Bücher mit dem Tag "soziologi"

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9 Bücher

  1. Cover des Buches Rückkehr nach Reims (ISBN: 9783518473139)
    Didier Eribon

    Rückkehr nach Reims

     (45)
    Aktuelle Rezension von: LittleRose

    "Ich verwirrte sie [seine Mutter], und mir wurde das immer gleichgültiger. Ich hatte mich von ihr, von ihnen, von ihrer Welt längst losgesagt."

    Inhalt

    Der Tod seines Vaters veranlasst Didier Eribon nach Reims zurückzukehren, dem Ort seiner Kindheit, die Heimat seiner Familie. Doch es ist eine widerwillige Heimkehr, nach jahrelanger Funkstille. Konfrontiert mit vergessen geglaubten Erinnerungen und erneut aufflammenden Konflikten, begibt sich der Autor auf Spurensuche. Er möchte die Ursachen des Zerwürfnisses zwischen ihm und seiner Familie ergründen.  Als Soziologe kommt Eribon nicht umhin, zu begreifen, dass seine Probleme weit über das Private hinausreichen, denn sie sind Sinnbild einer gespaltenen Gesellschaft.

    Meine Meinung

    Mir hat „Rückkehr nach Reims“ ausgesprochen gut gefallen. Die Mischung aus Autobiographie und soziologischer Abhandlung ist dem Autor schön gelungen. Es ist ein informativ dichtes Buch, das zeigt sich vor allem an den Fußnoten, die auf weitere Werke der Soziologie verweisen. Gleichwohl bleibt Eribon dem literarischen Stil seiner Erzählung treu. Demensprechend habe ich das Buch schnell und gerne gelesen. Zwar mag der Schreibstil leicht sein, die hier präsentierten Themen sind es nicht.

    Zum einen spielt die Homosexualität des Autors eine wichtige Rolle, sie ist einer der Gründe, die zur Entwurzelung beigetragen haben. So hat der Vater nie akzeptiert, dass sein Sohn Männer liebt. Darüber hinaus hat sich Eribon im Zuge seines sozialen Aufstiegs, immer mehr von der Lebenswirklichkeit seiner Familie entfernt. Aber nicht nur die zunehmende Distanz zu seiner Heimat, macht ihm zu schaffen. Als Spross einer Arbeiterfamilie, wird unser Autor gleichzeitig mit den Eigenheiten des französischen elitären Universitätssystems konfrontiert. Er ist in zwei Welten unterwegs und gehört doch nirgends dazu.

    Auf gekonnte Weise stellt Eribon seine persönlichen Erfahrungen in den Kontext von Bourdieus Habitus-Theorie. Nichtsdestotrotz kann es den Schmerz ob der Zurückweisung nicht kaschieren. So schwingt an vielen Stellen Bitterkeit mit, sei es über den Bruch mit der Familie oder über das Nichtvorhandensein der vielbeschworenen Chancengleichheit.

    Fazit

    „Rückkehr nach Reims“ bezieht sich in erster Linie auf Frankreich, kann aber meiner Meinung nach, auf fast alle modernen Gesellschaften übertragen werden. Wer verstehen möchte, weshalb rechtspopulistische Bewegungen [nach wie vor] Erfolge verzeichnen, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Und falls man noch nicht das Vergnügen hatte, empfehle ich als zusätzliche Lektüre, Bourdieus „Die feinen Unterschiede“. Natürlich ist das kein Muss. Eribons Werk allein, bietet genügend Stoff für aufschlussreiche Erkenntnisse. Von mir gibt es fünf von fünf Lesesternchen.

  2. Cover des Buches Soziologie der Zukunft (ISBN: 9783737513838)
    Felix Bittmann

    Soziologie der Zukunft

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Starbks

    In den letzten Jahren ist viel passiert: Während wir noch mit dem teuren Festnetz und der Schreibmaschine groß wurden, gibt es heute kein Kind mehr ohne Handy und die dazugehörige ständige Verbindung mit dem Internet. So hat mich Felix Bittmanns Buch „Soziologie der Zukunft – intelligente Maschinen und ihr Einfluss auf die Gesellschaft“ sofort angesprochen. Was wird aus uns, wenn die Computer richtig schlau werden? Was müssen wir noch leisten, oder werden unsere Fähigkeiten gar nicht mehr gebraucht?

