Bücher mit dem Tag "ostasiatische literatur"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "ostasiatische literatur" gekennzeichnet haben.

95 Bücher

  1. Cover des Buches 1Q84 (Buch 1, 2) (ISBN: 9783442743629)
    Haruki Murakami

    1Q84 (Buch 1, 2)

     (745)
    Aktuelle Rezension von: Anthyora

    Die Geschichte der beiden Charaktere hat mir sehr gut gefallen. Die Beschreibung der Charaktere und deren Umgebung sind so detailliert, dass man die Szenerie klar vor Augen hat. Die Geschichte war für mich ein Ansatz über einiges nachzudenken. Zudem kommen auch noch die Background Geschichten und doch kommt mir das Buch nicht unnötig vollgepackt vor. Die wichtigsten Details sind eben vorhanden und perfekt Sinn zu machen. Ich mag auch den Schreibstil sehr, weil es mich sehr schnell gefesselt hat.

  2. Cover des Buches Kafka am Strand (ISBN: 9783832185930)
    Haruki Murakami

    Kafka am Strand

     (1.095)
    Aktuelle Rezension von: herr_hygge

    „Kafka am Strand“ war mein zweiter Murakami und so ganz anders als das, was ich mir darunter vorgestellt habe.

    Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise in eine Geschichte die skurril, spannend, im positiven Sinn realitätsfern und mit den unterschiedlichsten Charakteren gepflastert ist.
    Wir begleiten den 15jährigen Kafka Tamura, der von zu Hause und seinem lieblosen Vater ausreißt. In einer fremden Stadt findet er Zuflucht in einer Bibliothek und verliebt sich in die um einige Jahre ältere Leiterin Saeki-san. Gleichzeitig begibt sich Nakata, ein älterer, geistig etwas minderbemittelter Herr, der mit Katzen sprechen kann, auf Spurensuche und findet Hinweise die in einen andere Welt weisen. Vieles erscheint wie in einem Traum und es stellt sich die Frage wo endet die Reise der beiden, die voll ist von rätselhaften Begegnungen.

    Ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht, wie ich dieses Buch finde. 🤔 Auf jeden Fall hat es mich außerordentlich gut unterhalten, mich gleichzeitig auch gefordert und gerade Kapitel 16 hat meinem Nervenkostüm einiges abverlangt.

    Ich glaube diese vielschichtige Geschichte ist nicht für jeden etwas. Fans von japanischer Literatur können aber beherzt zugreifen.

  3. Cover des Buches Die Chroniken des Aufziehvogels (ISBN: 9783832181420)
    Haruki Murakami

    Die Chroniken des Aufziehvogels

     (600)
    Aktuelle Rezension von: R_D1

    Dem Protagonisten, Toru, passieren seltsame Begegnisse. Seine Welt beginnt sich zu ändern, gerät aus den Fugen. Es ist nicht nur die Geschichte Torus, einem arbeitslosen Mann aus Tokio. Es ist auch die Geschichte Japans, die Geschichte eines Krieges, die mit Toru mehr zu tun hat, als er glaubt.

    Der Stil ist typisch für Haruki Murakami: nüchtern, detailliert und surreal hat er eine Trilogie über einen eher passiven Mann geschrieben, der sich lieber mit seiner Umgebung befasst als sein Innenleben.

    Mysteriöse Begegnungen und Metaphern tragen sich zu: Es geht um einen Vogel, der jeden Morgen die Welt aufzieht, um eine Hinterhofgasse, um einen Brunnen auf einem verlassenen Grundstück als Portal ins ein Unterbewusste.. und um ein freches Mädchen aus der Nachbarschaft. (übrigens meine Lieblingsfigur!)

    Ich habe damals "Mister Aufziehvogel" gelesen und inzwischen auch "Die Chroniken des Aufziehvogels", die Übersetzung direkt(!) aus dem Japanischen, gelesen und gehört - und bin hellauf begeistert! DAS ist für mich Surrealismus!


    Empfehlenswert für Haruki-Murakami-Fans und FreundInnen des Surrealen und Metaphorischen. 

  4. Cover des Buches Naokos Lächeln (ISBN: 9783442744947)
    Haruki Murakami

    Naokos Lächeln

     (951)
    Aktuelle Rezension von: R_D1

    Naokos Lächeln ist ein Pageturner und ein Lieblingsbuch von mir!

    Der Roman bietet eine Coming-of-Age-Geschichte, Popkultur und das wilde Studentenleben. Es geht um die Liebe, den eigenen Körper und psychische Probleme. 

    Es handelt sich um eine realistisch gehaltene Geschichte, aber ein oder zwei surrealistische Metaphern gibt es dann doch.

    Ich empfehle es weiter, insb. Leserinnen und Lesern, die mit dem Surrealismus in Haruki Murakamis noch warm werden müssen. Naokos Lächeln bietet einen sanften Einstieg und gibt ein gutes Gefühl für seinen Stil. Lasst euch nicht über die Zuordnung zum Liebesroman hinwegtäuschen! ;-)

  5. Cover des Buches Alles, was wir geben mussten (ISBN: 9783896676962)
    Kazuo Ishiguro

    Alles, was wir geben mussten

     (602)
    Aktuelle Rezension von: Dajobama

    Alles, was wir geben mussten – Kazuo Ishiguro

    Wie ich gestehen muss, war dies mein erster Roman des Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro. Doch mit Sicherheit war es nicht mein letzter – denn ich bin schlichtweg begeistert.

    Kath blickt auf ihre Kindheit und Jugend im englischen Internat Hailsham zurück. Sie erinnert sich an ihre Freunde Ruth, Tommy und viele andere. Lehrer, Aufseher, typische Kinderspiele und -streiche tauchen vor ihrem inneren Auge auf. Umso älter die Kinder werden, desto deutlicher wird klar, dass an diesem abgelegenen Internat irgendetwas anders ist. All diese Kinder werden zu einem bestimmten Zweck herangezogen. Für sie alle ist der Weg bereits vorgezeichnet.

    Es ist spannend, wie Kath sagt, sie wussten es und sie wussten es doch wieder nicht. In winzigen Häppchen, praktisch unbemerkt, werden die Jugendlichen auf ihre Zukunft vorbereitet. Immer nur so wenig, so subtil, dass sie glauben, sie hätten es ohnehin gewusst. Der Roman ist ganz ähnlich aufgebaut. Kath erzählt in etwa chronologisch – der Leser ahnt zwar früh, worauf es hinausläuft, trotzdem erhält man, wie die Kinder, immer nur Häppchen.

    Obwohl Kath durchaus ausschweifend erzählen kann, schockiert immer wieder die Nüchternheit und Emotionslosigkeit, mit der sie über furchtbare Dinge spricht. Das ist grauenhaft, aber es ist auch authentisch, denn das ist ihr Leben und das ihrer Freunde. Sie sind damit aufgewachsen bzw. hineingewachsen – für sie ist es selbstverständlich. Dem Leser beschert Ishiguro damit aber immer wieder eine Gänsehaut.

    Mit seinem brisanten Thema hatte mich dieser beeindruckende Roman ab der ersten Seite und hat mich nicht mehr losgelassen. Ganz große, wenn auch bedrückende, Unterhaltung.

    5 Sterne

  6. Cover des Buches Wilde Schafsjagd (ISBN: B005QJS7C8)
    Haruki Murakami

    Wilde Schafsjagd

     (413)
    Aktuelle Rezension von: Syakka

    Die Geschichte liest sich locker weg. 

