Bücher mit dem Tag "pessimismus"
74 Bücher
- Johann Wolfgang von Goethe
Johann Wolfgang von Goethe, Die Leiden des jungen Werther
(1.649)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDie Leiden des jungen Werther ist ein absoluter Klassiker, den man mal gelesen haben muss. Auch beim mehrfachen Lesen, wie der Text nicht langweilig. Goethe hat ihn echt komplex und bedacht geschrieben, sodass immer neue Deutungen sich erschließen lassen, wie z.B. Werthers Leiden an einer Krankheit.
Es ist kein Text, den man einfach vor dem Schlafen mal runter lesen kann, aber trotzdem gehört er in jede gut sortierte Sammlung. - J. D. Salinger
Lektüre Kopiervorlagen: Jerome D. Salinger, Der Fänger im Roggen / Catcher in the Rye
(1.557)Aktuelle Rezension von: KiraNearTitel: Der Fänger im Roggen
Autor*in: J.D. Salinger
Erschienen in Deutschland: 2023 (23. Auflage)
Originaltitel: The Catcher in the Rye
Erschienen in den USA: 1945
Übersetzer*in: Eike Schönfeld
Weitere Informationen:
Genre: Slice of Life, Drama, Gen
Preis: € 11,00 [D] | € 11,40 [A]
Seiten: 270 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-499-23539-9
Verlag: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Inhalt:
Ich-Erzähler des Romans ist der sechzehnjährige Holden Caulfield, der sich zur Zeit seiner Aufzeichnungen zur Erholung und psychiatrischen Behandlung in einem Sanatorium befindet und Rückschau hält auf „diesen Irrsinnskram, der mir so um letztes Weihnachten passiert ist“. Der Roman handelt davon, wie Holden Caulfield nach einem Schulverweis wegen schlechter Leistungen kurz vor Beginn der Weihnachtsferien die Schule vorzeitig verlässt, um dem oberflächlichen, selbstdarstellerischen Verhalten seiner Kameraden und der Schulgesellschaft zu entfliehen. Er traut sich aus Angst vor der Reaktion der hysterisch-nervösen Mutter und des beruflich erfolgreichen Vaters nicht sofort nach Hause, sondern irrt drei Tage lang auf der Suche nach menschlicher Nähe und einer Zukunftsperspektive durch Manhattan. Von den drei Tagen nimmt die Schilderung des Samstags etwa die Hälfte des Buches ein. Es ist in 26 Kapitel gegliedert. Das Buch trägt die Widmung „Für meine Mutter“.
[Quelle: Wikipedia]
Meinung (Achtung, möglicherweise Spoiler!):
Ich muss ganz ehrlich sagen: Das Buch kannte ich sehr, sehr lange nur vom Namen her. Weder von der Handlung, noch von der Sache mit John Lennon damals hatte ich eine Ahnung. So seltsam es klingt, aber ich bin über das Buch am meisten bzw so wirklich erst über die South Park Folge "Als die Kacke Pipi musste", die zweite Folge aus Staffel 14. Dort haben die vier Jungs von der Schule her das Buch lesen müssen, da ich da Buch allerdings zu dem Zeitpunkt noch so gar nicht kannte, konnte ich es nicht beurteilen. Sie waren jedenfalls durch die Bank durch enttäuscht, dass das Buch nicht so skandalmäßig ist wie es ihnen erzählt worden ist. Und ich muss ihnen da leider zustimmen.
So ganz kann ich nicht verstehen, warum das Buch "schockierend" oder "ein Skanadal" gewesen sein könnte. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass die lockere Art, die der Protagonist an den Tag legt, den Leuten damals zu locker war, zu casual, wie man heute sagen würde. Heute wäre es dagegen kein Thema. Oder die Tatsache, dass Holden wieder von der Schule geflogen ist.
Vielleicht bin ich nicht intelligent genug für das Buch, oder ich bin einfach nicht die richtige Ansprechperson, aber mich hat das Buch nicht so wirklich erreicht. Mit Holden bin ich nicht wirklich warm geworden. Zwar habe ich am Anfang verstehen können, warum er so reagiert hat, er ist von der Schule geflogen, seine Eltern wären wütend und enttäuscht, und er möchte dlie Konfrontation mit ihnen so lange wie möglich meiden. Also tut er Dinge, die ihm im Moment am sinnvollsten erscheinen. Danach aber sagt und macht er viele Dinge, die ich dagegen überhaupt nicht nachvollziehen kann. Was ist sein Ziel? Warum handelt er oft so impulsiv? Vermutlich weiß er es selbst nicht, aber das hilft nicht gerade mit Holden warm zu werden.
Die Ereignisse, die ihm an den drei Tagen passiert ist - kein Wunder, dass er im Sanatorium gelandet ist. Also so ein bisschen. Größtenteils saß ich beim Lesen nur da und dachte, wie unrealistisch das alles ist. Dass das alles in der kurzen Zeit passiert sein soll. Fühlt sich eher so an, als wären nicht drei Tage, sondern eine ganze Woche vergangen. Auf der anderen Seite wird so vieles davon auch irgendwie recht langweilig beschrieben, und ich hatte auch leider nicht so viel Spaß beim Lesen, wie ich es anfangs erhofft hatte.
Fazit:
Tja, das Buch ist leider wieder nur ein weiterer Beweis für mich, dass ich nicht zur Zielgruppe von den meisten Klassikern gehöre. Dass ich mit denen nicht warm werde und ich eher für moderene Bücher zu haben bin, aus den letzten 20-30 Jahren herum. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber die gibt es leider sehr selten. Das Buch war an sich ok, aber es war jetzt nichts, was mich aus den Socken gerissen hat. Es war so ein: Aha, so eine Art von Buch ist das. Aber ja, vielleicht ist auch einfach vieles an mir vorbeigegangen. Das kann ich nicht sagen. Von mir bekommt das Buch insgesamt 3 Sterne.
- Herman Melville
Moby Dick
(527)Aktuelle Rezension von: Rubinrot_LauraCover und Gestaltung:
Das Cover ist schlicht gehalten, hat denn noch tolle Details, die große Flosse und der kampfbereite Mann auf dem kleinen Boot. Ich mag das Seemanns-Seil am Rand wirklich sehr, ein genialer Rahmen, der eine geniale Seemanns-Geschichte einrahmt. Das Buch liegt schwer und dick in der Hand, aber lasst euch davon nicht abschrecken. Legt es beim Lesen auf einen Tisch, bewundert die tollen Illustrationen und Seitengestaltungen, jede Doppelseite ist auf seine eigenen weise sehr besonders und aufwendig gestaltet. Ich finde, man bekommt hier wirklich viel für sein Geld geboten. Außerdem findet man auch bei dieser Schmuckausgabe wieder kleine Extras wie eine Landkarte, einen Brief, die Crew und vieles mehr. Die wunderschön gestalteten Extras liegen im laufe der Geschichte bei passenden Stellen im Buch bei, sodass sie das lesen einfach so besonders und lebendig machen.
Meine Meninung:
Für viele von euch mag dieser Klassiker sicherlich bekannt sein, ich habe immer nur von Moby Dick gehört, aber nie das Buch gelesen. Dank dem Coppenrath Verlag, habe ich es dann gewagt. Begleitet mit tollen Illustrationen und vielen Extras macht es einfach mehr Spaß 🤭.
