Bücher mit dem Tag "skeptizismus"

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12 Bücher

  1. Cover des Buches Die Brüder Karamasow (ISBN: 9783746639000)
    Fjodor M. Dostojewski

    Die Brüder Karamasow

     (251)
    Aktuelle Rezension von: Lesung_vor_acht

    Der obligatorisch beste Roman aller Zeiten (Sigi Freud) gleicht einem elefantösen Mammutbrocken. Das rund 1242 Seiten lange Familienepos schildert auf theologischer und psychologischer Ebene den Niedergang einer Familie als exemplarisches Beispiel für das alte Russland. Rein inhaltlich handelt es sich zweifelsohne um ein Meisterwerk. Gewohnt scharfsinnig analysiert Dostojewskij die verschiedenen Milieus und weitet seinen Roman zu einer gewaltigen Gegenwartsstudie aus. Dass es sich trotzdem um ein zeitloses Werk handelt, zeugt von seinen philosophischen Kompetenzen.

    Wie gern würde ich fünf Sterne vergeben! Aber angesichts der Schwächen des Romans kann ich mir das nicht leisten.

    So scharfsinnig Dostojewskij sich mit Theologie und Psychologie auseinandersetzt, so klobig geraten seine Dialoge. Die Handlung des Buchs wäre schnell erzählt, aber aufgrund der haarsträubend überlangen Reden und unnötig detaillierten Monologe (die schon eher an ein Theaterstück erinnern) ähnelt das Buch eher einer Karikatur seiner selbst. Dostojewskij scheint es gänzlich unmöglich zu sein, präzise und genau zu formulieren - er schweift ab, entschuldigt sich durch den Mund seiner Figuren und setzt im nächsten Atemzug zum nächsten Monolog an. Er überlässt nichts der Fantasie. Ähnlich wie Umberto Ecos Werke legt sich auch dieses Buch bereits selbst aus, sodass man sich als Leser nur noch bequem für eine Sichtweise zu entscheiden hat (im Fall der Gerichtsverhandlung für einen der Erzrivalen Kirillowitsch oder Fetjukowitsch). Philosophisch vertreten sind dabei Idealismus (Aljoscha), Zynismus (Iwan), rationaler Materialismus (Kolja Krassotkin), Hedonismus (Fjodor Pawlowitsch), usw. Der angebliche Mörder Mitja steht für das alte Russland und Smerdjakow tritt als ideologisches Opfer Iwans auf. Iwan erkennt in sich selbst den Teufel.

    Das Buch ist ein Meisterwerk. Aber eben ein Meisterwerk mit dramaturgischen Schwächen.


     

  2. Cover des Buches Wunder wirken Wunder (ISBN: 9783499632297)
    Eckart von Hirschhausen

    Wunder wirken Wunder

     (64)
    Aktuelle Rezension von: RadikaleResignation

    Eine schöne Abfassung, gespickt mit fundiertem Wissen und einer dicken Prise Witz. Wie schon häufiger benannt, lehrt die Medizin, sich auch der Psychologie zu bedienen. Die Show muss stimmen, der weiße Kittel muss sitzen. So kann es gelingen, den Patienten auf dem Weg der Genesung mit dem Mantel der nötigen Empathie zu begleiten.

  3. Cover des Buches Am grünen Rand der Welt (ISBN: 9783423086455)
    Thomas Hardy

    Am grünen Rand der Welt

     (80)
    Aktuelle Rezension von: shinyJulie

    Drei Männer buhlen um die Gunst der jungen Bathsheba, die wohl unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein Schäfer, ein Farmer und ein Soldat. Bathsheba, die selbst eine eigene Farm besitzt, muss eine Entscheidung treffen, aber es kommt nicht immer alles so, wie man es plant.
    .
    Alle Charaktere sind sehr unterschiedlich, aber trotzdem bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, jeder mit Macken und Kanten, die sich über den Roman hinweg immer weiter herauskristallisieren. Auch über viele Nebencharakter gibt es genug Informationen, dass sich Fragmente herausbilden. Es sind zwar keine vollständigen Bilder, aber es reicht, um mehr als einfache Namen zu erkennen. Die unterschiedlichen Beziehungen der Charaktere untereinander schaffen es immer wieder, einen zu verblüffen. Besonders beeindruckend ist allerdings der sehr bildliche Schreibstil. Hardy schafft es, dass die beschriebene Landschaft vor dem inneren Auge auftaucht.

