Bücher mit dem Tag "ukraine"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "ukraine" gekennzeichnet haben.

237 Bücher

  1. Cover des Buches Extrem laut und unglaublich nah (ISBN: 9783462304893)
    Jonathan Safran Foer

    Extrem laut und unglaublich nah

     (1.245)
    Aktuelle Rezension von: Joroka

    Ein Buch mit seitenweise leeren Blättern und Zahlenketten oder so eng geschriebener Schrift, dass man nichts mehr entziffern kann! Wo gibt es denn so was?

    Nun, Jonathan Safran Foer hat mich bereits mit seinem Erstlingswerk „Alles ist erleuchtet“ zu irritieren verstanden, hier setzt er nochmals einen drauf. Doch, die Geschichte(n), die er zwischen diesen unglaublichen Einfällen erzählt, erscheint mir schriftstellerisch ausgereifter zu sein.

    Er schreibt aus dem Blickwinkel des 9jährigen Oskars, der in New York lebt und am 11. September seinen Vater verloren hat und sich nun fast 2 Jahre später auf die Suche nach einem passenden Schloss zu dem Schlüssel macht, den er in einer (nun leider zerbrochenen) Vase im Arbeitszimmer seines Vater entdeckt hat. Oskar trägt so schwer an dem Verlust seiner engsten Bezugsperson und versucht die Erinnerungen an ihn am Leben zu erhalten. Er klappert alle „Blacks“ in New York ab, da dieser Namen auf dem Kuvert, in dem der Schlüssel war, gestanden hat. Wie unterschiedlich die Menschen sind, denen er dann begegnet, obwohl sie alle den selben Nachnamen tragen!

    Mehrere Erzählstrenge im Buch verweben sich, verknäulen und zerfallen auseinander. Zusammenhänge werden klarer und verlieren sich wieder.

    Auch der Opa von Oskar spielte eine größere Nebenrolle. Er verlässt seine Frau, die Oma von Oskar, als sie mit Oskars Vater Thomas schwanger ist, schreibt aber fortan jeden Tag einen Brief an seinen unbekannten Sohn. So kann er von seinen schrecklichen Erlebnissen in der Bombennacht von Dresden berichten, denn er spricht nicht mehr. Er hat jegliche Wort verloren und sein letzte gesprochenes Wort war „Ich“.

    Auch spielt eine weitere menschliche Katastrophe eine Rolle: Hiroshima. In einem Referat in der Schule beschäftigt sich Oskar damit.

    Mitunter also keine leichte Kost. Das Buch verbindet alte mit aktuellen Kriegen. Ein Hauch von Philosophie weht durch die Seiten. Ein ziemlich durchgeknalltes Buch, aber liebenswert und faszinierend.

    Auflockerung durch ca. 25 Fotos, die Oskar mit der Kamera seinen unbekannten Opas aufgenommen hat, dem er unbewusst ganz nahe kommt.


  2. Cover des Buches Amokspiel (ISBN: 9783945386378)
    Sebastian Fitzek

    Amokspiel

     (2.226)
    Aktuelle Rezension von: Stephanie_Ruh

    Eigentlich wollte Ira Samin heute sterben, Selbstmord, weil sie mit den Schuldgefühlen wegen des Todes ihrer Tochter nicht umgehen kann. Aber dann wird sie zur Vermittlung bei einer Geiselnahme in einen Radiosender geholt. Der Geiselnehmer behauptet, seine Verlobte sei nicht bei einem Autounfall gestorben sondern würde noch leben und will sie sehen. Ira versucht zu vermitteln, was um so schlimmer wird, als sie feststellt, dass sich ihre andere Tochter auch im Radiosender befindet...

    Auf dem Cover sieht man die Silhouette einer Frau. Das verrät nicht viel über den Inhalt des Buches, passt aber gut zu "Amokspiel". 

    Sebastian Fitzek versteht es meisterhaft, Spannung aufzubauen und den Spannungsbogen zu halten, so dass man versucht ist, das Buch in einem Rutsch zu "verschlingen". Die kurzen Kapitel tragen dazu bei, dass man sich selbst sagt: Nur noch dieses Kapitel, geht ganz schnell ;-) Das Buch hat mich gefesselt und gut unterhalten und wie so oft bei Fitzek hatte ich zwar eine Ahnung, aber die komplette Auflösung am Schluss hat mich mal wieder überrascht. Wie bei allen Fitzek-Büchern bisher war es mir eine Freude und hat mich sehr gut unterhalten.