Die dicke des Buches fällt ein hier dann beim Lesen auch nicht mehr so auf. Im Sommer lese ich gerne Bücher, die am Meer spielen und Moby Dick spielt sogar auf hoher See. Keine romantische Geschichte, aber eine sehr spannende.
Der Schreibstil ist sehr lebendig und es ist mehr wie ein Film als ein Buch. In dem Buch geht es um Kapitän Ahab, der zusammen mit seiner Crew auf der Suche nach Moby Dick ist. Er wird immer wahnsinniger in seinen Rachewahn. Man muss wirklich Geduld haben, dies ist kein Buch, was man an einem Nachmittag lesen kann. Einige Kapitel habe ich erstmal auf mich wirken lassen. Das Buch lässt sich aber sehr gut lesen, es hat tolle Redewendungen und einen großartigen Schreibstil.
Die Illustrationen von Kai Würbs haben perfekt zur Geschichte von Herman Melville gepasst. Die Schmuckausgabe von Moby Dick darf wirklich in keiner Klassiker Sammlung fehlen .
Fazit :
Schockierend, dramatisch und faszinierend zugleich.
- Max Frisch
Homo faber
(3.277)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderWalter Faber ist Ingenieur und hat für sein Leben feste Regeln, Strukturen und Bahnen. All zu gern filmt oder fotografiert er auch aus seinem eigenen Blickwinkel. Es beginnt mit einer Flugreise, die in einer Wüste endet, da die Triebwerke versagen. Walter ist schon die ganze Zeit von einem Mitreisenden genervt, aber es stellt sich heraus, dass er dessen Bruder kennt und so kommen alte Gedanken wieder hoch und auch Erinnerungen an Hannah. Die Frau, die er immer geliebt hat und es vielleicht immer noch tut. Es geht nichts voran und für Walter, den Macher, den technisch begabten Herrn, ist dies furchtbar, aber er hat plötzlich ganz andere Gedanken und Erinnerungen. Wieder zurück in seinem eigentlichen Leben will er eigentlich seine Freundin verlassen, aber sie will es nicht verstehen und so geht er früher als geplant aufs Schiff. Auf dieser Reise fasziniert ihn eine junge Frau. Sie kommt ihm seltsam bekannt vor und er fühlt sich stark von ihr angezogen und Walter kann es nicht ganz deuten und lässt sich auf ein gewagtes Spiel ein.
Homo Faber ist seit Jahrzehnten Schullektüre und bringt die Schüler eher nicht zum jubeln. Es sind so viele Geschichten, Charaktere, Themen, Länder und Facetten in dem Buch und darum ist es nur verständlich, dass es nicht gerade zum Lieblingsbuch in der Schule gilt. Max Frisch ist aber ein Meisterwerk gelungen und man wird aufgewühlt und zum nachdenken und diskutieren gebracht. Gewagte Thesen und Kritik am System und das alles immer noch topp aktuell. [Mutterschaft als wirtschaftliches Kampfmittel der Frau.] Äußert man diesen von Faber gedachten Satz bei einem Gespräch, dann entfacht man sofort Diskussionen. Genauso wie ein Ausspruch von Hannah, denn sie will erst an Gott glauben, wenn es Mann und Frau sind, Gott als Paar. Oder [wir können nicht das Alter aufheben, in dem wir weiter addieren, indem wir unsere eigenen Kinder heiraten.] Es sind so viele großartige Sätze Gedanken und Entwürfe in dem Buch und so viel, das einen zum lachen bringt, zum nachdenken, lieben und leiden. Homo Faber ist eine Wucht!
- Franz Kafka
Das Schloss
(310)Aktuelle Rezension von: LucianVicovanWas ich besonders an F. Kafka schätze, ist die Art und Weise wie er die abstrakteste Situationen als „nunmal gegeben“ hinstellt und daraufhin alles Weitere mit allergrößter Selbstverständlichkeit drumherum aufbaut!
Dieses Werk hätte auch noch weitere zwei Tausend Seiten umfassen können, ich hätte sie genauso Gierig verschlungen!Wir Menschen, mit unserer Organisation, Bürokratie, und alles was diese Aspirationen mit sich bringen, sind doch sehr, sehr witzige Geschöpfe! ☺️
- Günter Grass
Die Blechtrommel
(563)Aktuelle Rezension von: SM1"Die Blechtrommel" ist wohl das bekannteste Werk des Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass. Es bildet zusammen mit der Novelle "Katz und Maus" und dem Roman "Hundejahre" die Danziger Trilogie.
Die zentrale Figur des Buches ist Oskar Matzerath, der im Alter von drei Jahren aus Protest beschließt, nicht mehr zu wachsen.
Der Roman ist in drei Bücher unterteilt, deren Schauplätze Danzig (Buch eins und zwei) und Düsseldorf (Buch drei) sind.
Aus der Sicht der Hauptfigur wird ein Stück deutscher und europäischer Geschichte auf ungewöhnliche Weise und aus einer ungewöhnlichen Perspektive geschildert.
Auch wenn es sich dabei um alles andere als leichte Kost handelt, ist der Roman größtenteils sehr unterhaltsam, so dass sich die manchmal anstrengende Lektüre letztlich lohnt.
- William Golding
Herr der Fliegen
(877)Aktuelle Rezension von: bookstories"Herr der Fliegen", im Originaltitel "Lord of the Flies", ist ein Klassiker der Weltliteratur. Es war William Goldings erster Roman, nachdem er 1934 mit Gedichten an die Öffentlichkeit trat und erst zwanzig Jahre später Romane zu schreiben begann. Noch einmal dreissig Jahre später wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Golding hat neben ein paar Essays insgesamt neun Romane geschrieben, 1993 starb er im Alter von 82 Jahren. Seine poetische Ader findet auch hier in "Herr der Fliegen" ihren Durchschlag - mit Recht wird auf der Rückseite meiner ex libris Ausgabe von 1983 eine Kritik der Frankfurter Allgemeine Zeitung angeführt, dass Poesie und bittere Wahrheit selten so eins sind wie in diesem Buch. Dieser Roman kann nicht besprochen werden, ohne das Ende zu erwähnen, ohne zu spoilern, denn schon im Klappentext des Buches, wenn man ihn denn vorher lesen möchte, wird auf die Absicht des Autors und den Ausgang der Geschichte hingedeutet.
Ich hatte mit der Lektüre kurz vor unserem lange ersehnten Wellness-Weihnachtsurlaub begonnen und den Grossteil des Buches dann im Hotel bei tiefster Entspannung gelesen. Auf dem Nachtisch lagen während diesen Tagen noch drei weitere Romane, die ich mitgenommen hatte, da ich glaubte, zum Lesen endlich genügend Zeit zu finden. Meine Besprechungen wollte ich dann später zuhause schreiben, doch nach der Lektüre von "Herr der Fliegen" konnte und wollte ich kein anderes Buch mehr lesen. Die Geschichte hat mich am Ende sehr nachdenklich gestimmt, obwohl sie mich in der ersten Hälfte nicht wirklich begeistern konnte.
