu gehen. Ein ganz tolles Buch.
- Elif Shafak
Unerhörte Stimmen
(92)Aktuelle Rezension von: Minijane„ Vieles in diesem Buch ist wahr und alles erfunden.“
Dieser Satz aus den Anmerkungen am Ende des Buches trifft absolut zu. Elif Shafak hat eine sehr skurrile Geschichte geschrieben, in der unterschwellig ganz viel Gesellschaftskritik steckt.
Es ist ein Buch über Menschen, die nicht hineinpassen in die Gesellschaft und Freunde, die die Ursprungsfamilie ersetzen, die „Wasserfamilie“ die verlässlicher und liebevoller ist als die „Blutfamilie“.
Leila ist eine Prostituierte, die gleich auf der ersten Seite ermordet wird.
In den letzten Minuten, in denen ihr Herz schon aufgehört hat zu schlagen und das Gehirn noch funktioniert, kommen die Erinnerungen an ihr Leben zurück, an ihre Kindheit im Dorf, an den Vater und seinen 2 Frauen, die Frau, die sie Tante nannte, obwohl sie ihre Mutter war, ihre Flucht in den Moloch der Großstadt Istanbul.
Schnell ist sie in Istanbul in der Straße der Bordelle gelandet, denn verstoßen von der Familie, musste sie irgendwie überleben. Leila ist eine starke Frau und am Ende hat sie fünf Freunde, die ehrlich um sie trauern.
Auch deren Geschichte erfahren wir in diesem Roman. Es sind wie Leila Außenseiter der Gesellschaft aber gemeinsam können sie sich vor dem Hass und den Beleidigungen im Alltag schützen.
Elif Shafak zeichnet in ihrem Buch ein Bild der Türkei von heute mit Traditionen und Aberglauben von gestern. Es war teilweise etwas abgedreht aber eine durchaus interessante Lektüre.
- Kirsten Heisig
Das Ende der Geduld
(83)Aktuelle Rezension von: HoldenJugendrichterin Heisigs Aufklärungsbuch über Jugendgewalt. Erfreulicherweise wird nicht so getan, als sei die Gewalt vom Himmel gefallen oder bestimmten Bevölkerungsgruppen immanent. Unter den äußerst negativen Lebensbedingungen, unter denen manche der Kinder aufwachsen mußten, wäre es schwer gewesen, die "Kurve zu kriegen". Daß Heisig schreibt, daß bei Heranwachsenden häufig Erwachsenenstrafrecht angewandt werde, kann ich so nicht stehen lassen. Meinem Kenntnisstand wird nur bei Trunkenheitsfahrten das allgemeine Strafrecht angewendet, weil Trunkenheitsfahrten in jedem Alter vorkämen, ansonsten wird immer Jugendstrafrecht angewandt. Im übrigen erstaunlich, in was für Bereichen sich ein Jugendrichter auskennen muß, abseits der reinen Paragraphenarbeit in StGB und JGG. Und manche der Themen, die Heisig nur kurz anreißt, sind inzwischen in den Mittelpunkt der Diskussion getreten, zB Cybermobbing, Social Media und die sog. "Ehrenmorde".