  4. Cover des Buches Essais (ISBN: 9783717525653)
    Michel de Montaigne

    Essais

     (24)
    Aktuelle Rezension von: Alexander_Bally
    Die Essais von Michel de Montaigne – ein Klassiker ersten Ranges – Weltliteratur. Ein hochgebildeter Mann zieht sich ins mit knapp vierzig Jahren ins Privatleben zurück, und um als Privatgelehrter seine Bibliothek auszubauen und zu schreiben. Sein Thema: Der Mensch und das Leben. Sein Schreiben prägt eine eigene Literaturform, das Essay. Diese „Versuche“, vielleicht besser Annäherungen, kreisen stets um ein selbstgewähltes Thema, einen bestimmten Aspekt der menschlichen Existenz, wie z.B. die Freundschaft oder das Sterben und erörtern dieses Thema mit scharfem Geist, der entspannten Gelassenheit eines Privatmanns und der umfassend belesenen Bildung eines universellen Gelehrten. Bei aller Gelehrsamkeit sind Montaignes Essais keine philosophischen Traktate. Sie sind stets sehr persönlich gehalten, stellen einen persönlichen Standpunkt dar, wollen weder bekehren noch belehren. Es offenbart sich ein geschliffener, selbständiger Geist, fähig zu originellem selbständigen Denken, abseits der ausgetretenen Pfade alter Denkschulen, ein liebenswürdiger Realist und Skeptiker, der Vernunft stets mehr verbunden als dem Glauben. In seinen Essays deutet sich schon der Geist Aufklärung an. So ist es kein Wunder, dass Montaigne noch jahrhunderte später Menschen bewegt und im Denken beeinflusst. Die Sprache stammt noch aus einer Zeit vor der Eiligkeit des Maschinenzeitalters, ist ruhig und gemächlich, der manchmal abscheifend mäandernde Stil eine alternden Mannes, der Zeit hat, zuviel Zeit vielleicht. Das ist auch der einzige Kritikpunkt, den ich bei den ansonsten angenehmen und zeitlosen Essays anmerken muss: Er ist vielleicht ein wenig zu gemütlich und ein wenig angestaubt. Ich persönlich gen ieße ihn lieber als leichter zu genießendes Hörbuch. Dennoch: Es ist immer noch unbedingt lesenswert und wird es wohl auch noch ein paar Jahrhunderte bleiben.
  5. Cover des Buches Heilige Scheiße (ISBN: 9783404601875)
    Stefan Bonner

    Heilige Scheiße

     (69)
    Aktuelle Rezension von: Tilman_Schneider

    Der Kirchentag war ein mega Hype. Warum? Weil wir Papst sind! Quatsch, denn den meisten ging es dort ums Feiern. Viele Jungs sind dahin gefahren um Mädels kennen zu lernen. Was bei den christlichen Festen gefeiert wird, wissen die wenigsten. Bibelstellen? Sind den meisten völlig wurst. An Gott glauben ja schon, aber so wie man will und ohne Korsett. Die Kirche tut sich da oft keinen Gefallen. Bei Facebook hat Gott deswegen kaum >Freunde< und die Jugend wendet sich ab.

    Das erfolgreiche Autorenduo beleuchtet die Kirche, den Glauben und befragt Menschen, Persönlichkeiten und bringt Aussaugen von Berühmtheiten zu Papier und vergleicht Bibelstellen.