Warum nicht? Immer wieder fragte ich mich bis zur Mitte, was mich denn stört, was mich davon abhält, tief in den Schauplatz auf dieser einsamen Insel einzutauchen. Gewiss liegt es nicht an der Erzählkunst des Autors, seiner wundervollen poetischen, imposanten und bildkräftigen Sprache, wenn er Landstriche der Insel beschreibt, Naturstimmungen, Formulierungen benutzt, die ich so noch nie gelesen habe, die aber einprägende Bilder entstehen lassen und den Leser unmittelbar in die Wildnis, in dunklen Dickicht, an Palmenstrände in grünem Licht, prallgefüllte Fruchtbäume, tiefblaue Lagunen, rote Klippen und Felsformationen, warme Tümpel, weissen Sand und Gischt umschäumte Meeresbrandungen führt. Allein das ist schon die Lektüre wert.
Auch liegt es nicht am Erzähltempo, das mir nicht langsam genug sein kann, wenn es darum geht, Atmosphäre zu schaffen. Selbst für Dialoge und das Befinden seiner Protagonisten nimmt der Autor sich Zeit, obwohl viele Dialoge und Gedankengänge mitten im Satz abbrechen. Er interessiert sich für seine Figuren, arbeitet sie sorgsam heraus, schildert eindrücklich, wie Abgeschiedenheit, Isolation und Angst mehr und mehr an den Kindern nagt und ihnen Grenzen, Struktur und Ordnung der Erwachsenenwelt zu fehlen beginnen. Vielleicht ist genau das der Grund. Ich frage mich, ob es dem Autor tatsächlich gelungen ist, aus der Perspektive und Innenschau von Sechs- bis Zwölfjährigen zu schreiben. Dass Erwachsene in entsprechenden Situationen anders handeln oder denken oder sprechen würden, darüber besteht kein Zweifel. Aber es ist mir nicht gelungen, mich aufgrund von Goldings Schilderungen permanent in die Kinder hineinzuversetzen. Mag sein, dass dies an meinem eigenen Unvermögen liegt. Allerdings - wenn die Geschichte dem Ende zugeht, scheint der Leser immer mehr zu vergessen, dass hier Kinder die Hauptrolle spielen, und nicht wild gewordene Erwachsene. Doch dies scheint so gewollt zu sein und macht am Ende das Verstörte der Geschichte aus, und deren Botschaft.
"Herr der Fliegen" wurde ein paar Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Faber and Faber Verlag London veröffentlicht und erlangte, nachdem zuerst etliche Verlage den Roman abgelehnt hatten, vor allem in Grossbritannien und Amerika grosses Aufsehen. Das Buch erreichte Millionen von Lesern. Übertragen für den S. Fischer Verlag hat Hermann Stiehl, der auch spätere Romane Goldings ins Deutsche übersetzte. Als Vorwort ist dem Roman ein Zitat aus Goethes Faust vorangestellt, worin Mephistopheles spricht, und das auf das Teuflische hindeutet. Er sei der Geist, der stets verneint, und dass alles, was entstehe, zurecht zugrunde gehe, und gibt sich als das eigentliche Element zu erkennen, das der Mensch Zerstörung nennt, das Böse. Auch ist in dem Zitat vom Fliegengott die Rede.
Ich habe mich vor der Lektüre öfter gefragt, wer mit "Herr der Fliegen" eigentlich gemeint ist - und wie dieses Vorwort schon andeutet, kann von einem Gleichnis, einer symbolischen Umschreibung der finsteren Urkraft, des animalischen, zerstörerischen Urtriebs ausgegangen werden. Dies wird speziell im achten Kapitel deutlich (Golding benutzt Kapitelüberschriften), das den eigentlichen Titel "Der Herr der Fliegen" trägt. Ein aufgespiester Schweinekopf und die herumliegenden Gedärme des abgeschlachteten Schweins ziehen Fliegen an, die sich auf die grinsende Todesfratze setzen. Der Schweinekopf, eine Opfergabe für ein erdachtes Tier, das die Kinder auf der Insel bedrohen soll, beginnt mit Simon, einem der Jungen, stumm zu sprechen - ein Ausdruck von Angst, die sich in dem Jungen auf diese schwarzmagische okkulte Weise offenbart.
Wovon handelt die Geschichte? Eine Gruppe von Schuljungen zwischen sechs und zwölf Jahren strandet nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Insel und muss mit der nackten Natur und ihrer eigenen "Nacktheit" zurechtkommen. Dass Krieg herrscht in der übrigen Zivilisation und ihre Maschine abgeschossen wurde, darf der Leser annehmen. Die Erwachsenenwelt bleibt aussen vor und mit ihr auch alle Gesetze, Strukturen und Ordnungen der Grossen. Zwei Jungen lernen sich gleich zu Beginn kennen, Ralph und Piggy, die unterschiedlicher nicht sein können. Sie finden ein Muschelhorn, dessen Klang eine ganze Horde von Kindern aus dem Dickicht lockt.
Mit diesem Horn als Signal beschliesst Ralph, Versammlungen durchzuführen und einen Anführer zu bestimmen - der Beginn rivalisierender Verhaltensmuster und Egoansprüche, die sich durch das ganze Buch ziehen. Denn für Ralph, ein eher instinktiv handelnder Junge, der als Anführer gewählt wird, hat das Anhalten eines grossen Höhenfeuers und das Bauen von Hütten erste Priorität. Er strebt nach Sicherheit und will von der Insel weg. Sein Gegenspieler Jack findet nur Gefallen am Jagen von Schweinen, die sie auf der Insel entdeckt haben. Ihn kümmert die Rettung nicht, die Jagd macht ihm Spass, und nicht nur das Fleisch, das es zu essen gibt, treibt ihn an, auch die Lust am Töten. Was allen Kindern gemein ist, und die Kleinen leiden am meisten darunter, ist die Angst vor der Dunkelheit auf der Insel. Nachts werden sie von Alpträumen geplagt, und man beginnt sich einzureden, von einem unbekannten, auf der Insel hausenden Tier bedroht zu werden.
So verdrängen unterschiedliche Motivationen und vor allem die Machtansprüche seitens Jack ein geordnetes Zurechtkommen auf einer Insel, die alles bietet. Piggy, der kleine Dicke mit Brille ist in diesem Buch der schüchterne Vertreter der Vernunft und des logischen Denkens, doch er wird von niemandem angehört, nicht einmal dann, wenn er als Sprecher in einer Versammlung das Muschelhorn im Arm trägt. Nur seine Brille findet Nutzen - als Brennglas, um Feuer zu entfachen. Als Jack sich mit ein paar anderen von der Gruppe absetzt, beginnt der Kampf um Nahrungsbeschaffung, Feuerbesitz und Macht zu eskalieren. Am Ende ist es Ralph, der gejagt wird, und keine Schweine mehr. Eine beklemmende Vorstellung, wenn man bedenkt, dass es sich bei den Protagonisten nicht um gewalttätige Erwachsene handelt, sondern um zwölfjährige Kinder. Am Ende bringen sie es fertig, eine paradiesische Insel in Schutt und Asche zu legen.
