Bücher mit dem Tag "schöne sprache"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "schöne sprache" gekennzeichnet haben.

47 Bücher

  1. Cover des Buches Stolz und Vorurteil (ISBN: 9783945350089)
    Jane Austen

    Stolz und Vorurteil

     (4.358)
    Aktuelle Rezension von: Ms_Violin

    Im südenglischen Landgut Netherfield führt die Familie Bennet ein beschauliches Leben. Betrübnis bereitet nur, dass sich bisher noch keine der fünf Töchter verheiratet hat. Da kommt es sehr gelegen, dass in der Nachbarschaft ein Mann mit ansehnlichem Äußeren und ebenso ansehnlichem Einkommen einzieht. Während dieser von allen wohl aufgenommen wird, findet sein stolzer, fast schon arrogant auftretender Freund Mr. Darcy nur wenig Beliebtheit. Auch Elizabeth, die zweitälteste der Bennet‑Töchter, weist ihn zuerst ab, kommt aber nicht umhin, sich näher für seine Person zu interessieren.


    Der erste Satz von „Stolz und Vorurteil“ gehört zu meinen absoluten Lieblingsbuchanfängen!
    Egal, wie oft ich dieses Buch schon gelesen habe, der erste Satz schafft es jedes Mal aufs Neue mich zu amüsieren und mich in die richtige Stimmung für diese Geschichte zu bringen.
    Aber nicht nur der Anfang gehört zu meinen Lieblingen, das Buch, seine Geschichte und seine Figuren ebenfalls.
    Ich liebe wie sich die Handlung und die Gefühle aufbauen, wie sie entblößt werden und sich drehen und wandeln, die ganzen Verwicklungen und alles mit im Grunde so wenigen Schauplätzen und Figuren und dennoch habe ich das Gefühl so einen guten Ein- und Überblick über die englische Gesellschaft dieser Zeit zu bekommen, welche all diese Strukturen hervorgebracht und begünstigt hat.
    Jane Austen hatte wirklich eine ganz besondere Beobachtungsgabe und konnte diese auch noch so wunderbar spitzfindig zu Papier bringen.
    Außerdem liebe ich es auch, dass am Ende eben nicht alles wundervoll und perfekt ist. Wickham kommt nach all seinen Taten viel zu gut davon und ist auch noch mit Darcy verwandt und auch Lady Catherine hat keine größeren Konsequenzen zu ertragen und muss sich so auch nicht ändern und dennoch ist dieses Ende für mich einfach wunderbar.
    Teilweise weil es eben noch einmal all diese eher unschönen Punkte anspricht und nicht verschweigt, vor allem aber weil ich nicht nur den Ausblick auf das Eheleben von Elizabeth und Darcy mag, sondern weil auch all die verschiedenen Beziehungen (z.B. von Elizabeth und Georgiana) kurz und doch ausreichend beleuchtet werden, um mich eben vollkommen von einem Happy End zu überzeugen.


    Fazit: Egal, wie häufig ich dieses Buch schon gelesen habe, habe ich dennoch bei jedem erneuten Lesen wieder meinen Spaß an Handlung und Figuren und entdecke machmal sogar noch neue Aspekte und dieses Mal dann auch noch in so einem hübschen Gewand; wirklich kein Vergleich zu meiner alten abgegriffenen Taschenbuchausgabe! (Ich kann mich wirklich nicht entscheiden, welches der Cover aus diesem Schuber mein Favorit ist.)

  2. Cover des Buches Caraval (ISBN: 9783492708210)
    Stephanie Garber

    Caraval

     (937)
    Aktuelle Rezension von: svenjasbuecherecke

    Dieses Buch hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Eine magische Welt und tolle Protagonisten. So spannend geschrieben, dass ich es nicht aus der Hand legen wollte. Es fühlte sich ein wenig so an wir Alice im Wunderland nur irgendwie anders. Ich kann es nicht in Worte fassen. Mein bisheriges Jahreshighlight! 

  3. Cover des Buches Der Ruf des Kuckucks (ISBN: 9783442383214)
    Robert Galbraith

    Der Ruf des Kuckucks

     (729)
    Aktuelle Rezension von: Igelmanu66

    »Das Doppelte. Das war das K.o. für Strikes sonst so felsenfestes und unbeugsames, aber durch wiederholte Schicksalsschläge angezähltes Gewissen. Sein innerer Schweinehund hingegen vergnügte sich bereits mit fröhlichen Spekulationen: Ein Monat in Bristows Diensten, und er könnte die Aushilfe und einen Teil der ausstehenden Miete bezahlen. Zwei Monate, und er wäre die dringendsten Schulden los… Drei Monate, und das überzogene Konto wäre so gut wie ausgeglichen… Vier Monate…«

     

    Privatdetektiv Cormoran Strike hat eigentlich Prinzipien und nimmt keine Aufträge an, die er als aussichtslos ansieht. So viel Anstand hat seine finanzielle Situation allerdings schwer erschüttert und der vor ihm sitzende John Bristow ist nicht nur ein reicher Mann, sondern auch felsenfest davon überzeugt, dass seine Schwester, das berühmte Model Lula Landry, nicht wie von der Polizei abschließend festgestellt Selbstmord begangen hat, sondern ermordet wurde.

    Strike macht sich also an die Arbeit. Anfangs ist er davon überzeugt, dass die Polizei gründlich ermittelt hat, doch dann stößt er doch auf Ungereimtheiten, interessant und erschreckend zugleich…

     

    Auf das Buch wurde ich aufmerksam, weil ich ein großer Fan der Harry-Potter-Reihe bin und nun mal sehen wollte, wie J.K. Rowling (Robert Galbraith ist ihr Pseudonym) einen Krimi umsetzt. Durchgehend überzeugen konnte sie mich hier leider nicht.

    Trotz der eigentlich sehr interessanten Handlung empfand ich einige Abschnitte als zäh und langatmig. Vielleicht hat es am Umfang gelegen. Frau Rowling ist es gewohnt, sehr viel zu schreiben, aber was bei Harry Potter gut passt, passt nicht automatisch auch auf einen Krimi. Ich lese gern und viel Krimis, mag auch präzise Beschreibungen der Ermittlungsarbeiten, aber hier hätten ein paar Kürzungen dem Buch gutgetan.

     

    Was mich auch nicht so begeisterte, war der Protagonist selbst. Das liegt allerdings daran, dass ich diesen Typ heruntergekommener Ermittler, privat und beruflich verkorkst, nicht so mag. Stimmig und rund beschrieben war sein Charakter allerdings. Und Strikes Aushilfe Robin Ellacott habe ich gleich ins Herz geschlossen. Eine tolle und starke Frau, ohne die er an mehr als einer Stelle aufgeschmissen gewesen wäre.

     

    Abgesehen von diesen Kritikpunkten empfand ich die Handlung als gelungen und gut und schlüssig umgesetzt. Im letzten Drittel kam dazu ordentlich Spannung auf, das hat mir gefallen und mich mit zähen früheren Phasen ein wenig versöhnt. Ich denke, ich werde noch einem weiteren Band der Reihe eine Chance geben.

     

    Fazit: Interessanter Krimi, an einigen Stellen aber ein wenig zäh, so dass er mich nicht durchgehend überzeugen konnte.

