Bücher mit dem Tag "rezeption"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "rezeption" gekennzeichnet haben.

38 Bücher

  1. Cover des Buches Feuchtgebiete (ISBN: 9783832164225)
    Charlotte Roche

    Feuchtgebiete

     (2.331)
    Aktuelle Rezension von: Nathanael

    Ich fand die Ehrlichkeit sehr erfrischend🙏 einige Dinge haben mich an meine Pubertät erinnert. Allerdings hat die Frau in dem Buch kein Herz und das fand ich ziemlich eklig 🤢🤮 Ich musste Abbrechen weil ich solche Menschen ohne liebe nicht in meinem Leben haben will. Aber jedem das seine für mich ist das nichts.

  2. Cover des Buches Die Pest (ISBN: 9783499006166)
    Albert Camus

    Die Pest

     (515)
    Aktuelle Rezension von: Elektrifix

    Die Geschichte spielt in Oran, einer Stadt an der Küste Algeriens in den 40er Jahren (194+). Sie könnte aber jeder Zeit, überall genauso geschehen.


    Das “normale” Leben wird durch das Massensterben von Ratten zunächst nur oberflächlich gestört. Und auch als die ersten Menschen an einer geheimnisvollen Krankheit sterben, wird die “Sache” klein geredet, bzw. ignoriert.


    Erst als die Stadt hermetisch abgeriegelt wird, begreifen die Bewohner den Ernst der Lage.


    Der Erzähler beschreibt neben Dr. Rieux, einem Arzt, der bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung versucht zu helfen, um festzustellen, dass er “nur” noch der Verwalter der Kranken ist, einige weitere Charaktere sehr detailliert. 

    Diese Menschen versuchen dan zusammen mit dem Doktor, der Lage Herr zu werden.


    Große Themen sind: Die Trennung von liebenden Menschen, die Verhaltensveränderungen der Menschen in den verschiedenen Stadien der Epidemie, der Tod und die Vereinsamung.


    Die Erfahrungen mit Corona (COVID-19) machten mich beim Lesen sehr betroffen, so dass ich schon Mal ans Abbrechen dachte. Ich habe aber “durchgelesen” und es nicht bereut.



  3. Cover des Buches Der Teufel von Mailand (ISBN: 9783257603347)
    Martin Suter

    Der Teufel von Mailand

     (356)
    Aktuelle Rezension von: beccaris

    Die Geschichte beginnt wirklich ausserordentlich spannend, verflacht aber dann zunehmend. Auch bei mir ist ein wenig der Eindruck entstanden, dass der Autor ab Mitte des Buches selber genug bekommen hat von der Geschichte und dann den Faden verlor. Die Idee mit der Sinnestäuschung erinnert stark an "Die dunkle Seite des Mondes", doch gerät das Thema immer mehr in den Hintergrund und die Konstruktion der Geschichte verliert an Attraktivität.

  4. Cover des Buches Dunkelheit (ISBN: 9783641061944)
    Anne Bishop

    Dunkelheit

     (181)
    Aktuelle Rezension von: Mimabano
    Erster Teil der DIE SCHWARZEN JUWELEN-REIHE Ich muss gestehen das ich ausser den ersten paar Seiten, den Anfang etwas mühsam fand.Es ging relativ zügig los als Jaenelle das erste mal als kleines Kind ihren "Mentor" trifft.Dann kamen extrem viele Charaktere ins Spiel ( ich weiss das man sie ja irgendwie im ersten Band einer Reihe vorstellen muss).Aber ich verlor zeitweise den Überblick auch weil noch verschiedene Bluthierarchien,Kasten zu den verschiedenen Protas dazukamen und wer welches Juwel trägt.Auch sollte man vielleicht erwähnen das es eher ein sagen wir mal "Fantasybuch mit etwas erhöhtem Niveau" ist.Mir hat das Buch sehr gut gefallen aber ich habe gemerkt das ich es ohne andere Bücher lesen muss.Man muss sich wirklich konzentrieren und drannbleiben.Die Sprache ist sehr speziell und gut meiner Meinung nach.Gewisse Dinge werden nur angeschnitten und der Leser muss quasi , wie verstehen was damit gemeint ist.Es ist eine sehr düstere Geschichte und trotzdem gefällt sie mir sehr gut.Die Brutalität habe ich persönlich nicht als so schlimm empfunden.Vorrallem hat die Autorin dem Leser alles bildgewaltig präsentiert.Jedes Gefühl und jede Gesichtsregung!Das einzige was ich gar nicht gut finde,eher sogar etwas doof, sind diese Schlangenzähne,die gewisse Charaktere unter einem Finger haben und hervorstossen können.Auch das man sie "melken" muss fand ich dementsprechend lächerlich.Sonst kann ich nur sagen das ich an der Reihe drannbleibe weil mir die Geschichte wirklich gut gefällt.Ich hoffe das ich mich bis zum zweiten Band noch an alle Protagonisten erinnern kann...(wahrscheinlich eher nicht 😂😂) Klappentext : 📖 Einst waren die Kasten des Blutes die Wächter der dunklen Reiche - doch längst sind ihre Reihen zersetzt von Gier und Perversion.Eine alte Prophezeiung verspricht die Rückkehr einer Hexe, die die Kasten zu alter Grösse führen wird. Wer aber ist die Auserwählte?Etwa die junge Jaenelle , die noch nichts von ihren ungeheuren magischen Kräften weiss? Und wie sollen diejenigen , die eine neue Blüte der Reiche erträumen ,Jaenelle gegen Königin Dorothea und ihre grausamen Häscher schützen, die die Zügel der Macht in Händen halten?
  5. Cover des Buches Hitchcock (ISBN: 9783453437265)
    Stephen Rebello

    Hitchcock

     (6)
    Aktuelle Rezension von: TheSaint

    1959 entwickelt der amerikanische Schriftsteller Robert Bloch (1917-1994) basierend auf den spärlichen Berichten über den nur etwas mehr als 60 km von ihm entfernt lebenden "Schlächter von Plainfield" Ed Gein (1906-1984)  den Hintergrund seiner Figur Norman Bates für seinen Roman "Psycho". Gein war 1957 festgenommen worden, als nachgewiesen werden konnte, dass er die Besitzerin eines Gemischtwarenladens umgebracht hatte. Als man seine Farm, die er allein bewirtschaftete, aufsuchte, fand man dort neben der geköpften Leiche der Frau noch unzählige andere Frauenköpfe, die zu Schalen und Schüsseln verarbeitet worden waren. Die Haut und Knochen von ausgegrabenen Leichen hatte Gein zu Lampenschirmen, Bezügen für Stühle oder Schnüren für Rollos verarbeitet. Er versuchte auch einen weiblichen Anzug aus menschlicher Haut zu entwerfen, damit er in diesen schlüpfen und zu seiner Mutter werden konnte... welche eine religiöse Fanatikerin war und die Gein bis zu ihrem Tod auf der einsamen Farm pflegte.