    Mir ist aber nicht klar, was mir der Künstler nun sagen wollte. Gefallen hat mir das Atmosphärische, man bekommt einen gewissen Eindruck vom alltäglichen Japan (der 70er). Aber die Schafsjagd war nicht wild, eher lahm, zu viele „Zufälle“, die die Suche weiterbringen, das Ende auch irgendwie dämlich...

    Also nein.... 

  7. Cover des Buches Sputnik Sweetheart (ISBN: 9783832161002)
    Haruki Murakami

    Sputnik Sweetheart

     (399)
    Aktuelle Rezension von: kristinaliest

    „Sputnik Sweetheart“ von Haruki Murakami handelt von einem jungen Lehrer, der in seine ehemalige Kommilitonin Sumire verliebt ist, mit der er die Liebe zum Lesen teilt.

    Sumire sieht ihren Freund aber leider nur als guten Freund und hat keinerlei romantischen Gefühle für ihn. Sie ist sehr Ichbezogen und egoistisch.

    Sumire verliebt sich unsterblich in die 17 Jahre ältere Miu, die eine erfolgreiche Geschäftsfrau ist und Sumire zu einer Reise nach Europa einlädt. Als sie schließlich auf einer griechischen Insel reisen, verschwindet Sumire und Miu kontaktiert den jungen Lehrer, damit er ihr bei der Suche nach Sumire helfen kann.

    Ich habe erstmal 50 Seiten gebraucht damit ich mich an den Schreibstil gewöhnt hatte, da aus der Sichtweise einer dritten Person erzählt wird. Mir hat besonders gut gefallen, dass man irgendwann von dem Ich-Erzähler etwas mehr erfährt. Es wurde dann auch spannender, aber das Ende hat mich leider richtig enttäuscht, da das Buch leider etwas ins Übersinnliche abgedriftet ist und für mich so leider total unrealistisch war und ich hinterher noch Fragen hatten, die leider mit dem Ende nicht beantwortet wurden. Die sommerliche Atmosphäre hat mir trotzdem sehr gut gefallen.

  8. Cover des Buches Südlich der Grenze, westlich der Sonne (ISBN: 9783442749447)
    Haruki Murakami

    Südlich der Grenze, westlich der Sonne

     (1.069)
    Aktuelle Rezension von: Zachanassian

    Der Roman erzählt von der Leidenschaft des Icherzählers für die Frauen, zu denen er zwischen dem 12. bis zum 37. Lebensjahr eine Beziehung eingegangen ist. Im Zentrum steht seine Kindheitsliebe Shimamoto, die er nach der Grundschule aus den Augen verlor und die nach 25 Jahren plötzlich wieder in sein Leben tritt und seine bürgerliche Existenz (als gut verdienender Unternehmer mit ihn liebender Frau und zwei Kindern) aus den Angeln hebt. 

    Die betont männliche Perspektive auf die (nach europäischen Maßstäben archaische) patriarchale Gesellschaft Japans ist sehr anschaulich gerschildert und (vermutlich vor allem für Männer) gut nachvollziehbar. Murakami erzählt sehr lebendig und spannend. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen (knapp 230 Seiten). Leider gehört das Buch für mich in die nicht seltene Gattung von Romanen, die großartig zu lesen und gute Unterhaltung sind, die am Ende aber Ernüchterung hervorrufen, weil man sich als Leser getäuscht fühlt. Der Roman erzählt scheinbar authentische Erlebnisse der Hauptperson. Erst ganz am Ende wird offenbar, dass dies nur Schein und reales Erleben mit Imaginiertem untrennbar verbunden ist.

  9. Cover des Buches Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah (ISBN: 9783832186050)
    Haruki Murakami

    Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah

     (329)
    Aktuelle Rezension von: Nackt_und_Gluecklich

    Mein Einstieg in die Welt von Murakami. Eine Empfehlung meines Bruders, von dem ich eigentlich nicht viel halte, weil er ein intellektueller Weltverbesserer ist, der einen Haufen Zeug nachquatscht und  … egal. Haruki Murakami berührt einen mit seinen Büchern oder er tut es eben nicht. Diejenigen, die er nicht berührt, finden ihn langweilig. Leute wie ich, die ihm nachfühlen können, lieben ihn. Nach zwei Seiten der Titelgeschichte weiß man, ob man ihn mag oder nicht.

  10. Cover des Buches Tanz mit dem Schafsmann (ISBN: B005QJS7QY)
    Haruki Murakami

    Tanz mit dem Schafsmann

     (290)
    Aktuelle Rezension von: Bibliomania
    Im zweiten Teil des Schafsmann-Reihe findet sich der Ich-Erzähler zu Hause wieder, hat sich aber verloren.
    Er träumt von Kiki. Sie ruft ihn und jemand weint um ihn. Nachdem Kiki spurlos verschwunden ist, macht sich
    der Erzähler nun doch auf den Weg sie zu suchen. Er fährt wieder in das Hotel Delfin, denn da begann auch damals
    alles. Nun freundet er sich mit einer Rezeptionistin an und erneuert den Kontakt zu einem alten Schulkameraden.
    Als er sich auch noch um ein 13-jähriges Mädchen kümmern soll, gerät alles aus den Fugen.
    Der erste Teil hat mir ein bisschen besser gefallen, da der surrealistische Anteil höher war, was ich besonders
    mag an Murakami. Dennoch wieder eine tolle Geschichte, die mich in Murakamis Welt geführt hat. Toll ausgearbeitete
    Figuren, ein Ich-Erzähler, der ganz typisch für Murakami mit dessen Vorlieben daherkommt. Ein sympathischer
    Charakter, mit dem man am liebsten selbst befreundet sein möchte.
    Besonders gut hat mir der Charakter von Yuki gefallen. Ein mysteriöses Mädchen, das der Geschichte einen
    zusätzlichen Glanz verliehen hat.
    Gott sei Dank habe ich noch ein paar Murakamis offen, ich liebe diesen Schriftsteller einfach!
  11. Cover des Buches Blinde Weide, schlafende Frau (ISBN: 9783832186012)
    Haruki Murakami

    Blinde Weide, schlafende Frau

     (125)
    Aktuelle Rezension von: The iron butterfly

    In "Blinde Weide, schlafende Frau" wurden 24 Kurzgeschichten aus verschiedenen Murakami-Epochen zusammengefasst. Die 24 Kurzgeschichten ähneln den 24 Stunden eines Tagesverlaufs mit unterschiedlichstem Lichteinfall und stimmungsschwankender Ausprägung, mal ruhig und melancholisch, dann wieder beunruhigend, alptraumartig. Aus manchen, wie z.B. Glühwürmchen wurden Romane, in diesem Fall "Naokos Lächeln".
    Für mich zeigt Murakami auch mit seinen Kurzgeschichten, wie gekonnt er unsere Abgründe zu beleuchten vermag. Wie ein Herrscher über Unterbewusstsein und Vorstellungskraft erzählt er surreale Traumbilder ohne seine Protagonisten zu entblößen. Verletzlichkeit ist bei ihm nie Schwäche, Einsamkeit nie anstössig. Ich mag sein Begehren, seine Sehnsüchte, die Tiefe der Gefühle, Gefühle, die verweilen ohne sich rechtfertigen zu wollen.