Die Geschichte der Jungengruppe auf der einsamen Pazifikinsel soll ein Gleichnis sein für die Botschaft, dass die Gebrechen der Gesellschaft auf die Gebrechen der menschlichen Natur zurückzuführen sind. Der Einzelne in seinem Widerstand gegen die Barbarei entscheidet über das Ethos der Gemeinschaft, wie Golding es selbst formuliert hat. Dass der Mensch in seinem tiefsten Innern grundsätzlich zerstörerisch ist, bezweifle ich allerdings. Es gibt eine Sequenz im Buch, wo der Autor die Machtlust bereits beim Spielen eines Sechsjährigen aufflammen lässt. Dem Kleinen bereitet es Freude, kleine Tierchen, die mit der Flut an den Strand gespült werden, in mit Wasser gefüllten Rinnen und Fussstapfungen gefangen zu halten. Golding schreibt, seine Hingabe an dieses Spiel sei mehr als blosses Glücksgefühl, als der Kleine spürt, dass er über lebende Wesen gebieten kann. Mag sein, dass dies dem Menschen eigen ist. Was das menschliche Bewusstsein in jedem Fall von jenem des animalischen unterscheidet, ist die Fähigkeit, zu denken. Dies kann zur Meisterschaft führen, doch ebendiese Identifikation mit dem Denken stärkt das Ego, das den Menschen ins Leid und Verderben stürtzt.
Review mit Zitaten und Bildern auf https://www.bookstories.ch/gelesenes1/herr-der-fliegen
- Michel Houellebecq
Elementarteilchen
(433)Aktuelle Rezension von: SofiaCuorDiLeoneIch habe dieses Buch vor allem deshalb gelesen, weil es zu den Klassikern und meist diskutierten Werken überhapt gehört - und war leider schnell abgestoßen davon. Dies ist vor allem meinem persönlichen Geschmack "geschuldet", denn ich lese einfach ungern Bücher mit so extrem expliziten Inhalten - mir geben solche Beschreibungen leider nichts außer ein ungutes Gefühl und den Drang, die Passage schnell zu überspringen oder das Buch gar weg zu legen; hier habe ich es zwar bis zum Ende geschafft, jedoch mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Es mag durchaus genug Leser*innen geben, die damit kein Problem haben oder so etwas sogar gerne lesen - für diese könnte Elementarteilchen bestimmt eine fesselnde Lektüre sein, nur gehöre ich eben leider nicht dazu. Inhaltlich hat mir der Text nichts gegeben, leider ein absoluter Reinfall für mich.
- Michel Houellebecq
Unterwerfung
(303)Aktuelle Rezension von: oszillierenViele der schlechten Bewertungen stammen von Rezensierenden, die den Hauptcharakter unsympathisch finden. Wenn man danach ginge, könnte man die Hälfte der Weltliteratur in den Ausguss kippen.
Ich fand das Buch gerade wegen der Mentalität des Protagonisten so interessant. Er steht stellvertretend für Tausende und Abertausende Männer, die (offensichtlich oder tief im Innern) sexistische Klischees hegen, für Tausende und Abertausende Menschen, die sich mit jeglichem Regime arrangieren würden, solange etwas für sie dabei herausspringt. In diesem Fall ist dieses „Etwas“ z.B. die Unterwerfung gefügiger Ehefrauen. Dass Menschen oft Sklaven ihrer niederen Instinkte sind, ist keinesfalls abwegig, und die daraus resultierende systematische Unterdrückung ist Praxis in vielen Ländern dieser Welt. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, auch wenn der Gedanke unerfreulich ist. Gerade Deutsche wissen doch, wie leicht es ist, Menschen zu manipulieren und zu Gräueltaten zu bewegen, solange Politik es legitimiert und sagt „Du darfst das“. Darum geht es in dem Roman: Um den schleichenden Verlust der Menschlichkeit. Das fand ich faszinierend, gerade wenn das so klug beschrieben wird, wie Michel Houellebecq es tut.
Nun muss man natürlich darüber sprechen, wie wahrscheinlich es ist, dass die im Roman beschriebene politische Umwälzung in unseren Gefilden so stattfinden würde. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit gering. Und jedem ist bewusst, dass das Thema des Islams in Europa seit Jahrzehnten (Jahrhunderten!) kontrovers diskutiert wird. Aber mit Verlaub: Als erwachsener Mensch bin ich zu vernünftig, um nach der Lektüre eines Romans islamophob zu werden - und die meisten anderen LeserInnen auch.
À propos und nicht, dass es eine Rolle spielt - denn Literatur darf (fast) alles - aber ich sag es trotzdem: Das Buch beantwortet übrigens ganz klar, wer der Bösewicht ist. Es ist nicht der muslimische Politiker mit seinen Moralvorstellungen, sondern der opportunistische weiße Franzose, dem alles egal ist, solange er einen vollen Magen hat und eine Zwanzigjährige fürs Bett zugewiesen bekommt.
Leichte Kost wird niemand erwarten, der zu diesem Buch greift, aber ich erwähne trotzdem ausdrücklich, dass das Buch an die Substanz geht. Der gute Schreibstil ließ mich kaum von „Unterwerfung“ ablassen, aber spätestens gegen Ende des Buches wurde mir der Sexismus zweier Figuren zu viel. Ich bereue es im Nachhinein nicht, aber ich musste mich dazu zwingen, mir die letzten 90 min. anzuhören.
Fazit: Ein brillantes, fesselndes, schockierendes Buch. Ich bin froh, es gelesen zu haben. Wird nicht mein letzter Houellebecq gewesen sein.
- Janne Teller
Nichts
(1.068)Aktuelle Rezension von: Jana_hat_buecherPierre Anthon ist im Gegensatz zu seiner Mitschülerin Agnes und ihrer Klasse nicht mehr zum Unterricht erschienen, da er der Meinung ist, dass alles keine Bedeutung mehr hat und somit nichts lohnt. Um ihm das Gegenteil zu beweisen tut sich die ganze Klasse zusammen und jeder Einzelne bestimmt über ein wichtiges Detail im Leben des Anderen und genau diese wichtigen Dinge werden zu einem Haufen aufgetürmt. Was harmlos mit ein paar modischen Sandalen anfängt, wird schnell zu einem Wetteifern um immer krassere Dinge zu opfern und führt zu einer dramatischen Gruppendynamik.
Manchmal erschrecke ich mich daran wie grausam Jugendbücher sein können, aber dann denke ich prinzipiell über Kinder nach und wie grausam diese auch im echten Leben untereinander sein können und auch sind. Daher hat mir der philosophische Ansatz von Pierre Anthon gefallen und als Leser fragt man sich unwillkürlich auch was eigentlich eine wirkliche Bedeutung in seinem Leben hat. Und was sind Dinge, über die man sich vielleicht aufregt und am nächsten Tag schon vergessen hat. An sich ein sehr gutes Buch, das zum Nachdenken anregt, auch wenn es tiefe menschliche Abgründe zeigt.