    Nach 46 Filmen und drei sehr erfolgreichen Staffeln seiner TV-Show "Alfred Hitchcock presents" wurde dem 59jährigen Regisseur langsam bewusst, dass die Gefahr der Wiederholungen bestand. Alle gängigen Genres hatte der Meister schon besucht. Was wäre nun ein Thema für den "Master of Suspense" und den letzten von fünf Filmen, für die er bei "Paramount Studios" unter Vertrag stand? Peggy Robertson, eine Frau aus dem inneren Kreis von Hitch, machte ihn auf den Horrorroman "Psycho" aufmerksam. Hitch erwarb sich inkognito um 9000 US-Dollar die Filmrechte... um danach von "Paramount" abgewiesen zu werden. Einen solchen Film könne man unmöglich produzieren. Das Studio verabscheute den Titel, den Inhalt... alles. Hitchcock schäumte kurz und schlug dann vor, den Film aus eigener Tasche zu finanzieren und auf dem Gelände der "Universal Studios", wo auch seine TV-Show produziert wurde, zu drehen. Paramount müsse nur den Verleih übernehmen...

    Der amerikanische Schriftsteller, Drehbuchschreiber und Journalist Stephen Rebello erzählt von dort weg akribisch und kurzweilig anhand von Aufzeichnungen Hitchcock's sowie den verschiedenen Presseabteilungen des Studios, Berichterstattungen und Interviews mit dem Regisseur, Darstellerinnen sowie Mitarbeiter*innen des Filmes von den Vorarbeiten, den Dreharbeiten, dem Schnitt, der Vertonung und von dem für diesen Film wohl wichtigsten Aspekt - dem Marketing! Das Ganze baut wie der Film selbst langsam eine eigene Spannung auf. Die zahlreichen falschen Fährten, die Hitchcock und die Filmcrew für die Presse legen... kein eigenes Screening für die Filmkritiker und ein rigoroses Verbot an alle Kinobesitzer, weder Kinobesucher nach Filmstart oder vor Filmende aus dem Kinosaal zu lassen. Raffinierte Trailer und der Aufruf, Besucher mögen Stillschweigen nach dem Verlassen des Kinos über den Inhalt bewahren, wirkten. Hitchcock ließ einen Großteil der Buchvorlage, aus der er nur sehr wenig für den Film selbst entnahm (wie so oft), aufkaufen... So mauserte sich der zuerst von der Kritik zerrissene Film zu einem Millionenseller. Weder Hitchcock noch das Studio konnten den nicht abreißenden Geldstrom fassen. Mit dem großen kommerziellen Erfolg des Films schwang sich Hitchcock zu einem der reichsten Regisseure auf (produziert hatte er "Psycho" um 3 Millionen US-Dollar mit seiner TV-Crew und strich nach den ersten Auswertungen 15 Millionen US-Dollar ein) und die Kritiker sahen den wohl erfolgreichsten Film dieses Mannes plötzlich als richtungsweisenden Film. 1992 wurde der Film als "kulturell, historisch und ästhetisch signifikant" eingestuft und zum Schutz und zur Erhaltung in die "National Film Registry" aufgenommen.

    So wunderschön zu lesen, wie Kino in jenen Tagen erlebt und begangen wurde. Kino war ein Gruppenerlebnis, ein Höhepunkt des Tages. Presse und Publikum hielten sich über den Inhalt bedeckt aber äußerten sich euphorisch über die Schockmomente und über die bravouröse Leistung des jungen Anthony Perkins. Eine perfekt mysteriös angelegte Werbekampagne schürte eine Stimmung, die Pulsraten und Ohnmachtsanfälle rapide steigen aber dafür die Verkäufe für Duschvorhänge dramatisch sinken ließ. Kein deppertes spoilern und keine großartige Vernichtung von magischen Kinomomenten wie es heute von ach soooo lässigen Plattformen hirnlos praktiziert wird. Selige Kinozeiten... doch auch 1960 begannen sich markante Veränderungen in der Gesellschaft und somit auch in der Erzählweise des Kinos abzuzeichnen.

    Dieses Buch liefert neben der Produktionsgeschichte auch etwas Einblick in das Leben des Meisterregisseurs. Er war selbst ein schwieriger Mensch, der stets mit Ängsten und Obsessionen zu kämpfen hatte. 

    Rebello's informatives Werk wurde 2012 mit Sir Anthony Hopkins als Alfred Hitchcock und Helen Mirren als seine Frau Alma sehr gekonnt verfilmt.

  6. Cover des Buches Mittsommermord (ISBN: 9783552056084)
    Henning Mankell

    Mittsommermord

     (744)
    Aktuelle Rezension von: Wukc

    Im Zentrum des Kriminalromans stehen rätselhafte Morde, bei denen der Täter die Toten wie ein Gemälde anordnet. Nicht weniger wichtig ist jedoch die Figur des Kurt Wallander, der in dieser Folge unter beginnender Diabetes leidet, die Krankheit aber vor seinen Mitmenschen verstecken will. Der Schreibstil, der sich der Figur sehr annähert, aber gleichzeitig filmisch distanziert bleibt, hat mir sehr gut gefallen. Die Figurengestaltung insgesamt, die komplexe Persönlichkeiten erschafft, ist sehr gelungen. Schließlich erfahre ich beim Lesen auch viel über die schwedische Gesellschaft. Toll, wie Mankell das hinkriegt.

    Langsam schreitet die Auflösung des Falles voran, Mankell lässt mich detailliert daran teilhaben. Ich habe das Buch in drei Tagen durchgelesen und jedem, den ich während der Zeit traf, erzählt, wie toll dieser Krimi ist. Dann wurde der Täter gefangen. Er hatte in der Tat die Gelegenheit zu den Morden. Das Motiv kann ich bedingt nachvollziehen, es war eben ein Verrückter. Aber die vielen Details - der Täter, ein Postbote, ist (zufällig ?) ein Meisterschütze, er will, dass seine Opfer verkleidet sind, er schleppt ohne mit der Wimper zu zucken halbverweste Körper durch die Gegend - blieben ohne Erklärung. Zum Schluss schreibt der extrem introvertierte Mörder ein Buch. Ich habe tatsächlich überlegt, ob es vielleicht einen zweiten Teil geben soll, in dem ich erfahre, warum der Mann die Leute nicht einfach nur abgeknallt hat. Echt schade, dass dieses tolle Buch so enttäuschend endet!

  7. Cover des Buches Alexander der Große (ISBN: 9783406644313)
    Alexander Demandt

    Alexander der Große

     (8)
    Aktuelle Rezension von: Admiral
    Bevor ich mit Euch, werten Lesern, über dieses Buch plaudere, solltet Ihr evtl. wissen, dass ich das Buch nicht vollständig gelesen habe. Das hat 2 Gründe. Erstens hat dieses Buch von Alexander (!) Demandt "Alexander der Grosse. Leben und Legende" (2009) satte 483 Seiten Fließtext, mit Anmerkungen, Zeittafel, Karten, Stammbäumen, sonstigen Verzeichnissen, Bibliographie und Register sogar 655 Seiten. Zweitens wollte ich von vorneherein lediglich über Rezeption und Quellenlage Alexanders lesen, da ich für die Person Alexanders des Großen bereits andere Bücher gelesen habe. Doch eines will ich Euch, werten Lesern, von vorneherein sagen. Dieses Buch hier ist mit bisher das sympathischste.

    Denn mal abgesehen davon, dass die Darstellung der Quellenlage ("Die Quellen", S. 1-32) gut strukturiert und die Erforschung der Alexanderrezeption ("Alexander im Spiegel der Nachwelt", S. 405-455) sehr nachvollziehbar dargelegt ist, schimmert der Autor Alexander Demandt mit einer sehr positiven und einnehmenden Art durch. Damit schafft der Autor die schwierige Brücke zwischen seriöser Wissenschaftlichkeit und gut lesbarerer Literatur.