- Charif Majdalani
Das Haus in den Orangengärten
(7)Aktuelle Rezension von: BuecherschmausEs ist die "Geschichte des großen Hauses", die hier erzählt. Des Hauses nämlich, das sich Wakim Nassar, ein junger Beiruter, der die Stadt aufgrund undurchsichtiger Händel verlassen muss, Ende des 19. Jarhunderts an den umliegenden Hängen mit allem Pomp bauen lässt, nachdem er mit der Pflanzung von Orangenbäumen zu Reichtum gekommen ist. Seine Neuzüchtung, die "Clementine" werden zu einer begehrten Delikatesse. Wakim heiratet die schöne Helene, gründet eine große Familie, der auch sein Bruder und ein Cousin angehören und führt damit den Nassar-Clan, der durch den frühen Tod seines Vaters und durch Familienintrigen gefährdet war, fort. Es ist eine Zeit des Aufstiegs. Der Libanon ist als unabhängige osmanische Provinz ein frankophiles, prosperierendes Land. Doch seine Tage sind gezählt. Der Erste Weltkrieg machte der Unabhängigkeit ein Ende. Die christliche, westlich orientierte Familie Nassar wird ins kurdische Exil verbannt, der Libanon Schauplatz der Kämpfe zwischen Alliierten Westmächten und dem auf deutscher Seite kämpfenden osmanischen Reich. Doch der eigentliche Abstieg der Familie beginnt erst danach. Machtkämpfe innerhalb der Familie, der Tod Wakims und schließlich die Weltwirtschaftskrise besiegeln den Niedergang, die Kinder werden in alle Teile der Welt zerstreut, das Haus zerfällt. Wir wissen vom Erzähler dieser Familienchronik, das es Jahrzehnte später von dessen zu Vermögen gekommenen Vater wieder aufgebaut wird. Dieser Erzähler ist es, der die wohlbekannte Geschichte von Aufstieg und Niedergang einer Familie anhand eines Hauses besonders macht. Niemals verschwindert er ganz, lässt uns völlig eintauchen, sondern bleibt immer präsent, gibt kund von seinen Zweifeln an manchen der überlieferten Geschichten, erfindet hinzu, mutmaßt. Das macht aus dem Roman mehr als nur eine gut erzählte Familiengeschichte mit dem interessanten Hintergrund des Libanon von ca. 1860 bis 1930. Es ist eine melancholische, sinnliche, dabei aber nie orientalisch ausufernde Suche nach den eigenen Wurzeln, nach der verlorenen Zeit, nach dem spätestens durch den Libanonkrieg unrettbar verlorenen Gestern. - Zülfü Livaneli
Glückseligkeit
(13)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerMeryem war bisher nicht wirklich vom Glück verfolgt: Sie kennt nur ihr ostanatolisches Dorf, ihre lieblose Familie und den begrenzten Horizont der Dorfbewohner. Nach der Vergewaltigung durch ihren ach-so-gläubigen Onkel wird sie in den Keller gesperrt, wo jeder darauf wartet, dass sie sich umbringt – vollkommen klar, schließlich hat sie die Ehre ihrer Familie beschmutzt. Aber Meryem bringt sich nicht um – sie hofft darauf, nach Istanbul gebracht zu werden, so, wie man es schon mit anderen Mädchen aus dem Dorf gemacht hat. Was sie nicht weiß: Die Mädchen werden zwar nach Istanbul gebracht, kommen von dort aber nicht wieder – sie werden in der Anonymität der Großstadt von ihren Cousins oder Brüdern umgebracht. Ihr Cousin Cemal wird ausgesucht, Meryem zu beseitigen. Cemal hat gerade den Militärdienst in den Bergen beendet, wo er gegen die Kurden gekämpft hat. Eher widerwillig macht er sich also mit Meryem auf nach Istanbul, denn eigentlich will er diese Pflicht nur schnell hinter sich bringen, um dann zurückzukehren und seine Jugendliebe Emine zu heiraten. Parallel dazu wird Irfan in die Geschichte eingeführt: Der Professor aus Istanbul hat alles, was man sich nur wünschen kann: Er verkehrt in den besten akademischen, einflussreichen und wohlhabenden Kreisen, hat eine schöne Frau und ist durch seine TV-Auftritte bekannt und meistens beliebt. Er bräuchte sich also keine Gedanken über sein weiteres Leben machen – doch er tut genau das: Die klassischen Midlife-Crisis bringen ihn dazu, seine Frau zu verlassen, seine Zelte in Istanbul abzubrechen und sich fortan nur noch durchs Leben treiben zu lassen. Er mietet sich ein Segelboot, um durch die Ägäis zu schippern, an einem Buch zu schreiben und sonst einfach in den Tag hineinzuleben. Die Wege von Irfan, Meryem und Cemal sollen sich im Laufe der Geschichte noch kreuzen, aber alles möchte ich hier nicht erzählen. Viel eher solltet ihr dieses tolle Buch selbst lesen. Ich kann gar nicht so richtig sagen, was mir so gut daran gefallen hat, aber irgendwie war alles stimmig: Jeder der drei Hauptcharaktere bekommt einen nahezu gleich großen Anteil an der Geschichte, die jeweiligen Vorgeschichten, Charaktereigenschaften und Beweggründe sind gut ausgearbeitet. Ob man sich nun mit den Handelnden identifizieren kann, ist sicherlich das eine, aber man kann immer verstehen, wieso diese so handeln, wie sie handeln. Letztlich geht es um die Zwänge, in denen jeder von uns steckt: Nicht nur traditionelle Gemeinschaften üben diese Zwänge auf Individuen aus, auch unsere vermeintlich individualistische Gesellschaft ist nicht frei davon.