  4. Cover des Buches Die Eleganz des Igels (ISBN: 9783423429917)
    Muriel Barbery

    Die Eleganz des Igels

     (844)
    Aktuelle Rezension von: Ansonstern

    Ich mag Geschichten, die vom Alleinsein handeln, aber nicht alle davon. Dieses Buch ist irgendwo dazwischen. Eigentlich hatte es mich schon auf der dritten Seite für sich gewonnen, als Renée erzählt, dass sie allein mit ihrem Kater lebt und weder er noch sie “große Anstrengungen [unternehmen], sich in die Reihe unserer Artgenosse einzugliedern”. Sowohl sie als auch Paloma geben sich große Mühe, nicht zu zeigen, wie intelligent sie wirklich sind. Es ist humorvoll und tiefsinnig, gleichzeitig aber auch sehr französisch; es erinnert mich an den Französischunterricht zu Schulzeiten, wo man sich durch den Text kämpfte, gefühlt jedes zweite Wort nachschlagen musste und dann merkte, dass es nicht nur am Wortschatz, sondern auch am verschachtelten und eigensinnigen Satzubau liegen könnte, dass man nicht alles verstanden hat. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes und schließlich war ich auch diejenige, die wild entschlossen war, dieses Buch zu lesen. Ich werde auch in Zukunft wieder zu diesem Buch zu greifen, aber eher um zu philosophieren und nicht, wenn ich leichte Unterhaltung suche.

  5. Cover des Buches Siddhartha (ISBN: 9783518463543)
    Hermann Hesse

    Siddhartha

     (922)
    Aktuelle Rezension von: RattusExlibricus

    Kategorie: Bildungsroman | Psychogramm |Reflexion | Philosophie| Roman

    Worum dreht sich die Handlung?: Der junge Brahmahensohn Siddhartha wird zusammen mit seinem Freund Govinda schon in jungen Jahren in die Weisheiten der Religion und des Dienstes an den Göttern eingeweiht. Schnell entwickelt er große Klugheit und Weisheit, alle in seiner Umgebung lieben ihn, eine glänzende Zukunft liegt vor ihm – aber dennoch ist er nicht glücklich, inneres Suchen treibt ihn um, er fragt sich, wie es möglich sein soll, dem letzten göttlichen Prinzip näher zu kommen und die vollkommene Wahrheit zu erkennen. Als eines Tages Wanderasketen durchs Dorf ziehen, sieht er seine Chance darin, sich ihnen, entgegen dem Willen seiner Eltern, anzuschließen. Sein Freund folgt ihm. Doch auch in der völligen Entselbstung und aller Dinge, die er bei den Asketen lernt, scheint er der Wahrheit nicht näher kommen zu können. Eines Tages hören sie von einem Erwachten, einem Buddha, und sein Freund Govinda möchte unbedingt dessen Lehre hören. Also ziehen sie weiter, obwohl Siddhartha innerlich bereits mit jeder Lehre abgeschlossen hat. Während Govinda sich dem Buddha anschließt, entscheidet Siddhartha, seinen Weg zur Erkenntnis allein weiterzugehen…

    Große Themen im Hintergrund: Suchen und Finden | Lehre und Erkenntnis| Persönlichkeitsentwicklung | Einheit| Wandlung und Unwandelbarkeit| Wiederholung und Wert des Lebens| Wege aus dem Leiden | Menschlichkeit

    Persönliche Notiz: Anders als ich erwartet habe, handelt das Buch nicht vom Leben „des“ Buddha, Siddhartha Gautama, obschon er auch seine Rolle darin spielt. Nichtsdestotrotz gibt es viele Parallelen, so dass ich das Gefühl habe, Hesse hat hier seine eigene Interpretation dieser Erzählung geschaffen, verquickt mit philosophischen Exkursen, erworbenem Wissen über fernöstliche Kulturen und eigenen Gedanken und Ansichten. Auch wenn das von Außen betrachtet vielleicht etwas esoterisch oder religiös klingt (Esoterik liegt mir völlig fern), ist das Buch eher als Charakterstudie und philosphischer Ausflug zu verstehen.

    Teilbewertung (Legende *= hat mich nicht überzeugt, **= ausbaufähig, ***=solide/gut zu lesen, ****= sehr gut/klare Empfehlung, *****= exzellent/schwer zu erreichen):


    1. Handlung **** 

    Trotz der verhältnismäßigen Kürze ist viel in dem Buch passiert, der Hauptfokus liegt hierbei eindeutig auf der Charakterentwicklung des Hauptprotagonisten (es geht mehr um Lebensabschnitte und deren Reflexion als um die „Handlung“ (im Sinne von Aktion) an sich). Die ständige Wandlung, der Gewinn und Verlust von Erkenntnis, das Wachsen und Scheitern und häufige Änderung der Lebensumstände spiegeln hier zielsicher die Grundthematiken des Buches wieder. Die einzelnen Handlungsabschnitte haben alle ihre ganz eigene Stimmung und die Handlung ist in aller Prägnanz, dabei aber nicht schmucklos ausgestaltet, so dass die knapp über hundert Seiten völlig ausreichend sind.

     


    1. Aufbau **** 

    Das Buch untergliedert sich in mehrere, gut nachvollziehbare Sinnabschnitte. Die Handlungsbausteine sind klar abgegrenzt, auch wenn einzelne Elemente immer wieder auftauchen und der Geschichte gewisse Ankerpunkte verleihen. Es gibt keine unnötigen Längen aber auch keine größeren Auslassungen. Man verfolgt das ganze Leben des Siddhartha und verfolgt seine Wandlungen in überschaubaren Portionen. Die philosphischen Exkurse sind im ganzen Buch wichtig und behandeln prinzipiell die selben Themen, in jedem Abschnitt aber aus einem ganz anderen Blickwinkel. Im Moment der größten Selbstentfremdung wird der Erzählstil eher unpersönlich, sonst ist er sehr nah am Hauptcharakter und mit dessen Gedanken verquickt.

     


    1. Charakterzeichnung ****°

    Mit der Entwicklung und Interaktion des Hauptcharakters mit der Umwelt ist Hesse hier ein ganz großer Wurf gelungen.  Die Innenschau ist ausgeprägt, genau konstruiert und dabei trotzdem vereinnahmend und liest sich unterhaltsam. Die wichtigsten Gedanken des Buches werden gleichzeitig durch die ausführlichen Gedanken und Reflexionen des Protagonisten dargestellt. Die Nebencharaktere sind menschlich und oft zwar knapp, aber keineswegs farblos oder klischeemäßig dargestellt. Der Fokus liegt sehr auf dem Hauptcharakter und seinen Gefühlen und Gedanken, was für die Geschichte sehr notwendig ist, was aber vielleicht nicht alle mögen. Manche Nebencharaktere sind mehr Spiegel und Prinzipien, wirken aber trotzdem unglaublich greifbar und sympathisch.

     


    1. Sprache und Stil *****

    Die Sprache hat mich überrascht und gleich auf der ersten Seite vereinnahmt. Sie ist komplex, ausschweifend und bedient sich dabei auch in normalen Schilderungen großzügig aus der Werkzeugkiste der Stilmittel und Metaphern, so dass oft ein schon fast poetischer Eindruck entsteht. Sie fließt, schwimmt, mäandert und schafft es dabei gerade durch ihre Indifferenz gut zum Punkt zu kommen und Gedanken anzudeuten, die klarer nicht auszudrücken wären. Elemente sind teils mit mehreren Bedeutungen gleichzeitig aufgeladen und es wird oft sehr schön kontrastiert und verbunden. Ich muss zugeben, dass gerade dieser Punkt, der mich so sehr begeistert hat, für viele vielleicht etwas „zu viel“ ist, unklar, altmodisch oder überladen ankommt. Ich finde, die Grundgedanken und Aussagen werden dadurch nur umso mehr unterstützt und sie ist einfach schön zu lesen.