  12. Cover des Buches Afterdark (ISBN: 9783832186036)
    Haruki Murakami

    Afterdark

     (349)
    Aktuelle Rezension von: frischelandluft

    Wir schweben wie eine Kameradrohne von 23:56 bis 6:50 Uhr durch das nächtliche Tokio, denn „In der Nacht vergeht die Zeit auf ihre Weise“. Ich habe vier Jahre in Nashville gelebt und bin als Studentin dort hin und wieder um 1 oder 2 Uhr morgens im Supermarkt einkaufen gewesen. Es war nicht so voll wie am Tag, aber es waren erstaunlich viele Menschen unterwegs, viele Musiker, denn Nashville ist Musikstadt und Gigs finden eben meistens abends bzw. nachts statt. Ich habe mich immer gefragt, was die Geschichten dieser ‚Nachteulen‘ sind, wie unterscheiden sie sich von denen, die ihr Leben tagsüber verbringen, wie viele Menschen gibt es wirklich in einer Stadt, in der man nur immer einen Teil wahrnimmt, weil ein anderer Teil einen zeitlich völlig anderen Rhythmus hat. Ich wollte immer ein Buch darüber schreiben, jetzt habe ich es gelesen. Eine der Personen, die wir kennenlernen, ist auch Musiker, es ist die letzte Nacht, in der er Musiker ist. Eine andere ist eine junge Frau, bei der wir nicht sicher sind, warum sie unterwegs ist, einfach um nicht zuhause zu sein, weil sie die An-/Abwesenheit ihrer Schwester nicht mehr erträgt? Menschen begegnen sich zufällig oder absichtlich, tauchen an anderer Stelle wieder auf und sind am Ende alle irgendwie miteinander verbunden, obwohl die meisten nebeneinanderher leben. Es gibt sehr reale Existenzen, ein Liebeshotel, Frauen, die sich verkaufen, Verbrecher, die sie ausnutzen, Menschen, die dafür sorgen, dass alles funktioniert, Bartender, Hoteliers, Putzteams. Und es gibt eine Welt, bei der die Übergänge zwischen Realität und Irrealität verschwimmen, bei der Perspektiven mühelos wechseln und die Gesetze der Physik nicht mehr zutreffen. Wir sehen als Leser die Nacht wie in einem Film, mal zoomen wir uns ins Close-up, mal in die Totale, es erinnerte mich sehr an den Film „Night on Earth“ von Jim Jarmusch. Toll erzählt. Ich habe früher viele Nächte durchgemacht, jetzt schlafe ich lieber, aber es war schön, mal wieder eine Nacht wenigstens virtuell durchzumachen – und das ganz ohne den Hangover am nächsten Morgen.

  13. Cover des Buches Der Zorn der Wölfe (ISBN: 9783442473953)
    Jiang Rong

    Der Zorn der Wölfe

     (77)
    Aktuelle Rezension von: MartinA

    Der Zorn der Wölfe ist ein seitenstarkes, bildgewaltiges Epos über die Mongolei, das dem Leser eine unbekannte und auf gewisse Weise doch sehr fortschrittliche Welt nahebringt. Wie die Han-Chinesen, welche das Leben mongolischer Viehzüchter kennen lernen sollen, lernt auch der Leser (Chinese oder nicht) viel über ein kaum bekanntes (oder wahrgenommenes) Volk. Es passiert nicht viel und doch scheint es, als würde der Leser direkt am Leben der Mongolen teil zu nehmen. Wichtig für den Mongolen und wichtig für das Buch ist der Wolf und so bestimmt dieses elegante Tier, das als wichtiger Gottesbote die Verbindung zum Himmel darstellt, einen wichtigen Teil im Buch ein, sei es in der mongolischen Gedankenwelt oder als potentielle Gefahr für Mensch und Tier.
    Das Buch zeigt auf sehr eindringlicher Weise, wie der Mensch durch Gier und Machtstreben das Gleichgewicht zwischen Natur und Zivilisation zerstört… und so bleibt am Ende des Romans doch eine gewisse Nachdenklichkeit über die eigene Bedeutung und die Bedeutung des Menschen.
    Aber DER ZORN DER WÖLFE ist ein Buch über Wölfe, die nicht zornig sind, sondern sich so verhalten, wie sie sich verhalten sollen. Der Leser erfährt viel über die mongolische Lebensweise, aber auch viel über den mongolischen Wolf. Und dennoch fließen Fiction und Fakten harmonisch ineinander über, Jiang Rong verfasste einen bedeutenden Roman, dessen Atmosphäre man sich nicht entziehen kann.

    Der Zorn der Wölfe erhielt zehn Literaturpreise, darunter den Man Asian Literary Prize. Geschrieben hat es Lü Jiamin, ein Regimekritiker und Demokratiebefürworter unter Verwendung eines Pseudonyms. Anders wäre eine Veröffentlichung in China nicht gestattet/möglih gewesen. Dort war es nicht nur ein sehr erfolgreiches Buch, der Siegeszug zog sich international fort.
    2015 wurde das Buch als DER LETZTE WOLF verfilmt.

  14. Cover des Buches Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß (ISBN: 9783446263697)
    Hiromi Kawakami

    Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß

     (169)
    Aktuelle Rezension von: bookstories

    Der Titel von Hiromi Kawakamis Roman lautet in der japanischen Originalfassung "Sensei no kaban", was wörtlich mit 'Der Lehrer und seine Tasche' übersetzt werden kann. Im Englischen heisst das Buch 'The briefcase'. Warum für die deutsche Fassung, für die Ursula Gräfe übersetzte, der Titel "Der Himmel ist blau, die Erde ist weiss" verwendet wurde, ist mir unbegreiflich. Ich hatte das Buch im Buchladen schon ein paar mal in der Hand, gerade wegen des Titels, der für meine Begriffe eine tiefere Bedeutung impliziert. Ein blauer wolkenloser Himmel symbolisiert ein reines, gedankenfreies Bewusstsein, sofern wir die Gedanken als Wolken verstehen, die den Himmel verschleiern. Jetzt, nach der Lektüre, weiss ich, dass dieser deutsche Titel der Strophe eines Skifahrer-Liedes entnommen ist, das der Ich-Erzählerin Tsukiko an einem einsamen Neujahrsabend nicht vollständig einfallen will. So könnte man behaupten, der Titel habe absolut nichts mit der Geschichte zu tun, würde es sich nicht um eine Liebesgeschichte handeln, in der die Ich-Erzählerin sich nach ebendiesem unbelasteten Glücksgefühl sehnt.


    Der Titel war für mich also irreführend, zumal ich dachte, dass eine Liebesgeschichte aus der Feder einer japanischen Autorin bestimmt nicht mit den üblichen trivialen Liebesgeschichten der westlichen Unterhaltungsliteratur einhergeht. Immerhin wurde Hiromi Kawakami für diesen Roman in Japan ausgezeichnet, und das Buch wurde auch verfilmt. Ich bin der japanischen Literatur unkundig, kenne auch Murakami noch nicht, den übrigens auch Ursula Gräfe übersetzt. Ich stellte mir Tiefe, leisere Töne, eine Prosa ohne Floskeln und Platitüden vor. "In einer sinnlichen Prosa und starken sprechenden Bildern erzählt Hiromi Kawakami von einer ungewöhnlichen Liebe", wird auf der Rückseite des Buches versprochen. "Selten wurde die Annäherung zweier Menschen so subtil und eindringlich zugleich beschrieben." 


    Dies alles wird in diesem Roman, so finde ich, nur zum Teil erfüllt. Mehrmals war ich kurz daran, das Buch wegzulegen. Ein Kapitel im letzten Drittel ('Auf der Insel, zweiter Teil'), liess mich wieder aufhorchen, und als ich beim vorletzten Kapitel ankam, sagte ich mir, na also, es geht doch, warum nicht gleich von Beginn an so? Doch kann man vierzehn mässig gelungene Kapitel mit drei Kapiteln retten?