    Das Buch ist klar strukturiert und bietet neben den acht Inhaltskapiteln u.a. auch noch ein sehr hilfreiches Glossar. Damit kann sich der Leser hier gut zurecht finden. Dennoch habe ich lange für dieses Buch, das man nicht so nebenbei lesen kann, gebraucht, denn gestört bei meinem Lesegenuss hat mich vor allem, dass es kaum Absätze, stattdessen aber endlos voll geschriebene Seiten gab. Das finde ich eher unprofessionell, denn wenn es auch wie eine Kleinigkeit scheint, so kann ich ein solches Buch schlecht lesen, denn der Autor sollte auch Sinnabschnitte deutlich machen und so den Leser lenken. Dies ist hier kaum erfolgt.

    Zum Inhalt. Das Buch gab mir viele Denkanstöße, z.B. gibt es einen Exkurs zu den Grenzen den Wachstums, über die man nachdenken sollte. Auch interessant sind die Graphiken, die allerdings qualitativ sehr einfach gehalten sind. Wie schnell die Entwicklung vom Internet zum Besitz des eigenen Handys ging, ist erstaunlich, dafür, dass der Besitz verschiedener Technologien vorher viel langsamer vor sich ging. Immerhin hat man früher für einen PC ja auch richtig viel Geld bezahlt!

    Die sozialen Netzwerke (immerhin noch meist mit „echten“ Menschen bestückt“) haben sicher schon fast unsere echten Beziehungen abgelöst. Der Blick in die Natur ist dem Blick auf das Smartphone gewichen. Aber werden wir bald nur noch virtuelle Lebensbegleiter haben? Ich kann mir das kaum vorstellen!

    Nicht alle Kapitel des Buches „Soziologie der Zukunft“ von Felix Bittmann haben mir gut gefallen. Aber zum Nachdenken regt das Sachbuch, das auch vom Laien gut verstanden werden kann, doch an. Dafür vergebe ich vier Sterne.
  3. Cover des Buches Machtbeben (ISBN: 9783421053626)
  4. Cover des Buches Der Mythos vom Zivilisationsprozeß (ISBN: 9783518395363)
    Hans Peter Duerr

