Bücher mit dem Tag "südafrikanische literatur"

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40 Bücher

  1. Cover des Buches Der Meister von Petersburg (ISBN: 9783596151363)
    J.M. Coetzee

    Der Meister von Petersburg

     (13)
    Aktuelle Rezension von: Ambermoon
    J.M. Coetzee konstruiert in seinem Roman eine literarische Fiktion um Fjodor Dostojwskij: Ein alternder Schriftsteller namens Fjodor Michailowitsch reist 1869 von Dresden nach Petersburg, um die näheren Umstände des Todes seines Stiefsohnes Pawel zu erfahren. Ist Pawel von der zaristischen Polizei getötet worden, handelt es sich um Selbstmord, oder sind gar die Anarchistem um Sergej Netschajew für Pawels Tod verantwortlich? Der zwischen Trauer und Schuldgefühlen hin- und hergerissene Fjodor verstrickt sich zusehends in die Petersburger Verhältnisse, die die seines Sohnes waren und nun seine eigenen werden: Er zieht in Pawels ehemaliges Zimmer, schlüpft in dessen Anzug, stellt Pawels Wirtin, der sinnlichen Anna Sergejewna, nach und verbringt einige wilde, verzweifelte Nächte mit ihr. Coetzee schildert Euphorie und Alpdruck, die einem epileptischen Anfall vorausgehen, mit ebenso großem psychologischem Einfühlungsvermögen wie Fjodors vergebliche Versuche, den Tod des Sohnes zu verwinden. Die wahre Trauerarbeit leistet Dostojewskij schließlich schreibend: An Pawels Schreibtisch beginnt er, die ersten Seiten der "Dämonen" zu skizzieren.
    Geschickt montiert Coetzee in seinem Roman immer wieder Orte, Situationen und Charaktere, die Assoziationen an Dostojewskijs Werk wachrufen oder an Episoden aus seinem Leben erinnern...
    (innerer Klappentext)

                                            ---------------------------------

    Ich bin ein großer Fan der russischen Klassiker und allen voran von Dostojewskij. Daher war es für mich fast schon ein Muss zu diesem Buch zu greifen.
    Der Autor J.M. Coetzee selbst, obwohl Literaturnobelpreisträgre, war mir bis dahin gänzlich unbekannt.
    Nach dieser Lektüre wage ich es jedoch zu bezweifeln mich nochmals für ein Buch von ihm zu entscheiden.
    Ich erwartete anspruchsvolle Literatur und anspruchsvoll war dieser Roman auch, jedoch eher für meine Nerven.

    Die Handlung selbst wird im Großen und Ganzen schon im Klappentext beschrieben und mehr passiert auch nicht. Wobei dieses Manko eher dem Verlag zuzuschreiben ist - zu viel Information für dieses 255 Seiten Büchlein.
    Der Autor selbst schafft es anfangs einfach nicht in die Gänge zu kommen und die Handlung scheint bereits auf den ersten Seiten festzustecken.
    Der Grund - unsinnige und ohne Zusammenhang wirkende geistigen Ergüsse seitens Coetzee, die da z.B. wären:

             "Er stellt sich vor, er kehrte zurück ins Ei - oder zumindest
               in etwas Glattes, Kühles, Graues. Vielleicht ist es nicht
               nur ein Ei, vielleicht ist es die Seele, vielleicht sieht die
               Seele aus wie ein Ei."

    Solche "Metaphern", die irgendwie aus dem Nichts entstehen, unterbrechen anfangs immerzu die Handlung.
    Man benötigt als Leser also einen Batzen Geduld, bis die Handlung endlich Gestalt annimmt und sich einem ein Portrait des russischen Schriftstellers entfaltet.
    Denn obwohl dieser Roman nur eine literarische Fiktion aus der Feder J.M. Coetzees ist (Dostojewskij kehrte erst 1871 von seiner Europareise nach Petersburg zurück und nicht bereits 1869. / Es wurde nicht Dostojewskijs Sohn Pawel ermordet, sondern ein russ. Student der dieser Naroduaja Rasprawa angehörte), weist er doch viele Parallelen bezüglich Dostojewskijs auf.
    Dadurch entsteht ein Psychogramm des ständig getriebenen, komplizierten und an Epilepsie leidenden Schriftstellers mit Annäherung an dessen Werk "Dämonen"
    Diese innere Zerrissenheit, dieses Wurzellose und die Prodromalphase eines Epilepsieanfalls, werden von Coetzee mit all seinen Facetten eingefangen und wiedergegeben. Dadurch erhält der Leser in gewisser Weise Einblick in Dostojewskijs Gefühlswelt und es wird verständlich, weshalb manche Werke einen wahnhaften Touch aufweisen.

    Vom psychologischem Standpunkt aus betrachtet Top!
    Vom Schriftstellerischem her eher mäßig.
    Denn J.M. Coetzee schafft es manchmal nicht Handlungen vollständig zu Ende zu bringen, springt von einer Handlung zur nächsten und schweift zusätzlich in irgendwelche fleischlichen und sexuellen Szenarien ab, welche so gar nicht zum Rest passen wollen.

    Bsp.: Im ersten Moment trauert Dostojweskij herzzereißend um seinen Sohn. Im nächsten Absatz überkommt es ihn wie aus dem Nichts und er macht sich an die Wirtin ran, welche sich jedoch ziert und sagt "Nicht jetzt!". Er schien sich mit der Abfuhr abgefunden zu haben und plötzlich tummeln sich die Beiden doch in den Lacken.
    Wie die Beiden auf einmal im Bett landen konnten bleibt ein Rätsel.

    Diese Handlungen bringt er aber zumindest immer zu Ende und beschreibt diese auch ausführlich.