    Beide Kapitel, die ich gelesen habe, sind international angelegt, bearbeiten also intensiv Quellen und Perspektiven, die den lateinischen Westen hinaus gehen.
    Da mir das Wenige so gut gefiel, habe ich noch das Fazit des Buches ("Alexander der Große?", S. 457-483) gelesen, in dem Demandt scheinbar alle bisherigen Themen und Einzelaspekte zusammenfasst und Alexander somit unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet (?). Dazu gehören Alexanders Politik, Alexanders Entdeckungen, Alexanders Persönlichkeit als Mensch und mehr.

    Besonders positiv an dieser Biographie ist mir die alte römische Verhaltensorientierung der "variatio" aufgefallen, nach der römische Literaten nicht einfach ihr Thema abarbeiten sollten. Stattdessen sollten sie mit Exkursen (zB Geographie, Ethnologie, Anekdoten, etc.) Freude auf seiten des Lesers hervorrufen. Ähnliches macht Demandt auch, wenn er zB am Ende des Buches die Aporie des Historikers thematisiert, einerseits einen Mörder und (nach heutigen Maßstäben) Verbrecher als "Groß" zu bezeichnen und andererseits doch etwas Achtung vor dieser Person zu haben, da Gewalttaten in allen Zeiten durchaus üblich gewesen waren (und zT noch sind !), was jedem Historiker mehr als bewusst ist.



    Das Thema "Alexander der Große" hatte mich bisher noch nie wirklich interessiert, obwohl Euch das etwas paradox anmuten könnte, wenn Ihr mal in meine Bücherlisten reinschaut (viel mit Antike und so). Doch ganz besonders dieses Buch hat es mir angetan und sollte sich nochmal die Zeit und Gelegenheit bieten, werde ich es nachholen, es in seiner Gesamtheit zu lesen. Denn in einem Punkt zweifle ich nicht: dass es sich lohnen würde.



    Bisher ist mir Alexander Demandt schonmal positiv aufgefallen. Evtl. habt Ihr das Buch in meiner Liste schon gesehen: "Das Attentat in der Geschichte" (hg. von A. Demandt). Auf diesen Namen werde ich in Zukunft auch vermehrt achten. :)
  8. Cover des Buches Typisch Tulipa (ISBN: 9783257061666)
    Anne Fine

    Typisch Tulipa

     (7)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    Die Geschichte einer toxischen Beziehung, sehr präzise psychologisch beobachtet, wie alles zwischen Anziehung und  Unbehagen pendelt, was die beiden Mädchen aushecken. Den letzten großen Streich, den Tulipa spielt, hätte man als Leser noch drastischer erwartet. Hatte in ihrer/ seiner Jugend nicht jeder schon mal so eine Freundin/ einen  Freund? Sehr lesenswert, typisch Anne Fine!

  9. Cover des Buches Nietzsche und die Folgen (ISBN: 9783476026545)
    Andreas Urs Sommer

    Nietzsche und die Folgen

     (2)
    Aktuelle Rezension von: M.Lehmann-Pape
    Differenzierte und vielseitige Darstellung

    „Nitzsches Welt“. „Nitzsches Nachwelt“. „Nitzsches Zukunft“.

    Das sind die drei Hauptteile der sehr flüssig zu lesenden, fundierten und überaus differenzierten Darstellung, mittels derer sich Andreas Urs Sommer diesem streitbaren, wuchtigen Philosophen mit der, letztendlich, dramatischen Lebensgeschichte und der breiten Wirkung seiner Gedanken und Erkenntnisse zuwendet.

    Und ohne Einleitung oder andere, hinführende Worte wendet sich Sommer umgehend der Person zu und verweist ebenso umgehend zu Beginn auf die fast erstarrten Bilder, die von Nietzsche „geistern“ und, nicht selten, den konkreten Blick auf die konkrete Person und deren Werk versperren.

    „Der, hinter dessen Schnauzbart das halbe Gesicht verschwindet? Es scheint jedenfalls, als sein in der Wahrnehmung seiner Nachwelt dieser Schnauzbart immer weiter gewachsen, so dass am Ende der Schnauzbart alleine übrig blieb: das markante Schnauzbartgesicht reduziert auf markante, markige Worte, wie das vom Weibe und der Peitsche oder das vom Willen zur Macht und das vom Übermenschen“.

    Dieser Einseitigkeit der Betrachtung mitsamt der damit einhergehenden Reduzierung von Person und Werk auf Schlagworte setzt Sommer eine differenzierte und sorgfältige Spurensuche entgegen, innerhalb derer Begriffe wieder geschäft, Die Prägungen der Person erkennbar und Mann und Werk sichtbar werden.

    „Er scheint ein Denker zu sein, der dazu einlädt, dass man ihn vereinseitigt“.

    Wohl auch mit Absicht, denn Sommer legt ebenfalls im Werk dar, dass und wie Nitzsche selbst ein „Meister des sich Entziehens“ war. Einer, der schon in der von ihm gewählten Sprache immer neu ansetzte, sich bekannten Formen entzog. Und das als System, denn wie ein pädagogisches Ziel war Nitzsche auch davon motiviert, „frische Luft“ in die Denkapparate seiner Leser durch besonders gewählte Formen des Ausdrucks hinein zu „pusten“.

    Auch so ist sein „neuer Anfang in „historischen Philosophiren““ zu lesen und zu verstehen. Mitsamt dem Kernanliegen Nitzsches, dem „Experiment zur Umwertung“. Das Sommer verständlich darstellt und in dessen Kontext die „Ermordung Gottes“ und „Zarathustra“ gut zu verstehen sind.

    Und bei all dem vergisst Sommer nie den Blick auf das „menschlich-allzu menschliche“, auf eine gewisse „Leichtigkeit des Seins“ bei Nitzsche, dass er interessant gegenspiegelt in der „Nachwelt“ mit ihrem vielleicht „zu ernsten“ politischen, künstlerischem, philosophischen „Nachbetrachten“ mitsamt des „Wort- und Ernstzerfalls“, der ebenso zur Rezeption des Werkes dann gehört. Ironie und Heiterkeit, das legt Sommer überzeugend vor Augen, gehörten ebenso zur Person wie Wucht und Lust an der (zumindest gedanklichen) Zerstörung althergebrachter Überzeugungen und Traditionen.

    Durchaus in Nitzsches Sinne, wenn dieser schon 1848 betonte, ihm mache „der Gedanke Schrecken, was für Unberechtigte und gänzlich Ungeeignete sich einmal auf meine Autorität berufen werden“.

    Eine Gruppe, zu der Andreas Urs Sommer nicht gehört, das ist am Ende der Lektüre klar und deutlich.