    1. Zielgruppe(n)

    Das Buch ist, aufgrund seiner Kürze, nicht unbedingt ein längeres Projekt. Wenn man konzentriert dabei bleibt und Gehirn und Emotionen anstrengt (und das ist für den vollen Genuss unabdinglich) kann man das Buch an einem bis wenigen Tagen lesen (ich würde aber mindestens zwei empfehlen, je nachdem, wie gut man sich in die Gedankenwelt einfinden kann, um etwas zu „verdauen“). Ja, das Buch ist manchmal anstrengend und man darf es nicht vorbeifliegen lassen, weil man sonst schnell den Faden verliert, aber der Aufwand lohnt sich, wenn man sich an den interessanten (und teils wahrscheinlich auch selbst schon angerissenen) Gedankenspielen beteiligen will. Denn die Frage, was tatsächlich glücklich macht, was der Grundbaustein der Existenz ist, wie man mit dem Alltäglichen fertig wird und wonach man im Leben suchen kann, sind sicherlich universell. Man merkt, dies ist ein Buch zum Gedanken machen. Und natürlich zum Versinken in der Sprache. Den größten „Unterhaltungswert“ hat die minutiöse Ausarbeitung der kurvenreichen Entwicklung des Hauptcharakters. Daran muss man auf jeden Fall seinen Spaß haben. Das Buch ist eher nichts für Freunde von actionreicher Handlung, großer Spannung und auch wer unbedingt viele zwischenmenschliche Interaktionen in einer Geschichte braucht, wird wohl eher nicht glücklich.

    Trotz schwerer Gedankenkost und zwischenzeitlicher tiefer Verzweiflung präsentiert das Buch  am Ende ein sehr positives Lebens- und Menschenbild, so dass trotz aller gehaltvoller und schwerer Diskussionen am Ende ein starker Schimmer der Zuversicht bleibt.

    Natürlich behandelt das Buch, auch wenn es nicht unbedingt vorrangig darum geht, auch Themen aus der buddhistischen Lehre (oder das, was Hesse meinte, herausziehen zu müssen), Transzendentalität und arbeitet oft mit einer starken Abstraktion. Auch darauf sollte man sich unbedingt einlassen können, um Freude daran zu haben.

     


    1. Fazit ****°

    Die Geschichte lebt mehr von innerer Entwicklung und die Beeinflussung und Formung eines Charakters durch Lebensumstände. Es ist eine philosophische Lebensreise zu den grundliegenden Fragen von Sinn, Existenz, Zufriedenheit und Liebe, eine Gegenüberstellung und Vereinigung verschiedener Prinzipien und der universellen Suche nach dem Glück. Und der Frage, ob Finden und Suchen sich nicht oft ausschließen. Stilistisch komplex und wabernd, dabei aber mit kristallklarer Sprachschönheit werden diese Themen gut unterstützt. Das Buch ist komplex und soll zum Nachdenken anregen, bedient sich dabei buddhistischer Gedanken, allgemeiner Lebensphilosophie und ausgedehnter Charakterstudien. Es ist langsam und ohne viel aufsehenerregende Handlung, entfaltet interessante grundliegende Gedanken und lässt einen nach vielen schweren Gedanken mit einer positiven Grundbotschaft zurück. Definitiv nicht für jeden etwas, vielen wahrscheinlich zu abgedreht oder sprachlich anstrengend. Ich hatte etwas Langatmigeres erwartet und war sehr positiv überrascht.

  6. Cover des Buches Der Wolkenatlas (ISBN: 9783499241413)
    David Mitchell

    Der Wolkenatlas

     (526)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

     „Der Wolkenatlas“ verbindet sechs Geschichten in verschiedenen Genres, die zu verschiedenen Zeiten spielen und von verschiedenen Menschen handeln.

    Auf den ersten Blick haben die Handlungsstränge nicht viel miteinander zu tun – ein Notar schreibt 1859 auf einer Schiffreise Tagebuch, ein älterer Verleger hat 2012 Probleme mit Kriminellen und Verwandten, die letzten Überlebenden der Menschheit laufen 106 Jahre nach dem Fall durch eine postapokalyptische Welt.

    Nach und nach wird jedoch deutlich, dass alles verknüpft ist: die Entscheidungen jedes Protagonisten haben Einfluss auf seine Nachfolger und werden selbst von der Vergangenheit oder Zukunft beeinflusst. Das genaue Ausmaß der Verbindungen bleibt unklar. Ob und wie viel Übernatürliches im Spiel ist, kann jeder für sich entscheiden.

    Auch bestimmte Themen sind zeitübergreifend und ziehen sich durch das gesamte Buch: Freiheit in verschiedenen Formen und der Kampf darum, Ausbeutung, Betrug, die Suche nach der Wahrheit, das Füttern von Enten.

    Eine Folge der besonderen Struktur des Romans ist natürlich eine große Menge an Charakteren (die gerne auch erst nach einigen Hundert Seiten wieder auftauchen), darauf muss man sich einlassen können, wenn man das Buch lesen möchte.

    Zudem ändern sich die Erzählart und der Schreibstil mit jeder Geschichte. Von Tagebucheinträgen und Briefen über Interviews bis hin zu Lagerfeuergeschichten bietet dieses Buch erzähltechnisch alles. Je nach Vorliebe kann man das als Vor- oder Nachteil ansehen. Meiner Meinung nach hilft es, in jeder neuen Geschichte „anzukommen“ und bietet Abwechslung, auch wenn ich den postapokalyptischen Dialekt in der letzten Geschichte ehrlich gesagt etwas anstrengend fand.

    Wenn man von den vielen Charakteren und der Idee an sich nicht abgeschreckt ist, ist „Der Wolkenatlas“ sehr zu empfehlen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird man mindestens eine oder zwei (am besten natürlich mehr) Geschichten sehr genießen und wenn man dann noch die einzelnen Elemente verbindet, ergibt sich ein Gefühl, als hätte man erfolgreich ein interessantes Puzzle zusammengefügt.

  7. Cover des Buches Romeo und Julia (ISBN: 9783872911278)
    William Shakespeare

    Romeo und Julia

     (1.392)
    Aktuelle Rezension von: Elina_moro

    Ich habe einmal Romeo und Julia in der Schule gelesen und ich war komplett von der Story begeistert. Vor kurzem habe ich es noch mal gelesen und finde es immer noch gut. Am meisten, was ich an diesem Drama liebe, ist die Sprache, Shakespeares Englich klingt immer zärtlich und romantisch, aber auch doppeldeutig. Die Lektüre hat mir viel Spaß bereitet. Man kennt ja die Story. Nach so vielen Jahren mag sie klischeehaft klingeln, aber sie hat etwas an sich, auch wie die anderen Dramen von William Shakespeare, die immer noch gelesen werden und immer noch besprochen werden.

  8. Cover des Buches Mrs. Dalloway (ISBN: 9783717525561)
    Virginia Woolf

    Mrs. Dalloway

     (269)
    Aktuelle Rezension von: Lisa-Alexandra

    Die Sätze waren mir oft zu lang und zu verschachtelt daher habe ich schwer in die Geschichte gefunden. Auch der schleichende Perspektivenwechsel der Charaktere denen man folgt, hat für mich das Lesen an mancher Stelle erschwert. 

    Die Geschichte spielt an einem einzigen Tag daher "passiert nicht viel". Man folgt den Handlungen aber mehr den Gedanken verschiedener Personen die sich später auf der Abendgesellschaft von Clarissa Dalloway treffen.

    Trotzdem habe ich das Buch genossen. Es ist mir nach dem Lesen länger in Gedanken geblieben als andere. 