    Diese Sprunghaftigkeit durchzieht den Roman leider mit Konsequenz.
    Zusätzlich kommt es häufig zu Längen, welche so überhaupt nicht enden wollen und die ebenfalls an des Lesers Nerven zerren.
    Des Weiteren scheint der Autor das Prinzip des inneren Monologes nicht ganz verstanden zu haben.
    Manchmal spricht Dostojewskij zu seinem Gegenüber, verfällt dann in einen inneren Monolog, um dann einfach, als hätte er dies Alles zu seinem Gegenüber gesagt, weiterzusprechen.
    Die Gesprächspartner scheinen alle Hellseher zu sein, da sie auf diesen inneren Monolog sehr wohl eingehen.
    Zudem kommt es vor, dass die Protagonisten ständig ihre Meinung und ihren Standpunkt ändern. Daher drehen sich manche Dialoge regelrecht im Kreis.

    Fazit:
    Manchmal war ich angetan von der Handlung und dem tiefen Einblick in eine ruhelose Seele. Doch dies wurde immerzu von den oben genannten Mankos unterbrochen und somit quälte ich mich teilweise durch diese 255 Seiten.
    Ich für meinen Teil werde wohl in Zukunft nicht mehr so schnell ein Buch von J.M. Coetzee lesen und bleibe lieber den dicken Schicken von Dostojewskij, Tolstoi und Co treu, welche sich trotz der oft 1000 Seiten lange nicht so ziehen wie dieses dünne Büchlein.
  2. Cover des Buches Der Besitzer (ISBN: 9783833305979)
  3. Cover des Buches Schande (ISBN: 9783596509515)
    J.M. Coetzee

    Schande

     (222)
    Aktuelle Rezension von: Daphne1962

    J.M. Coetzee ist ein Autor aus Südafrika und war mir bisher nicht so bekannt. Obwohl er schon den Nobelpreis für Literatur bekommen hat und 2 x den Booker Preis. Er lebt seit 2002 in Australien und ist bereits im hohen Alter von 80 Jahren.

    In seinem Roman "Schande" hat er einen Literaturprofessor angesiedelt, der nach 2 gescheiterten Ehen immer noch stark dem weiblichen Geschlecht zugewandt ist. David Lurie beginnt eine Affäre mit einer Studentin, die vom Alter her seine Tochter sein könnte. Nachdem die Geschichte ans Licht kommt fällt er in Ungnade bei seiner Universität. Er flieht zu seiner Tochter, die auf einer einsamen Farm lebt.

    Lucy lebt ein so ganz anderes Leben als das, was sein Vater kennt. Sie versucht auf einem entlegenen Stück Land eine kleine Farm aufzubauen. Dort kümmert sie sich um Hunde. Anfangs scheint es, als könne Lucys Leben ihrem Vater einen neuen und natürliche Rhythmus und Halt geben. Dann aber geschieht etwas, womit Vater und Tochter nicht gerechnet haben. Sie werden überfallen. Die Folgen werden die Beiden erst einmal aus der Bahn werfen. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten kommen immer mehr zu Tage. Dabei greift der Autor auch das Thema Apartheit auf.

    Er schreibt schon sehr intellektuell, das hat er auch in der Rolle des Professors ausgelebt. Sehr düster beschreibt er die Atmosphäre auf dieser Farm. Da gruselt es einem schon ein wenig beim Lesen. Immer wieder möchte man auch Lucy durchschütteln und ihr sagen, was musst Du hier alleine leben?

    Der Autor Coetzee hat Südafrika den Rücken gekehrt vor vielen Jahren. Man hat hier nicht den Eindruck er rechne mit den "Schwarzen" ab, sondern er beschreibt hier eher das Versagen der "Weißen" in diesem Land. Um einen Einblick in das Leben in Südafrika zu bekommen, dem kann ich nur sagen, er sollte das nicht so umfangreiche Buch unbedingt lesen.

  4. Cover des Buches Keine Zeit wie diese (ISBN: 9783833309243)
    Nadine Gordimer

    Keine Zeit wie diese

     (12)
    Aktuelle Rezension von: leselea

    Sie war schwarz, er weiß. Das war alles, was zählte. Alles, was damals Identität ausmachte. Simpel wie die schwarzen Buchstaben auf diesem weißen Papier. (S. 10)

    Jabu und Steve haben sich im Untergrund beim gemeinsamen Kampf gegen das Apartheid-Regime kennengelernt. Sie ist eine Schwarze aus dem Volk der Zulus, er ein Weißer jüdischer Abstammung. Beide sind Südafrikaner, doch ihre Beziehung und ein Leben miteinander wird vom Staat verboten. Dann kommt das Jahr 1994 und verändert das politische Leben im Land grundlegend – und damit auch Jabus und Steves Privatleben. Endlich können sie als Ehepaar offen ihre Beziehung leben, in einem Vorort die gemeinsamen Kinder großziehen und sich auch beruflich verwirklichen: Er wird Dozent an der Universität, sie Rechtsanwältin. Der Freiheitskampf hat seine Früchte getragen, doch die ehemaligen Genossen müssen schnell einsehen, dass alte Strukturen nur schwer zu zerschlagen sind: Die Ungleichheit zwischen Schwarz und Weiß bleibt weiterhin bestehen, die neue schwarze Elite ist genauso korrupt wie die alte Weiße und das Land zerfällt – wenn nicht mehr in schwarz und weiß – immer mehr in arm und reich. Jabu und Steve stehen vor einer Gegenwart, für die sie immer gekämpft haben und die sich doch anders entwickelt, als gehofft. Und beide müssen sich die Frage stellen, ob dieses neue Südafrika noch ihre Heimat sein kann…

    Nadine Gordimer gehörte zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Südafrikas und bekam für ihr literarisches Werk 1991 den Literaturnobelpreis. Ihre Romane, Erzählungen und Essays setzten sich intensiv mit der südafrikanischen Apartheidpolitik und deren Folgen bis in die Gegenwart auseinander, auch wenn Gordimer von sich selbst behauptete, keine politische Schriftstellerin zu sein. Keine Zeit wie diese ist ihr letzter Roman vor ihrem Tod im Jahre 2014 und behandelt auf über 500 Seiten das neue Südafrika – von den ersten freien Wahlen über die politischen Machtkämpfe in der ehrwürdigen ANC bis hin zur Gegenwart unter Präsident Zulu kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2010.