  6. Cover des Buches Werkausgabe in 8 Bänden. stw 501-508 / Werkausgabe in 8 Bänden (ISBN: 9783518281079)
    Ludwig Wittgenstein

    Werkausgabe in 8 Bänden. stw 501-508 / Werkausgabe in 8 Bänden

     (16)
    Aktuelle Rezension von: Elim_Garak
    Was soll man schreiben zum wohl einflussreichsten philosophischen Werk des 20. Jh.? In diesem Band sind der "Tractatus", einige "Tagebücher" (aber nicht privat, sondern Gedanken über Logik!) und schließlich die "Philosophischen Untersuchungen" Teil 1 und 2 versammelt. Damit also das Zentrum von Wittgensteins Früh- UND Spätwerk. Als "Tractatus"-Rezension passen am besten die Worte Anthony Kennys: "Die zwanzigtausend Wörter des Tractatus kann man an einem Nachmittag lesen, aber nur wenige würden auch nach jahrelangem Studium behaupten, sie vollkommen zu verstehen." Ich habe sie mehr als einmal gelesen, aber ich würde mir nicht anmaßen, zu behaupten, sie vollständig zu verstehen. Tja, "wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schreiben." Anders sieht es wiederum mit den "Philosophischen Untersuchungen" aus. Zwar gilt auch hier die Devise: leicht zu lesen, schwer zu verstehen. Doch wer Spaß an Sprachphilosophie hat, der kann dieses Buch auch genussvoll lesen, ohne alles verstehen zu müssen. Wittgensteins Sprache ist einfach fantastisch, seine Metaphern sind immer wieder so treffend, dass man einen "metaphysischen Schauer" nach dem anderen erlebt... Besonders, wenn man von den hochtrabenden Metaphysikern des 18. und 19 Jh. die Schnauze voll hat, wenn man keine Lust mehr hat, jeden Satz Kants zehnmal zu lesen, um ihn zu verstehen und nichts mehr höhren will vom Wesen oder letzten Grund, dann wird man es erfrischend finden, über Spiele, Besen, Obsthändler, Fliegen oder Käfer zu lesen und dennoch hoher Denkkunst beizuwohnen. In diesem Sinne: "Die Philosophie löst Knoten in unserem Denken auf, die wir unsinnigerweise hineingemacht haben; dazu muss sie aber ebenso komplizierte Bewegungen machen, wie diese Knoten sind. Obwohl also das Resultat der Philosophie einfach ist, kann es nicht ihre Methode sein, dazu zu gelangen. Die Komplexität der Philosophie ist nicht die ihrer Materie, sondern die unseres verknoteten Verstandes."
  7. Cover des Buches Alles, was ein Mann wissen muss (ISBN: 4260308350054)
    Oliver Kuhn

    Alles, was ein Mann wissen muss

     (14)
    Aktuelle Rezension von: Grisu
    Sehr lustiger Männer-Ratgeber, der kein Thema auslässt. Tolles Geschenk!
  8. Cover des Buches Epistemology: Classic Problems and Contemporary Responses (Elements of Philosophy) (ISBN: 9780742513723)
    Laurence BonJour

    Epistemology: Classic Problems and Contemporary Responses (Elements of Philosophy)

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Admiral
    Was ist die Epistemologie ? Was ist die "historische" Epistemologie ? Was will sie bewirken ? Was sind die zu untersuchenden Gegenstände dieser Forschung ? Wer betreibt diese Forschung ? Und wie ?

    Kennt ihr diesen Fragenkatalog bereits ? Hört sich etwas radikal an, aber falls nein, braucht ihr nicht unbedingt weiterlesen (als ob ihr überhaupt IRGENDWAS von mir lesen müsstet ;D). Die Gedanken, Kommentare und Notizen, die ich hier niederschreibe sind für mich eine direkte Reaktion auf die Lektüre des Buches "Historische Epistemologie. Zur Einführung" (2007) von Rheinberger. Zu dem Buch habe ich hier auch was geschrieben und gewissermaßen mir damit etwas Frust von der Seele geschafft (wer fühlt sich schon gerne zu doof, um ein Buch -ein Einführungsbuch !- nicht verstehen zu können ;D).
    Da ich die Einführungs Rheinbergers nicht verstanden habe, habe ich erst dieses Buch hier angenfangen zu lesen: "Epistemology. Classic Problems and Contemporary Responses" (2002) von Laurence BonJour.
    Abgesehen von meinen 6 Ausgangsfragen versucht BonJour mit diesem Buch noch viel mehr Fragen zu beantworten. Und ich konnte es tatsächlich verstehen ! :D Glaubt mir, Leute. ich bin nicht zu blöd. Ich kann sogar mehr und spezifischere Fragen stellen. Denn ist nicht das eine Quintessenz des fundierten Wissens: präzise, knappe, verständliche und tiefgehende Fragen zu stellen ?