  3. Cover des Buches Alles ist erleuchtet (ISBN: 9783462304886)
    Jonathan Safran Foer

    Alles ist erleuchtet

     (525)
    Aktuelle Rezension von: Joroka

    Ich habe zuerst den Film gesehen, zu dem das Buch als Vorlage diente; und dieser hat mir ausgesprochen gut gefallen. Normalerweise ist man von der filmischen Umsetzung eines literarischen Werkes enttäuscht, im vorliegenden Fall war es gerade umgekehrt.

    Die Geschichte eines jungen jüdischen Amerikaners (Jonathan Safran Foer), der in die Ukraine fährt und sich dort mit Hilfe eines radebrechenden, machohaften Reiseführers und dessen "blinden" Opa als Fahrer, nebst "Blindenhund" auf die Suche nach der Vergangenheit seines eigenen Großvaters macht, ist im Buch als eine der vier Handlungsstränge enthalten.

    Daneben geht es um die Geschichte von "Brod", die dem gleichnamigen Fluss "entspringt", als ihre Eltern im Jahre 1791 dort mit Fuhrwerk in den Fluten versinken; des weiteren um die Geschichte der Heirat von Jonathans Großvater vor Zerstörung des Schtetls um 1940 und um die Kommentare von Alex, dem ukrainischen Reisebegleiter von Jonathan, der scheinbar diese Geschichten Korrektur ließt.

    Ganz schön verwirrend und so kam es mir beim Lesen auch durchgehend vor. Hätte ich zuvor den Film nicht gesehen, hätte ich bezüglich Orientierung wohl auch gewiss einige Probleme gehabt. Nun, das mag "innovativ" sein, aber meinem Lesevergnügen zumindest nicht zuträglich.

    Natürlich sind alle Geschichten miteinander verwoben und auch Alexs Großvater ist involviert. Ein bisschen dick aufgetragen, wie ich finde.

    Negativ aufgestoßen ist mir auch die unnötig obszöne Sprache, die in manchen Passagen benutzt wird.

    Fazit: Insgesamt kein wirklich schlechtes Buch. Aber es kommt halt wie ein besonders bemühtes Erstlingswerk eines noch nicht ganz ausgereiften Schreiberling rüber.

  4. Cover des Buches Die Wohlgesinnten (ISBN: 9783833306280)
    Jonathan Littell

    Die Wohlgesinnten

     (160)
    Aktuelle Rezension von: Tilman_Schneider

    Nach der großen Ankündigung und dem großen Erfolg in Frankreich konnte man sehr gespannt sein. Der Autor hat wohl die nötige Distanz um dieses >Eisen< anzupacken. Leider passiert dann sehr wenig. Lobenswert ist die genaue Recherche und das Aufarbeiten von Zahlen und Orten, aber Ereignisse werden zum Teil nur gestreift und das Buch wird bald langweilig. Es ist sehr enttäuschend, man kann fast von einem Machwerk sprechen denn von all dem angekündigten, versprochenen ist nichts übrig. Es wird soviel angepackt, aber dann plötzlich fallen gelassen und der Autor nimmt seine Erzählfäden oft nicht mehr auf und so ist es nicht interessant, nicht brisant, nicht aufklärend oder aufrüttelnd, sondern einfach nur langatmig, langweilig und überhaupt nichts sensationelles.

  5. Cover des Buches Eine Geschichte von Liebe und Finsternis (ISBN: 9783518467268)
    Amos Oz

    Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

     (109)
    Aktuelle Rezension von: Jari
    Eigentlich hatte ich nie vor, dieses Buch zu lesen. Schlussendlich tat ich es trotzdem und zwar für die Weltreise-Challenge. Also liess ich mich von Amos Oz durch Jerusalem und seine Geschichte führen. Es war kein Flop, obwohl ich mich doch etwas durch das Buch quälen musste, und das ist schon mal nicht schlecht.

    Grundsätzlich bin ich nun froh, sagen zu können, dass ich ein Buch von Amos Oz gelesen habe. Dazu auch noch sein wohl bekanntestes. Am meisten gefielen mir die einzelnen Passagen, in denen es um die Literatur und Amos' intellektuelle Familie ging. Also vor allem der Anfang hat es mir doch sehr angetan.