    Trotz des Labels „Roman“ auf dem Cover ist Keine Zeit wie diese für mich mehr eine literarische Studie, ein Porträt über das Leben in Südafrika nach 1994. Anhand von Jabu und Steve, die durch ihre Biographie aufs engste mit den politischen Verhältnissen des Landes verbunden sind und deren Beziehung gerade aufgrund ihrer Überwindung die Gräben zwischen den „Rassen“ verdeutlich, beschreibt Gordimer nicht nur die politischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen ihres Heimatlandes, sondern vermittelt vor allem ein Gefühl für den Alltag im und nach dem Apartheid-Regime. Neben den Rahmenbedingungen stellt sie vor allem die Frage nach der Identität in einem Land, das seinen (wenn auch menschenverachtenden) Kompass verloren hat, in den Mittelpunkt: Wer ist man, wenn die alten Etiketten nicht mehr gelten? Wie lange dauert der Kampf für die Freiheit und damit der Status als Guerilla-Kämpfer? Welche Verantwortung trägt man als weißer Südafrikaner für die weitere Entwicklung – und welche als schwarzer, zumal wenn man zu denen gehört, die es nach oben geschafft haben? Bleibt man ein Leben lang Kind seines Volkes oder darf man sich in Zeiten der Freiheit neue Bilder erschaffen? Gordimer verdeutlich, dass mit dem Ende der Unterdrückung die Verantwortung der Freiheit einhergeht – und diese oftmals neue Konflikte schafft, sei es im Privaten oder auf politischer Ebene, wo Korruption und aggressiver Kapitalismus schnell zu blühen beginnen.

    Das alles ist hochinteressant und lehrreich, auch wenn eigene Recherchen während der Lektüre unabdingbar sind, um die verschiedenen Andeutungen, die Gordimer zwischen den Zeilen platziert, zu verstehen. Keine Zeit wie diese ist ein Buch, das ich diesbezüglich als wirkliche Bereicherung empfunden habe, hat es mir doch nicht nur Wissen, sondern auch ein Verständnis jenseits der bloßen Fakten vermittelt. Nichtsdestotrotz bleibt bei Gordimers Vorgehensweise einiges auf der Strecke, was für mich das Buch zu einem wirklichen Roman und zu einem hundertprozentigen Lesegenuss gemacht hätte: Insgesamt fehlt es an Spannung, Handlung und einer Nähe zu den Figuren. Keine Zeit wie diese zeigt den Ist-Zustand eines Landes auf, ohne dass es auf einer weiteren Ebene eine wirkliche Geschichte erzählen würde, die auf etwas hinausläuft. Jenseits der Skizzierung der verschiedenen Probleme und Herausforderungen gibt es wenig, was einen an das Buch fesselt, zumal die Figuren sehr ihren Kategorien als Freiheitskämpfer, Rechtswissenschaftler bzw. Dozenten, Schwarze und Weiße etc. verhaftet bleiben, ohne darüber hinaus irgendwelche Charakterzüge aufzuweisen.

    Sprachlich stellt Gordimers Werk durchaus eine Herausforderung dar: Ihr Erzählstil ist eigenwillig, distanziert, wie gemalt in dem Sinne, dass einzelne Sätze wie flüchtige Pinselstriche sind und erst nach einiger Zeit ein Ganzes ergeben. Eine „raue Poetik“ schoss es mir beim Lesen der ersten Seiten durch den Kopf und ließ mich bis zum Schluss nicht los. Definitiv reizvoll, aber über lange Strecken doch auch anstrengend, ermüdend und vielleicht nicht immer dienlich.

    Insgesamt bin ich sehr froh, dass ich Keine Zeit wie diese entdeckt und gelesen habe und stehe auch der Lektüre weiterer Romane von Gordimer nicht ablehnend gegenüber. Dennoch kann ich einen gewissen Hänger während der Lesezeit aufgrund der oben genannten Kritikpunkte nicht leugnen: Mir hat eine Geschichte, die mich auch emotional bindet, definitiv gefehlt; als Porträt ist Keine Zeit wie diese jedoch ohne Frage hervorragend und verdient eine abschließende Leseempfehlung! 3,5 Sterne.

    Lasst euch nicht durch schlechte Politik aus dem Land eures Herzens vertreiben. (S. 349)