    Kawakamis Erzählweise in diesem Buch rutscht stellenweise eben doch in die Trivialität ab. Stellenweise, das ist das Merkwürdige daran. Viele Dialoge hören sich rund und sehr authentisch an, andere hätten gepflegter, aufgeräumter daherkommen können. Immer wieder 'ärgerte' ich mich über unglücklich gewählte Ausdrucksweisen, unpassende Adjektive und Verben, die nicht Ausdruck der japanischen Kultur und wohl auch nicht aus einer Fehlübersetzung entstanden sind. Die Protagonisten bleiben blass, teilweise unverständlich, nicht nachvollziehbar (hier könnte die fremde Kultur eine Rolle spielen), und um es mit dem Titel von Musils bekanntem Werk zu sagen, ohne Eigenschaften. Ausserdem wird mir zu viel Sake und Bier getrunken und japanische Delikatess-Häppchen gegessen. Dies wiederum könnte anderen Sitten zugeschrieben werden, ist aber unverzeihlich, wenn die beiden Protagonisten über die Hälfte des Buches nichts anderes tun.


    Tsukiko, in der Rückschau erzählend, ist achtunddreissig, arbeitet irgendwo als Büroangestellte und verbringt ihre Abende gerne in Satorus Kneipe beim Bahnhof, wo sie Sake trinkt und Häppchen zu sich nimmt. Dort begegnet sie eines Tages ihrem ehemaligen Lehrer Harutsuna Matsumoto, den sie nur den Sensei nennt, was übersetzt Lehrer bedeutet. Das heisst, die beiden begegnen sich dort immer wieder, stets zufällig, nie verabreden sie sich. Manchmal sehen sie sich Tage oder Wochen nicht, doch immer, wenn sie zusammen am Tresen sitzen, fühlen sich beide in der Gegenwart des anderen aufgehoben und geborgen. Das Ungewöhnliche, nicht Unmögliche für eine Liebesbeziehung, ist der Altersunterschied: der Sensei ist beinahe doppelt so alt wie Tsukiko, die zudem einen noch recht unreifen Eindruck macht. Wie das ans Ufer spülende Meerwasser lässt sie sich durch die Jahreszeiten treiben, ohne Perspektive, und oft scheint ein Tag trister zu sein wie der andere.


    Zu der Naivität Tsukikos scheint die Reife des Senseis in krassem Gegensatz zu stehen. Er hält Tsukiko in freundschaftlicher, herzlicher, fürsorglicher Weise auf Distanz, nennt sie oft Mädchen, was in ihr widersprüchliche Gefühle erzeugt, die von Ärger und Wut über Eifersucht bis hin zur sich selbstverzehrenden Sehnsucht reichen. Der Sensei wirkt streng, kontrolliert, intelligent, doch legt auch er gelegentlich merkwürdige Züge an den Tag, die mich irritieren. So sammelt er zum Beispiel verbrauchte Batterien, weil in ihnen ja noch Leben steckt, beschriftet sie sogar, oder klaut einem Betrunkenen, der neben ihm an der Theke eingeschlafen ist, den Ohrring aus dem Ohr, und findet begeistert, er habe schon lange nicht mehr geklaut, oder eröffnet Tsukiko, dass nach einem Sturz sein Allerwertester schmerzt. Dass er sich nicht gerne sein Bier einschenken lässt, wird ein paar Mal zu viel erwähnt, und während seine kerzengerade, aufrechte Haltung seinem Erscheinungsbild entspricht, passt sein schneller Gang eher nicht zu ihm.


    Immer wieder treffen sich Tsukiko und der Sensei, entweder bei Satoru, oder sie schlendern sonntags über einen Markt, oder sie trinken im Haus des Senseis Bier und Sake, bis sie betrunken sind, oder begeben sich gemeinsam mit dem Wirt Satoru auf eine Pilzwanderung im Wald, wo auch wieder gegessen und über Speisen geredet wird. Sie besuchen ein Spielautomatenlokal oder ein Kalligraphie-Museum, wo Tsukiko sich schrecklich langweilt. Als der Sensei sich mit einer ehemaligen Lehrerkollegin verabredet, sagt Tsukiko eingeschnappt einem Treffen mit einem früheren Schulkollegen zu. Sie sumpfen in einer Bar ab, den späteren Annäherungsversuch wehrt Tsukiko vehement ab. Hier kommt ihre tiefe Verbundenheit zum Sensei zum Ausdruck. Hier stellt Tsukiko nicht nur die geistige Distanz zum Sensei fest, die sich meist im Altersunterschied oder Grundhaltungen äussert, sondern erstmals eine räumliche. Hier wird deutlich, dass sie sich nach seiner Gegenwart sehnt, und bei der nächsten Begegnung gesteht sie ihm ihre Liebe.


    Auf einem zweitägigen Ausflug auf eine Insel, wo der Sensei Tsukiko zum Grab seiner verstorbenen Frau führt, kommen sich die beiden dann näher. Obwohl auch hier die letzte Hürde nicht genommen werden kann. Tsukiko, nur im Kimono bekleidet, sucht den Sensei mitten in der Nacht in seinem Zimmer auf, wo dieser an Gedichten herumschreibt. Zu früher Morgenstunde lässt er sie dann doch unter seine Bettdecke, streichelt über ihre Brüste, während sie sich an ihn schmiegt, und findet, sie habe schöne Brüste, was im selben Ton erfolgt wie sein nächtlicher Vortrag über die Gedichte (Haikus). "Sie haben schöne Brüste, und Sie sind ein liebes Mädchen, Tsukiko." Achtung Spoiler: Erst am Ende des Buches, als der Sensei zu seinen Schwächen stehen kann - es sei lange her, seit er mit einer Frau geschlafen habe und fürchte sich davor -, brechen die Dämme, und wir blicken tief in das bescheidene, zurückhaltende Wesen des gealterten Lehrers. "Würden Sie zum Zweck eines Liebesverhältnisses eine Beziehung mit mir eingehen?" Aber da ist das Buch auch schon zu Ende.


    Ich stelle mir vor, dass man so viel mehr aus dieser subtilen Liebesgeschichte hätte machen können. Weniger Einblicke in die kulinarische japanische Küche, dafür tiefergreifende Dialoge und das Weglassen plumper Ausdrucksweisen hätte mehr Authentizität erzeugt, eine dichtere, knisterndere Atmosphäre geschaffen. Eigenartigerweise hallt dieses Buch in mir nach. Ich mag es nicht, Dinge nicht erfasst zu haben, wenn die Voraussetzungen dafür da gewesen wären. Und so suche ich danach.


    Review mit Zitaten und Bildern auf https://www.bookstories.ch/gelesenes1/der-himmel-ist-blau-die-erde-ist-weiss 



  15. Cover des Buches Die merkwürdigen Fälle des Dr. Irabu (ISBN: 9783442740604)
    Hideo Okuda

    Die merkwürdigen Fälle des Dr. Irabu

     (17)
    Aktuelle Rezension von: gedankenchaotiin

    Natürlich musste auch der dritte Teil her, nachdem ich die ersten beiden Teile der Reihe schon verschlungen habe. Dr. Irabu ist und bleibt ein Psychiater, wie er wortwörtlich im Buche steht. Seine Methoden sind so unkonventionell, dass sie einen schon wieder zum Lachen bringen. Und das "Schlimme" daran ist.. sie haben Erfolg.