- Elfriede Jelinek
Die Klavierspielerin
(236)Aktuelle Rezension von: AliknechtDie Klavierspielein ist ein ältliches Fräulein von 38 Jahren, an dem das Leben bisher vorbeigegangen ist. Sie lebt unter der Fuchtel ihrer ehrgeizigen Mutter. Ihre Karriere ist ins Stocken geraten und sie fristet ihr Dasein als Professorin für Klavier. Dann bringt ein Schüler ihr Leben durcheinander. Sie können aber nicht zueinander finden und die Geschichte entwickelt sich tragisch. Hervorragend in einer ganz eigenen Sprache geschrieben.
- Georg Büchner
Dantons Tod
(245)Aktuelle Rezension von: beccarisGeorg Büchners Text kann auch heute noch mit einigem zeitgeschichtlichen Bezug gelesen werden. Die französische Revolution, deren Ursprung auf die massive Staatsverschuldung und die grosse Ungleichheit der Standesgesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts zurückzuführen ist, bildet den Hintergrund dieses Dramas. Anhand der Hauptcharaktere Danton und Robespierre schildert Büchner eindrücklich, wohin übersteigerter Idealismus und Fanatismus führen können. Ein paar wenige selbsternannte Vertreter des Volkes – ohne dieses je befragt zu haben – führen die Revolution an, die schnell aus dem Ruder läuft und in einer Schreckensherrschaft und unglaublichem Leid endet. Was die Manipulation der Massen und die daraus entstehende Gruppendynamik bewirken kann, lässt einem erahnen, wie nah Wahnsinn und Tugend sein können. Nicht selten werden dabei Naturereignisse als Argumentationshilfe für demagogische Inhalte missbraucht.
Wenn man die heutige Welt besser verstehen will, sollte man dieses Werk lesen.
- Alice Oseman
Solitaire (deutsche Ausgabe)
(290)Aktuelle Rezension von: abouteverybookCharaktere: Tori hat es nicht so einfach und gerade das hat sie sehr authentisch gemacht. Die große Schwester zu sein, die sich um alles kümmert, aber sich selbst dabei vergisst – es hat mir regelrecht das Herz gebrochen. Auch wenn sie teilweise nicht wirklich nett war, hat sie ein großes Herz. Aber sie muss einfach nur anfangen sich selbst zu lieben. Dass das nicht so einfach ist, wurde wirklich gut in dieser Geschichte vermittelt. Ich habe Tori sehr ins Herz geschlossen.
Micheal fand ich schon direkt von der ersten Sekunde an amüsant. Er weiß auch immer direkt was er sagen kann. Aber er ist nicht nur amüsant, sondern auch echt süß. Trotz einiger Unstimmigkeiten und Streitigkeiten hat er Tori nie aufgegeben und ich bin mir ziemlich sicher, dass er das niemals wird. Selbst wenn er wollte.
Tori und Michael zusammen sind einfach nur unbeschreiblich. Sie ergänzen sich sehr gut, aber haben gleichzeitig auch einiges gemeinsam, was auf den ersten Blick nicht so scheint.
Anfangs wusste ich nicht was ich von Becky halten sollte, weil ich wirklich das Gefühl hatte, dass es ihr nur um die Oberflächlichkeiten ging und nach der Sache mit Ben, war ich echt nicht begeistert von ihr. Aber letztendlich ist Becky ein wirklich guter Mensch und verdeutlicht einfach, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, selbst wenn man es nicht sieht.
Toris Mutter fand ich schon im letzten Heartstopper Teil nicht so einfühlsam. In diesem Buch war sie aber irgendwie noch mal schlimmer. Es ist sicherlich nicht einfach für sie, aber ständig so auf Tori herumzuhacken hat mich echt aufgeregt.
Spannung: Die Handlung war wirklich sehr interessant, gerade mit Solitaire. Vieles hat mich selber auch aufgewühlt, was aber die Spannung echt vorangetrieben hat. Ich habe nur so die Seiten umgeblättert.
Schreibstil: Der Schreibstil hat mir echt gut gefallen, weil er so flüssig und locker war, obwohl schwierige Themen angesprochen wurden.
Cover: Das Cover gefällt mir echt gut durch die Farbgebung und den zeichnerischen Stil.
Fazit: Ich gebe dem Buch 5/5 und zähle es zu meinen Jahreshighlights. Die Geschichte war ziemlich aufwühlend, aber das auch nur, weil ich die Gefühle der einzelnen Charaktere wirklich verstehen konnte. Teilweise hat es mich auch zum Nachdenken angeregt. Eine Leseempfehlung meinerseits! - Louis-Ferdinand Céline
Reise ans Ende der Nacht
(68)Aktuelle Rezension von: franzziEs ist beklemmend...
es ist zutiefst deprimierend...
es ist grauenhaft drastisch...
es ist ekelerregend detailreich...
es ist faszinierend wortgewaltig....
es ist...
...ein beeindruckendes Buch, das Louis-Ferdinand Céline da mit seiner "Reise ans Ende der Nacht" vorgelegt hat.
Mit einer überbordend fabulierenden Sprache und einem lakonischen wie unkonventionellen Tonfall erzählt Céline darin das Leben seines Protagonisten Ferdinand in der Zeit des Ersten Weltkriegs und der Zwischenkriegszeit. Die Geschichte beginnt mit dem jungen, patriotisch-begeisterten Franzosen, der sich überhastet und unüberlegt als Freiwilliger für den Krieg meldet und der kein Kriegsgräuel auslässt. Allzu detailreich fliegen da die Kameraden in die Luft, kriecht den Soldaten die Angst in jede Pore, so dass sie weder tags noch nachts zu anderen Gedanken imstande sind als dem, irgendwie abzuhauen.
"In diesem Beruf, dem, sich umbringen zu lassen, darf man nicht zimperlich sein, da muss man so tun, als ob das Leben weiter ginge, und diese Lüge, die ist das Härteste." (S. 46)
Auch der Leser darf nicht zimperlich sein, denn die Kriegsschilderungen sind so beklemmend scharf gezeichnet, dass mehrfach der Drang aufkommt, das Buch wegzulegen und auch nicht wieder aufzuschlagen.
Doch Ferdinand kommt davon. Er versucht dem Krieg zu entkommen, in dem er sich in die französischen Kolonien absetzt, wo ihn jedoch neues Elend, neue Einsamkeit und neue Existenzängste nur weiter mürbe machen. Nach einem erfolglosen Abstecher in die Vereinigten Staaten kehrt er schließlich zurück ins triste Nachkriegs-Frankfreich und versucht sich als niedergelassener Arzt. Doch auch hier begleiten ihn Tod, Missgunst und Misserfolg. Mit stoischer Lakonie beschreibt er sein Leben im Pariser Vorort, die Unfähigkeit zu leben. Einen Sinn zu sehen. Fertig zu werden. Mit irgendetwas, in irgendeinem Sinne.
"Übrigens ähneln sich nach ein paar Jahren alle Versager. In den Massengräbern des Scheiterns gilt ein Doktortitel so viel wie der Prix de Rome. Höchstens, dass man nicht genau zur selben Zeit in den Bus steigt. Mehr nicht." (S. 367)
Und wohin er auch geht, stets trifft er auf seinen Bekannten Robinson, den er zwar ebenfalls als niedergeschlagenen Erfolglosen zeichnet, der aber doch ein Gegenentwurf zum Ich-Erzähler Ferdinand zu sein scheint - und der ihm zunehmend zur Last fällt. Erst recht, als eine seiner Gaunereien schrecklich schief geht und die viel beschworene Nacht um die beiden nur noch tiefer wird.