  5. Cover des Buches Im Herzen des Landes (ISBN: 9783596132539)
    J.M. Coetzee

    Im Herzen des Landes

     (15)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Irgendwo in Süafrika liegt eine Farm, die von einem Mann und dessen Tochter Magda bewirtschaftet wird. In kurzen Textabschnitten, die an Tagebuchaufzeichnungen erinnern, schildert Magda, was auf der Farm passiert und wie sie ihr Leben empfindet. Dabei wird früh klar, dass nicht alles passiert, was in den Aufzeichnungen geschrieben steht. Magda mischt ihre Wünsche, Sehnsüchte und Träume kräftig unter die Realität auf der Farm. Diese Tinktur aus Kurzepisoden und Ungewissheit über die Realität macht das Lesen nicht unbedingt einfach und vieles - auch aus der Vergangenheit - bleibt ungeklärt. So muss man selbst ziemlich viel abwägen, wo die Erzählung noch bare Münze ist und wo Magda Geschichten erspinnt. Magdas Schicksal schrammte hart an einem Lektüreabbruch vorbei, weil über fast das gesamte Buch das Bild einer Frau entsteht, das Alter schwer definierbar, die unter der Einsamkeit der Farm nicht nur leidet, sondern in dieser Einsamkeit förmlich degeneriert. Der Vater beteiligt sie kein bisschen an der Farm, obwohl sie seine einzige Erbin ist; Magda ist nur gut genug zum Badewasser bereiten und Küchenarbeit. Magda philosophiert seitenweise über Einsamkeit, Liebe, Gefühle - das erste hat sie im Überfluss, das andere scheint sie nie empfunden zu haben. Sie wirkt unreif und völlig hilflos, und als der Vater stirbt, rächt sich diese absolute Unwissenheit in allen Belangen: Sie kann ihre Angestellten nicht ausbezahlen, hat keine Ahnung vom Farmbetrieb und der schwarze Knecht Hendrik und dessen Frau Anna setzen sie heftig unter Druck. Vielleicht stirbt der Vater auch nicht und Magda hat sich nur Szenarien ausgemalt. Vielleicht ruft sie nach den Flugzeugen, die sie irgendwann am Himmel über sich entdeckt, vielleicht hatte sie einst viele Geschwister, vielleicht lässt sie sämtliche Farmtiere frei - vielleicht auch nicht. Magdas Erzählung schwirrt um die Ohren, so durcheinander wie sie selbst offensichtlich ist. Angesichts so vieler Ungereimtheiten und Unsicherheiten hätte ich mir die Geschichte sparen können, weil sie für mich auf jeder Seite die Option eröffnet, dass alles auch ganz anders abgelaufen sein könnte. Ja, wie denn nun? Habe ich mir das Buch ausgeliehen, habe ich gelesen - oder bilde ich mir das bloß ein, bestürmt von der flimmernden Hitze?
  6. Cover des Buches Disgrace (ISBN: 9780099540984)
    J. M. Coetzee

    Disgrace

     (32)
    Aktuelle Rezension von: Marlischen
    Schwarz/Weiß. Südafrika: Das Machtgefälle kehrt sich um. Packend und sprachlich äußerst versiert erzählt der Nobelpreisträger Coetzee die Geschichte des weißen Universitätsprofessors David Lurie. Lurie, im mittleren Alter, zwei mal geschieden, verkörpert den gebildeten Dandy, der sein Interesse an jungen Frauen nicht verheimlicht. Eine publik gemachte Affäre mit einer schwarzen Studentin zwingen ihn zum Rücktritt, er verlässt die Stadt, um eine zeitlang bei seiner Tochter Lucy zu wohnen. Lucy bewirtschaftet eine kleine Farm in der Einöde. Das ländliche Gebiet scheint in der Herrschaft der schwarzen Bevölkerung zu sein. Seinen intellektuellen Hochmut bewahrend werden Lucy und David Opfer eines brutalen Überfalls. Das Verhältniss zwischen David und seiner Tochter, die mit den psychischen Folgen des Überfalls zu kämpfen hat, spannt sich. Davids Leben gerät immer nach und nach aus den Fugen... denn "dieser Ort hier, bleibt was er ist!" "Und was ist dieser Ort?" "Südafrika!!" Ich bewundere die eindringliche, literarische Sprache. Die Schilderungen der psychischen Spannungsverhältnisse und der Machtkämpfe zwischen Schwarz und Weiß, Hochmut und Verfall, Vater und Tochter ziehen den Leser in den Bann und hinterlassen Nachwirkungen....
  7. Cover des Buches Kupidos Chronik (ISBN: 9783746627182)
  8. Cover des Buches Malindi (ISBN: 9783453434158)
    Troy Blacklaws

    Malindi

     (16)
    Aktuelle Rezension von: hexepanki
    Douglas verliert durch einen Kricketunfall seinen Zwillingsbruder, an dessen Tod seine Familie zerbricht. Er wird aus seinem Umfeld gerissen und versucht, den Tod seines Bruders zu verarbeiten und lernt dabei die erste Liebe kennen, aber auch die Grausamkeit der Apartheid.

    Der eigentliche Aufhänger des Buches, der Tod des Zwillingsbruders, wird relativ kurz und knapp erzählt, was ich zuerst etwas befremdlich fand. Doch dann wurde mir schnell klar, dass es hier um die Gefühle und Erlebnisse von Douglas geht, aus dessen Perspektive die Geschichte geschildert wird. Die Sprache ist im ersten Teil, der in Kapstadt spielt, sehr poetisch und Blacklaws findet immer wieder atemberaubende bildliche Vergleiche, die für mich eine der größten Stärken dieses Buches sind.

    "Für mich bedeutet ein Zwilling zu sein, immer jemanden bei sich zu haben [...] mit dessen Gedanken ich meine eigenen vermischen konnte, um sie dann wieder zu lösen, nachdem seine darauf abgefärbt hatten. Es war das Gefühl, mit einer anderen Seele vertäut zu sein."

    "Marta geht mir mit ihrem roten Haar, das zu Rattenschwänzen zusammengebunden ist, nicht aus dem Kopf. Ich wünschte, sie würde sich neben mich setzen und das klaffende Loch, das Marsdens Verschwinden gerissen hat, ausfüllen oder mit einem Farbtupfer abdecken. Aber sie überlässt mich der Leere und gibt all ihre Farbe und ihr Leben den anderen Mädchen."