  9. Cover des Buches A Court of Wings and Ruin (English Edition) (ISBN: 9781526617170)
    Sarah J. Maas

    A Court of Wings and Ruin (English Edition)

     (234)
    Aktuelle Rezension von: Jessica_Omerovic
    Bei dem dritten Teil hatte ich die ersten 100 Seiten paar Probleme mit reinzukommen. Das hat sich danach aber so schnell verändert und ich wurde komplett mitgerissen. Für mich der wirklich spannendste Teil. Wobei hier der Fokus auf Politik & Krieg liegt. Gegen Ende hin hat mein Herz nur noch geblutet und man muss so viele Ereignisse auf einmal verkraften. Besonders Cassian hat sich in mein Herz geschlichen. I mean: “I have no regrets in my life, but this. That we did not have time. That I did not have time with you, Nesta. I will find you in the next world - the next life. And we will have that time. I promise.”
  10. Cover des Buches Ein Gentleman in Moskau (ISBN: 9783548290720)
    Amor Towles

    Ein Gentleman in Moskau

     (130)
    Aktuelle Rezension von: mabo63

    1922, Graf Rostov ist vorgeladen vor dem 'Notstanskomitee des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten' und wird verurteilt zu lebenslangem Hausarrest im Nobelhotel Metropol.


    32 Jahre lang zieht sich nun die Geschichte in diesem Hotel.

    Im Mittelpunkt der wohlhabende Graf und Nina, ein kleines Mädchen das ihm anvertraut wird.

    Die Geschichte plätschert nun leider so vor sich hin, in einer schönen Sprache zwar, aber doch sehr langatmig, kein wirklicher Spannungsbogen der einem fesselt. Auch fand ich es seltsam dass der Graf stets guter Dinge ist und alles so hin nimmt wo er doch eingesperrt ist in seinem kleinen Kämmerlein, da ist nichts mehr wo er Einfluss nehmen kann in seiner Heimat.

    Der Plot hätte ruhig etwas erweitert werden können, zb. als der Graf wiederholt aus dem Fenster hinüber Richtung Bolschoi blickt, etwas über die schrecklichen Wirren der Nachkriegszeit zu erfahren, oder eben die Geschichte des Bolschois eine Angel weit öffnen.


    Der Schluss ist dann doch wieder recht interessant, wahrscheinlich auch weil ich froh war mit dem Grafen aus den Räumen des Hotels entfliehen zu können

  11. Cover des Buches Irisches Tagebuch (ISBN: 9783423146043)
    Heinrich Böll

    Irisches Tagebuch

     (211)
    Aktuelle Rezension von: mabo63

    Böll schreibt 1954 in seinen Texten von seinen Reisen nach Irland, beschreibt das dazumal arme und rückständige Irland, vom garstigen Leben und tiefer Religiösität, erzählt vom Aderlass (viele sind gezwungen auszuwandern vorwiegend nach Grossbritanien oder nach Übersee)

    Und dennoch spürt man dass er dieses grüne, von Regen geprägte Irland liebt.


    "[..]Muss Aedan McNamaras Frau ausgerechnet immer nachts ihre Kinder kriegen und immer im September?

    Aber Aedan McNamara arbeitet von März bis Dezember in England, kommt um Weihnachten erst nach Hause, für drei Monate, um seinen Torf zu stechen, das Haus neu zu streichen, das Dach zu reparieren, heimlich an diesem zerklüfteten Küstenstreifen ein wenig auf Lachsfang zu gehen, nach Strandgut zu suchen - und um das nächste Kind zu zeugen: so kommen Aedan McNamaras Kinder immer im September, um den 23. herum: neun Monate nach Weihnachten, wenn die grossen Stürme kommen, die See meilenweit schneeweiss ist vor zornigem Schaum.

    Aedan sitzt jetzt wahrscheinlich in Birmingham an einer Bartheke, ängstlich wie alle werdenden Väter, flucht auf die Hartnäckigkeit seiner Frau, die aus dieser Einsamkeit nicht zu vertreiben ist: eine dunkelhaarige trotzige Schönheit, deren Kinder alles Septemberkinder sind; unter den verfallenen Häusern bewohnt sie das einzige noch nicht verlassene [...]

  12. Cover des Buches Das Fremde Meer (ISBN: 9783833309908)
    Katharina Hartwell

    Das Fremde Meer

     (111)
    Aktuelle Rezension von: Tiniwiniii

    “Das Leben ist ein raues, ein stürmisches, ein gefährliches, ein unendlich weites, ein wildes, viele Geheimnisse und viele Gefahren und viele Riffe beherbergendes Meer. Und es gibt nicht viele milde Tage, und es gibt so viele Möglichkeiten, Schiffbruch zu erleiden. […] Und es ist eine Kunst, eine Herausforderung, eine unbedingte Notwendigkeit, jeden Tag und immer wieder aufs Neue nicht unterzugehen,“ (S. 556, Katharina Hartwell – Das fremde Meer).

    In ihrem Roman ‘Das fremde Meer’ erzählt Katharina Hartwell die Geschichte zweier Menschen, die das Leben zusammengeführt hat. Zehn Kapitel, eine Liebe.

    Jan stolpert regelrecht in Maries Leben. Bevor Marie Jan kennen lernt, glaubt sie, dass sie niemand retten kann. Die Außenseiterin, eher ruhig und zurückhaltend, ängstlich und verzweifelt, wer sollte sie schon retten wollen? Sie glaubt, dass Katastrophen immer nur die treffen, die nicht auf sie vorbereitet sind. Darum rechnet sie stets mit dem Schlimmsten. Jan scheint so völlig anders zu sein als sie. Von ihm fühlt sie sich gefunden, mit ihm teilt sie Geheimnisse, stille Stunden und wache Nächte. Natürlich vertraut sie nicht darauf, dass alles bleibt wie es ist, denn sie weiß: »man kann alles trennen, teilen und spalten, sogar ein Atom«.

    Kein Buch, was ich bisher gelesen habe, war so facettenreich und magisch erzählt, wie dieses. Eine Geschichte in zehn unterschiedlichen Stilen und Genren geschrieben, vom Märchen, über einen historischen Roman bis hin zu einer Fantasy Reise. Dieses Buch lässt sich in keine Schublade stecken. Anfangs begreift man überhaupt nicht, wie die zehn Geschichten miteinander verbunden sind, doch am Ende fügt sich alles.

    Ich kann Marie verstehen. Wie oft ging es mir selbst schon so, dass ich einen Glückszustand oder Momente, in denen alles in Ordnung ist, nicht genießen konnte. Irgendwo hat sich doch mit Sicherheit ein Haken versteckt, ich muss etwas übersehen haben, warum sollte ausgerechnet ich so viel Glück haben? Ständig alles in Frage zu stellen ist nahezu wie ein Zwang, um sich selbst zu schützen. Doch geht das überhaupt? Glücklich und zufrieden wird man so eher nicht. In Jan findet Marie einen Menschen, der sie mit anderen Augen sieht. Der ihre Ängste begreift und ihr Halt gibt, den ihr Elternhaus ihr nicht vermittelt hat und der ihr in ihrem Leben fehlt. Doch selbst vor dem Moment in dem sie ihn kennenlernt, als er aus dem Paternoster auf sie fällt, weil sie ihn gerettet hat, hat sie Angst. Und dabei bemerkt sie erst gar nicht, dass auch er sie gerettet hat.

    Den ganzen Roman hindurch, ist in jeder einzelnen Geschichte das Mädchen die Heldin, die Retterin und nicht die zu Rettende. Mir gefällt das Spiel der unterschiedlichen Genre sehr gut. Dadurch kommen nicht zuletzt die Charakterzüge der Hauptfiguren sehr deutlich ans Licht. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mich ganz auf den Roman einzulassen und zwischendurch musste ich das Buch für einige Wochen beiseitelegen. Nachdem ich nun die letzten Seiten gelesen habe, kann ich sagen, ich habe es nicht bereut. Das Ende ist so überraschend traurig und schön zugleich und es fügt sich alles, was vorher Rätsel aufgeworfen hat. Der Roman verdeutlicht, was Worte zu bewegen vermögen. Und wie viel Gewicht ein Wort oder ein Satz haben, uns gleichzeitig aber auch etwas Leichtes geben kann. Das Ende ist vollkommen offen, denn vielleicht ist es nicht das Ende. Und vielleicht kann man doch nicht alles trennen, teilen und spalten wie ein Atom. Immerhin gibt es auch noch so etwas wie die Atombindung. Eine Bindung, die alles fest zusammen hält und sich wie ein rotes Band durch unser Leben zieht.