    BonJour hat sein Buch nach einer etwa 9-seitigen Einführung (zur Gesamtgliederung, zu Themenschwerpunkten, zu Aspekten des Wissens, etc.) in 2 größere Teile gegliedert. Erstens kämpft sich BonJour gemeinsam mit uns (!) durch die cartesischen (= von Descartes) Fundamente der Erkenntnistheorie (S. 11-188). Zweitens beschäftigen wir uns mit den zeitgenössischnen Theorien zur Erkenntnis, die sich fast immer zwischen den beiden Polen Ablehung und Auslassung (?) der cartesischen Theorie bewegen (S. 189-278).


    Im Gegensatz zu Rheinbergers Einführung in die Epistemologie ist diese Einführung hier tatsächlich eine Einleitung. Die Kapitel sind kurz, thematisch weniger chronologisch als eher thematisch und knapp formuliert. Am Ende eines jeden Kapitels gibt es eine separate Bibliographie in Form von Anmerkungen. Hier bei BinJour wird zwar keine Begriffserklärung vorausgeschickt, doch werden die elementaren Begriffe am jeweiligen Ort zum jeweiligen Zeitpunkt hinreichend erklärt (auch wenn mir der Begriff der Induktion noch etwas spanisch vorkommt). Seine Sprache ist leicht verständlich und strotzt nicht vor Fachbegriffen. Die Schreibart BonJours ist eine sehr angenehm uns als Leser miteinbeziehende. Er verwendet oft die Pronomina "i", "you", "we", ohne dass ich das Gefühl habe, er versucht mir väterlich bevormundend die Materie zu zeigen, sondern nimmt uns auf Augenhöhe an und geht (auch selbst-!)kritisch mit uns die Schritte der Forschung durch, wober er immer wieder und immer wieder und immer wieder und immer wieder dazu auffordert, uns unsere eigenen Gedanken zu machen und weist dabei auf die Punkte hin, wo es seiner Meinung nach besonders wichtig wäre, dass wir kurz innehalten mit dem Lesen und erst nachdenken.


    Es ist eine sehr gelungene und leicht verständliche Einführung geworden. Keine Frage.


    Das sollte eigentlich mein Schlusssatz sein.


    Doch ich müsste noch einer Beobachtung meinerseits etwas Raum lassen. Mir ist aufgefallen, dass in diesem Buch "Epistemology" und in Rheinbergers "Historische Epistemologie", wenn ich den richtig gesehen habe, KEIN Literaturwerk denkungsgleich genannt wurde. Ich sage euch ganz offen: das Thema ist mir im Groben und Großen noch immer sehr neblig und unverständlich, deswegen sind Irrtümer meinerseits leicht/gut möglich. Dennoch ist es auffällig, das Themenüberschneidungen kaum, Literaturüberschneidungen nicht vorkommen. Beides ist eine Einführung, beides ist zur "Epistemologie", doch habe ich das Gefühl, beide Bücher behandeln andere Themen. Mal sehen.