    Im zweiten Teil wird die Sprache härter, nur noch selten finden sich poetisch-wunderschöne Beschreibungen wie im ersten Teil. Ich habe mich erst darüber geärgert, bis mir klar wurde, dass das zu Douglas Situation in seinem neuen Umfeld passt. Insgesamt transportiert das Buch eine unheimlich melancholische Stimmung und wir sind mittendrin in Douglas Prozess der emotionalen Verarbeitung und bekommen ein Gefühl für die Stimmung und Situation in Südafrika zu jener Zeit. Die Interpretation der Gefühle und Beschreibungen wird dabei komplett dem Leser überlassen.

    In diesem Buch lernen wir nicht nur die schwarz-weiße Welt der Apartheid kennen (im wahrsten Sinne des Wortes) sondern auch, dass es einige Grautöne gibt. Der scheinheilige Pfarrer, der so tut, als hätte die Apartheid nichts mit ihm zu tun und dennoch insgeheim die Meinung teilt, dass Schwarze weniger wert sind als Weiße. Der Vater, der einen rigorosen Hass auf Schwarze hat. Der Onkel, der Schwarze alle als faul und niederträchtig abtut, es sei denn sie sind gebildet und in gehobenem Umfeld aufgewachsen. Und Douglas Vater und Mutter, die ihre Kinder "farbenblind" aufwachsen lassen, weil sie keinen Unterschied zwischen Schwarz und Weiß sehen.

    Fazit: Ein sehr berührendes Buch, das lange nachhallt und dem Leser die schönen aber auch die schrecklichen Seiten Südafrikas aufzeigt. Emotional tiefgründig, aber da es mich nicht 100%-ig gepackt hat, vergebe ich 4 Sterne.
  9. Cover des Buches Eiserne Zeit (ISBN: 9783100108074)
    J.M. Coetzee

    Eiserne Zeit

     (21)
    Aktuelle Rezension von: usum56

    Kapstadt, Südafrika, in den 80er Jahren. Es ist die Zeit der Apartheid, in den Townships gibt es täglich Kämpfe. Ein schwarzer Obdachloser nistet sich im Garten einer weissen, alleinstehenden Frau ein. Sie lässt ihn gewähren und so entwickelt sich eine sonderbare, wechselhafte Schicksalsgemeinschaft zwischen den beiden. Sie todkrank und er ein Trinker. Sie schreibt als letztes Vermächtnis Briefe an ihre einzige Tochter in Amerika, die aus Südafrika weggereist ist um nie wieder zu kehren. Briefe mit Gedanken über das Leben, das Sterben und den Tod in eben diesem Südafrika.

    Eine eindringliche Sprache. Die Vergleiche und Bilder aufrüttelnd, manchmal beinahe grob, treffen die wunden Punkte der Gesellschaft, der Menschheit. Ich hatte das Buch eine Zeit lang zur Seite gelegt und erst vor kurzem wieder zu Hand genommen. Die Bilder trafen mich hart, aber ich bin froh, habe ich zu Ende gelesen. Sehr eindrücklich.

  10. Cover des Buches Der Ehrengast (ISBN: 9783833306433)
    Nadine Gordimer

    Der Ehrengast

     (2)
    Aktuelle Rezension von: walli007

    Nachdem die britische Kolonialherrschaft beendet ist, muss das afrikanische Land seine politischen Angelegenheiten selbst regeln. Und schnell stellt sich heraus, dass das nicht so einfach ist. Es fängt schon mit dem geeigneten Personal an, das man suchen muss. Als der Präsident den ehemaligen Kolonialbeamten Colonel Bray ins Land zurückruft, kommt dieser zunächst gerne. Bray fühlt sich geschmeichelt und er hofft, etwas bewegen zu können. Aber auch dieser Traum platzt bald schon, denn es stellt sich heraus, dass eigentlich niemand seine Ideen hören will. Nach nur kurzer Zeit bildet sich eine Opposition zur Regierung, der man mit den gleichen Mitteln beizukommen versucht wie in vielen anderen Bananenrepubliken auch.
    Wie schnell sich nach der Befreiung ein Machtsystem herausbildet, dass keiner von den Idealisten gewollt hat, wird hier sehr eindrucksvoll geschildert. Die Freude Brays als er gebeten wird, sich an der Regierung zu beteiligen. Die schnelle Erkenntnis, dass er eigentlich nur ausführen soll, was andere ihm sagen. Die immer beklemmender werdende Atmosphäre. Die immer einsamere Position Brays als er versucht, seinen Überzeugungen zu folgen. Die ausufernden Palavereien, das politische Geschwafel. Das überraschende Finale. Eine runde Schilderung über den Aufbau eines Systems, das eben nicht besser ist, das die Situation der Menschen nicht verbessert. Ein beeindruckendes Buch, allerdings in erheblichen Passagen zu langatmig. 
  11. Cover des Buches In a Strange Room (ISBN: 9781848873247)
  12. Cover des Buches Mr. Cruso, Mrs. Barton & Mr. Foe (ISBN: 9783596132515)
    J.M. Coetzee