    Ein Werk, dass seine selbst auferlegte Aufgabe erfüllt. Im Blick auf Nitzsche ein intuitives „Reit-Reaktions-Schema“ zu vermeiden, einen Schritt je zurückzutreten und sich damit blinder „Hauptlehren-Reaktionsmuster“ zu entziehen.
  10. Cover des Buches Hotel Iris (ISBN: 9783746632216)
    Yoko Ogawa

    Hotel Iris

     (40)
    Aktuelle Rezension von: Paperboat

    Die jugendliche Mari arbeitet im Hotel ihrer Mutter am Meer. Eines Abends macht eine Prostituierte einen großen Aufstand und schreit vulgär durch die Gänge. Aus dem Zimmer, aus dem die Prostituierte geflohen ist, ertönt die durchdringende Stimme eines Mannes mit den Worten:“Schweig, Hure!“
    Mit diesen Worten beginnt die Faszination Maris für den deutlich älteren Mann. Als sie ihn in der Stadt zufällig wiedersieht, entschließt sie sich ihm heimlich zu folgen, was ihm aber nicht verborgen bleibt. Er spricht sie an, und aus Interesse aneinander verbringen sie Zeit zusammen. Sie verabreden sich an einem folgenden Tag. Mari erfährt, dass der alte Mann Übersetzer ist und Texte aus dem Russischen ins Japanische übersetzt. Maris Faszination für den Mann lässt sie ihn auf die kleine Insel folgen, auf der er wohnt.
    Sonst ein sehr zugewandter, behutsamer, höflicher und freundlicher Mann ist das Haus auf der Insel sein Reich, in dem Mari sich ihm komplett unterordnet und beherrschen lässt. Anders als bei ihrer Mutter, deren Herumkommandieren sie als notwendiges Übel erträgt, empfindet sie in den Befehlen des Übersetzers eine sexuelle Lust. Was die beiden abgeschieden im Haus auf der Insel ausleben, könnte auch die Seiten einer BDSM-Novelle füllen. Das Besondere an Yoko Ogawas „Hotel Iris“ empfinde ich in der Vereinigung ihrer sonst üblichen unscheinbaren und bisweilen stillen Beschreibungen der Dinge in einem harten Kontrast mit dem intensiven vulgären Szenario dieser Geschichte.

    Der ältere Mann, der Übersetzer, wird nie mit Namen erwähnt; er bleibt ein namenloser Herr. Der Gescichte ist dies sehr zuträglich, verstärkt es doch die ungleiche Rollenverteilung zwischen ihm und dem jungen Mädchen, das unvergleichliche Lust dabei empfindet sexuell von dem Mann erniedrigt und benutzt zu werden. Mit einigen Werken Ogawas bin ich bereits vertraut, es war jedoch äußerst erfrischend ihre eleganten, wohl platzierten Worte in dieser anrüchigen Konstellation eines dominant-devoten-Verhältnisses zu erleben. Dabei sind die Attribute auf ihre Weise bunt gemischt: Unschuld sowie Lust, davon haben beide ein wenig; Mari ist unerfahren und unschuldig in allen sexuellen Belangen, während der ältere Mann sich unerfahren und unbeholfen in der Welt bewegt.
    Für mich neben „Der Herr der kleinen Vögel“ bisher eines der besten Werke Yoko Ogawas!

  11. Cover des Buches Und das ist Kunst?! (ISBN: 9783596177288)
    Hanno Rauterberg

    Und das ist Kunst?!

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Schelmuffsky
    Dieses Buch sollte jeder lesen, der sich mit Kunst, insbesonderere zeitgenössischer Kunst, beschäftigt. Rauterberg arbeitet die Verflechtungender Kunst-Mafia (Sammler, Galeristen, Kritiker, Auktionshäuser) heraus und die Entmündigung der Rezipienten. Im Gegenzug versucht Rauterberg, die Rezipienten von dieser Entmündigung zu emanzipieren, in dem er Kriterienfür eine Bewertung von Kunstwerken zur Verfügung stellt. Ich bin gespannt auf die Reaktionen des Kunst-Establishments.
  12. Cover des Buches Zurück auf Los (ISBN: 9783835324022)
  13. Cover des Buches Alice hinter den Mythen (ISBN: 9783770558582)
  14. Cover des Buches Federico Garcia Lorca (ISBN: 9783518182512)
    Karen Genschow

    Federico Garcia Lorca

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Joroka

    Zwei Dinge fielen mir bevor ich die Biografie gelesen hatte zu Federico Garcia Lorca ein: Seine Homosexualität und dass er im Spanischen Bürgerkrieg ermordet wurde. Zu seinem Werk fiel mir spontan nichts ein. Das wollte ich ändern.

    Das Büchlein ist dreigeteilt: Leben – Werk – Wirkung

    Aufgewachsen als ältester Sohn in einer relativ wohlhabenden Familie im ländlichen Spanien Anfang des 20. Jahrhunderts. Verbrachte seine Jugend in Granada, dem sich ein Studium in Madrid anschloss. Hier lernte er auch Luis Bunuel und Dalí kennen. Seine Reisen nach New York und Kuba, später nach Argentinien. Er hatte vor allem Erfolge im Ausland, da der aufkommende Faschismus in Spanien seiner Person und seinem Werk nicht wohlwollend gegenüber stand. Interessant für mich, dass er lange Zeit mit dem studentischen Theater Barraca im ländlichen Spanien aufklärerisch unterwegs war und offensichtlich doch eine längere, wohl erfüllende Beziehung mit dem wesentlich jüngeren Rafael Rodriguez Rapun führte. Im Sommer 1936 wurde Garcia Lorca von den Faschisten verschleppt und ermordet.

    Werk: Vor allem sind es seine Theaterstücke und seine Lyrik, die Lorca berühmt gemacht haben. Daneben gibt es aber auch Prosa, Lieder und sogar ein Drehbuch aus seiner Hand. Auch seine Zeichnungen sind nicht zu verachten.

    Wirkung: Lorcas früher, grausamer Tod und gerade auch der Umstand seiner (verdeckten) Homosexualität wirken bis heute nach. In diversen Büchern und Filmen wurde dies verarbeitet. Interessant dabei, dass seine Leiche nie gefunden wurde und sich Spekulationen darum ranken, was wäre, wenn er überlebt hätte.

    Das Buch besticht durch seine klare Gliederung. Es geht auf die Vielseitigkeit von Lorca ein, ohne sich dabei zu sehr im Detail zu verlieren. Mit gut 140 Seiten bleibt es überschaubar und erweist sich als kurzweilige Lektüre.

    Zitate sind jeweils rot hervorgehoben. Hilfreich sind auch die Seitenverweise auf parallele Behandlung im Buch.

    Im Nachhinein war wir klar, dass ich schon einmal von Lorcas Werken wie z.B. 'Yerma' oder 'Bernarda Albas Haus' gehört hatte. Nun kann ich sie aber auch klar zuordnen.

    Fazit: Wer sich einen Überblick zu Federico Garcia Lorca verschaffen möchte, ist mit dem Büchlein sehr gut beraten.