  9. Cover des Buches Gabbro (ISBN: 9783864401008)
    Joja Schott

    Gabbro

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Joja
    Kein Lesestoff für jedermann. Wer in jeder Zeile einen Punkt und ein blutrünstiges Ungeheuer a la Stephen King erwartet, sollte sich hier nicht hineinlesen wollen. Neben den Themen aus Umwelt und Gesellschaft versucht der Protagonist sich selbst zu finden, da er seinem Leben in der Wohlstandsgesellschaft Deutschlands den Rücken gekehrt hat.
  10. Cover des Buches Und es entsprang ein Fluß in Eden (ISBN: 9783570120064)
    Richard Dawkins

    Und es entsprang ein Fluß in Eden

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Jok
    Dieses Buch erklärt die Grundsätze des Darwinismus und interessante Folgerungen daraus. Dawkins erläutert anhnd von Beispielen, wie die Evolution funktioniert. Ich bin kein Fachmann, sondern kann nur auf mein 35 Jahre altes Biologie Grundwissen zurückgreiffen. Ich weiss, wie die DNA funktioniert und wie die Theorie Darwin's lautet. Dieses Buch hat mir ein viel klareres Verständnis verschafft. Bei einigen Abschnitten war ich sehr überrascht, welche Folgerungen man ziehen kann. Der Autor legt viele erstaunliche Fakten vor und zitiert Studien. Z.B. die Anzahl der Arten, die es je auf der Erde gegeben hat, und wieviele es davon heute noch gibt. Die vermutliche Herkunft der Mitochondrien. Wie lange benötigt die Evolution um ein kompliziertes Gebilde wie ein Auge hervorzubringen. Darauf gibt es erstaunliche Antworten. Das Buch ist schon einige Jahre alt, trotzdem finde ich es sehr informativ und sehr gut zu lesen. Klare Leseempfehlung für Laien mit populärwissenschaftlichem Interesse.
  11. Cover des Buches Der Gotteswahn (ISBN: 9783844902778)
    Richard Dawkins

    Der Gotteswahn

     (10)
    Aktuelle Rezension von: PhilippWehrli

    Ich sehe gerade, dass dies hier die CD betrifft. Ich habe nur das Buch gelesen. Die folgende Rezension betrifft eigentlich das Buch, hilft aber vielleicht doch.

    ‚Der Gotteswahn’ stand während Wochen auf verschiedenen Bestsellerlisten und das zu Recht. Es ist ein aggressives, provokatives Buch von einem militanten Atheisten (so nennt Richard Dawkins sich selber). Dawkins schreibt mit bissigem, scharfem Humor und er hinterlässt Verletzte, und zwar nicht nur solche, die es verdient hätten. Kann ein solches Buch ‚zu Recht’ auf den Bestsellerlisten stehen?

    Die Neuen Atheisten, zu deren Kern ‚the four horsemen’ Richard Dawkins, Daniel Dennett, Christopher Hitchens und Sam Harris zählen, sehen sich als Gegenbewegung des religiösen Fundamentalismus. Sie lehnen auch die gemässigte Religion ab, weil diese dem irrationalen Glauben den Weg bereite. Religion und Naturwissenschaften seien unvereinbar, weil erstere auf blindem Glauben beruhe, während die Naturwissenschaften auf der konsequenten Forderung nach Evidenz basieren. Der blinde Glaube ermögliche Terroranschläge, Inquisition, Religionskriege und Hexenverbrennungen. Die Aufklärung als Gegenbewegung zum blinden Glauben habe uns dagegen Menschenrechte, Demokratie, Humanität und wissenschaftlichen Fortschritt gebracht, man denke nur an die moderne Medizin!

    Auch als Atheist muss man dieser Analyse nicht zustimmen. Aber es ist wohl an der Zeit, genauer hinzuhören. Die Situation der Atheisten ist nämlich tatsächlich bemerkenswert. Einerseits sind die allermeisten Naturwissenschaftler Atheisten oder Agnostiker oder haben zumindest eine völlig andere Vorstellung von Gott, als die Durchschnittsbevölkerung. Gleichzeitig werden Atheisten in vielen Ländern diskriminiert. Das geht bis zur Todesstrafe in manchen arabischen Ländern. Aber auch in den sogenannt freien, säkularen USA werden Atheisten in manchen Staaten nicht als Zeugen zugelassen und bekennende Atheisten haben keine reelle Chance, in ein öffentliches Amt gewählt zu werden. Da müssen doch zumindest die Fragen erlaubt sein: Wie kommt es, dass in einer Gesellschaft, die bis in die hintersten Winkel auf Technologie und Naturwissenschaften basiert, Naturwissenschaftler ihr Weltbild verheimlichen müssen? Wie kann es sein, dass Menschen, die das Weltbild der Naturwissenschaftler teilen, in Wahlkämpfen massiv schlechtere Chancen haben?