"Die große Anstrengung im Dasein rührt vielleicht insgesamt von dieser enormen Mühe her, die wir zwanzig, viertig, noch mehr Jahre lang aufwenden, um vernünftig und nicht einfach nur schlicht und zutiefst wir selber zu sein, also schmutzig, widerlich, absurd." (S. 544)
Es ist ein niederschmetterndes wie genau beobachtetes Bild, das Céline in seinem Erfolgsroman zeichnet. Es ist ein Geniestreich, der mit seinem Sprachspiel trotz all der deprimierenden Geschichten fasziniert und mitreißt. Mit gespitztem Bleistift möchte man jede zweite Seite mitschreiben, was ihm da so einfällt, was ihm so auffällt und vor allem, wie er es ausdrückt.
"Die Sonne, die allzu viel durchdringen muss, hat für die Straße nur noch ein herbstliches Licht voller Sehnsucht und Wolken übrig", schreibt er da mal poetisch (S. 363). Oder er formuliert einen Gedanken, den wohl jeder mal so ähnlich, aber kaum einer so schön hatte, wie folgt: "Überhaupt nicht lustig war das, und dann hat's mich nicht mehr losgelassen. So ein Gehirn, das ist der schlimmste Tyrann, den es gibt." (S. 319)
Und es ist ein schier unbegreifliches Meisterstück vom Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel, der diese Sprachgewalt mit scheinbarer Leichtigkeit ins Deutsche übertragen hat. Chapeau und vielen Dank dafür.
Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. Denn eben jener Louis-Ferdinand Céline fällt nach seinem großen literarischen Wurf in den 1930ern vor allem durch ekelhafte antisemitische Pamphlete und Hetztiraden auf, die ihn zurecht diskreditierten. Wer das während der Lektüre ausblendet, wird den Autoren wie seinen Protagonisten kaum sympathischer finden, aber dennoch vor diesem Roman den Hut ziehen. - Lionel Shriver
Wir müssen über Kevin reden
(190)Aktuelle Rezension von: BuchstabenliebhaberinWir müssen über Kevin reden. Um zu verstehen, warum ein Teenager ein Blutbad anrichtet, um zu klären, ob es sein kann, dass Kinder mit bösartigem Charakter auf die Welt kommen, oder ob sie erst dazu "gemacht" werden. Was für riesige Probleme innerhalb einer Familie entstehen, wenn ein Familienmitglied "schwierig" ist und fortwährend unangenehm auffällt.
Lionel Shriver setzt sich mit wichtigen Themen unserer Zeit auseinander:
Darf eine Frau, erfolgreiche Unternehmerin, leidenschaftliche Weltenbummlerin, Zweifel haben, ob Kinder eine gute Entscheidung für sie sind? Kann sie beides unter einen Hut bekommen oder wird sie beruflich zurückstecken, zum Wohle der Kinder?
Was passiert mit dem Familiengefüge, wenn Vater und Sohn sich gut verstehen, die Mutter sich aber abgelehnt, sogar gehasst fühlt?
Können kleine Kinder Intrigen spinnen, können sie Befriedigung darin finden, anderen Schmerzen zuzufügen oder lassen sich manche Geschehnisse und Entwicklungen nicht 1:1 mit Logik oder psychologischer Dynamik erklären?
Was bringt Kinder/Teenager dazu, an ihrer Schule Amok zu laufen?
Was macht es mit den Hinterbliebenen, den Angehörigen der Opfer, und auch der Täter?Shriver verweist hier deutlich an die real statt gefundenen Schulmassaker aus dem Jahr 1999 (das bekannteste ist das Massaker an der Columbine High School) und davor.
Der Roman hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Mutter Eva reflektiert in Briefen an ihren Ex-Mann Franklin schonungslos alles, was in Zusammenhang mit Kevin steht. Sie baut eine faszinierende Spannung auf, die mit jeden Jahr, die Kevin älter wird, zunimmt. Mir standen die Haare zu Berge, als Eva ein zweites Kind bekommt! Ich wollte Franklin schütteln, wenn er mal wieder alle Augen zudrückt, um weiterhin nur das Beste in Kevin sehen zu wollen. Verständlich. Aber leider mit fatalen Folgen. Berührend die Dialoge zwischen dem inhaftierten, inzwischen 18-jährigem und seiner Mutter, die mit einem absoluten Gefühlschaos klar kommen muss.
Lionel Shriver hat für ihr Werk den Orange Prize erhalten. Von mir bekommt sie eine klare Leseempfehlung für dieses besondere Buch.
- Voltaire
Candide
(146)Aktuelle Rezension von: blertaCandide wird unvorbereitet in die weite Welt geworfen. Auf sich allein gestellt, erkundet er die Welt, die nach seinem Lehrer Panglos, die beste aller Welten ist, und in der es keine Ursache ohne Wirkung gibt.
Zusammen mit Candide begegnet man in diesem Buch vielen grauenvollen Taten: Vergewaltigung, Krieg, Missbrauch, Mord. Man wird mit vielem konfrontiert, das einem zu denken gibt. Ist dies wirklich die beste aller Welten?
Es wird nie wirklich ins Detail gegangen, die Erzählungen sind sehr oberflächlich, was es mir manchmal etwas schwierig gemacht hat, dem Handlungsverlauf auch wirklich zu folgen. Aber diese oberflächliche Schilderung mit diesem satirischen Ton, macht, dass man zu hinterfragen beginnt, aus welcher Ursache diese Wirkung entstanden ist. Und das gibt auch Candide zu denken, denn ihn plagen Zweifel, ob die Welt wirklich so schön ist, wie er immer gedacht hat.
Die Handlung spielt sich vor allem zum Ende hin sehr rasant ab; ich wusste manchmal nicht mehr, wo oben und unten war, was jetzt gerade passierte – und vor allem wieso das jetzt passierte. Aber auch das hat einen gewissen Reiz, den man erlebt Abenteuer, die man nie erwartet hätte und hört Geschichten, die man ansonsten nie hören würde.
Ich verstehe die Kritik, die Voltaire mit dieser Geschichte im 18. Jahrhundert übt: Dass die Welt grausam sein kann, dass es nicht nur Gutes geben kann. Und Candides blinder Optimismus, der in so einer Welt Fehl am Platz scheint, regt zum Nachdenken an.
Aber leider machte mir das Lesen keine Freude, was vor allem an der Sprache und Erzählweise lag, obwohl ich die Denkansätze, die das Buch liefert, sehr interessant finde.
Fazit
Eine Kritik an die Missstände im 18. Jahrhundert, die satirisch behandelt werden und einen zum Nachdenken anregen. Die Geschichteliefert interessante Denkansätze und zwingt einen, sich mit grauenvollen Taten auseinanderzusetzen und sich zu fragen, weshalb das alles passiert.Leider fand ich es sehr anstrengend zu lesen und konnte teils der Handlung nicht wirklich folgen.