    Sei es, um dem Geschäftsführer einer großen Tageszeitung die Angst vor der Dunkelheit zu nehmen oder einem erfolgreichen Geschäftsmann dazuzubringen, wieder in den Kindergarten zu gehen. Die Schauspielerin, die Angst vor dem Alter hat, ist seinen Methoden ebenso wenig gewachsen, wie der Beamte, der plötzlich in die Abgeschiedenheit seines eigenen Landes versetzt wird.

    Alle suchen sie mehr oder weniger freiwillig Hilfe bei dem eigenwilligen Arzt, welcher sich ihrer ohne zu Zögern annimmt.

    Immer mit dabei seine Krankenschwester Mayumi, welche ebenso wenig alle Tassen im Schrank hat und doch einfach nur herrlich zu ihm passt.

    Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich einem solchen Arzt und seiner Krankenschwester wirklich einmal begegnen will.

    Der Schreibstil des Autors schmeisst einen sofort mitten in die vier Geschichten und allein aufgrund seiner unkonventionellen Methoden kann man das Buch nicht eher aus der Hand legen, bis man weiss, ob er Erfolg hat, zumal die Methoden seiner Heilungsmassnahmen nicht nur dem Patienten helfen, sondern auch ihm selbst.




    5 von 5 Sonnenblumen "muss" ich auch hier wieder vergeben
  16. Cover des Buches Ein Kirschbaum im Winter (ISBN: 9783423112970)
    Yasunari Kawabata

    Ein Kirschbaum im Winter

     (22)
    Aktuelle Rezension von: dzaushang
    Yasunari Kawabatas Roman Ein Kirschbaum im Winter erzählt von der Nachkriegszeit in Japan. Auch in Japan ist durch den großen Krieg vieles von den alten Traditionen und Moralvorstellungen durcheinander geraten und in Frage gestellt. Insbesondere die Stellung des Mannes in Gesellschaft und Familie ist, nach verlorenem Krieg, stark ins Wanken geraten. Shingo Ogata, sechzig Jahre alt, will sich eigentlich nur an den Früchte seines langen Lebens erfreuen. Doch nur allzu deutlich werden ihm jetzt seine Grenzen als Mann, als Oberhaupt der Familie leidvoll vor Augen geführt, überschlagen sich die Ereignisse in seiner Familie. Er flüchtet deshalb auch immer öfter in eine Traumwelt, in der das Alte noch Bestand hat, das Schöne und das Vergangene. Nichts scheint er mehr ausrichten zu können, das Schicksal seiner Familie gestalten zu können gelingt nicht mehr. Die Ehen seiner zwei Kinder sind gescheitert oder stehen auf der Kippe. Die Sorge um die Kinder, die sich nicht so verhalten wie er es erwartet, ja, die noch nicht einmal das Leben leben, das sie sich selbst erhoffen, lastet schwer auf ihm. Ob sein Leben ein Erfolg war oder nicht, hängt für ihn aber davon ab, ob das Eheleben der Kinder ein Erfolg ist oder ein Fehlschlag. In einer sich verändernden Welt sieht Ogata sich an seinem Lebensabend mit Themen wie Scheidung, Ehebruch, mit unehelichen Kindern, Abtreibung, Drogenabhängigkeit und Selbstmord konfrontiert. Es scheint keinen Ausweg zu geben, die Familie scheint an den Belastungen zu zerbrechen. Ein Kirschbaum im Winter ist ein wunderbarer, leiser und einfühlsamer Roman über das Schicksal von Menschen im gesellschaftlichen Umbruch. Das Alte ist noch nicht ganz vergangen, verliert aber mehr und mehr an Wirkkraft, das Neue zeigt sich in ersten Umrissen vermag aber dem Leben des Einzelnen in Familie und Gesellschaft noch keinen neuen Halt zu geben. Die Kunst liegt darin, in und an dieser Orientierungslosigkeit nicht zu zerbrechen.
  17. Cover des Buches Grüner Baum in Flammen (ISBN: 9783100552068)
    Kenzaburô Ôe

    Grüner Baum in Flammen

     (7)
    Aktuelle Rezension von: Phliege
    In einem Dorf mitten in den Wäldern Shikokus liegt die hundertjährige, weise Frau im Sterben. Sie war moralische Führerin und Hüterin der alten Mythen des Waldes. Kurz vor ihrem Tod, bereitet sie einen Nachfolger vor, den neuen Bruder Gii. Unter ihm wächst die Wirtschaft des Alten Hofs in neuem Glanz und dann scheint er auch noch heilende Kräfte zu besitzen. Schnell ensteht ein Kult um seine Person, der unter hohen Erwartungen liegt.

    Der Titel des Buches ist William Butler Yeats' Gedicht "Vacillation" (dt. Schwankungen, Unschlüssigkeit) entnommen. Und passender könnte es nicht sein. Erzähler der Geschichte ist Satchan, eine Intersexuelle, die sich, schon fest als Mann in der Gesellschaft eingebunden, für ein Leben als Frau entscheidet. Mit ihrem Wohnsitz im Alten Hof erlebt sie die Geschichte um Bruder Gii hautnah mit.

    "Grüner Baum in Flammen" ist ein volles Buch, das vielschichtige Themen abgreift und trotzdem liest es sich unheimlich flüssig. Keine hochtrabenden Ausflüge in die Metaphysik oder Politik. Stattdessen gute Dialoge. Auch wenn die nicht solche der Art "alltäglich" sind. In dem Buch geht es um Religion, die Verflechtung von Mythen und Moderne, Selbstbestimmung, Erwartungen und den gesellschaftlichen Druck. Und das alles geschickt in eine interessante Geschichte verpackt, die neu, aber trotzdem nicht skurril erscheint.
  18. Cover des Buches Im Teich (ISBN: 9783423242769)
    Ha Jin

    Im Teich

     (8)
    Aktuelle Rezension von: Nexus
    Shao Bin lebt in der chinesischen Stadt Endstadt und arbeitet als arbeitet dort als Mechaniker in der Düngemittelfabrik „Ernteglück“. Schon lange sind ihm die korrupten Praktiken der Firmenleitung ein Dorn im Auge und als er bei der Wohnungszuteilung für eine größere Unterkunft erneut übergangen wird, platzt ihm der Kragen. Der talentierte Hobbykalligraph und Zeichner veröffentlicht eine Karikatur, die die Korruption in der Führungsebene der Firma anprangert. Damit gerät er natürlich auf deren Abschlussliste, aber unermüdlich kämpft er weiter für seine Rechte. Ha Jin hat hier mit seinem ersten Roman „Im Teich“ eine hervorragende Arbeit abgeliefert. Mit viel Witz beschreibt er die er die eigentlich ernste Geschichte des Kampfes eines einfachen Arbeiters gegen den übermächtigen Führungsapparat. Das Buch ist sehr kurzweilig geschrieben – Längen oder Durchhänger in der Geschichte gibt es nicht. Shao Bin ist ein sehr sympathischer Hauptcharakter in den ich mich schnell hineindenken konnte. Ich habe mich über jede Idee gefreut, die er hatte, um den Machenschaften der Fabrikleitung ein Ende zu bereiten – genauso wie ich mit ihm gelitten habe, wenn er mitunter weit über das Ziel hinausschießt. Insgesamt ist „Im Teich“ ein schöner, durch seinen wohldosierten Humor nie langweilig werdender kleiner Einblick in die chinesische Kultur. (Der leider viel zu schnell zu Ende ist – denn der Schluss kam dann doch sehr abrupt)
  19. Cover des Buches Lange habe ich nicht vom Fliegen geträumt (ISBN: 9783442471492)
    Taichi Yamada