    Mr. Cruso, Mrs. Barton & Mr. Foe

     (17)
    Aktuelle Rezension von: Ritja
    Mrs. Barton rettet sich mit letzter Kraft auf eine Insel. Sie wurde in einem kleinem Boot von Meuteren ausgesetzt und musste nun um ihr Leben rudern. Auf der Insel trifft sie auf Mr. Cruso und Freitag. Mrs. Barton ist besseres gewohnt als das, was sie auf der Insel bekommt. Mr. Cruso und Mrs. Barton haben unterschiedliche Auffassungen wie man auf dieser Insel leben sollte. Nach einem entbehrungsreichen Jahr werden sie gefunden. Mr. Cruso stirbt jedoch auf dem Weg nach "Hause", so dass sich nun Mrs. Barton um Freitag kümmern muss. Eine alleinstehende Frau mit einem Schwarzen sorgt auch ohne Worte für Aufsehen. Freitag schweigt das gesamte Buch über, denn er verlor seine Zunge durch Sklavenhändler und auch in der Clock Lane haben die Menschen Vorurteile, so dass Freitag eher versteckt leben muss. Mrs. Barton (be)sucht einen Schriftsteller - Mr. Foe, der ihre Geschichte auf der Insel niederschreiben soll, damit sie wieder zu Geld kommt und ihren Standard zurückerhält. Doch auch hier gehen die Meinungen über den Inhalt der Geschichte auseinander. Zudem flieht Mr. Foe eines Tages vor den Gerichtsvollziehern und Mrs. Barton schreibt ihn nun immer wieder Briefe (die sie in eine Schachtel legt), in denen sie sich und ihre Geschichte erklärt. Die Verbindungen zu "Robinson Cruso" und "Daniel Defoe" sind hier gewollt. Doch diesmal soll die Geschichte aus der Sicht einer Frau erzählt und vorallem soll die Geschichte von Cruso eine Frau bekommen. Coetzee schreibt die Geschichte von Defoe um und bringt den Leser immer wieder zum Schmunzeln. Mrs. Barton ist ihm sehr gut gelungen. Das Ende fand ich etwas verwirrend und schleppend, aber insgesamt ein unterhaltsames Buch über eine alte Geschichte.
  13. Cover des Buches Warten auf die Barbaren (ISBN: 9783596155859)
    J.M. Coetzee

    Warten auf die Barbaren

     (66)
    Aktuelle Rezension von: Orisha
    Ein unbekanntes Reich. Am Rande lebt ein Magistrat – staatstreu verrichtet er seinen Dienst. Bis ihn eines Tages die Abteilung III aus der Hauptstadt besucht, um der Siedlung bei einem vermeintlichen Aufstand der Barbaren – Nomadenvölker der Berge – beizustehen. Gefangene werden gemacht: sie werden zusammengepfercht, gedemütigt, misshandelt. Als eine dieser Gefangenen beim Magistrat Unterschlupf findet, beginnt selbiger seine Arbeit zu hinterfragen und findet sich bald selbst im Fadenkreuz des Regimes wieder.

    Coetzees Roman steht für viele totalitäre Regime unserer und vergangener Zeiten. Detailliert zeichnet er das Leben des Magistrats nach, der, zunächst dem Reich total ergeben, beginnt ein Gewissen zu entwickelt. Zunehmend kann er nicht mehr wegschauen und beginnt seine Tätigkeit zu hinterfragen. Als Gefangener muss er sich den kritischen Fragen seiner Tätigkeit stellen und am eigenen Leib erfahren, wie man Menschen brechen kann – mit und auch ohne Gewalt.

    Ein kraftvolles Buch, dass die Tücken dieser Regime gekonnt aufzeigt und ein ums andere Mal die menschenverachtenden Mechanismen hinter solchen Regierungsformen aufzeigt. Niemand ist sicher in diesen politischen Konstellationen, die menschgemacht sind und die alte Denkstrukturen bedienen: Wir gegen die. Die gegen uns. Dass es ein Wir geben könnte, dass alle umfasst – undenkbar. Und „Warten auf die Barbaren“ lässt den Leser nicht umsonst fragen, wer hier die eigentlichen Barbaren sind? Damit ist Coetzee ein Buch gelungen, das zeitlos ist.

    Fazit: Leise, still und dennoch kraftvolles Portrait totalitärer Regime. Lesenswert.
  14. Cover des Buches Burgers Tochter (ISBN: 9783833305986)
  15. Cover des Buches Philida (ISBN: 9780099578758)
    André Brink

    Philida

     (2)
    Aktuelle Rezension von: ClaryBlack

    Protagonistin dieses bewegenden Romans ist die Sklavin Philida, die bei ihrem Besitzer Cornelius Brink lebt und eine Liebesbeziehung zu dessen Sohn Frans unterhält, mit dem sie zwei Kinder hat. Irgendwie scheinen die beiden sich zu lieben, obwohl die „Rassen-“ und Ständeunterschiede sie doch eigentlich deutlich trennen. Frans verspricht Philida ihre Freiheit, bricht dieses Versprechen aber, woraufhin sie beginnt selbst für ihre Freiheit zu kämpfen und los zieht, um ihren einstigen Liebhaber anzuzeigen. Sie bringt Ereignisse ins Rollen, die viele Leben verändern werden...


    Philida ist ein starker Hauptcharakter. Sie zieht den Leser mühelos auf ihre Seite, man wünscht ihr Gerechtigkeit. Diese wird klar abgegrenzt dem Gesetz gegenübergestellt: Gerechtigkeit und Gesetz sind nicht vereinbar. Dennoch schaffen es auch Philidas Gegenspieler ab und an Sympathie zu erzeugen. Allein diesen Effekt fand ich sehr interessant.Dabei helfen auch die Perspektivwechsel; denn nicht nur Philida kommt als Erzählerin zu Wort – auch wenn ihr Anteil überwiegt -, sondern ebenso ihr Meister oder beispielsweise dessen Mutter. Diese Wechsel allerdings empfand ich manchmal als etwas holprig.


    Philida ist keine leichte Kost. Es wird dem Leser immer wieder vor Augen geführt, dass Philida und alle Sklaven schreckliche Gewalt und Erniedrigungen über sich ergehen lassen müssen. Sie gehören sich nicht selbst, ihre Körper sind Eigentum ihrer Meister.

    Das Buch hat mir alles in allem sehr gefallen und letztendlich bin ich froh, dass ich es zu Ende gelesen habe – von Zeit zu Zeit musste ich mich aber auch arg hindurchkämpfen, wenn die Spannung doch etwas abflaute, die Gewaltszenen allzu drastisch erschienen oder mich beispielsweise die Gefühle, die die junge Sklavin für ihren Vergewaltiger Frans entwickelt, verstörten.