  15. Cover des Buches Frost (ISBN: 9783499254932)
    John Rector

    Frost

     (28)
    Aktuelle Rezension von: Holden
    Sara und Nate sind ein junges Paar, das alle Brücken hinter sich abbrechen möchte und in der Spielerstadt Reno sein Glück machen will. In einem Bistro (der Red Oak Tavern) werden sie auf den erbärmlich hustenden Syl aufmerksam, den sie gegen Geld mitnehmen. Als dieser schließlich in ihrem Wagen stirbt und sie in einem runtergekommenen Motel vor einem Schneesturm Unterschlupf suchen, stellen sie fest, wie viele Moneten Syl bei sich trug und daß sie nicht die einzigen sind, die hinter dem Geld her sind. Viele Krimiklischees reihen sich aneinander, wer "Lilith" ist, ist eigentlich auch schnell klar, hat man alles chon ziegmal gesehen oder gelesen. Aber recht spannend. Syl ist ein zäher Bursche!
  16. Cover des Buches Das Grauen naht um Zwölf (ISBN: 9783866296572)
  17. Cover des Buches Goethes herrlich leuchtende Natur (ISBN: 9783446141414)
    Alfred Schmidt

    Goethes herrlich leuchtende Natur

     (3)
    Aktuelle Rezension von: VictoriaKatharinaMartinelli

    Der Philosoph Alfred Schmidt eröffnet mit seiner Studie »Goethes herrlich leuchtende Natur« (1984) einen anregenden Zugang zur Goethe’schen Morphologie, indem er die Beziehung von künstlerischen, wissenschaftlichen und philosophischen Ansätzen akzentuiert.

    [Von Victoria-Katharina Martinelli, Rom 2021]

    Dem Leben der Natur ist, laut Johann Wolfgang von Goethe, der Charakter einer ewigen Systole und Diastole des Herzens zuzusprechen. In seinen Augen wohnt allem Lebendigen eine Doppelnatur inne, dem antiken philosophischen Grundprinzip von ‚Synkrisis‘ und ‚Diakrisis‘ entsprechend, was er auch als ein ewiges Ein- und Ausatmen der Welt beschreibt.  

    Dieses Bild der Natur, das für Goethes Metamorphosenlehre essenziell ist, rückt Alfred Schmidts Werk ins Zentrum der Aufmerksamkeit. In seiner tiefgründigen Untersuchung, die sich als »philosophische Studie im Kontext der deutschen Spätaufklärung« versteht, hinterfragt Schmidt, wie sich Goethes Naturanschauung herausbildete und welche Wandlungen sie im Zuge seines Schaffens durchlief. Diesem Ziel folgend betrachtet der Autor Goethes Morphologie bewusst nicht isoliert. Vielmehr ist es ihm ein Anliegen, seiner Leserschaft, die Einbettung der Goethe’schen Naturanschauung in kunst-, wissenschafts- und philosophiegeschichtliche Kontexte, bewusst zu machen. 

    Der charakteristischen Blattform des Ginkgo Bilobas entsprechend, die von Goethe dichterisch zum Symbol des menschlichen ‚Eins- und Doppeltseins‘ stilisiert wurde (und wohlgemerkt auch den Einband des Buches ziert), umfasst Schmidts Studie zwei zusammengehörige Hauptteile: Der erste Teil beleuchtet den interdisziplinären Charakter von Goethes ‚Aneignung der Natur‘, als eine Methodenkombination von poetisch-künstlerischen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Ansätzen. Dem gegenüber setzt sich der zweite Teil explizit mit Goethes ‚philosophischer Entwicklung‘ auseinander, die in ausgewählten Stadien dargestellt wird, um somit simultan den Reifungsprozess seiner Ideen wie auch Persönlichkeit nachvollziehen zu können.

    Im Vorwort eröffnet Schmidt, dass die vorliegende Ausarbeitung auf einen Vortrag zurückgeht, den er zwei Jahre zuvor an der Universität Frankfurt gehalten habe. Seine damalige Rede fokussierte sich auf Goethes Lebenswerk und die Nachwirkung seines Wissenschaftsbegriffes. Unter Hinzuziehung ergänzender Materialien, entstand daraus eine weiterführende Studie. Als Teil dieser umfassenderen Betrachtung ist Goethes intellektuelle Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Denkern inkludiert. Hinzu kommen diverse rezeptionsgeschichtliche Verweise, die das Gesamtkonzept der Untersuchung abrunden und bis heute fruchtbare Forschungsimpulse vermitteln.

    Als Auftakt des ersten Teils skizziert Schmidt die zunehmende Etablierung eines ‚instrumentalistischen Vorverständnisses‘ der Natur. Eine Geisteshaltung, die er im Wesentlichen auf den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt seit Galilei und Newton zurückführt. Zur einführenden Betrachtung dieses Wandels folgen zwei Rezeptions-Exkurse: zuerst zu Heideggers Begriff der ‚Naturwirklichkeit‘ und anschließend zu Blochs Konzeption eines ‚Natur-Subjekts‘. Erst daran anknüpfend rückt Goethe selbst verstärkt in den Mittelpunkt.  Äußerst interessant ist, dass Schmidt in Goethes Art, die Welt des Organischen zu erschließen, eine philosophische ‚Renaissance-Dimension‘ vorliegen sieht. Diese Dimension äußert sich ihm zufolge als ein Zusammenfinden von quantifizierenden, qualitativen, anschaulich-poetischen und zum Teil auch magischen Ansätzen, die in Goethes Schriften in wechselnden Konstellationen und auf nicht endgültig fixierte Art hervortreten. 

    Eine erwähnenswerte Einschätzung des Autors ist zudem, dass Goethes Art der Naturbetrachtung einen Gegenentwurf zur teils ‚dogmatischen Metaphysik‘ seiner Zeit darstelle. Auf dessen zeitlebens ambivalentes Verhältnis zur (Schul-)Philosophie hinweisend begreift er den Goethe’schen Ansatz als ‚anschauenden Realismus‘, der die Unbedingtheit der Natur voraussetze und primär auf praktischen Beobachtungen fuße. Der leitmotivischen Annahme folgend, dass die Natur die gemeinsame Basis von Kunst und Wissenschaft bildet, habe Goethe das künstlerische und wissenschaftliche Tätigsein des Menschen als Ausdruck der Wirksamkeit einer ewig schaffenden Natur aufgefasst. Dies illustriert Schmidt mit einigen Goethe-Zitaten zum ‚gegenständlichen‘ respektive ‚anschaulichen Denken‘. Darunter das Diktum: „Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt auch ein neues Organ in uns auf“.

    Im letzten Drittel des ersten Teils nehmen Goethes Reflexionen zur Naturerkenntnis eine merkliche Schlüsselrolle ein. An dieser Stelle verweist Schmidt auf einen Einklang zwischen dem Goethe’schen Naturverständnis und der Ganzheitsvorstellung der romantischen Biologie, als ein in der Summe der Teile nicht aufgehendes, sondern diese erst erhellendes Ganzes. Im gleichen Zuge kennzeichnet er Goethes Tendenz, zur sich liebend ins Detail versenkenden Naturbeflissenheit, als ‚sympathetisches Weltbild‘. Die organische Ganzheit, als eine sich in den Phänomenen manifestierende Idee begreifend, die deren Zusammenhang im Kleinsten wie im Größten stiftet, erweist sich diese Konzeption für Goethe sowohl in methodischer wie auch epistemologischer Hinsicht von Bedeutung. 

    Neben dem wesentlichen Grundsatz der Ganzheit hebt Schmidt auch den Einheitsgedanken hervor, insofern Goethe die Natur nicht bloß als eine imaginierte, sondern seiende Einheit betrachtet habe. Angemerkt sei hierzu, dass in Goethes Schriften die Vorstellung einer ‚Einheit in Vielheit‘ anzutreffen ist, im Sinne einer organismischen Einheit, deren Teilstrukturen in Wechselwirkung mit dem Ganzen stehen. Vor diesem Horizont gelangte Goethe zu dem Schluss, dass in der Naturgesamtheit ‚Werden‘ und ‚Sein‘ zugleich wirksam seien. Entsprechend zog seine Beschäftigung mit Naturphänomenen philosophische Überlegungen nach sich, die das Zusammenspiel grundlegender Polaritäten zu ergründen suchten, darunter etwa: Veränderlichkeit-Beständigkeit, Sukzession-Simultaneität und Erfahrung-Idee. 