    Lange habe ich nicht vom Fliegen geträumt

     (15)
    Aktuelle Rezension von: emeraldeye
    Taura ist ein ernüchterter Mann, der nicht mehr daran glaubt, dass sich jemals noch etwas ändern wird in seinem Leben. Von seiner Frau hat er sich entfremdet, mit seinen fast erwachsenen Kindern verbindet ihn wenig, und der tägliche Kampf im Beruf zermürbt ihn zusehends. Doch dann kommt es eines Tages zu einem folgenschweren Ereignis: Taura wird wegen eines Beinbruchs ins Krankenhaus eingeliefert-und lernt dort Mutsuko kennen, eine Frau, die sein Leben völlig aus der Bahn werfen wird. Denn nicht nur, dass er sich haltlos in sie verliebt und spürt, wie er ihrer unerklärlichen Macht mehr und mehr erliegt. Er muss die ebenso bestürzende Feststellung machen, dass seine mysteriöse Geliebte bei jeder Begegnung immer jünger wird. Was hat es für eine Bewandtnis mit Mutsuko? Dass Japan und die Japaner für uns "Westler" wie auf einem anderen Planeten existieren, ist nichts Neues. Einmal mehr schafft es Taichi Yamada mit seinem Roman "Lange habe ich nicht vom Fliegen geträumt" diesen Eindruck der absoluten Gegensätzlichkeit und Fremdartigkeit zu bestätigen. Wie kann seine Erzählung über einen Mann in den mittleren Jahren eingeordnet werden? Am ehesten kann man sie vielleicht mit dem in Japan weit verbreiteten Shintoismus erklären. Diese Religion wird von unzähligen Gottheiten (Kami) bevölkert. Diese Kami können sich in allen denkbaren Formen manifestieren und mit den Menschen in Kontakt treten . Taura ist ein offensichtlich schwer depressiver Mann, der mit seinem Leben buchstäblich abgeschlossen hat. Die Begegnung mit einer Patientin im Krankenhaus löst seine Starre auf und führt dazu, dass er Dinge tut, die vorher für ihn unvorstellbar gewesen wären. Dass Mutsuko nicht das ist, was sie zu sein vorgibt, wird in ihrer fortschreitenden Verjüngung deutlich. Taura begreift nur langsam, dass sie ihn nicht dauerhaft vor den ungelösten Problemen in seinem Leben retten kann. Doch er tut alles, um sie so lange wie möglich bei sich behalten zu können. Aber Mutsuko wird unaufhaltsam jünger und zeigt Taura damit auf rätselhafte und zärtliche Weise, wie vergänglich und unsicher auch sein Leben ist. Und Taura erkennt, dass es an der Zeit ist, wieder Verantwortung zu übernehmen. Mutsuko, die zwar mit ihrem Schicksal hadert, aber trotzdem in der Lage ist, glücklich zu sein und die gemeinsamen Momente zu genießen, gibt ihm die Kraft dazu. "Ich hatte keine andere Wahl, als das Schicksal tapfer und erhobenen Hauptes anzunehmen, wie Mutsuko es tat." sagt er am Ende des Romans zu sich selbst. Und den ersten Schritt dahin macht er, indem er Mutsuko, die inzwischen zu einem kleinen Kind geworden ist, trotz seiner Angst und dem unerträglichen Schmerz über den Verlust, gehen läßt, so wie sie es sich von ihm gewünscht hat. Taichi Yamada hat eine unvergleichliche, tiefgründige und sehr poetische Erzählung über Trauer, Loslassen, Hoffnung und Schmerz geschrieben. Einzigartig und sinnlich verbindet er Realität, Fiktion und Spiritualität miteinander. Ganz gleich ob Ost oder West, die Gefühle und Erfahrungen von Menschen sind universell und werden über alle Grenzen hinweg verstanden.
  20. Cover des Buches Vögel (ISBN: 9783293203297)
    Oh Jung-Hee

    Vögel

     (7)
    Aktuelle Rezension von: dzaushang
    Oh Jung-Hee erzählt von zwei Kindern, Uumi und Uuil, Schwester und Bruder. Die Handlung spielt im Korea der 1990 Jahre. Beide haben keinen guten Start ins Leben. Die wichtigsten Eindrücke ihrer frühesten Kindheit sind geprägt von Gewalt, Angst und Flucht. Der Vater schlägt die Mutter, immer wieder. Als die es nicht mehr länger aushält verlässt sie die Familie. Der Vater mit den Geschwistern allein gelassen, wirft das jüngere Kind, seinen Sohn, in seiner Wut aus dem Fenster, doch Uuil überlebt den Sturz wie durch ein Wunder. Ein anderer Versuch, seine Kinder in der Großstadt einfach auszusetzen, scheitert ebenfalls. So gibt er die Kinder zu Verwandten der Mutter in Obhut und verschwindet ohne Spur. Dort werden sie jedoch mehrfach zwischen den Familien hin und her gereicht und bleiben bis zu dem Tag, als der Vater plötzlich wieder in der Tür steht, ungeliebt. Nun soll alles anders werden. Der Vater startet einen Neuanfang, holt seine Kinder wieder zu sich, in eine ärmliche, immerhin frisch renovierte, Behausung. Die Kinder nehmen es hin, was sollen sie sonst auch tun. Einen Tag später präsentiert er ihnen dann seine neue Geliebte, die er, offensichtlich mit vielen Versprechungen auf ein besseres Leben, mehr oder weniger für sich interessieren konnte. Diese Frau, die Kinder sollen am besten gleich Mama zu ihr sagen, zieht gleich bei ihnen ein. Und mit ihr zieht auch ein wenig Luxus ins Leben der Kinder: ein Fernseher, ein Telefon und dergleichen Dinge mehr, die sich der Vater vom Mund abspart, um der Frau zu imponieren. Lange geht das aber nicht gut, die Frau jammert beständig über ihr weiterhin ärmliches Leben, der Vater arbeitet auf Baustellen weit entfernt von zu Hause, um der Frau all das bieten zu können, wonach es sie verlangt und dennoch: eines Tages ist sie so plötzlich weg, wie sie aufgetaucht ist. Den Kindern ist das gleich, der Vater scheint am Boden zerstört, denn er verschwindet erneut, diesmal für immer. Die Kinder bleiben auf sich allein gestellt. Die Schwester wird für den Bruder zur Lehrerin und zur Mutter, sie kümmert sich, so gut sie kann um ihn, dennoch entgleitet er ihrem Einfluss immer schneller. Als sie spürt, dass sie für ihren Bruder, der langsam den Verstand verliert, nichts mehr tun kann, tut sie dass, was sie von den Erwachsenen bisher immer vorgelebt bekommen hat... Aus der Perspektive der gerade einmal zwölfjährigen Uumi wird die Handlung des Romans erzählt. Das verstärkt die ganze Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit der Geschwister, unabhängig von den Widrigkeiten mit denen sie zu kämpfen haben, noch einmal zusätzlich. Die beiden haben von Anfang an keine Chance behütet aufzuwachsen, die Eltern, die Erwachsenen sehen ihre Bedürfnisse nicht einmal im Ansatz. Sie sind nicht wirklich mehr wert als die in den Straßen herum streunenden Hunde, bestenfalls geduldetes, eher aber lästiges Zierwerk für das Abbild von Familie und einer Gesellschaft, in der die früher einmal prägenden, alles durchdringenden konfuzianischen Ideale des Zusammenlebens nicht mehr Sinn stiften und tragen. Mitte der 1990 Jahre gibt es in Korea noch keine gesellschaftliche Institution, wie z.B. bei uns in Deutschland das Jugendamt, das sich um allein lebende Kinder kümmern könnte. Die Großfamilie, die früher solche Probleme aufgefangen hat, befindet sich im Zerfall, so gibt es eben viele „Familien“ mit einem Kind oder Jugendlichen als Familienoberhaupt. „Vögel“ ist ein absolut den Leser verstörendes, ja schockierendes, sich zugleich aber auch sehr in die kindliche Psyche einfühlendes Buch. Oh Jung-Hee beschreibt in schlichter Sprache die verzweifelte Suche nach einer Spur von Glück in einer Welt, in der es so etwas wie Glück aber nicht zu geben scheint. Es beschreibt eine Welt, in der ein Kind kein Kind sein darf, will es überleben. Und doch entlässt Oh den Leser nicht aus dem Geschehen ohne einen allerletzten kleinen Funken Hoffnung. Wenn auch der kleine Bruder sein Trauma, nach dem Sturz aus dem Fenster, dadurch zu verarbeiten sucht, dass er gerne wie die Vögel am Himmel fliegen können möchte und, ohne jede Unterstützung und Hilfe, letztlich zum scheitern verurteilt ist, so hat seine „große“ Schwester doch die Hoffnung auf ein besseres Leben noch nicht ganz aufgegeben. Sie tut dafür einen Schritt in die richtige Richtung auch wenn sie noch einmal einen hohen Preis bezahlen muss.
  21. Cover des Buches Liebe am Papierrand (ISBN: 9783746631233)
    Yoko Ogawa