    Der Mythos vom Zivilisationsprozeß

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Admiral
    "Arschloch", "unzivilisiert", "Brüste entblößen", "völlig unzutreffend", "primitive Horden", "noch absurder", "man müsste sich sehr wundern, daß unsere Spezies zu jener Zeit nicht ausgestorben ist". Huihuihui. Hier wird echt kein Blatt vor den Mund genommen. Die Seitenangaben zu den Zitaten sind in entsprechender Reigenfolge: 11, 11, 17, 17, 22, 23, 23. Zugegeben, das sind sehr selektive und willkürliche Zitate, doch geben sie evtl. wider, warum ich große Augen machen musste, als ich die Einleitung unter dem ebenfalls sehr bezeichnenden Titel "Paradigm Lost" las. Bis zum Ende konnte ich das Buch echt nicht einschätzen. Denn die Einleitung vermittelt etwas das Bild eines modernen Sallust, der hier empört über die Dekadenz der Moderne herzieht und bewusst den Begriff "Moderne" in Anführungszeichen setzt.
    Denn mit diesem Buch "Der erotische Leib. Der Mythos vom Zivilisationsprozess" (1997) will der Autor Hans Peter Duerr eine der großen soziologischen Thesen zerschmettern. Der deutsche Soziologe Norbert Elias hat nämlich in seinem Werk "Über den Prozeß der Zivilisation" auf der Affekttheorie von Sigmund Freud aufbauend eine Theorie aufgebaut, nach der wir heute "modern" und "zivilisiert" seien, weil wir es als Kultur (?) schafften, unsere triebe zu unterdrücken (= Zivilisation). In der früheren Zeit und in "primitiven" Kulturen gebe es noch keine Triebunterdrückung. Die letzten Angaben ohne Gewähr. In diesem Thema und in dieser Diskussion bin ich erst ganz rezent reingeraten. Falls hier also jemand mehr Ahnung hat und ich Fehler eingebaut haben sollte (was durchaus passieren kann), bitte ich gerne um Korrekturen.
    JEDENFALLS will Duerr nun mit diesem Buch (eigentlich eine 5teilige ReiHe von mehr als 3500 S., wenn man Wikipedia glauben darf !) dieses Theoriefundament von Norbert Elias (früher trieborientiert/unzivilisiert, heute triebunterdrückt/zivilisiert) zerschmettern, indem er aufzeigt, dass heutige "moderne" Gesellschaften durchaus in einiger Hinsicht schamlos sind und es bereits in früheren Gesellschaften Scham gab. das versucht er zu beweisen, indem er sich auf ein Thema spezialisiert und dazu zahllose Beispiele zusammenträgt: Brüste. Ja, werte Leser, ihr lest richtig. Nein, das ist kein Tippfehler und keine Autokorrektur à la T9. Es geht tatsächlich um Brüste (von Frauen). Denn Duerr zeigt, dass es schon überall sexuelle Scham bzgl. der weiblichen Brüste gab. Ergo: das Fundament der Elias' Theorie ist fort. Und diese Beweisführung vollzieht Duerr streng empirisch, denn er sammelt auf den Seiten 27-353 zahllose Beispiele dafür. Wir folgen ihm dabei, wie er von Ereignis zu Ereignis springt, wie er zwischen der Neuzeit und der Antike hin und der wechselt und wie er von Kalkutta efließend nach Japan übergeht. "folgen" ist hier etwas zu einfach ausgedrückt, denn Duerrs Materialsammlung grenzt an eine zusammenhangslose Aneinanderreihung. Diese 300 Seiten sind ein Sammelsurium an interessanten Kuriositäten, die jedoch eines gemeinsam haben: sie widerlegen tatsächlich Elias Zivilisationsthese in höchster Finesse. Das unterstützt auch noch der Fussnoten-Anhang auf den Seiten 391-582 (!) und die lange Bibliographie (S. 585-652). Beides zeigt, wie viel Arbeit und Präzisionsarbeit im Text steckt (für die, die es nicht schom beim Lesen des Textes selbst oder Fussnotenabschnitte merkten).



    Das an sich empfinde ich nun jedoch nicht als das WIRKLICH Bemerkenswerte und Beeindruckende an dem Buch, sondern eher die Wut und der Frust, der da drin steckt. Die Zitate in der Einleitung meines Kommentars sidn zwar teilweise selbst Zitate innerhalb des Buches, sollen aber verdeutlichen, mit welcher Härte und Unerbittlichkeit Duerr hier schreibt. In diesem Sinne will ich auch noch kurz etwas zum Anhang (S. 354-388) sagen, in dem Duerr auf Kritik (an den ersten 3 Bänden der Reihe, nehme ich an) eingeht. Duerr setzt dem Nachwort ein Zitat von Nietzsche voran: "Und Niemand lügt soviel als der Entrüstete." Und so gehts auch weiter. Duerr unterstellt anderen, gelogen zu haben und sich einfach nur sinnlos aufzuregen. Also, da ist bestimmt was dran, aber Duerr regt sich selbst auch sehr gut auf. WIRKLICH. ICH DACHTE, ICH BIN IM FALSCHEN FILM. Er sprach sogar davon, dass er Morddrohungen erhalten habe (S. 355). WTF. Wo sind wir hier ? Duerrs Argumentationsgang hatte ich eigentlich schon nach der Einleitung verstanden und akzeptiert. Immerhin gehöre ich schon von vorneherein zu denjenigen, die der festen Überzeugung sind, dass wir heute nicht so modern sind, wie wir denken oder hoffen, und dass primitive Kulturen nicht so primitiv sind/waren, wie wir meinen oder vermuten. Ich war noch ein Anhänger einer moralischen Hierarchisierung von Kulturen, Gesellschaften oder Länder, besonders wenn es (zwangsläufig) daruf abzielt, dass "wir" "moderner"/"besser"/"fortschrittlicher" sind als "andere". Der gesamte Hauptteil ist dann eben eine akkurate Beweisführung. Das finde ich auch unsagbar wichtig, weil wir so mit empirischen Argumenten ausgestattet werden. Das wäre soweit auch OK. und das empfäne ich auch als angemessenes Ende. Doch ich bin viel faszinierter von der besagten Wut des Autors hier und von dem ganzen polemischen Kontext des Themas. So ist die Kritik eines Rezensenten sinnlos: "Oberflächlich affinen  Signifikanten werden, über alle Kultur- und Zeitgrenzen hinweg, gleiche Signifikante zugeordnet, und schon aus den erzählten Verhaltensweisen ersichtliche differences make no differences. [...] So what, Mr. Duerr?" (von Duerr selbst zitiert, S. 356, mit der bezeichnenden Kommentierung: "Oder wie es ein anderer Kritiker, der etwas dagegen zu haben scheint, daß man ihn versteht, formuliert"). Duerr selbst hält seine Wut auch hier nicht gerade zurück, bezichtigt andere (berechtigt oder nicht) der Lüge und tut deren Kritik als sinnlose Empörung ab. Dabei finde ich schon, dass er auf die Kritik seiner Argumentationsanordnung, näher eingehen dürfte. Sehr deftig reagiert er auch in einer Fussnote auf die Publizistin  (?) Katharina Rutschky. Diese habe in der Zeit gemeint, da sie wegen des Fehlens eines Penis nicht dazu in der Lage sei "phallisch zu drohen". Duerr bitet ihr da eine Alternativdrohgeste aus der Tierwelt an: "Zu diesem Zwecke bräuchte Frau Rutschky freilich gar keinen Penis. Weibliche Totenkopfaffen beispielsweise demonstrieren ihre Überlegenheit, indem sie die Schenkel spreizen und ihre erigierte Klitoris zur Schau stellen." (S. 355 mit Fn. 5 auf S. 552).
    Duerr muss man seine Schlagfertigkeit wirklich lassen, doch evtl. ist der indirekte Vorschlag zur Zurschaustellung der Klitoris zu viel.