  13. Cover des Buches Mädchenmeute (ISBN: 9783499247460)
    Kirsten Fuchs

    Mädchenmeute

     (78)
    Aktuelle Rezension von: ems

    Schon aufgrund des Schreibstils wusste ich, dass das Buch nicht unbedingt was für mich ist. Vieles wurde total eigenartig formuliert und meistens verstand ich die sarkastischen Bemerkungen nicht. Ich habe versucht mich damit auseinanderzusetzen, aber als ich es letzendlich verstanden habe, war ich noch verwirrter als zuvor, denn es war oft mega random & ganz bestimmt nicht lustig. 

    Auch die Charaktere waren sehr speziell. Am Anfang fand ich ihre Individualität noch sehr reizend & war gespannt darauf alle besser kennenzulernen, aber alle haben sich nur gestritten. Trotzdem wollte keiner nach Hause fahren & stattdessen zusammen Urlaub machen. Wo ist da der Sinn? Ich weiß es sind noch Kinder & rein logisches denken ist nicht immer angesagt, aber ich konnte es trotzdem einfach nicht nachvollziehen.

    Apropros Kinder — wenn mir diese Situation in deren Alter passiert wäre, wäre ich vor Angst gestorben. Der Aufenthalt auf dem Camping Platz war einfach purer Horrorfilm, zwischendurch war ich mir echt nicht sicher, ob ich das richtige Buch in der Hand hielt. Wie verstörend war bitte die Aufsichtsperson? Aber diese Kinder haben wohl Eier aus Stahl & sehen keinen Grund zwei mal über die Ernst der Lage zu denken. Auch hier konnte ich die Handlungen & Gedanken der Mädchen null nachvollziehen. 

    Zuletzt (& tatsächlich der Schubser wieso ich das Buch beendet habe) taten mir einfach die Hunde total leid. & ab da wollte ich dann auch wirklich nicht mehr weiterlesen. Ich rege mich bis jetzt immer noch über die Situation auf.

    Wie gesagt, ich bin mir mehr als bewusst, dass diese Mädchen noch jung sind & falsche Entscheidungen treffen dürfen. Aber trotzdem ändert es nichts an der Tatsache, dass ich mich einfach nur aufgeregt habe & mir einfach viel zu wenig am Buch gefallen hat, um weiterzulesen.

  14. Cover des Buches Wir haben Raketen geangelt (ISBN: 9783423144742)
    Karen Köhler

    Wir haben Raketen geangelt

     (101)
    Aktuelle Rezension von: Federfee

    Noch während ich Karen Köhlers 'Miroloi' las und weil mir der Roman sehr gut gefiel, habe ich mir diesen Band mit Erzählungen gekauft, zumal ich einiges Lob gelesen hatte. Um so größer die Enttäuschung, die letztlich dazu geführt hat, in der Mitte abzubrechen. Was ich jetzt schreibe, bezieht sich also nur auf die Hälfte des Buches.

    Die ersten beiden Erzählungen haben mir noch einigermaßen gefallen. Sie sind von  warmherzigen menschlichen Begegnungen geprägt und ich hätte sie mir gut in Zeitschriften und Magazinen abgedruckt vorstellen können. Die Sprache ist einfach – was im Weiteren so blieb.

    Doch die dann folgenden negativ geprägten Geschichten fand ich teilweise zu skurril, vielleicht auch langweilig? Ich weiß es nicht mal so genau. Jedenfalls haben sie mich weder angesprochen noch interessiert. Daher: Abbruch.

    Noch ein Wort zur vielgelobten Sprache. Von den versprochenen Highlights habe ich nur folgendes gefunden:

    Las Vegas: '… liegt vor uns im Tal die Königin der Nacht. Glitzernd, blinkend, verführerisch lockend trägt sie gerade ihre Lichterschminke auf. Bietet sich an wie eine, die man nur im Rausch ertragen kann.' (48)
    'Ich zerre aus meiner Vokabelkiste italienische Sätze hervor, die ganz staubig sind, aber gut auf der Zunge liegen.' (87)

    Ansonsten sprechen viele Personen so, wie es in der Wirklichkeit sein mag, mir aber dennoch nicht gefallen hat: 'alten Leuten den A... abwischen', - 'Erzähl keine Schei..'

    Schade, eine Enttäuschung in jeglicher Hinsicht. Da mir aber 'Miroloi' so gut gefallen hat, werde ich Karen Köhler im Auge behalten. Hier die Rezension:

    https://www.lovelybooks.de/autor/Karen-K%C3%B6hler/Miroloi-2002421363-w/rezension/5697728159/



  15. Cover des Buches Die Narbe (ISBN: 9783404243204)
    China Miéville

    Die Narbe

     (15)
    Aktuelle Rezension von: rallus
    Bellis Schneewein muss aus der Metropole New Crobuzon fliehen. Sie nimmt die erste Passage auf einem Schiff, nimmt einen Job als Übersetzerin an. Doch das Schiff voll mit gepreßten Remaden (Menschen mit künstlichen Veränderungen, die biologischer oder maschineller Art sein können) wird aber von Piraten gekapert und zu einer schwmmenden Stadt gebracht. Armada ist voll mit aufgebrachten, verschleppten Schiffen eine schwimmende Stadt, die durch Seile, Stege oder Brücken zusammengekettet ist und sogar ein eigenes in ein Park umgewandeltes Schiff hat. Die "Stadt" ist in verschiedene Blöcke eingeteilt, die von verschiedenen Interessengruppen beherrscht werden. Die mächtigste Einheit wird von den Liebenden beherrscht - 2 Menschen die sich Narben in den Körper schneiden um sich ihre Liebe zu zeigen, lustvoll und synchron, beide sehen aus wie der Spiegel des anderen. Alle verbindet ein gemeinsames Ziel - der Ruf eines Avanc, eines Inselgroßartigen Seeungeheuer. Mievilles Welt ist anders, fremdartig und voller, auf den ersten Blick , ekelerregender Wesen und Lebensformen. Auf den zweiten Blick ergibt sich eine fanatasiereiche, explosiv mutierende, blühende, tiefgründige und geheimnisvolle Umgebung, die der Autor mit seinen manchmal kurzen unangenehmen, schmerzhaften, brutalen Sätzen füllt. Aber er kann auch verklausuliert, in wabernden nebulösen Sätzen schreiben, in denen Fremdworte wie "koagulieren", "anergisch", "kobolzt" vorkommen, so dass einem der Kopf schwirrt. Der Übersetzer hat hier wieder Schwerstarbeit geleistet (und nebenbei auch ein paar bayrische Begriffe versteckt), gerade die Beschreibungen der seemännischen Aktivitäten sucht seinesgleichen. Durch seine gleichzeitge Distanz schafft es Mieville den Leser immer im Bilde zu halten, Nähe passiert in dieser Welt nie liebevoll, sondern immer abartig und erschreckend, doch diese kranke, abartige Welt verbirgt in dieser gemeinsamen Unwirklichkeit doch Hoffnung, Sehnsüchte. Ein ungemein anstrengende Reise in ein teuflisches, unmenschliches Umfeld. Mieville erreicht zwar nicht ganz die Wucht und Erzähldichte von "Die Falter/Die Weber" aber bewegt sich weit ab von den üblichen Erzählstrukturen. Vom Verlag, wie der eben angesprochenen Roman, in 2 Bücher geteilt, aber der Handlungsbogen wird dadurch unterbrochen. Also beide hintereinander lesen - eine Beurteilung ist für die eine Hälfte, die Ouvertüre, die mehr erwarten läßt...
  16. Cover des Buches Wovon wir träumten (ISBN: 9783442479689)
    Julie Otsuka

    Wovon wir träumten

     (164)
    Aktuelle Rezension von: buchstaeblichverliebt

    📌 "Ich muss meinem Schicksal treu bleiben," sagte sie ihm. Aber für den Rest ihres Lebens versuchte sie sich auszumalen, wie das Leben hätte sein können. 