    Liebe am Papierrand

     (53)
    Aktuelle Rezension von: JacqueRoe

    Klapptentext: "Ein junge Frau, die ein rätselhaftes Ohrenleiden hat, lernt einen Stenographen kennen. Sie fühlt sich auf geheimnisvolle Weise zu ihm hingezogen und bittet ihn, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Dank seiner Aufzeichnungen beginnt sie die Rästel ihrer Vergangenheit zu verstehen. Doch schon bald muss sie erkennen, dass der Stenograph nur eine begrenzte Menge Papier zur Verfügung hat ..."

    Eine junge Frau muss sich fast ganz verlieren um sich wieder zu finden und neue entdecken zu können. Schwach und zerbrechlich, wie auch zerbrochen beginnt ihr Weg, aus dem sie am Ende gestärkt und sich ihrer selbst vielleicht zum ersten Mal bewusst hervorgeht und bereits ist, sich dem Leben zu stellen. Dabei wünscht man ihr, dass sie der Zauber ihrer Ohren und seiner Hände nie verlassen möge.

    In einem muss ich dem Klappentext widersprechen - erst sehr nah am Ende der Geschichte, also keineswegs "schon bald" wird die Endlichkeit des Papiermenge klar. Zuvor passiert vieles unbeschwert von dieser Erkenntnis.

    Magie und Realität sind in diesem Roman auf so feine, so zarte und so leise Art miteinander verbunden. Erst ganz langsam beginnt man im Laufe der Geschichte zu enträtseln, wo die eine beginnt und die andere aufhört. Doch es gelingt am Ende nicht wirklich zwischen Magie und Realität sauber zu trennen; die Realität bleibt magisch, die Magie scheint real zu sein. Das Geheimnis darf ein Geheimnis bleiben.

    Yoko Ogawa ist ganz sicher ein Name, den ich mir merken werde. Gerne will ich noch mehr solch wunderbare wundersame Geschichten lesen.

  22. Cover des Buches Die seltsamen Methoden des Dr. Irabu (ISBN: 9783442736027)
    Hideo Okuda

    Die seltsamen Methoden des Dr. Irabu

     (55)
    Aktuelle Rezension von: dzaushang
    Dr. Irabu, ein kleiner, 100 kg schwerer Mann mit leicht überdrehter Stimme sitzt mit Vorliebe im Schneidersitz hinter seinem Schreibtisch. Die Anliegen seiner Patienten scheinen ihm zunächst einmal gar nicht so wichtig, man könnte sogar den Eindruck haben, er höre ihnen nicht mal richtig zu, wenn sie beginnen von ihren Problemen zu erzählen. Einzig seiner Leidenschaft für Vitaminspritzen frönt er schon in der ersten Sitzung eines jeden Patienten. Ob gelegen oder ungelegen, diese Spritze zu Beginn muss einfach sein, denn Vitaminmangel ist eine Hauptursache für seelische Störungen, so versucht er seinen Patienten zumindest deutlich zu machen. Was sich gelegentlich als schwierig erweist, insbesondere dann, wenn der Patient ausgerechnet ein Yakuza mit Spitzenphobie ist, was, zugegebenermaßen, im Gangstermilieu ein nicht ganz unerhebliches Handicap ist. Die Abneigung geht aber weit über Messer hinaus. Selbst die Ecken eines Tisches, oder die Essstäbchen in seiner Hand können einen mittelschweren Ekelanfall auslösen. Aber nach ein wenig Körpereinsatz, Irabu wendet in diesem Fall die „Schraubzwinge“, einen Judogriff, an, kommt die Spritze auch beim etwas wilderen Yakuza gekonnt zum Einsatz. Bei solchen „Behandlungsmethoden“ verwundert es den Leser zunächst ein wenig, warum die Patienten, der ersten Sitzung irgendwann glücklich entkommen, doch immer wieder kommen. Auch wenn unter Umständen schon wieder eine Spritze droht. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass es Irabu immer versteht sich mit seinen Patienten gemein zu machen? Sei es mit dem Trapezkünstler, den er zunächst einmal dazu nötigt ihm seinen Kindheitstraum vom Trapezfliegen im Zirkus zu erfüllen, sei es mit der Schriftstellerin, die er darum bittet seine eher hoffnungslosen Texte einem Lektor vorzuschlagen. Vielleicht aber auch daran, dass Irabus ganze Art sich zu geben seine Patienten Dinge machen lässt, von denen sie zuvor kaum glauben konnten, dass sie diese jemals tun würden? So hätte es sich der Kollege Psychiater, mit der Zwangsvorstellung seinem Schwiegervater, einem geltungssüchtigen Karrieristen an der Spitze der medizinischen Fakultät, in aller Öffentlichkeit das Toupet vom Kopf reißen zu müssen, nicht träumen lassen, dass es einmal tatsächlich soweit kommen würde. Mit Dr. Irabu an der Seite kein Problem. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass Irabu es immer wieder schafft diese Menschen, die zu ihm kommen, an den Punkt zu bringen, an dem sie bereit sind von ihren wirklichen Schwächen und von ihren geheimsten Gedanken zu erzählen? Dr. Irabu, mit seiner nur so sprühenden Spontanität und Lebensfreude, mit seiner Wirkung als Lebenselixier auf seine Patienten, ist ein absolutes Phänomen. Erst bringt er die Menschen mit seinem so atypischen Verhalten völlig aus der Fassung, macht Tabula Rasa, dann bringt er ihnen ihre ureigenen, allerdings wieder verschütteten, Gedanken zur möglichen Lösung ihrer Probleme ganz langsam nahe. Er reißt wie ein Wirbelsturm aus eingefahrenen Gedankengängen und Verhaltensmustern heraus und animiert zu neuem Tun. So macht er aus Patienten, die alle aus Angst, eine Dummheit zu begehen, lieber durch die Hölle laufen, die nur darauf bedacht sind die äußere Form zu wahren, wieder Menschen, die Spaß und Freude am Leben haben. Die insgesamt fünf irrwitzigen Episoden aus dem Wirken des Psychiaters Dr. Ichiro Irabu sind der Hammer. Voller Witz und feinsinnigem Humor, aber auch voll nachdenklich machender Passagen, die den Leser auch über das eigene Leben sinnieren lassen. Es bereitet rundum einen riesigen Genuss dieses schräge Buch von Hideo Okuda zu lesen.
  23. Cover des Buches Der Überdruss (ISBN: 9783895022722)
    Mo Yan