    Methodisch und fachlich ist das Thema der Zivilisationstheorie und seiner Widerlegung echt interessant. Trotzdem ist dieses Buch für mich ein etwas schockierender Einblick in die mögliche Unerbittlichkeit einer "wissenschaftlichen" Diskussion. Die Anführungszeichen habe ich deswegen gesetzt, weil die Diskussion beidseitig wirklich nicht gerade für die Diskutanten spricht. Auch wenn ich ehrlich gesagt denke, dass es beiden Seiten zu mehr Bekanntheit reichte.
    Interessanter als das Buch an sich finde ich also eher den gesamten thematischen und personellen Kontext. Sehr überrascht war ich auch über einen älteren Spiegel-Artikel, in dem ersichtlich wird, dass Norbert Elias (ihr erinnert euch ? Der Urheber der Zivilisationstheorie) nach außen hin gegenüber Duerr freundlich und lobend war, aber sich hinterrücks beim Verlag Suhrkamp beschwerte, dass der Duerrs Bücher publiziere. Der Spiegel-Artikel schließt dann auch mMn sehr richtig mit "Fest steht: Im zivilisierten Verhalten, auf das sich die Menschheit laut Elias zubewegt, müssen sich die Groß-Denker noch üben."




    Was ich an Sekundärquellen im Fließtext erwähnt habe und mehrere andere Kommentare aus dem Internet, die mir halfen, das Buch als ganzes und den Kontext der Debatte und der Personen zu verstehen (zumindest hoffe ich, einiges verstanden zu haben), liste ich hier mal auf:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25327104.html
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-die-nackten-und-die-roten-11311343.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
    http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=6243
    http://www.berliner-zeitung.de/was-bisher-fehlte--ist-nun-kenntnisreich-da--hans-peter-duerr-legt-seine-dokumentation-ueber-die-weibliche-brust-vor-apfel--pfirsich-oder-melone-16437258
    http://www.ultimo-muenster.de/kr-buch/b-duer.htm
  5. Cover des Buches Was ist Soziologie? (ISBN: 9783779928577)
  6. Cover des Buches Haken krümmt man beizeiten (ISBN: 9783570057070)
    Helmut Creutz