    Die Synergie von Gegensätzlichem, die Goethe sowohl von poetisch-künstlerischer als auch wissenschaftlicher Seite faszinierte, führte ihn so zunehmend zur Reflexion über Grundfragen der Philosophie. Als zuträglich hierfür befindet Schmidt insbesondere Goethes Freundschaft zu Schiller. Diesbezüglich verweist er auf ein Gespräch zwischen den beiden, das als »Glückliches Ereignis« (1817) festgehalten wurde. Auf Goethes Schilderungen der ‚Urpflanze‘ – damals noch in der Auffassung, eine solche müsse auch auffindbar sein – habe Schiller (als überzeugter Kantianer) entgegnet: Dies sei keine ‚Erfahrung‘, sondern eine ‚Idee‘. Im Anschluss an diese Unterredung hinterfragte Goethe weiter, ob zwischen ‚Reellem‘ und ‚Ideellem‘, nicht doch etwas ‚Vermittelndes‘, ‚Bezügliches‘ obwalte. Hiervon zeugen auch seine Aufsätze »Anschauende Urteilskraft« (1817) und »Bedenken und Ergebung« (1818). 

    In Goethes intellektuellem Vermittlungsbestreben, das Entzweite zu einigen, sieht Schmidt Grundzüge eines dialektischen Denkens vorliegen, wozu der Austausch mit Hegel einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet habe. Im Einklang mit der Hegel’schen Dialektik verstand auch Goethe die ‚begriffenen Erscheinungen‘ als stufenweise erreichbare Einsichten in ihr ‚gesetzhaftes Wesen‘, respektive in den ‚Grund ihrer Existenz‘. Dies verdeutliche exemplarisch der von Goethe, in »Erfahrung und Wissenschaft« (1798), geschilderte Dreischritt: (1.) vom ‚empirischen‘, (2.) über das ‚wissenschaftliche‘, (3.) hin zum ‚reinen Phänomen‘; in Sinne einer Annäherung, an die letzten, elementarsten Gegebenheiten, zu denen unsere menschliche Erkenntnis vorzudringen vermag (‚Urphänomene‘). 

    Das Hauptaugenmerk des zweiten Teils liegt gegenüber dem Vorigen verstärkt auf biographischen Etappen, Einflüssen und Entwicklungen. Im Vorfeld dieser Darstellung postuliert Schmidt die programmatische Einschätzung, dass Goethe sich zeitlebens ‚geistig im Werden‘ befunden habe und dabei doch immer er selbst geblieben sei. Angesichts dessen intendiert er im Weiteren, die wichtigsten Stadien von Goethes Denkweg nachzuzeichnen, obgleich sich bei ihm eine so folgerichtige Entwicklung, wie etwa bei Kant, Fichte oder Hegel, nicht konstatieren lasse. Der Gesamtverlauf von Goethes Schaffen sei, ebenso wenig wie dessen Einzelabschnitte, widerspruchslos unter die logische Einheit eines übergeordneten Begriffs zu bringen. Freilich aber weise Goethes Lebenswerk augenfällige Tendenzen auf, denen es in philosophischer Hinsicht nachzugehen lohnt.

     Am Anfang seiner Laufbahn stehend wird der junge Goethe als ein ‚naturforschender Pantheist‘ charakterisiert, der sich mit leidenschaftlichem Interesse an empirischen wie auch spekulativen Formen der Naturbetrachtung beteiligte. Demgegenüber verortet Schmidt den Anbeginn von Goethes ‚methodischer Naturforschung‘, eng verknüpft mit dessen Hinwendung zu botanischen Studien, in den Jahren nach 1780. In der Entstehungsphase von »Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären« (1790) sei es Goethe zunächst primär darum gegangen, konkrete Ausgangsformen des pflanzlichen Gestaltwandels zusammenzutragen und nachzuvollziehen, womit einhergehend sich allerdings auch sein Methodenbewusstsein schärfte. 

    Im Zuge seiner Beschäftigung mit Phänomenen des Organischen habe sich Goethes Fokus mit den Jahren dann zunehmend auf die Vorstellung eines ‚ideell geschauten Typus‘ verlagert. Dieser Prozess wird von Schmidt als ein sich schrittweise vollziehender Weg beschrieben. Unter Berufung auf Ernst Cassirers Worte in »Goethe und die geschichtliche Welt« (1932), habe „jeder Schritt auf diesem Wege […] ihm ein erhöhtes Empfinden der Sicherheit“ verliehen. Die Gradlinigkeit dieser Entwicklung relativierend betont Schmidt jedoch, dass der Übergang von Goethes Gestaltenlehre zu einem gänzlich ‚ahistorischen Idealismus‘ auszuschließen sei, da sich auch in dessen Spätwerk noch ‚bewusst-phylogenetische Aussagen‘ auffinden lassen. 

    Darauffolgend kommt er auf eine gewisse philosophische Weltanschauung zu sprechen, die beispielhaft im Dialog zwischen Goethe und seinem Schüler Carus Ausdruck fand; namentlich in »Grundzüge allgemeiner Naturbetrachtung« (1823). Dort lasse sich eine organismische Vorstellung von Mikro- und Makrokosmos entdecken, gemäß derer die Natur einen allumfassenden Organismus bildet, der jegliches Naturwesen aus sich selbst hervorbringe. Sonach können die endlich-individuellen Organismen als versammelte Teil-Organismen begriffen werden, deren Entfaltung unzertrennlich mit dem allgemeinen Naturleben verbunden ist. Diese Auffassung, die der Organik den Status eines ‚universellen Verstehensmodells‘ verleiht, identifiziert Schmidt als einen ‚Kernpunkt‘ von Goethes Naturphilosophie. 

    In dem naturforscherischen Bestreben den dynamischen Charakter von Organismen zutreffend zu erfassen und ihren fortlaufenden Gestaltwandel anschaulich zu machen, entwickelte Goethe die ‚Morphologie‘, als eine vergleichende Wissenschaft. Besagte Gestaltenlehre widmete er ausdrücklich der Aufgabe, die ‚Versatilität der Natur‘ – als „Bildung und Umbildung der organischen Körper“ – zu verstehen. Die Erarbeitung dieser ‚naturgemäßen Methode‘ wurde von einer Hinwendung zu philosophischen Sujets begleitet, und wie Schmidt betont, steht die Goethe’sche Morphologie dadurch im Kontrast zu einem ‚rein mechanischen Materialismus‘. Anders als jener entziehe sie sich strikt-mathematischer Berechenbarkeit und ziele darauf ab, die allgemeinen inneren Gesetzmäßigkeiten äußerlich wechselnder Phänomene zu ergründen.

    Mehrfach auf die Strömung des Spinozismus im Sturm- und Drang-Jahrzehnt verweisend beurteilt Schmidt die Beschäftigung mit Spinozas Denken als äußerst bedeutsam für Goethes Vertiefung in philosophische Fragestellungen und bezeichnet ihn mitunter auch als ‚Spinoza der Poesie‘. Demgegenüber finden dessen Bezüge zu Leibniz’ Gedankengut zurückhaltender Erwähnung. Mehr Gewicht liegt wiederum auf Einflüsse durch Herder, Rousseau und Shakespeare, Berührungspunkte zu Schellings Naturphilosophie und dessen Weltseele-Konzept sowie Verbindungen zu Fichtes Wissenschaftslehre. 