    Der Überdruss

     (8)
    Aktuelle Rezension von: Bibliomania
    Mir fällt es schwer etwas über dieses Buch zu schreiben. Das erste Mal aufgefallen ist es mir als im Unionsverlag das Taschenbuch herauskam. Die interessante Idee und weil es chinesische Literatur ist, sprach mich sofort an. Als ich das Buch dann jedoch begann, hatte ich ein wenig meine Probleme damit.
    Ximen Nao ist Grundbesitzer und findet sich unversehens ins der Hölle wieder. Er darf zurück, wird aber als Esel wiedergeboren. Doch damit nicht genug. Er wird auch als Stier, Schwein, Hund und Affe wiedergeboren. Er muss im Prinzip gutes Karma sammeln, denn Yama, der Fürst der Unterwelt, ist von seiner Schuld überzeugt.
    Während der Leser Ximen Nao in seinen vielen Leben begleitet, erfährt er auch viel über 50 Jahre chinesische Geschichte in Gaomi, einem armen Dorf in der Provinz Shandong. In Form einer großen Familiensaga erzählt Mo Yan teilweise leider langatmig und albern, wie sich die Familie entwickelt, was Mao Zedongs Landreform bewirkt und wie sich die Mitglieder von Gaomie durchschlagen. Und immer wird Ximen Nao in diese Vorgänge als unterschiedliches Tier  gebracht. Auch Mo Yan spielt seinen Teil, der auch tatsächlich in Gaomi geboren wurde, eine Nebenrolle. Manchmal als Erzähler, manchmal als Statist, manchmal als Akteur.
    Teilweise war es natürlich erschreckend, was im ländlichen China passierte, und vermutlich heute noch geschieht, und was Gang und Gäbe war. Teilweise fand ich die Lektüre aber auch ein wenig schwergängig und bin nur sehr langsam vorangekommen. Am Ende war ich schon irgendwie erleichtert fertig zu sein. Wobei ich mir schon vorstellen kann, dass diese Art des Erzählens durchaus Anklang findet. Nur für mich war das irgendwie nicht so richtig was. Ich habe noch zwei weitere Bücher von ihm stehen und hoffe, dass mir die anderen mehr zusagen.
  24. Cover des Buches Eine persönliche Erfahrung (ISBN: 9783518383421)
    Kenzaburô Ôe

    Eine persönliche Erfahrung

     (28)
    Aktuelle Rezension von: DeepThought
    Erstveröffentlichung: 1964 
    Rezension basiert auf der Übersetzung von Siegfried Schaarschmidt für den für den Suhrkamp Verlag, 1972

    Inhalt

    Mit der Behinderung seines neugeborenen Sohnes konfrontiert, erwartet und ersehnt die Hauptperson, ein 27-jähriger Mann mit dem Spitznamen Bird, den Tod des ungeliebten Säuglings. Während er seine im Krankenhaus liegende Frau über die tatsächliche Erkrankung des Kindes im Ungewissen lässt,  weist er im Einvernehmen mit der Schwiegermutter an, das von ihm selbst “Monster-Baby“ genannte Kind mit Zuckerwasser statt Milch zu füttern, um den Schwächetod herbeizuführen und es vor einer lediglich „pflanzenhaften Existenz“ zu bewahren. Die folgende Zeit, in der das Kind zwischen Leben und Tod steht und unklar ist, ob es eventuell mit einer Operation gerettet werden kann, verbringt er vorwiegend mit einer Studienfreundin. Bird übernachtet in ihrer Wohnung, geht mit ihr eine sexuelle Beziehung ein, und schließlich planen sie gemeinsam die von ihm langgewünschte Reise nach Afrika.

    Beschreibung

    Der Roman verdichtet sich auf wenige Tage nach der Geburt des behinderten Kindes und wird fast komplett aus der Sicht der Hauptperson beschrieben. Schilderungen zurückliegender Erlebnisse Birds sowie der Ereignisse und Dialoge in diesen Tagen werden stets verbunden mit seiner Wahrnehmung und Bewertung. So rücken die Leser ganz nah an den jungen Vater heran und bekommt einen sehr authentischen, ungeschönten Einblick in seine Persönlichkeit, die vor allem von Selbstzweifeln, Scham und Schuldgefühlen geprägt ist. Als Bird im Laufe des Romans mehrfach damit konfrontiert wird, dass er mit seinem Verhalten den Tod seines Kindes verschulde, reagiert er entweder abweisend, behauptet, im Interesse Aller – auch des Kindes selber – zu handeln oder stilisiert sich zum Opfer, das alleine die Bürde der Schuld auf sich nehme. Das Verhalten anderer Menschen deutet er zumeist als ausschließliches Resultat einer geringschätzigen Meinung über ihn, ohne sich gegen diese zum Teil lediglich vermeintlichen Herabsetzungen auflehnen zu können. Dass er durchaus Freunde hat, etwa von Schülern und Kollegen auch respektiert und in einer kuriosen Nebenhandlung – ein russischer Gesandter weigert sich, seine japanische Geliebte zu verlassen und in die Gesandtschaft zurückzukehren – ihm allein die Vermeidung eines möglichen internationalen Skandals zugetraut wird, vermag er nicht, sich positiv anzurechnen.

    Das alles schildert der Literaturnobelpreisträger Kenzaburō Ōe in einer sehr sachlichen Sprache, die die Unfähigkeit der meisten Beteiligten, Emotionen zuzulassen und zu äußern, meisterhaft Weise spiegelt. Indem der Roman die subjektiven Sichtweisen und Wahrnehmungen des überforderten jungen Mannes radikal übernimmt, entsteht zugleich der denkbar größte Kontrast zur konzentrierten Ausdrucksform des Romans, da Bird in seinen Neigung zu sprunghaften Assoziationen und Gedankenströmen genau zu dieser Aufmerksamkeit unfähig scheint.     

    Durch die wertungsfreie Übernahme der Empfindungen und Gedanken von Bird erhält der Roman einen nahezu dokumentarischen Charakter. Dass die Hauptfigur – auch aufgrund der Reaktion einiger Ärzte und der Schwiegermutter – ohne längeres Zögern bereit ist, sein Kind ohne Rücksprache mit der Mutter wegen der Behinderung und der damit verbundenen möglichen Belastung und „Schande“  sterben zu lassen, zwingt die Leser, sich hierzu zu positionieren. Birds Verhalten könnte als obszön und ungeheure Provokation des Autors angesehen werden. Zu beachten, dass die persönliche Erfahrung Ōes aufgrund der Geburt seines behinderten eigenes Kindes den Anlass zu dem Roman gab, die Hauptfigur, ihre Empfindungen und Handlungen aber fiktiv sind.   

    Weiterhin sei darauf hingewiesen, dass der Roman aus dem Roman 1964 stammt und in Japan angesiedelt ist. Der Roman erweist deshalb auch als Zeugnis seiner Zeit und der Gesellschaft, in der er spielt.  

    Fazit

    „Eine persönliche Erfahrung“ besitzt eine Allgemeingültigkeit, die Lesern mit großer Wucht elementare Fragen des Lebens stellt und sie herausfordert, unbequeme Überlegungen zu einer Extremsituation anzustellen. Das Werk setzt aber auch die Bereitschaft der Leser voraus, für eine ganz eigene persönliche Erfahrung offen zu sein. 


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