    Haken krümmt man beizeiten

     (1)
    Aktuelle Rezension von: buchwanderer
    „Meiner Großmutter war an meiner Bildung gelegen. Deshalb schickte sie mich auf keine Schule. [Margret Mead, amerikanische Anthropologin]“. (S.22)

    Zum Inhalt: So gut wie jeder kann bei diesem Thema mitreden. Und leider findet sich so gut wie jeder mit etwas kritischem Blick in diesem Buch wieder. Eine schon ihrer Form – der des Tagebuches – nach sehr persönliche Schilderung des Alltags eines Vaters, der den Ausbildungs- und Werdegang seiner Kinder in der Schule mitverfolgt und dabei einen essentiellen Fehler begeht: er hinterfragt ein System, das sich wie ein Perpetuum mobile verselbständigt hat. Das gut ausgebildete, einwandfrei dressierte und astrein angepasste Untertanen produziert. Abnehmer dieses Produktes finden sich in Wirtschaft und Konsumgesellschaft zuhauf. Auf den Punkt gebracht wird dies in folgendem Satz, der kennzeichnend für die Couleur des Buches ist: „Die Schule fördert Egoismus und Ehrgeiz. Angepaßtheit und Gleichgültigkeit. Die Schule ist ein Ort der Angst und Langeweile. Sie macht Kinder apathisch und aggressiv. Tötet durch sinnloses Pauken Originalität und Eigenständigkeit. Lob und gute Noten werden künstlich verknappt, um den Ehrgeiz noch zu fördern. Zehntelnoten entscheiden über Beruf und Leben. Aber was man in der Schule lernt braucht man meist nicht im Leben. Was man im Studium lernt, meist nicht im Beruf.“ (S.144)
    Creutz wird nicht müde ein Reform der Schule hin zu einer mensch-zentrierten Ausbildungstätte zu fordern, deren Bildungsauftrag wieder ein im besten Wortsinn humanistischer zu sein hat. In deren Zentrum die Anwaltschaft des Lehrers nicht die der Obrigkeit, sondern jene der ihm anvertrauten Kinder sein muss. Denn: „Wissen, Bildung und Intelligenz sind für sich allein noch nichts wert. Sie erhalten erst ihren Wert durch die Koppelung mit Charakter und Gefühl. Mit Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewußtsein. Also durch die Verbindung mit wahrhaft menschlichen Eigenschaften.“ (S.86)

    Fazit: Der Autor fasst in seinem Nachwort die Stoßrichtung des Textes selbst zusammen: „Zugegeben: dieses Tagebuch ist einseitig. Beschreibt vorwiegend negative Aspekte. Aber die gehören zu unserem System Schule. Sind dessen fester Bestandteil. Lassen sich nicht isolieren und herauslösen.“ (S.192) . Man spürt über weite Strecken die fast ohnmächtige Frustration über ein System, dass viele von uns selbst erlebt haben und sich somit den Gedankengängen und Schlussfolgerungen des Autors  größtenteils anschließen können. Es ist, so konnte ich das auch bei meinen drei Söhnen hautnah miterleben, ein Wandel in der Schule bemerkbar, jedoch noch immer treffen 90% der Aussagen dieses 1983 in überarbeiter Form wieder erschienenen Buches zu. Erschreckend, geben wir doch unsere Kinder in die Hände jener Institutionen, deren Lernresistenz hin zu menschlicheren Bildungsorten immer auf’s neue frappant zu Tage tritt. Ein Buch das in die Ausbildung jedes Lehramtkandidaten gehören sollte.

    Zum Buch: Ein gut verklebter Buchblock und eine solide Einbandausführung runden den sauberen Allgemeineindruck des Buches ab. Die typografische Gestaltung ist eher ein Tribut an klassischen Fließtext, denn an Ideenreichtum.