    Ist das gut, wenn unsere klügsten Köpfe ihr Weltbild verheimlichen müssen? - Bereits im 19. Jahrhundert konnte John Stuart Mill zu recht sagen: „Die Welt wäre erstaunt, wenn sie wüsste, welch grosser Anteil ihrer hellsten Zierde, derer, die selbst nach volkstümlichen Einschätzungen von Weisheit und Tugend am angesehendsten sind, der Religion ganz und gar skeptisch gegenüberstehen.“

    Insbesondere bestreitet Dawkins, dass wir vor dummen Aussagen einen besonderen Respekt haben müssen, nur weil sie religiös sind. Er zeigt an einer Reihe von Beispielen aus der Bibel, wie grausam deren moralische Grundhaltung ist. Dabei ist sich Dawkins bewusst, dass viele Christen diese Geschichten nicht wörtlich, sondern symbolisch verstehen. Er gibt auch zu, dass es durchaus wertvolle Textstellen in der Bibel gibt. Daraus schliesst er aber, dass wir unsere Moral eben nicht aus der Bibel beziehen. Wir haben bereits ohne Religion ein Wissen über Gut und Böse. Und genau dieses Wissen verwenden gemässigte Gläubige, um geeignete Bibelstellen auszuwählen und andere weg zu lassen.

    Nur wenige Gläubige werden z. B. die Geschichte vom Sündenfall wörtlich nehmen. Adam und Eva sind symbolisch zu verstehen. Die Kreuzigung aber ist für einigermassen gläubige Christen die Sühne der Erbsünde. Das bedeutet, wie Dawkins erklärt: „Um sich selbst zu beeindrucken, musste Jesus also gefoltert und hingerichtet werden, als stellvertretende Bestrafung für eine symbolische Sünde, begangen von einer Person, die gar nicht existiert hat?“

    Ob es nötig oder schädlich ist, solch eine Ansicht als ‚dumm’ zu verspotten, mag jeder für sich entscheiden. Aber wenn die christliche Kirche derart verquere Ansichten über Schuld und Sühne hat, müssen wir dann ausgerechnet dieser Kirche in jeder Ethikkommission einen speziellen Platz reservieren? - Während gleichzeitig die Naturwissenschaftler mit ihrer Meinung zurück halten müssen, um dies noch einmal zu erwähnen!

    Ist aber der Titel ‚Gotteswahn’ berechtigt? – Dawkins zitiert den Neurologen Sam Harris: „Für Menschen, die viele Überzeugungen ohne rationale Rechtfertigung haben, gibt es verschiedene Bezeichnungen. Sind ihre Überzeugungen sehr weit verbreitet, nennen wir sie ‚religiös’; ansonsten sagt man gern, sie seien ‚verrückt’, ‚psychotisch’ oder ‚wahnsinnig’. ...
    Also sind religiöse Menschen zwar nicht generell geistesgestört, aber ihre Kernüberzeugungen sind es durchaus.“

    Man spürt die Empörung, man spürt aber immer auch, dass die Empörung gar nicht so übel begründet ist. Wer sich ernsthaft für eine humanere Welt einsetzen will, sei dies nun mit oder ohne Religion, der muss sich solchen Fragen stellen. Richard Dawkins stellt solche Fragen mit ätzender Schärfe. Dafür gebührt ihm Dank.
  12. Cover des Buches Ansichten vom Großen Umsonst (ISBN: 9783579011141)
    Ulrich Horstmann

    Ansichten vom Großen Umsonst

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