    Gegen Ende seiner Studie beleuchtet der Verfasser die Relation des Goethe’schen Polaritätsdenkens zu Kants dynamischer Theorie der Materie. Hierzu erläutert er, dass sich eine bestimmte dynamische Denkweise durch Kant wissenschaftlich erhärtet habe, die sich auf das Gegeneinanderstreben von Naturkräften bezieht, im Sinne eines allumfassenden Antagonismus mit simultanem und/oder periodischem Verlauf. Wie Schmid bemerkt, habe auch Goethe, in Kenntnis dieser Vorstellung, die Polarität als eines der ‚allgemeinsten Naturgesetze‘ anerkannt und als „Erscheinung des Zwiefachen, ja Mehrfachen in einer entschiedenen Einheit“ definiert. Das Polaritätsprinzip, auf das sich Goethe zur Erklärung des organischen Gestaltwandels beruft, wird in seinem Spätwerk durch den (der Schelling’schen ‚Potenzlehre‘ entlehnten) Grundsatz der Steigerung ergänzt. 

    Im Goethe’schen Verständnis, so Schmidt, beschreibe der Terminus ‚Steigerung‘ eine innere Gerichtetheit des Naturprozesses, durch den die Sukzession seiner Stadien, als fortschreitende Ausdifferenzierung und Verfeinerung, bewirkt werde. Zudem sind ‚Polarität‘ und ‚Steigerung‘ Schlüsselbegriffe in Goethes »Farbenlehre« (1810), die von ihm auch die zwei großen ‚Triebbänder der Natur‘ genannt werden. Was für Goethe aber diesem Lebensprinzip konkret zu Grunde liegt, verbleibe letzten Endes eine ‚unausgemachte Frage‘. Das Zugrundeliegende sei, dem Autor zufolge, nicht durch eine stufenweise Ausgleichung der Gegensätze oder irgendwo dazwischen erklärbar. Vielmehr werden wir diesem Urphänomen nur ‚vermittels‘ ihrer gewahr und auch wenn wir dieser Idee bedürfen, bleibe sie uns als ‚Ganzes‘ doch stets problematisch. 

    Den letzten Themenschwerpunkt bildet das Verhältnis von Kunst, Wissenschaft und Philosophie, wie es sich in Goethes später Schaffensphase abzeichnet. Zu dieser Zeit überführte er komplexe Gedankengänge und Fachtermini aus seiner Naturforschung in poetisch-literarische Schriften, womit diese einem nicht versierten Publikum nur noch bedingt zugänglich waren. Von anderer Seite sei Goethe auch der Vorwurf nicht erspart geblieben, er habe sich mit der Denkweise eines Künstlers in ein ihm fremdes Fachgebiet verirrt und dort bloße ‚Begriffsdichtung‘ betrieben. Position ergreifend betont Schmidt jedoch, dass der Ertrag von Goethes botanischen und vergleichend-anatomischen Studien dem entschieden widersprechen. Überdies macht er darauf aufmerksam, dass Goethe – ‚hierin romantischen Geistes‘ – zwischen Wissenschaft und Poesie keineswegs eine unübersteigbare Hürde gesehen habe. 

    Schmidts Untersuchung erweist sich als äußerst empfehlenswerte Einstiegslektüre, um sich mit Goethes Naturanschauung und dem breitgefächerten Spektrum seines Schaffens vertraut zu machen. Seine Studie ist für ein interdisziplinäres Publikum zugänglich und ist vorzüglich geeignet, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen und Forschungsinteresse zu entfachen. Durch ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit den zentralen Schlagworten wird das Zurechtfinden im Gesamtgedankengang erleichtert. Zudem bieten die ausführlichen Erklärungsfußnoten ebenfalls zahlreiche Hinweise, denen es nachzugehen lohnt. 

    Summa summarum hat das Werk, auch 37 Jahre nach Veröffentlichung, nichts an inspirierendem Potenzial eingebüßt. Vielmehr gewährt es zeitlose Einsichten zu Goethes künstlerischer, wissenschaftlicher sowie nicht zuletzt philosophischer Aneignung der Natur, die zu disziplinenübergreifendem Denken einladen. Oder wie es sich, rekurrierend auf den vom Verfasser erwähnten romantischen Gedanken, formulieren lässt 

    – „Bezüge gibt’s überall und Bezüge sind das Leben.“

    *

  18. Cover des Buches Drei aus dem Ruder (ISBN: 9783453418912)
    Annette Lies

    Drei aus dem Ruder

     (37)
    Aktuelle Rezension von: NicoleP

    Drei Frauen lernen sich in einer psychosomatischen Klinik kennen. Sie sind sehr unterschiedliche Charaktere, und trotzdem freunden sie sich miteinander an. Gemeinsam gehen sie ihre Lebenskrisen an und müssen wieder lernen, sich selbst zu spüren.

    Mit Humor und Feingefühl hat Annette Lies eine wunderbare Geschichte geschaffen. Zusammen mit den drei Frauen kann auch der Leser seinem eigenen Leben einen neuen Blickwinkel geben. Die Charaktere sind gelungen ausgearbeitet, und ich habe jede einzelne Figur mit all ihren Macken gemocht.

    Die kurzen Episoden der eigentlichen Therapie-Stunden stehen den längeren Abschnitten der Freizeit-Abenteuer der drei Frauen in nichts nach. Beides hat seine Reize. Die Geschichte liest sich flüssig und hat keine Längen.

    Nach sechs Wochen Therapie endet der Roman, dabei wäre es sehr interessant gewesen, zu erfahren, wie es mit den Frauen weitergegangen ist. Hat jetzt jede zu sich selbst gefunden oder nicht? Das offene Ende überlässt es dem Leser, sich eine eigene Fortsetzung zu schaffen.

  19. Cover des Buches Nietzsche (ISBN: 9783525340202)
  20. Cover des Buches Buddenbrooks- Handbuch (ISBN: 9783520816016)
  21. Cover des Buches Total bedient (ISBN: 9783404607792)
    Anna K.