    Doch schlussendlich hat sich das Buch für mich zu sehr verzweigt, aber damit hatte ich schon gerechnet. Vielleicht war meine Lektüre somit eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, wobei ich wie schon gesagt, vom Anfang sehr begeistert war. Aber mit der Zeit liess meine Faszination merklich nach und ich blieb eigentlich nur wegen ein bisschen Faktenwissen und der Challenge dabei.

    Sprachlich bewegt sich Oz auf einem Niveau, das seinem Ruf gerecht wird. Ein präziser Schriftsteller, sehr begabt, ein Talent, welches aus seinem familiären Umfeld gewachsen ist. Wer in eine solch akademische Familie hineingeboren wird, dem liegt das Spielen mit den Worten wahrscheinlich im Blut. Dennoch war es ermutigend zu erfahren, dass auch jemand wie ein Amos Oz Mühe hatte. Deshalb war es auch wieder das Ende, das mich nach längerer Durststrecke wieder mitnahm.

    Ich bin froh, dass ich das Buch durch habe. Trotz meines Mühsals war die Lektüre nicht vergebens. Viele schöne Textzeilen warten darauf, niedergeschrieben zu werden. Ausserdem habe ich einiges über die Geschichte Jerusalems und Israels lernen können. Kein Buch ist vergebens und dieses schon gar nicht.

    Bücher wie "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" tun gut, auch wenn man sich durch sie durchkämpft. Auch dann, wenn man die Handlungen der Figuren nicht versteht. Nicht versteht, wie sie oft nicht zufrieden sein können, wenn sie doch ein Leben leben, das ich auch gerne hätte. Aber jeder kämpft mit seinen Geistern, auch das lehrt uns Oz. Manchmal sind sie auch zu stark, dies zeigt das prägende Erlebnis des Todes der Mutter, das an unterschiedlichen Stellen thematisiert wird.

    Ein eindrückliches Buch mit starkem Charakter. Ein Buch, das sich nicht so leicht unterkriegen lässt, trotz aller Unwirtlichkeiten. Deshalb prädestiniert wie kein zweites, um Israel zu repräsentieren.
  6. Cover des Buches Kind 44 (ISBN: 9783442481859)
    Tom Rob Smith

    Kind 44

     (767)
    Aktuelle Rezension von: honeyandgold

    Kind 44 war jetzt schon lange auf meiner Wunschliste und dann durch einen netten Zufall hab ich das Buch dann geschenkt bekommen. Nun lag es aber wieder auf meinem SUB und gammelt da vor sich hin.

    Nun hab ich mir endlich den Mut gefasst und das Buch in die Hand genommen und es hat mich wirklich aus den Socken gehauen.

    Ich dachte natürlich das es hier um harten Toback geht aber ich war nicht auf das vorbereitet.

    Allem voran die Grausamkeit des russischen Staates hat mich komplett aus den Socken gehauen. Mir war nie bewusst unter welchem Druck die Menschen gelebt haben müssen.

    Die Angst zu verhungern oder in ekelhaften Lebensverhältnissen zu leben, war fast an der Tagesordnung.

    Kein Schritt konnte gemacht werden ohne die Angst zu haben, verpfeifen zu werden.

    Wir schreiben das Jahr 1953. Wir befinden uns in Russland und jeder mit ein bisschen geschichtlichen Wissen, hat ein wenig die Vorstellung das es zur Stalins Zeiten nicht so rosig für die Bevölkerung aussah. Auch ich wusste zwar Eckpunkte aber das was das Buch so schonungslos berichtet, war leider bittere Realität. Hunger, Verlustängste und Vertrauensbrüche standen leider auf der Tagesordnung. Eine grausame Welt, die für viele Menschen leider Realität war.

    Zusammen mit dem erfolgreichen Leo Demidow stolpern wir über einen Fall, der grausam genug ist aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.

    Ein Kind ist gestorben, aber niemand will ermitteln. Es war ein Unfall.

    Doch Leo glaub dem ganzen nicht und fängt an selbst zu ermitteln. Nur leider macht ihm das Regime immer wieder ein Strich durch die Rechnung. Er wird als Verräter gejagt und geächtet.

    Damit beginnt eine knallharte Reise.

    Der Schreibstil liest sich flüssig, aber leider tröpfelt die Geschichte manchmal etwas vor sich hin. Durch die Grausamkeit des russischen Staates, tretten die Morde fast schon in den Hintergrund. Ein stückweit denke ich das es wollt war, aber Kinder sterben auf grausame Weise und irgendwie niemanden scheint es zu interessieren. 