- Benjamin von Stuckrad-Barre
Soloalbum Jubiläumsausgabe
(401)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderEr ist Anfang zwanzig und wurde von seiner Freundin verlassen. Wie lebt man da weiter? Es lief doch alles so gut? Unter der Bettdecke erinnert er sich an die gemeinsamen Tage, Wochen, Monate und hört viel Musik. Oasis ist seine Band und als Musikjounralist hat er schon oft über sie berichtet. Seine Freunde wollen ihm aus dem Trauertal heraus holen, aber zu tief ist der Schmerz. Gibt es auch noch eine andere da draußen oder kann er sie vielleicht sogar zurück erobern? Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt von tiefen Gefühlen, Verletzungen, Enttäuschungen und der Liebe und das Hoffen auf einen Neubeginn. Witzig, geistreich und mit sehr viel Ehrlichkeit.
- Philip Roth
Portnoys Beschwerden
(65)Aktuelle Rezension von: LarissaMariaIch wusste ja worauf ich mich einlasse. Im Prinzip zumindest. Zwangsstörung meets Promiskuität.
Nicht selten wurde Philip Roth dafür kritisiert, dass seine Charaktere zu getrieben sind, es ginge nur um Sex und Selbstmitleid,
Die geteilten Meinungen, welche über ihn kursieren, haben mein Interesse geweckt. Ich wollte mir selbst ein Bild machen.
Ich lernte also Alexander Portnoy kennen; einen jüdischen Amerikaner, der beim Psychiater sitzt und sein Leid klagt.
Das würde das ganze Buch eigentlich schon in einem Satz zusammenfassen.
Der Monolog, aus dem das Buch besteht, veranschaulicht seinen Werdegang, schildert eine Existenz ohne besondere Sternstunden, ohne besonderen Glanz.
Seine Kindheit mit der Glucken-Mama und dem Waschlappen-Vater, seine Jugend, das Erwachen seiner Sexualität welche gleich in zwanghafte Sphären abdriftet, seine Unfähigkeit eine gute Beziehung zu führen… es ist eine endlose Misere.
Ich war während des Lesens ständig hin und her gerissen; zwischen Abscheu vor dem Protagonisten und Bewunderung für die Fähigkeit von Roth, dessen verrückte Gedankensprünge so anschaulich darzustellen.
Daher machte das Lesen irgendwie Spaß. Großteils war ich einfach nur genervt von Portnoys Veranschaulichungen, seinen Anschuldigungen, seiner Unfähigkeit zu erkennen, dass man an seinen Fehlern arbeiten kann... aber genau das hat eine eigene Art von Spannung erzeugt.
Ich bin nicht restlos begeistert, aber besonders die Pointe am Schluss hat mich nochmals laut auflachen lassen.
Also der Gesamteindruck war nicht schlecht. - Tillie Cole
A Thousand Boy Kisses (English Edition)
(43)Aktuelle Rezension von: franzisbookclub"A Thousand Boy Kisses" ist eine herzzerreißende Geschichte über die Liebe und den Verlust, die den Leser tief berührt. Die Handlung folgt den beiden Protagonisten, Poppy und Rune, deren Liebe über die Jahre hinweg auf die Probe gestellt wird. Tillie Cole gelingt es, emotionale Momente zu schaffen, die zum Weinen bringen und das Herz erwärmen.
Die Geschichte ist schön erzählt und bietet viele berührende Szenen, die eine starke emotionale Wirkung haben. Die Verbindung zwischen Poppy und Rune ist intensiv und wird liebevoll dargestellt, was die Lesenden in die Geschichte hineinzieht. Es gibt viele Momente der Zärtlichkeit und des Verständnisses, die zeigen, wie stark ihre Liebe ist.
Allerdings muss ich sagen, dass das Buch für meinen Geschmack viel zu kitschig ist. Die Handlung ist teilweise vorhersehbar und bietet wenig Überraschungen. Außerdem fehlen den Charakteren und der Erzählung die Ecken und Kanten, die für mich eine Geschichte lebendig und authentisch machen. Es gibt kaum Konflikte oder Herausforderungen, die die Protagonisten wirklich wachsen lassen, was die emotionale Tiefe beeinträchtigt.
Insgesamt ist "A Thousand Boy Kisses" eine rührende Geschichte über die Kraft der Liebe, die aber durch ihren hohen Kitschfaktor und die fehlende Komplexität etwas an Wirkung verliert. Für Leser, die nach einer gefühlvollen, wenn auch etwas vorhersehbaren Lektüre suchen, könnte es dennoch ansprechend sein.
- David Berger
Der heilige Schein
(10)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerInteressant mal hinter den Kulissen der Katholischen Kirche zu blicken - E. M. Cioran
Werke
(6)Aktuelle Rezension von: Miskatonic-Inc.Eine inhaltlich umfassende, sich logisch aufbauende Besprechung zu diesem 50kg-Ungetüm werde ich und will ich nicht schreiben. Den Inhalt, die Biographie, usw. kann man überall nachlesen. Soll Suhrkamp einen Blöden finden der diesen Titel zurecht – ganz rational gesehen – in den Himmel lobt, mir geht es in den folgenden Zeilen ausschließlich darum meine persönlichen Erfahrungen mit dem Buch zu beschreiben. Das komplette Buch habe ich nie gelesen. Über die Jahre habe ich insgesamt wohl deutlich mehr Seiten aus diesen gesammelten Werken gelesen als sie laut Inhaltsangabe überhaupt haben, dennoch überkommt mich stets wiederkehrend, wenn ich meine mittlerweile schon ganz ramponierte Ausgabe in die Hand nehme, das Gefühl eines neuen Anfangs. Es ist wahrscheinlich nicht einmal wichtig, die Werke in chronologisch korrekter Reihenfolge zu lesen. Cioran war ein Aphoristiker und hat sich immer wieder gegen Systematiker ausgesprochen, die sich in seinen Augen lächerlich machen würden und noch dazu die Leserschaft belügen müssten. Quereinstiege sind also möglich, was den mehr als 2000 eng bedruckten Seiten die abschreckende Wirkung nimmt. Es ist vermutlich nicht einmal möglich dieses Werk so zu lesen, wie man ein Buch normalerweise liest. So richtig mit von vorne nach hinten und alles dazwischen. Cioran hat ausschließlich in Phasen der Depression, Vereinsamung, Schlaflosigkeit und Sinnlosigkeit geschrieben. Macht dies das Buch einseitig? Ja, tut es, aber dass macht nichts. Die Blickrichtung auf Philosophie, Leben, Sterben, Kultur usw. wird nicht gewechselt, aber die Gedanken und Überlegungen Ciorans sind erfrischend, originell und, was aufgrund der bevorzugten Themenkomplexe doppelt absurd scheint, sogar aufmunternd. In seinen Werken gehen das Negative und das Lächerliche oft Bund ein, der den schweren Dingen den Druck raubt. „Ohne die Idee des Selbstmordes hätte ich mich schon lange umgebracht“ ist da so eine aufhellende Überlegung, die 1000x aufrichtiger, aufmunternder und wahrer ist als die durchschnittlich „Du hast so vieles, wofür es sich zu leben lohnt“-Dummschwätzerei. [Keine Zeit mehr, wird aber fortgesetzt] - Wolfgang Borchert
Draußen vor der Tür
(225)Aktuelle Rezension von: OrishaEin Mann kommt nach Deutschland. Er kommt zurück, nach drei Jahren Sibirien, nach fünf Jahren Krieg. Zurück in eine Heimat, die nichts mehr für ihn bereit hält. Seine Frau liegt bei einem anderen. Der Oberst kennt ihn nicht mehr. Ein Job wird ihm nicht gegeben. Die Eltern sind tot. Da bleibt für Beckmann nur noch ein Weg - der Gang zur Elbe…
Bocherts "Draußen vor der Tür" zählt zu Recht zu den Klassikern der Nachkriegszeit. Mit seiner Figur Beckmann fängt Borchert das Leben eines Kriegsheimkehrers ein. Beckmann steht vor den Trümmern seines Lebens und wird mit unserer Gesellschaft konfrontiert. Eine Gesellschaft, die nach dem Krieg die Verantwortung von sich schob, die auf die anderen zeigte - ohne sich selbst zu hinterfragen. Die Anfängern keine Chancen mehr gab. Die dem Elend, draußen vor der Tür, den Rücken kehrt. Selbstmorde stehen an der Tagesordnung. Doch das interessiert niemanden.