    Philida ist der letzte Roman des bedeutenden südafrikanischen Schriftstellers Andre Brink. Und soweit mir bekannt leider noch nicht ins Deutsche übersetzt worden.



    ASIN: B00C6PP0LQ

  16. Cover des Buches Ein Spiel der Natur (ISBN: 9783833308444)
  17. Cover des Buches No Time Like the Present (ISBN: 9781408831267)
  18. Cover des Buches SMALL CIRCLE OF BEINGS (ISBN: 9781843544616)
  19. Cover des Buches Fremdling unter Fremden (ISBN: 9783596257232)
  20. Cover des Buches Der Junge (ISBN: 9783596148370)
    J. M. Coetzee

    Der Junge

     (28)
    Aktuelle Rezension von: Papiertiger17

    Dem Autor gelingt hier eine packende wie aufschlussreiche Analyse der südafrikanischen Gesellschaft der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit all ihren Widersprüchen und Abgründen. Durch seine Kindheitserinnerungen schafft er für den Leser eine sehr persönliche Nähe zu den geschilderten Vorgängen, die einen stets neugierig auf die nächsten Seiten macht. Meiner Meinung nach eine sehr gelungene, kluge Lektüre.

  21. Cover des Buches Der Betrüger (ISBN: 9783442542895)
    Damon Galgut

    Der Betrüger

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Wolkenatlas
    Damon Galguts Roman "Der Betrüger" war beim "Booker Prize" 2009 der durch Abwesenheit (er wurde von einer schwachen Jury nicht einmal für die Langliste nominiert - die jedoch u.a. "Kind 44" von Tom Rob Smith und Amitav Ghoshs Historienepos "Das mohnrote Meer" enthielt; ein Schicksal, das er u.a. mit Helen Garners großartig dunkel leuchtendem Roman "Das Zimmer", Ross Raisins originellem Debüt "God's Own Country" und Andrew Crumeys furios innovativem "Sputnik Caledonia" teilt) glänzende inoffizielle geheime Gewinner. Obwohl Aravind Adigas "Der weiße Tiger" kein unwürdiger Sieger ist, sondern ein erfrischend klischeeloses und dunkles Bild Indiens und der Kastengesellschaft zeichnet, ist "Der weiße Tiger" (Aravind Adigas Debütroman) doch weit von der literarischen Reife von "Der Betrüger" entfernt. So waren sich auch die britischen Literaturkritiker ausnahmsweise mehrheitlich einig, dass "Der Betrüger" des in Kapstadt lebenden Damon Galgut auch ohne "Booker Prize" (der ja für den "besten Roman des Jahres" vergeben wird) der beste Roman aus dem "Commonwealth-Gebiet" des Jahres 2008 ist. Adam Napier, der Protagonist dieses Romans, verliert im neuen Südafrika der Postapartheid-Zeit seinen Arbeitsplatz an einen jüngeren und von ihm eingeschulten schwarzen Mitarbeiter. Sein Haus hat er, trotz Warnungen und Besorgnis seiner Freunde und Bekannten, viel zu spät zum Verkauf angeboten. So spät, dass dieses Haus mittlerweile so viel an Wert verloren hat, dass er es nicht einmal mehr herschenken kann. Zur Überbrückung übersiedelt er zu seinem erfolgreichen Bruder Gavin nach Kapstadt. Gavins Versuche, ihn mit Stellenangeboten in sein erfolgreiches Boot zu holen, scheitern am Drang Adams, sich eine Existenz abseits der Statussymbole zu suchen und nach vielen Jahren Abstinenz wieder Lyrik zu schreiben. Gavins nicht wirklich ernst gemeintes Angebot, Adam könne in sein entlegenes Haus in der Karoo ziehen, dort mietfrei wohnen und dort von der Natur inspirierte Gedichte schreiben, nimmt Adam jedoch sofort an. Seine Suche nach einem neuen "Ich" wird jedoch schnell durch die Einsamkeit, durch den verwahrlosten Zustand des Hauses, durch die unerträgliche Öde des Kaffs und durch die Begegnung mit einem skurrilen Nachbarn getrübt. Der anfängliche Elan wird wie durch ein riesiges Ritenuto konsequent zum Stillstand gebracht. Apathie und Alkohol sind sehr bald die beiden Fixpunkte in Adams Leben. Bis er eines Tages im Baumarkt (auf der Suche nach Werkzeug, um seinen Garten vom Jahrzehnte alten Unkraut zu befreien) vom ehemaligen Schulkollegen Kenneth Cannings angesprochen wird, dessen Vorbild er anscheinend war, an den er sich aber partout nicht erinnern kann. Aus für ihn unerklärlichen Gründen klärt er Canning über seine Unfähigkeit, sich an ihn zu erinnern, nicht auf. Ungewollt entwickelt sich auf Cannings Farm "Gondwana" eine rege und heftige Freundschaft zwischen dem neureichen Canning, seiner schwarzen Frau Baby und Adam. Spätestens hier wird klar, welche Themen Damon Galgut in seinem großartigen Roman wichtig sind. Die Farm "Gondwana" als leuchtendes Symbol für Luxus und Gier, ein oberflächlicher Garten Eden in Südafrika, der Ausgangspunkt für eine Geschichte der Verführung, Macht, Korruption, Schuld und Sühne, Freundschaft und Loyalität, sowie der Macht der Erinnerung ist. Adam wird sofort von der ambivalenten Baby, ihrer schillernden und verführerischen Kombination aus vulgärem und mysteriösem Flair, angezogen und schlittert so fast unvermeidbar in eine Affäre mit der Frau seines Freundes. Damon Galgut lässt Adam immer tiefer in die dubiosen Geschäfte Cannings hineingeraten und treibt das Spiel konsequent bis zum unvermeidbaren Ausbruch weiter. Großartig, wie sensibel Damon Galgut mit der Problematik des neuen Südafrikas umgeht, Korruption, Mafiawesen und Anarchie, Gier und Macht, alles zur Bereicherung einer kleinen Schicht, natürlich auf Kosten der Ärmsten. Damon Galguts Prosa ist messerscharf und unprätentiös, im "Betrüger" findet sich kein überflüssiges Wort. Hervorragend zieht der noch junge Autor, dessen "The Beautiful Screaming of Pigs" und "A Sinless Season" leider nicht ins Deutsche übersetzt wurden und der mit "Der gute Doktor" und "Das Sündenopfer" leider nur eine eher lauwarme Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren hat, die Fäden in diesem literarischen Spiel der Versuchungen und Suche. Der Autor zeichnet starke assoziationsreiche Bilder (z.B. die unendliche Weite der Karoo, Abendstimmung - man kann hier wirklich die Farben dieser eigenartig schönen Landschaft schmecken), zum Teil mit ganz stark reduzierter, fast im Tiefstapelbereich pendelnder Prosa. Großartige, subtile Figurenzeichnung, gepaart mit raffinierter psychologischer Tiefendeutung lassen diesen spannenden Roman zu einem erstklassigen Leseerlebnis werden. Damon Galgut benutzt seine Kunst nie zum Selbstzweck, sondern nur als Mittel zum Zweck, und der ist bei ihm immer die Erzählung selbst. Prosa, deren wahre Schönheit man nur dann sieht, wenn man bereit ist, sich auf die substanziellste und ehrlichste literarische Erfahrung einzulassen; das Lesen mit offenen Ohren. "Der Betrüger" ist definitiv eine literarische Sensation, ein kleines Meisterwerk eines noch jungen, aber sehr selbstbewussten Autors, der die wichtigste Regel der literarischen Kunst längst verstanden hat und beherrscht. Er weiß, dass es nicht die Anzahl der im Roman enthaltenen Wörter ist, sondern deren Qualität. Gerade in diesem Punkt ist er ein würdiger Nachfolger J. M. Coetzees und einer der wichtigsten Autoren Afrikas, denn eine unverkennbar eigenständige Sprache, die hat Damon Galgut längst gefunden. (Erstveröffentlicht auf www.sandammeer.at) (Roland Freisitzer; 02/2009)
  22. Cover des Buches Die Hauswaffe (ISBN: 9783492550130)
    Nadine Gordimer