    Total bedient

     (15)
    Aktuelle Rezension von: -BuchLiebe-
    Das Buch hat mir gut gefallen.
    Ich konnte mich mit der Autorin und deren Einstellungen identifizieren. 
    Es war wirklich spannend und interessant hinter die Kulissen zu schauen. Mit skurrilen Erlebnissen, humorvollen Erlebnissen, zum Kopf schütteln und auch mit ernsten Erlebnissen. Eine gute Mischung, glaubwürdig geschrieben und gut zu lesen. Es bringt auch erste Themen aufs Tablett, aber immer noch mit einer gewissen Leichtigkeit ohne erhobenen Zeigefinger. Das Buch kommt ohne Längen aus. Es hat mir gut gefallen und ist lesenswert. 
    Passenderweise habe ich das Buch gelesen, als ich selbst Gast in einem Hotel war. Da sieht man die angestellten doch auch ein wenig anders.
  22. Cover des Buches Der Hotelempfang (ISBN: 9783875166385)
    Walter Schwarz

    Der Hotelempfang

     (1)
    Aktuelle Rezension von: The iron butterfly
    Ein Lehrbuch für Auszubildende in Hotellerie und Gastgewerbe. Schwarz geht in seinem Lehrbuch durchaus auch auf ältere Technik ein, so dass dem Auszubildenden ein guter Über- und Einblick in den Empfangsbereich gewährt wird, auch wenn er ihn derart im Lehrbetrieb vielleicht nicht vorfindet. Fundiert und umfangreich wird für den Mitarbeiter im Empfangsbereich alles erklärt.
  23. Cover des Buches Der Surrealismus, Kanon einer Bewegung (ISBN: 9783832176440)
  24. Cover des Buches Ovid (ISBN: 9783805343688)
    Katharina Volk

    Ovid

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Admiral
    Ganz offen nennt Katharina Volk als Ausgang zum Schreiben dieses Buches ihr umfassendes Interesse an Ovid. Mit ihrer Freundin Christine habe ist oft die Metamorphosen gelesen. Aus langer Sicht entstand daraus dieses Buch: "Ovid. Dichter des Exils" (2012). Sie sagt ganz klar, dass es nicht für Wissenschaftler oder akademische Kenner Ovids sei, sondern für Normalsterbliche - wie auch mich. Tatsächlich schafft Katharina Volk es sehr gut, eine gewisse persönliche Offenheit mit einem eigenen INteresse zu befinden und hat ihr ein Buch präsentiert, das es versteht einem Interessierten, der nicht zum Fach gehört, Ovid näher zu bringen.


    Oft beschränken sich Einführungswerke auf die grobe Gliederung Persob, Zeitgeschichte und chronologische Werkabhandlung. Das macht Katharina Volk zwar insgesamt auch, geht jedoch ovidspezifischer vor. Sie möchte nämlich in sein Gesamtwerk einführen und zum Lesen verleiten (S. 11f.).
    Sie beginnt damit, uns Ovid zunächst in personam vorzuführen. Denn Ovid selbst sagt in einem Moment des gesunden Selbstbewusstseins, dass er mit seinen Metamorphosen unsterblich werden wird (S. 9). Folgerichtig beginnt sie dann mit seinen Werken und stellt erst im 2. Kapitel Ovids Zeit, Leben und Person näher vor. Doch artet die zeitgeschichtliche Darstellung nicht in einer groben und allgemeinen Geschichtsschreibung aus, sondern bleibt stark ovidbezogen. Allgemein wertvoll ist ihre anmahnende Vorsicht, das dichterische Ich in Ovids Werken nicht oder nur sehr vorsichtig mit Ovid als Mensch gleichzusetzen (S. 35-42). Das gilt beinahe umnfassend für alle Dichter der Zeit, denke ich, und ist damit rein methodisch sehr lesenswert. Die kurzangebundenen Einleitungen zu Ovids Werken (1. Kapitel; S. 15-30), die jeweils vielleicht eine halbe bis ganze Seite einnehmen, eignen sich hervorragend als Nachschlagewerk.

    Der Rest und Großteil des Buches (S. 48-155) ist aufgegliedert nach einzelnen Themen, die als Aspekte aufgeführt werden, um darunter Ovid und sein Werk zu betrachten. Das hat zur Folge, dass Ovids Schriften immer wieder und unterschiedlich thematisiert werden. So sind im Kapitel "Die Elegie" und im Kapitel "Die Frauen" gleichermaßen die Amores zentrales Thema. Die Kapitel orientieren sich jedoch nicht an irgendwelchen Themen, sondern sind bewusste Aspekte, die in Ovid eine große Rolle spielen oder für die Autorin besonders interessant sind. So gibt es das Thema Philosophie bezeichnenderweise nicht, obwohl ich persönlich jedoch nicht weiß, ob es wegen Volks Desinteresse oder wegen der Irrelevanz im ovidianischen Werk fehlt. Das 4. Kapitel ("Der Mythos"; S. 67-83) thematisiert beispielsweise hauptsächlich die antike Mythologie, die besonders in den Metamorphosen eine große Rolle spielt. Mythen seien aitiologische Geschichten oder exemplarische Geschichten gewesen (S. 68), die besonders unterhalten sollen. Da jeder die Mythen kannte und zahlreiche Texte über Mythen existierten (Intertextualität), war es immer eine große Herausforderung, lockere Andeutungen, Neuinterpretationen und einen guten Schreibstil umzusetzen. Ovid habe dies meisterhaft umgesetzt. Ein zweites wichtiges Werk, das Volk in diesem Kapitel noch hauptsächlich miteinbezieht, sind Ovids Heroides, fiktive Briefe mythologischer Frauen an ihre Liebhaber. Hier lässt Ovid Frauen zu Wort kommen, die in den traditionellen Mythen sonst keine derartige Rolle wahrnahmen.

    Ein weiteres Thema/Kapitel, das ich noch erwähnen möchte, ist das 6. Kapitel ("Die Frauen"; S. 102-117). Hier sind allein die Heroides der Hinweis darauf, welche wichtige Rolle Frauen als Personen und mythische Gestalten für Ovid spielten. Wie so vieles bei Ovid ist jedoch auch hier unklar, inwiefern Ovid über Frauen dachte. Die Alternativen reichen von protofeiministisch-gleichberechtigt, bis zu sexistisch oder misogyn (also vom einen Extrem zum anderen; S. 102). Jedenfalls schreibt er auch oft aus der Sicht der Frauen. Die Heroides habe ich bereits erwähnt, aber auch in seinem Werk Ars Amatoria (eine Art Handbuch für die Liebeskunst), ist das letzte Buch Frauen gewidmet, die damit ihre Attraktivität steigern können/sollen. Hier neigt er sogar dazu, für den sexuellen Spaß zum Ehebruch. Dabei ist jedoch eine gewisse Objektivierung von Frauen unverkennbar (S. 107), denn selbst das 3. Buch der Ars Amatoria soll Frauen begehrenswerter für Frauen machen.
    Ein weiterer Aspekt ist Ovids Genderkonstrukt. Mittlerweile wird das Thema des Genderismus viel zu überspitzt und polarisiert, doch dieser Abschnitt (S. 113-117) des Kapitels zeigt hervorragend, wie nutzbar man die Methodik des Genderismus für andere Wissenschaften machen kann. Denn hier ist Ovid aus römischer Sicht ziemlich unorthodox: denn er ist rein heterosexuell. Römische Männlichkeit identifizierte sich hauptsächlich über die Dominanz über die Genderrolle "weiblich". Ein Mann musste andere Frauen, Männer oder Sklaven dominieren, indem er sie bspw. sexuell penetrierte und seine Lust daraus zog, während der andere gebende Part dabei keine Lust verspüren musste. Die lustgebende und penetrierte Frau oder der entsprechende Mann war in seiner Rolle als weiblich definiert. Dies versteht Ovid ezidiert so nicht, sondern versteht steht schlichtweg nur auf Frauen (ohne Männer !).


    Das sollte nur ein kurzer (und chaotisch gewordener ?) Einblick in das Buch sein. Als Nachschlagewerk eignet es sich bzgl. der Kurzeinführungen zu den Werken hervorragend und ist wegen der thematischen Ordnung sehr interessant. Katharina Volks Schreibsteil kommt sehr locker und einnehmend rüber.

    Wirklich lesenswert.

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