    Der Tod der Kinder, rückt eigentlich immer etwas in den Hintergrund. Es wird sehr deutlich das der Schwerpunkt eher woanders liegt.

    Es macht das Buch dadurch nicht schlecht aber macht einen stutzig. 

    Leider kann ich nicht mehr dazu sagen, den der Plotwist hat mich wirklich umgefegt.

    Also wirklich umgefegt.

    Ich hab das Buch kurz weg legen müssen, um damit klar zu kommen.


    Kurzum: Jeder der diese Buch liest muss sich auf einiges gefasst machen.

    Es ist nicht mein Highlight und ich würde es nicht nochmal lesen, aber es hat sich sein Platz in meinem Regal auf jedenfall verdient.

  7. Cover des Buches Atemschaukel (ISBN: 9783596512034)
    Herta Müller

    Atemschaukel

     (282)
    Aktuelle Rezension von: Ava_lon

    Inhalt

    Rumänien, Januar 1945. »Es war 3 Uhr in der Nacht, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.« So beginnt der erschütternde Bericht eines jungen Mannes, der in ein russisches Straflager verschleppt wird – so wie 60000 andere Rumäniendeutsche, von deren Schicksal Herta Müller in diesem ungeheuren Buch erzählt. In Gesprächen mit dem verstorbenen Dichter Oskar Pastior und anderen Überlebenden der Lager hat sie den Stoff gesammelt – und zu überwältigender Literatur geformt.

     

    Cover

    Das Cover gefällt mir überhaupt nicht, ich mag nicht so gerne Fotografien von Menschen und ich mag keine Bilder mit Zigaretten. Auch wenn es den Zeitgeist spiegelt, so sind diese Fotos nicht mein Geschmack.

    Ein Wort vorneweg

    Meine Rezensionen können sowohl Spoiler enthalten als auch Analysen und Bewertungen, wobei der Schwerpunkt auf meinen persönlichen Eindrücken liegt.

    Mein Eindruck

    Ich bin völlig frei von irgendwelchen Vorabinformationen an dieses Buch herangegangen und habe es im Rahmen ein selbst organisierten Leserunde gelesen. Nur den Klappentext kannte ich und konnte mir so ungefähr vorstellen, dass es inhaltlich betrachtet kein leichtes Thema ist. Es ist auch schon sehr lange her, dass ich mich mit den Schattenseiten des zweiten Weltkrieges auseinandergesetzt habe. Und jetzt war dieser Zeitpunkt gekommen und schon die ersten 50 Seiten trugen sehr viel Tiefe in sich. Jeder Abschnitt steht als Synonym für Aspekte des Lebens, zum Beispiel den Deckel für den Topf, um etwas zu verschließen, Gefühle in sich verbergen und einschließen, um nicht emotional zu zerbrechen. Der Zement der an einem klebt oder sich verflüchtigt spiegelt auch sehr gut die Hoffnung und so gab es eine Reihe von Sätzen, die mich von Beginn an nachdenklich zurückgelassen haben.

    Auch die vielen Wort Kreationen wie zum Beispiel Schneeverrat und Hungerengel

    verbinden die Schönheit und das Grauen miteinander. Schnee ist schön, weiß und sanft, kühl und still - allerdings auch ein Verräter, denn er zeigt die Spuren im Schnee, die jemand hinterlassen hat und die dann direkt zum Versteck führen, um der Deportation zu entgehen.

    Hunger ist grausam und ein Horror, wenn der Magen und der Darm grollen und wahrlich kein Engel, der Frieden verspricht.

    Viele Sätze erweisen sich als eine philosophische Wort Spielerei, wie zum Beispiel das schlichte Kofferpacken, wenn jemand noch nie einen Koffer gepackt hat. Was nehme ich mit? Wenn das Falsche zum Notwendigen wird und das Notwendige dann das Richtige ist, zeigt in diesem Zusammenhang immer wieder deutlich wie schnell etwas Ungewöhnliches zu etwas Normalem wird. Und all diese Feinheiten begleiten auf einer Reise, einer Reise die noch ohne Inhalt ist, sich entwickelt und letztlich vielleicht auch wieder zur Rückkehr führen wird. 