    Die Hauswaffe

     (9)
    Aktuelle Rezension von: otegami

    Wie ergeht es Mutter und Vater, wenn ihr Sohn einen Menschen erschossen hat? Dieser Frage geht die südafrikanische Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreis-Trägerin Nadine Gordimer im Buch ‚Die Hauswaffe‘ nach, das 1998 entstand. 

    Es ist der Abend des 19. Januar 1996, als Duncan Lindgard (27J.) in seiner WG einen seiner Mitbewohner und ehemaligen Geliebten erschießt. Warum? Was war vorangegangen? War es die Rache für den Verrat, den Carl in der Nacht davor durch den Geschlechtsverkehr mit Natalie/Nastasja, Duncans Lebensgefährtin, verübt hatte? 

    Das weiße Ehepaar Harald (50 J. und Direktor einer Versicherungsgesellschaft) und Claudia (47 J. und selbständige Ärztin) werden total aus ihrem gewohnten Lebensrhythmus gerissen: sie grübeln, ob ihr Verhalten in der Vergangenheit dem Sohn gegenüber zur Gewaltbereitschaft beigetragen hatte, ihre Bekannten / Freunde ziehen sich zurück, Kollegen begrüßen Harald ‚mit einem wortlos vereinbarten Schweigen‘, beide lassen ihre eigene Ehe-Historie Revue passieren.

    Auch dem Strafverteidiger Hamilton Motsamai, einem Schwarzen, stehen sie skeptisch gegenüber. Nein, rassistisch sind sie nicht, aber hat der Anwalt überhaupt die Befähigung und die Erfahrung, nachdem er erst wieder vier Jahre im Land ist - bedingt durch die politischen Gründe für seinen jahrelangen Aufenthalt im Ausland. 

    Mich begeisterte diese Figur! Ich fand es einfach äußerst professionell (und es berührte mich auch sehr), wie Motsamai es schaffte, langsam ihr Vertrauen zu erringen. Wunderschön auch die Beschreibung der Einladung in seine große Familie.

    Nebenbei erfährt die Leserschaft von den Gepflogenheiten, eine Hauswaffe bereit liegen zu haben, damit Einbrüche und Überfälle abgewehrt werden können, von Grausamkeiten während der Apartheit, die im Namen des Staates begangen wurden und was Rassismus bedeutet. 

    Ich fieberte mit, welches Strafmaß Duncan das Gericht verhängt – mit 7 Jahren (im besten Fall) und 12 Jahren (im ungünstigsten) ist zu rechnen  -  die Abschaffung der Todesstrafe wird zu dieser Zeit gerade vor dem Verfassungsgericht verhandelt. 

    Mir gefiel die ruhige, sachliche und doch auch (mich) bewegende Art, mit der die Autorin diese Geschichte erzählte. 5 Sterne vergebe ich an diesen mich sehr beeindruckenden Roman mit seinen vielen psychologischen und auch philosophischen Momenten und wünsche ihm (auch nach über 20 Jahren) noch eine große Leserschar! 

  23. Cover des Buches Ein Haus in Spanien (ISBN: 9783103972788)
  24. Cover des Buches Ein Mann von der Straße (ISBN: 9783492550345)

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