  7. Cover des Buches Schlafstörungen - wirksam vorbeugen und behandeln (ISBN: 9783817463336)
    Albert; Schulz, Sonja, Dr. med Haufs

    Schlafstörungen - wirksam vorbeugen und behandeln

     (1)
    Aktuelle Rezension von: buchwanderer
    „Welche Tätigkeit ist uns so wichtig, dass wir ihr einen Großteil unserer Zeit widmen würden? … Schlaf“ (S.4)

    Zum Inhalt: Die beiden Autoren versuchen im vorliegenden Text einen Überblick über die physiologischen, anatomischen und psychologischen Ursachen häufiger Schlafstörungen zu geben und einen Weg aufzuzeigen, der es ermöglichen soll Betroffenen ihre Erholungsphasen wieder als solche zu etablieren und zu wahren. Nach einer Einführung, in welcher der gesunde Schlaf als der Normalzustand analysiert wird, unterscheiden sie zwischen gelegentlichen und persistierenden und somit behandlungsbedürftigen Schlafstörungen. Ursachen und Risikofaktoren werden dabei ebenso besprochen, wie klassische Medikationen, alternative Behandlungs- und Verhaltensformen, die sich der Leser größtenteils selbst aneignen kann. Themen wie Stress, Schlafapnoe, Schnarchen, Parasomnien, Schlafwandeln, Jetlag, Schichtarbeit und Hypersomnie werden gestreift und auf Entspannungstechniken, u.a. Yoga, progressive Muskelentspannung (Jacobson-Training), Schlafrituale eingegangen. Unter dem Kapitel „Weiterführende Informationen“ finden sich Adressen zu Selbsthilfegruppen, Schlaflaboren sowie Fachverbänden in Deutschland und Österreich.

    Fazit: Meine Motivation das Buch fertig zu lesen ließ trotz des an sich interessanten Themas sukzessive schon ab Seite 30 nach, um dann letztendlich beinahe in Ärger umzuschlagen. Die Gründe liegt vor allem in der sachlichen Inhaltslosigkeiten welche die Autoren über 144 Seiten ausdehnen. Seiten dabei mit Wiederholungen und Allgemeinposten zu füllen bringt dem Leser nichts und stiehlt ihm nur seine Zeit. Dem Fass den sprichwörtlichen Boden schlägt jedoch die ausufernde Verwendung von teils seitengroßen Featurebildern – über 65 (!) an der Zahl – aus. Die Bilder haben zum Text in den wenigsten Fällen direkten erklärenden Bezug und – was besonders nervt – stellen sogar Teils Produktplatzierungen dar. (Besonders auffällig ersichtlich ist dies auf dem Bild auf S.54). Wenn ich eine Werbebroschüre für Generica möchte, dann frage ich mich, warum ich dann noch dafür zahlen soll.

    Zum Buch: Die Verleimung der 144 Seiten ist leider keineswegs gut zu nennen. Schon nach kurzem Blättern beginnen sich von vorne her die Seiten aus dem Buchblock zu lösen. Der Bedruckstoff wäre per se durchaus passabel und auch der Einband hinterlässt haptisch keineswegs einen schlechten Eindruck, in Summe kann man dem Buch jedoch keine positive Beurteilung in Sachen handwerklicher Verarbeitung attestieren.

  8. Cover des Buches Das Insektenbuch (ISBN: 9783458200123)
    Maria Sibylla Merian

    Das Insektenbuch

     (3)
    Aktuelle Rezension von: buchwanderer
    „…nach dem Leben und in natürlicher Größe gemalt und beschrieben von Maria Sibylla Merian“ (S.7)

    Zum Inhalt: Eine der Zielsetzungen des vorliegenden Bandes ist die Präsentation, jenes Teils des Lebenswerks der Merian herauszustreichen, dessen künstlerisch und naturwissenschaftlich prägenden Aspekt nicht nur in kunstschaffenden Kreisen, sondern auch unter Entomologen Wellen schlug. Über 130 Seiten stellen farbigen Bildtafeln und deren Beschreibungen aus der „Metamorphosis insectorum Surinamensis“ dar, wobei – ebenso wie im Begleittext von Helmut Deckert – akribisch auf detailierte Quellenachweise und historisch korrekte Wiedergabe Wert gelegt wird.
    Eben dieser Text Deckerts, einem Kenner in Sachen Merian, vermittelt geschichtliche Hintergrundinformationen, die Maria Sibylla Merians Lebensweg und Werkleistung nicht abgehoben unnahbar darstellen, sondern vielmehr das Bild einer Künstlerin entwerfen, deren Kunst einer bewegten Lebenslinie entspringt, wo glaubensinhaltliche Prägung und handwerklicher Fleiß gepaart mit einem hohen Grad an Resilienz im handwerklichen Schaffen ihren Niederschlag finden. Deckert formuliert dies u.a. wie folgt: „Alles, was sie erreichte, verdankte sie ihrem eigenen unermüdlichen Fleiß, ihrer Energie, ihrem Unternehmungsgeist und der Konsequenz ihrer künstlerischen und wissenschaftlichen Arbeit.“ (S.135)
    Das Nachwort gliedert sich unter dem Titel „Zwischen Kunst und Wissenschaft“ dabei in die Teile „Leben und Werk Maria Sibylla Merians“, „Das surinamische Insektenwerk“, „Nachdrucke unseres Jahrhunderts“, sowie „Anmerkungen“ und deckt – soweit in der Kürze des Textes möglich –  ein breites Spektrum der biografischen und literatur- resp. kunsthistorischen Wissenslage rund um die surinamische Reise der Merian ab, ohne sich dabei in simpler Aufzählung chronologischer Fakten zu ergehen.