    Als LeserIn lernen wir die Geschichten von den Lagerinsassen kennen und die grausamen Erfahrungen jedes Einzelnen nehmen kein Ende.

    Es gibt zahlreiche Sätze und Worte, die mich zutiefst berührt haben und den Taumel zwischen Leben wollen / müssen und Sterben können / sollen aufzeigen.

    Auch das Wort Herzschaufel - eins werden mit seinem Arbeitsgerät, miteinander verschmelzen. Perfektion, Optimierung: die Arbeit ist ein gemeinsamer Tanz - ist eine grausame Vorstellung und zeitgleich steckt darin so viel Poesie. Hungrig und Hoffnungslos gilt es trotzdem den Lebenskampf aufrecht zu erhalten und die Arbeit mit einem geschwächten Körper zu bewältigen.

    Jedes Thema prägt den Lageralltag auf seine besondere Art und daran halten sich alle Lagerinsassen fest. Eine Haltestange aus Erinnerungen, Erzählungen und Beobachtungen.

    Es ist mehr als beeindruckend mit welcher Sprache die Autorin die Gewalt aus den Beschreibungen herausgelöst hat und ein Gefühl von Verstehen auf den Weg gibt. Sie beschönigt nicht und sie verurteilt nicht. 

    Auch wenn die Autorin ihre Worte gut wählt, so wird die bedrückende Situation im Lager mit jedem Abschnitt deutlicher und betrifft auch mich als LeserIn - eine Grenze des zumutbaren wird erreicht. Und trotzdem lesen sich die Zeilen gut, sie treffen den Kern in unserem Inneren und ein langsames Verstehen breitet sich aus. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen im Lager.

    Fazit

    Ein tolles Buch, welches ich trotz der Thematik gerne gelesen habe. Es wiegt im Herzen leicht und schwer. Es vermittelt mir ein Bild über die damaligen Geschehnisse und über die Sprachlosigkeit der Rückkehrer. Auch mein Großvater, der im ersten Weltkrieg auf den Schlachtfeldern von Verdun war, hat anschließend geschwiegen. Er hat seine Erlebnisse tief in sich vergraben, um uns Kinder / Enkelkinder vor grausamen Gedanken zu schützen, damit wir die Leichtigkeit des Lebens beibehalten können..

     

    230422

  8. Cover des Buches Putins Macht (ISBN: 9783455013146)
    Hubert Seipel

    Putins Macht

     (15)
    Aktuelle Rezension von: Rose75

    Ich habe das Buch "Putin - Innenansichten der Macht" aus dem Jahr 2015 gelesen und so wie es ausschaut, hat der Verlag das Buch aus aktuellem Anlass noch einmal in neuer Aufmachung herausgebracht.  Wer sich für  die russische Seite bzw. die lange Vorgeschichte  des aktuellen Ukraine-Konfliktes interessiert,  kann sich mit diesem Buch einen Überblick verschaffen. 

    Der Autor Hubert Seipel hat zahlreiche Interviews mit Präsident Putin,  seinen Weggefährten und auch seinen Kontrahenten geführt.  In diesem Buch spannt er einen großen Bogen von Putins ersten Schritten in der Stadtverwaltung von St. Petersburg und den großen Herausforderungen und Problemen die Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte bis zur Ernennung Putins zum Ministerpräsidenten und der Wahl zum Präsidenten.  Gefüllt ist dieser Bogen mit zahlreichen Problemen und Konflikten, die mir gar nicht mehr so geläufig waren.  Es geht um die Kriege in Tschetschenien und Georgien ( Südossetien), der Aufstieg  der Oligarchen und die Einflussnahme von westlichen NGOs in der russischen Gesellschaft. 

    Obwohl Präsident Putin titelgebend ist, geht es im Buch nicht  hauptsächlich um ihn als Person.  Es geht überwiegend  um die wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und geostrategischen Probleme und Herausforderungen der Zeit zwischen Auflösung der Sowjetunion 1991 bis zum Jahr 2015 mit dem Abkommen "Minsk II".  Als ich die Kapitel über Maidan, Krim und Ostukraine gelesen habe, war ich sprachlos und erschüttert.  Sämtliche Abkommen und Vereinbarungen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, wenn sie nicht eingehalten werden. 

    Schlagzeilen  und Kommentare ( belegt in der Quellenangabe) von "Spiegel"  und Co. aus der damaligen Zeit, wären heute undenkbar.  