    Vom traurigen Schicksal einer Gruppe junger Japanerinnen, die hofften in der Ferne (Amerika) ihr Glück zu finden und deren Träume am Ende zerplatzten.

  17. Cover des Buches Das flüssige Land (ISBN: 9783608964363)
    Raphaela Edelbauer

    Das flüssige Land

     (119)
    Aktuelle Rezension von: Yukiomishima

    Fing verdammt gut an und driftete ca. ab der Hälfte in die Irrelevanz ab. Als hätte die Autorin ganz plötzlich keine Lust mehr auf ihr eigenes Buch gehabt. Immer mehr Plotholes, durcheinandergebrachte Namen (Kein Scherz), Logikfehler und ein wirklich steeerbens langweiliger Plot. Da passiert es schon mal, dass man 100 Seiten liest und merkt, das nichts passiert ist.

  18. Cover des Buches My Brilliant Friend (ISBN: 9781609450786)
    Elena Ferrante

    My Brilliant Friend

     (11)
    Aktuelle Rezension von: TinaGer

    Historische Texte, dieser spielt im Neapel der Nachkriegszeit, sind oft erfolgreich, wenn sie zwei Dinge tun: Einerseits zeitlos sind und andererseits für Veränderung und Fortschritt stehen. Das macht Ferrante in ihrem Buch und ersten Teil einer vierteiligen Saga ganz hervorragend. Die beiden Freundinnen im Zentrum des Textes streben nach einem unabhängigen und selbstbestimmten Leben. Damit können wir uns identifizieren. Obgleich sich die Familiengeschichte leicht genießen lässt, habe ich mich nicht veranlasst gefühlt, die weiteren Teile zu lesen. Ich glaube, mir ist der Text letztlich zu konstruiert geblieben, ich bin einfach nicht neugierig genug, wie es mit den beiden Freundinnen weitergeht.

  19. Cover des Buches Tadellöser & Wolff (ISBN: 9783328100744)
    Walter Kempowski

    Tadellöser & Wolff

     (77)
    Aktuelle Rezension von: Aliknecht

    Walter Kempowskis Romane der "Deutschen Chronik" beschreiben in großer Detailgetreue deutsches Leben im 20. Jahrhundert. Die Familie erlebt die Zeit zwischen 1938 und 1945. Der Vater muss noch einmal in den Krieg und Frau und Kinder überleben in Rostock immer bedrohlichere Luftangriffe.

  20. Cover des Buches Immerwahr (ISBN: 9783423253796)
    Sabine Friedrich

    Immerwahr

     (7)
    Aktuelle Rezension von: Bellis-Perennis
    "Clara hat sich geirrt. Clara die Chemikerin: Sie hat sich ganz entscheidend geirrt. Sie hat geglaubt, Wissenschaft wäre objektiv. Sie hat geglaubt, wissenschaftliche Ergebnisse entstünden unabhängig von der Persönlichkeit der Forscher."

    Diese Erkenntis wird Dr. Clara Immerwahr in tiefe Depressionen stürzen ...

    Die Autorin zeichnet ein sehr sensibles Bild der Clara Immerwahr, die als eine der ersten Frauen in Deutschland Chemie studieren durfte und im Dezember 1900 an der Universität Breslau promoviert. Jahre der Widerstände liegen hinter ihr. Jetzt, jetzt wird sie es schaffen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

    Doch leider wird nichts daraus. Die Männer der Wissenschaft wollen keine Frauen in ihren Reihen. Frauen sollen Aufputz sein, Ehefrauen und Mütter, aber ja keine Wissenschaftler.
    Unversehens stolpert sie in die Ehe mit ihrem Studienkollegen Fritz Haber. Mit ihm, so glaubt sie anfangs, könnte sie fachliche Diskussionen führen. Nein, auch Fritz Haber will eine brave Ehefrau haben. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes scheint Clara den Haushalt nicht mehr bewältigen zu können. Fritz lässt sie in ein Sanatorium bringen, in dem sie mit den damals üblichen Methoden behandelt wird.

    Kaum ist halbwegs wieder hergestellt, verliert Clara in kurzer Zeit alle ihre Angehörigen. Während Clara immer mehr ihrer Depression verfällt, macht Fritz Haber Karriere. Er erfindet die Haber-Bosch-Methode, die Deutschland von den Salpeterimporten unabhängig machen soll. Clara darf Vorträge zum sparsamen Kochen halten.

    Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erfährt Fritz Habers Karriere einen steilen Aufschwung: voller Begeisterung entwickelt er die chemische Kampfstoffe Chlorgas und Phosgen.
    Clara macht Fritz heftige Vorwürfe wegen des Giftgaseinsatzes. Er wischt ihre Anschuldigungen beiseite.
    Während einer Feier nimmt sie seinen Armeerevolver und erschießt sich.

    Das Buch ist an Dramatik fast nicht zu überbieten, da es als Vorlage für ein Theaterstück dient. Es kommt ohne jegliche direkte Rede aus, besteht es ja aus den inneren Dialogen von Clara.

    Die Lebensgeschichte von Clara Immerwahr ist die Geschichte vieler gebildeter Frauen im 19. Und 20. Jahrhundert, denen es verboten war, einer Arbeit nachzugehen. Dass sowohl Clara als auch Fritz Haber jüdischer Abstammung waren, gibt dem ganzen noch eine zusätzliche Brisanz.
    Als Erfinder des Gaskrieges kommt Fritz Haber eine „kriegswichtige Bedeutung“ zu. Als Mensch anerkannt wird er vom Deutschen Kaiserreich nicht.

    Was mich sehr erschreckt hat, ist die Aufzählung der Behandlungsmethoden von „Hysterischen Frauen“ auf Seite 112:

    „Der gute Dr. Lasker tat alles, was man bei Claras Krankheit tun konnte. Fünf Mahlzeiten, Wannenbäder, absolute Ruhe, Opiumderivate, Brom: Mehr war nicht zu machen, bei völliger nervlicher Erschöpfung, freilich, wäre sie Hysterikerin gewesen, hätte man es noch damit versuchen können, dass man ihr die Eierstöcke entfernte. Die Methode kam zwar gerade etwas aus der Mode, aber Dr. Lasker hatte gute Erfahrung damit gemacht, jedenfalls so ferne die Patientinnen die OP überlebten. Und manische Anfälle konnte man kurieren versuchen, in dem man die Klitoris der Patientin heraus schnitt, was im Übrigen auch bei zwanghafter Masturbation bestens half, es bestand kein Zweifel daran, dass die weiblichen Geschlechtsorgane an vielen seelischen Krankheiten schuld waren.“

    Geht’s noch??? Da werden Frauen verstümmelt nur damit ihre Ehemänner ihre „angestammte Rechte“ nicht verlieren. Ein grausames Detail der Geschichte.

    Ich bin – obwohl ich dieses Buch schon von Jahren einmal gelesen habe – nach wie vor fasziniert von Clara Immerwahr.
    Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Für andere wird es schwere Kost sein.
  21. Cover des Buches Der fremde Freund. Drachenblut (ISBN: 9783518473917)
    Christoph Hein

    Der fremde Freund. Drachenblut

     (95)
    Aktuelle Rezension von: Werner_Knoefel

    Die Geschichte wird aus der Sicht einer knapp vierzigjährigen Ärztin erzählt. Sie ist ein Wesen voller Widersprüche. 