    Fazit: Mit dem Insektenbuch der Merian in der aktuellen Auflage hält der Leser erneut ein bibliophiles Kleinod aus dem Verlagswerk des Insel Verlages in Händen, welches u.a. an das „Neue Blumenbuch“ anschließt. Die Farbtafeln sind eine Augenweide und der erläuternde Text von Helmut Deckert ein ungemein komprimierter Quell an Wissen aus und zum Leben und der Zeit einer bewundernswerten Künstlerin und Gelehrten. Auf jeden Fall ein Buch, das eine Empfehlung mehr als nur verdient.

    Zum Buch: Gebunden in Fadenheftung von der Buchbinderei Spinner präsentiert sich der Buchblock solide verarbeitet zwischen den stabilen Buchdeckeln, deren Bezugspapier mit Motiven aus der Feder der Künstlerin einen ästhetisch ansprechenden Rahmen schaffen. Die typografische Ausformung hält sich unter Verwendung der Adobe Garamond bewusst zurück und lässt der künstlerischen Wirkung der 60 Farbtafeln genügend Wirkungsfreiraum. Dem hohen Standard des Insel Verlages folgend ist auch der Druck sauber auf dem sehr glatten Seitenbedruckstoff ausgeführt.

    Leider ist hier das falsche Cover velinkt. Das richtige findet man unter dem ISBN-Stichwort: ISBN-13: 978-3-458-20012-3 oder auf meinem Blog ;-)


  9. Cover des Buches Ruhm, Tod und Unsterblichkeit (ISBN: 9783552052994)
    Konrad Paul Liessmann

    Ruhm, Tod und Unsterblichkeit

     (1)
    Aktuelle Rezension von: buchwanderer
    „Die Betrachtung über den Sinn des Todes kann nur eine Ergänzung zum Nachdenken über den Sinn des Lebens sein.“ (S.46)