Borchert fängt mit seinem Drama ein Stück Nachkriegsgeschichte ein. Eine Geschichte, die die Situation nach 1945 gut illustriert und den 1000den Schicksalen der Kriegsheimkehrer eine Stimme gab. Sicher in extremer Form, doch die braucht es, um wachzurütteln.
Kurzum: Ein Klassiker, den man gelesen haben sollte. Empfehlenswert.
- Emile M. Cioran
Vom Nachteil, geboren zu sein
(26)Aktuelle Rezension von: The iron butterflyE.M. Ciorans Aphorismen erschienen unter den Titel „Vom Nachteil, geboren zu sein“ – kein Buch um schlicht darüber hinweg zu lesen. Ich konnte bei der Lektüre weder stumpf abnicken oder ablehnend den Kopf schütteln, nein, Ciorans Gedankensplitter wirken dementsprechend. Sie bohren tief, sie wirken nach. Liest man Aussprüche wie…“Dieser Augenblick jetzt, eben noch der meine, da fließt er dahin, entrinnt mir, ist verstrichen. Werde ich mich mit dem folgenden einlassen? Ich entscheide mich dafür: Er ist da, er gehört mir, und schon ist er fern. Von morgens bis abends – Vergangenheit fabrizieren!“ …da schweift der Blick plötzlich ins Leere, zum Fenster hinaus und Ciorans Unerbittlichkeit in der Sichtweise öffnet Türen, die man selbst nur widerwillig aufgestoßen hätte. Gerade die Radikalität seiner Gedanken wirkt befreiend, im Vorwort ist von „Ciorans Philosophenhammer“ die Rede. Ohne Skrupel zweifelt er an Selbstverständlichkeiten, Gegebenheiten, an Wahrheiten. Sein Nihilismus „bootet“ den programmierten Geist und ermöglicht Freiheit die Existenz von einer neuen Warte aus zu betrachten. Wer Pessimismus und Desillusionierung vertragen kann, sollte Cioran lesen, er kennt alle Ausmaße der Skepsis und scheut vor keiner Instanz zurück. - Don Winslow
Das Kartell
(142)Aktuelle Rezension von: JosseleDie amerikanische Originalausgabe dieses Romans erschien 2015 unter dem Titel „The Cartel“. Es ist der zweite Band der berühmten Kartell-Saga des Autors. Erzählt wird der jahrzehntelange Kampf des amerikanischen Drogenfahnders Art Keller gegen die mexikanische Drogenmafia, der für Keller zu einer persönlichen Obsession wird, insbesondere wenn es um das Kartell seines ehemaligen Freundes Adán Barrera geht. Gegenüber dem Vorgängerband sind die Kartelle noch mächtiger geworden. Verbunden damit ist eine Zunahme der Brutalität, qualitativ und quantitativ. Die Bosse halten sich nicht mehr nur ein paar Schläger- und Mördertrupps, sondern regelrechte Armeen, nicht selten zusammengesetzt aus ausgebildeten Ex-Soldaten, die der höheren Bezahlung wegen die Seiten gewechselt haben. Alle bekämpfen irgendwie alle, Bündnisse werden geschmiedet, um sie bald zu brechen und die Polizeibehörden des Landes stehen jeweils auch in Lohn und Brot eines der Konkurrenten. Das alles ist möglich, weil der Drogenhandel so unglaublich hohe Gewinne abwirft, dass er alle anderen Geschäfte, selbst die Prostitution, in den Schatten stellt.
Zu Beginn enthält der Roman einige Ungereimtheiten. So heißt Adáns im ersten Band verstorbener Bruder plötzlich Ramón statt Raúl. Außerdem wartet Adán zu Beginn dieses Bandes noch auf seinen Prozess, obwohl er doch im letzten Band schon verurteilt wurde: 12 Mal lebenslänglich. In diesem Band ist er kurz nach seinen Aussagen plötzlich auch zu 22 Jahren verurteilt, offenbar ohne Prozess. Zudem taucht plötzlich eine Schwester Elena von Adán Barrera auf, die im ersten Band überhaupt nicht erwähnt wird. Diese Schlampereien ziehen sich leider ein bisschen durch. So heißt ein Konkurrent Barreras, der im ersten Band noch Güero Méndez hießt plötzlich Güero Palma (Droemer Tb, November 2021, S. 275)
Die Machtverhältnisse zwischen den Akteuren ändern sich öfters mal ein bisschen zu schnell und unmotiviert, um noch logisch zu sein. Das ist schade, weil es Winslow ansonsten sehr gekonnt versteht, raffinierte Intrigen fehlerfrei und spannend zu inszenieren. Zwischendurch geht jedoch auch immer wieder ein Teil der Spannung verloren, wenn sich die Geschichte in der Aufzählung von Morden erschöpft. Das ist zwar schockierend, aber irgendwann nicht mehr spannend. Es kam mir manchmal so vor, als wollte Winslow die Anzahl der Morde und die Brutalität in der Sprache auf einen Höhepunkt treiben. Ein Beispielsatz: „Köpfe und Gliedmaßen vermischen sich in seiner Stadt mit allem dem anderen Unrat, und in den Slums laufen die Straßenköter mit blutigen Lefzen und schuldbewussten Blicken umher.“ (ebd., S. 620)
Vielleicht tue ich dem Autor aber auch insofern unrecht, als die Brutalität schlicht und einfach der Wirklichkeitsnähe geschuldet ist, denn dass Winslow einen erheblichen Rechercheaufwand betrieben hat, ist dem Werk anzumerken. Das betrifft nicht nur die Namen der Kartelle, die allesamt der Realität entnommen sind, sondern zeigt sich auch in einzelnen Kapiteln, denen öfters kaum veränderte reale Geschehnisse zugrunde liegen.
Dieser Roman ist bestimmt kein schlechter, die Freunde bluttriefender Seiten werden ihn vielleicht sogar lieben, aber aus meinem Blickwinkel kommt er nicht an die Raffinesse und Spannung des Vorgängers heran. Drei Sterne.