    Obwohl sie sich als mäßig empathiefähig zeigt, lehnt sie Gefühle im Grunde ab. Sowohl seitens ihrer Mutter, als auch ihrer Nachbarinnen, Kollegen und Freunde verweigert sie gefühlsmäßigen, freundschaftlichen Umgang. Ohne sie, meint sie, ginge es ihr besser. 

    Es wird in technischer Sprache, betont sachlich erzählt. Menschen werden hier als Rädchen im System, als Teile einer großen Maschine geschildert, die eben keine solchen Gefühle haben sollten, da sie nur den vorschriftsmäßigen Ablauf stören. Dabei steht durchaus das Privatleben im Mittelpunkt. 

    Als Ausgleich gibt es Sicherheit. Nirgendwo sind Bedrohungen, es sei denn, man tritt dem System gegenüber nicht opportunistisch genug auf. 

    Positiv finde ich, wie die Kälte der Gesellschaft gezeigt wird, in der nur wenig Statusunterschiede erkennbar werden. Der Oberarzt erscheint genauso vereinsamt mit seiner dienstfertigen Ehefrau wie die Ärztin in ihrem Ein-Zimmer-Apartment.

    Etwas verstörend aus heutiger Sicht der häufige und exzessive Alkohol- und Zigarettenkonsum - aber gerade so etwas macht ein Zeitdokument aus. Das Buch fand ich durchaus wichtig, deshalb vier von fünf Sternen.

  22. Cover des Buches Der Zopf (ISBN: 9783839894149)
    Laetitia Colombani

    Der Zopf

     (84)
    Aktuelle Rezension von: Karlchen

    Die Autorin verflechtete die Geschichten dreier starker Frauen zu einem schönen und vor allem weiblichen Zopf. Jede der drei Frauen hat auf ihre Weise mit Wünschen, Erwartungen und Hindernissen zu kämpfen. Sie sind sehr unterschiedlich und doch gleich darin, wie sehr sie für sich kämpfen. Mir gefällt die Botschaft, die das Buch damit aussendet und das starke Frauenbild, das es zeigt.

    Allerdings war die Geschichte vorhersehbar. Schon am Anfang ist klar, wie die drei Erzählstränge am Ende miteinander verknüpft werden. Deswegen ist das Buch zwar nett und vermittelt eine tolle Botschaft, aber es konnte mich nicht wirklich fesseln oder überraschen. Es ist eine schöne Geschichte, aber leider nicht mehr.

  23. Cover des Buches Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans (ISBN: 9783551560384)
    Mackenzi Lee

    Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans

     (101)
    Aktuelle Rezension von: Gotje

    Ich hatte eine Geschichte erwartet, die einen jungen, reichen Mann mit typischem Arschloch-Verhalten auf einer Art Europa-Roadtrip während der Renaissance begleitet. Erst war das auch der Fall und ich war absolut begeistert und habe mit Freude über die geschilderten Eskapaden gelesen. Aber dann wandelte sich die Geschichte plötzlich zu einer gar nicht mehr so heiter beschwingten Erzählung über Leben und Tod mit der Zeit im Nacken. Aber diese Wendung hat mich total gepackt und war ich doch vorher schon an die Seiten gefesselt, mochte ich das Buch jetzt gar nicht mehr aus der Hand legen. 

    Neben der Story haben mich aber auch die Charaktere, allen voran natürlich der herrlich ungenierte Protagonist, mitgerissen. Der Humor, der Charme, das Unkonventionelle, all das lockert die Geschichte auf und ließ mich mit den Charakteren fiebern und hoffen. Auch die Einfühlsamkeit der Erzählung hat mich beeindruckt. Obwohl das Ganze ein paar Jahrhunderte in der Vergangenheit spielt, in einer Zeit deren Lebensumstände wir uns kaum noch vorstellen können, wirkt alles so echt und nah.

    Alles in allem kann ich nur sagen: Ein super Buch, dass mich absolut mitgerissen hat und das ich mit Freuden noch einmal lesen werde

  24. Cover des Buches Die Taube (ISBN: 9783257601763)
    Patrick Süskind

    Die Taube

     (358)
    Aktuelle Rezension von: bookstories

    Patrick Süskind ist mir schon deshalb sympathisch, weil er als berühmter Autor keinen Wert auf Popularität legt und zurückgezogen lebt. Auf dem Umschlag von "Die Taube" wird erwähnt, dass er selten in der Öffentlichkeit und nie im Fernsehen auftritt und keine Interviews gibt. Vor bescheidenen und genügsamen Menschen habe ich grossen Respekt, und vielleicht besitzt auch der Protagonist in der Novelle "Die Taube" etwas dieser selbstlosen Eigenschaften, obwohl bei ihm vermutlich andere Gründe dafür vorliegen mögen als beim Autor selbst. Süskinds weltberühmten Roman "Das Parfüm" habe ich noch nicht gelesen, er steht aber in meinem Regal und ich freue mich auf die Lektüre. Es ist sein einziger Roman, und "Die Taube" seine einzige Novelle.


    Ich tue mich beim Lesen grundsätzlich schwer damit, Personen nur aufgrund von äusserlichen Beschreibungen vor meinem geistigen Auge lebendig werden zu lassen. Es bleiben schemenhafte Vorstellungen, es will kein deutliches, lebhaftes Bild entstehen. Eine Person beginnt in mir erst aufgrund ihrer sich manifestierenden Charaktereigenschaften Gestalt anzunehmen. Wie hier der Hauptprotagonist  Jonathan Noel, den Süskind nicht mit einer einzigen Silbe äusserlich beschreibt, was, wie ich finde, für diese Geschichte sehr passend ist. Der Autor vermag Regungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Empfindungen, innere Prozesse seines Protagonisten zu beschreiben, die vermutlich die wenigsten Menschen überhaupt bewusst an sich selbst wahrnehmen. Hierfür drückt er sich in gepflegter Sprache aus, spielt mit kurzen und langen Sätzen, und hält sich bei Bedarf auch nicht damit zurück, eine saloppe Ausdrucksweise anzuwenden. Immer sind wir Zeuge von Jonathans momentanem Gemütszustand, seines Seelenbefindens, reisen mit auf seiner inneren Odysee.


    Welche traumatischen Erlebnisse zu Jonathan Noels innerer Unbeweglichkeit und immensem Sicherheitsbedürfnis führen - er sieht sich als Dulder, nicht als Macher -, beschreibt Süskind auf den ersten vier Seiten der Novelle. Als Jonathan, damals noch Kind, von einem Angelausflug nach Hause kommt, ist die Mutter nicht mehr vorhanden, wie Süskind es formuliert, weggeschafft ins Lager und dann nach Osten, von wo keiner mehr zurückkehrt. Ein paar Tage später ist auch der Vater weg. Jonathan wird dann zusammen mit seiner Schwester nach Süden gebracht, von wildfremden Männern durchs Land transportiert, zu einem noch nie gesehenen Onkel, wo er dann anfang der fünfziger Jahre an einer Existenz als Landarbeiter Gefallen findet. Gehörig sagt er zu allem Ja, muss sich für drei Jahre Militär verpflichten, weil sein Onkel das will, muss nach seiner Rückkehr feststellen, dass auch seine Schwester verschwunden ist, muss sich verehelichen, weil sein Onkel das will, wird von dieser Frau bereits vier Monate später wieder verlassen, findet nach all diesen Ereignissen, dass auf die Menschen kein Verlass ist, packt den Koffer und reist nach Paris. 