    Zum Inhalt: Ein – wenn nicht – das essentielle Thema des Lebens ist es, dessen sich die Referenten in diesem Band zum „Philosophicum Lech“ annehmen: der Endlichkeit. Im spezielleren unserer Endlichkeit als Individuen, eventuell als Geist – sowohl im intellektuellen wie metaphysischen Sinne –, als thermodynamische Emanation oder gar als Spezies. Der Fokus liegt dabei, von unterschiedlichen Warten aus betrachtet, immer wieder auf der dem denkenden Wesen immanenten Grundfrage nach dem Sinn. „Die Betrachtung über den Sinn des Todes kann nur eine Ergänzung zum Nachdenken über den Sinn des Lebens sein.“ (S.46)
    Sowohl kühnere Ansätze und Herausforderungen an den philosophisch geschulten Intellekt, als auch handfeste Überlegungen (hier sei v.a. der Beitrag von Eugen-Maria Schulak erwähnt), sowie in ihren ethischen Ansätzen polarisierende Gedankengänge (z.B. der Beitrag von Johannes Huber) finden ausgewogen Platz und rütteln nicht all zu selten an den Grundfesten der Überzeugungen des Lesers. Dies primär im positiven Sinne, eben diesen Leser auf ein philosophisches Abenteuer von finaler Relevanz jedoch ungewissem Ausgang mitnehmend. Durchwegs positiv durchdrungen sind die Vorträge von der Vorsicht, um nicht zu sagen der berechtigten Scheu, vor end-„gültigen“ Aussagen, sowie platten Verallgemeinerungen oder gar der Verunglimpfung glaubensphilosophischer Erklärungen zum Thema Tod oder einem potentiellen Leben danach.
    Ein spezielleres Augenmerk wird auch auf den Umgang mit Tod, Ruhm und der wie auch immer definierten Unsterblichkeit in einem Zeitalter medizinischer Machbarkeiten, mediengetriebener Kurzzeitberühmtheiten und der Verdrängung nicht des Todes wohl, aber der Sterbenden gelegt.
    Als Grundtenor zieht sich bei aller Kühnheit der Denkkonstrukte die Erkenntnis durch den Text, dass an der Grenze, die der Tod markiert jedes in bekannten Bahnen verlaufende Denken, Erklären, Philosophieren an einen unüberwindbaren Abgrund gerät. „Endlosigkeit und Anfangslosigkeit – daran muß selbst prinzipielles Denken scheitern.“ (S.178) So wird letzten Endes klar, dass die Beschäftigung mit unserer Endlichkeit wichtig ist, jedoch letzten Endes der Fokus auf dem Leben liegen muss. Und auch hier gilt „Philosophie ist Lebensbegleitung.“ (S.94).

    Enthalten Texte:

    Ruhm, Tod und Unsterblichkeit (Konrad Paul Liesmann)
    Über den Umgang mit der Endlichkeit

    »Den Tod aber statuire ich nicht« (Reinhardt Brandt)

    Not und Notwendigkeit des Todes (Volker Gerhard)

    Bedingungen der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod. (Peter Strasser)
    Eine philosophische Jenseitsbetrachtung

    Jedermann beim Philosophen (Eugen-Maria Schulak)
    Über den Umgang mit der Endlichkeit

    »Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen« (Armin Nassehi)
    Über die Geschwätzigkeit des Todes in unserer Zeit

    Ruhm und Unsterblichkeit (Klaus Thiele-Dohrmann)
    Zur Geschichte eines Menschheitstraumes

    Das Abwesende, das stets anwesend ist (Natias Neutert)
    Die Beunruhigungsfigur des Denkens

    Das Los des Lebens (Marie-Luise Angerer)
    Star Search Success: Die Rahmung postmodernen Subjektivität

    Genea-Logik (Sigrid Weigel)
    Vom Phantasma des Fort- und Nachlebens im Erbe

    Länger Leben (Johannes Huber)
    Medizinische Perspektiven und ihre Bedeutung für die Gesellschaft

    Religion, Unsterblichkeit und der Glaube an die Wissenschaft (Thomas Macho)

    Fazit: Keine leichte, jedoch eine ungemein lohnende Lektüre nicht nur für „Berufsphilosophen“. Der Text, die Ansätze, die Sichtweisen eröffnen neue Türen im Kopf und Perspektiven auf das Thema frei nach dem Motto: „Interessant! So hatte ich das noch gar nicht gesehen.“ Die Standpunkte polarisieren nicht zu selten, regen an eigene Denkschemata zu hinterfragen und mit offeneren Augen und Ohren die öffentlichen Diskussionen zu verfolgen.

    Zum Buch: Die Texte im 7. Band des „Philosophicum Lech“ finden ihre buchbinderische Heimat zwischen für Paperbacks typischen flexiblen Buchdeckeln, die einen nicht sehr stabil verleimten Buchblock umschließen. Ein exzessives Arbeiten mit dem Text oder gar ein zu forsches Aufspreitzen des Buchrückens verbietet sich durch eben diese qualitativ nicht sehr hochwertige Verarbeitung. Typografisch ist der Text einfach und sehr gut leserlich gehalten, mit auch optisch sauberer Aufteilung in Text und Quellennachweis. Der Druck der Bilder ist für den Zweck der illustrativen Ergänzung ausreichend und mit den Abstrichen welche der Bedruckstoff einfordert gut realisiert. Die Haptik hinterlässt trotz der genannten Abstriche einen durchaus positiven Gesamteindruck des Buches.

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