    Dort findet er Arbeit als Wachmann einer Bank und bezieht ein kleines, siebeneinhalb Quadratmeter grosses Zimmer im Dachgeschoss eines Hauses unweit der Bank, das nur mit einem Bett, einem Tisch, einem Stuhl, einer Glühbirne und einem Kleiderhaken ausgestattet ist, und das ihm Schutz und Zuflucht bietet vor unliebsamen Überraschungen und einer scheinbar bedrohlichen Aussenwelt. Erst hier beginnt die eigentliche Geschichte - ein einziger Arbeitstag des mittlerweile in die Jahre gekommenen, vierundfünfzigjährigen Wachmanns Jonathan Noel, der immer noch dasselbe Zimmer bewohnt, und der seit dreissig Jahren nur die äusserlichen Veränderungen des Hauses mitgemacht hat. So gut wie gar nichts passiert in seiner Welt - umso bunter gestaltet sich Jonathans innere Odysee, die Süskind, wie ich finde, hervorragend inszeniert.


    Das Auftauchen einer Taube vor Jonathans Zimmertür durchkreuzt seinen geordneten Tagesablauf, und sinnbildlich müssen wir dieses Ereignis, denn Jonathan liebt die Ereignislosigkeit, alles andere bringt ihn nur durcheinander, als Auslöser eines inneren Entwicklungsprozesses sehen. Er selbst erlebt diese Begegnung mit der Taube völlig überzeichnet und verzerrt (dem Tod ins Auge blicken...), und alles, was darauf folgt, ebenso; alle Begegnungen mit anderen Menschen, sein statischer Arbeitsablauf, das Öffnen und Schliessen des Tores bei der Ankunft und Abfahrt der Limousine des Bankdirektors, seine Mittagspause, seinen Feierabend, schlicht die Beschaffenheit des Tages, nichts hat mehr das Vertraute und Gewohnte in sich und wirkt bedrohlich auf seine ganze Existenz. Am Ende des Tages verbringt er die Nacht in einem kleinen Hotelzimmer, denn er kann ja wegen dieser Taube nicht mehr zurück in sein eigenes Zimmer.


    Mir kommt in Verbindung mit dieser Geschichte des einsamen Jonathan Noel Henry David Thoreaus Zitat aus seinem Buch 'Walden' in den Sinn: Die Masse der Menschen führt ein Leben in stummer Verzweiflung. Ich weiss nicht, wie weit dies für den Protagonisten Noel tatsächlich zutrifft, da er ja ziemlich zufrieden zu sein scheint mit der Form seiner Existenz. Dennoch hat er seine Zweifel, als er zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn seine Freiheit zu hinterfragen scheint. Das Beobachten eines Clochards bringt ihn darauf, denn dieser kann offensichtlich kommen oder wegbleiben, wann immer er will, während Jonathan selbst jeden Tag pünktlich seinen Dienst antreten muss. Als er jedoch mitbekommt, wie derselbe Clochard seine Notdurft auf der gegenüberliegenden Strassenseite zwischen zwei geparkten Autos verrichtet und er sich hierfür nicht in die Anonymität zurückziehen kann, erkennt und wertet Jonathan dies als seine grösste Freiheit überhaupt: sich auf ein Etagenklo zurückziehen zu können, um seine existenziellen Grundbedürfnisse zu befriedigen.


    Wie wenig tatsächlich passiert in seinem Leben, zeigt die Tatsache, dass Jonathan sich an völlig banale, für ihn jedoch bedeutende Begebenheiten noch jahrelang zurückerinnern kann. Zum ersten Mal wird dies deutlich, als er morgens auf dem Weg zum Etagenklo mit einem anderen Mieter zusammentrifft und er daran denken muss, wie es ihn vor fünfundzwanzig Jahren schauderte - das gleichzeitige Erschrecken vor dem Anblick des anderen, der Verlust von Anonymität bei einem Vorhaben, dass durchaus Anonymität erfordert, und das alles im Pyjama. Ein andermal, als er mit der Concierge des Hauses über die Notwendigkeit des Fensterschliessens redet, denn bei einem Gewitter kann es zuschlagen und zu Bruch gehen, dies sei im Sommer 1962 schon einmal passiert. Oder dann, als er auf den Marmorstufen vor der Bank stehend feststellt, dass er zu früh zu schwitzen beginnt. Denn aufgrund dieser Ereignislosigkeit nimmt er auch die kleinsten Veränderungen an sich wahr.


    Das Buch ist nur sechsundneunzig Seiten stark, und Süskind nimmt sich Seite für Seite Zeit, um die inneren Vorgänge seines Protagonisten offenzulegen. Allein eine Sequenz, als Jonathan im Eingangsbereich eines Lebensmittelgeschäfts bei einer Schneiderin, die für sorgfältige und schnelle Reparaturen wirbt, vergeblich anrennt, um seinen Riss in der Uniformhose flicken zu lassen, beschreibt Süskind auf sieben Seiten. Und auf weiteren elf Seiten, wie Jonathan, hasserfüllt und zornig auf die ganze Welt, seinen Arbeitsnachmittag stehend vor dem Eingang der Bank verbringt und gedanklich alles um sich herum zunichte macht. Dieses Erzähltempo, dieses tiefe Eindringen in Begebenheiten, dieses Zeitnehmen für Beschreibungen, mag ich sehr. Alles erfahren wir aus der Perspektive des Protagonisten, was uns erlaubt, komplett in dessen Welt einzutauchen. Wie tief, wird mir klar, als der Autor zweimal kurz Ausdrücke eines allwissenden Geschichtenerzählers verwendet ("wie schon gesagt..., und "es war wie wir sehen, kein ordentliches Gebet ...). Es reichte mir, um für einen kurzen Moment aus Jonathans Welt herausgerissen zu werden. Ich will das aber in keiner Weise überbewerten.


    Unweigerlich werden wir mit dieser Lektüre auf unseren eigenen gewohnten Tagesablauf zurückgeworfen. Wir werden uns fragen, inwiefern dieser uns bestimmt, fremdsteuert, inwiefern Automatismen, Festgefahrenheiten unser Leben ausmachen, inwiefern wir selbst innerlich zugewachsen sind, um dies in Süskinds Worten auszudrücken. Bei dieser Lektüre frage ich mich unweigerlich, wo sich denn meine eigene Komfortzone befindet, die zu verlassen ich nicht bereit bin. Aber vielleicht gehen da meine Gedanken auch zu weit. Auf jeden Fall eine sehr lesenswerte Lektüre. Ich habe das Buch genossen und war ziemlich schnell durch damit.


    Unschlüssig war ich, ob ich zum Ende der Geschichte, dem ich gespannt und mit wahrnehmbarer Neugier entgegengelesen habe, etwas anmerken soll, denn ich nehme damit etwas vorweg. Achtung Spoiler: Am Ende drängt sich die Frage auf, ob oder wo die Irrfahrt des Protagonisten wohl enden würde, und meinem Empfinden nach löst Süskind dies sehr anschaulich. Er benutzt, ohne damit ins Klischeehafte abzurutschen, die Symbolik und Analogie eines reinigenden Gewitters, die nächtliche und dunkle Stille, die nach einem gewaltigen Donnerschlag über der Stadt liegt, und in der Jonathans Wahrnehmung von Einengung und Abgrenzung, schlicht seine gesamte Person, sich in einem kleinen Hotelzimmer, das der Form eines Sarges gleicht, im Nichts aufzulösen beginnt. Die nüchterne und eindrückliche Schilderung eines Erwachens, das seinesgleichen sucht. Literarisch hervorragend in Szene gesetzt, wie ich finde.


    Review mit Zitaten und Bildern auf https://www.bookstories.ch/gelesenes1/die-taube 

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