    An einigen Stellen erwähnt der Autor den amerikanischen Strategen Zbigniew Brzezinski und sein Buch "Die einzige Weltmacht - Amerikas Strategie der Vorherrschaft".  Das werde ich mir zeitnah besorgen, weil die zitierten Stellen daraus sehr interessant waren. 

    Das Buch selber ist gut geschrieben und lässt sich flüssig lesen. 







     

  9. Cover des Buches Die Wolke (ISBN: 9783473544011)
    Gudrun Pausewang

    Die Wolke

     (940)
    Aktuelle Rezension von: Geerthi

    «Die Wolke» von Gudrun Pausewang ist eine beliebte Schullektüre über Atomunfall. 

    Janna Berta ist ein 15-jähriges Mädchen, welches die Zeit eines Atomunfalles erlebt. In Abwesenheit von ihren Eltern kümmert sie sich um ihren kleinen Bruder. In kurzer Zeit sterben viele Menschen, darunter auch einige, die Janna liebt. Überall herrscht Chaos, weil alle sich vor der Wolke flüchten und sich verstecken. 

    Die Autorin Gudrun Pausewang hat mit «die Wolke» mich viel zum Nachdenken animiert. Ich habe mich intensiv mit diesen Themen beschäftigt, was ein Atomunfall auswirken kann. 

    Die ganze Geschichte wird aus der Sicht von Janna erzählt und man erfährt viel über ihre Emotionen. Die Arme ist völlig verzweifelt und hilflos.

    Insgesamt ist «die Wolke» ein bewegendes Buch mit inhaltlich spannendem Themen mit dem man sich auseinandersetzen sollte. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen ⭐️!

  10. Cover des Buches Wer ist Martha? (ISBN: 9783518464847)
    Marjana Gaponenko

    Wer ist Martha?

     (31)
    Aktuelle Rezension von: Stephanus

    Der über neunzigjährige Ornithologe Lewadski will sein Leben nochmals rekapitulieren und reist deshalb nach Wien. Dort trifft er einen etwa gleichaltrigen Mann kennen, der auf der gleichen Mission zu sein scheint. Beide freunden sich an und rekapitulieren ihre Leben, die Liebe und die Erlebnisse und Fügungen die ihnen widerfahren sind. Dabei wechseln sich glückliche Momente mit tragischen und dem Scheitern ab, es kommt aber immer wieder die Existenz des Menschen, das Dasein und die Liebe zur Schöpfung zum Ausdruck.

    Die Autorin erzählt in einer schönen, erfrischenden Sprache eine Geschichte über das Leben, das Dasein, die Liebe und die Wechselfälle. Hierin wird immer wieder die Liebe zur Schöpfung eingearbeitet. Es entsteht eine dichte Handlung, die überhaupt nicht angestaubt ist, sondern sich frisch und flott weiterträgt. Einzig der Titel und das Ende des Buches haben mir weniger gefallen, aber insgesamt dennoch ein Buch, das man weiterempfehlen kann.

  11. Cover des Buches Roter Herbst in Chortitza (ISBN: 9783765587146)
    Tim Tichatzki

    Roter Herbst in Chortitza

     (30)
    Aktuelle Rezension von: nellsche

    Im Jahr 1919 fegt ein Bürgerkrieg über das zerfallende Zarenreich. Mittendrin finden die Freunde Willi und Maxim ein Maschinengewehr. Während es für Maxim ein Geschenk des Himmels ist, lehnt Willi als Sohn mennonitischer Siedler jede Form von Gewalt ab. Eine Zerreißprobe für ihre Freundschaft beginnt.

    Die Beschreibung hat mich sofort neugierig gemacht, so dass ich mich sehr auf das Hörbuch gefreut habe.
    Der Sprecher Makke Schneider hat mir sehr gut gefallen, ich mochte seine Stimme und die Betonungen.
    Ich hatte zu Beginn ein paar Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzufinden. Ich bin dann ein paar Tage später nochmal gestartet und kam dann viel besser zurecht. Die Geschichte hat mich dann schnell gefesselt und in ihren Bann gezogen. Sehr gut haben mir die Wechsel der Erzählstränge um Willi und Maxim gefallen, denn so bekam ich sehr intensive Einblicke in die beiden.
    Die Geschichte war wirklich harte Kost und ging mir sehr nahe, gerade weil ihr wahre Begebenheiten zugrunde lagen. Die Schrecken des Krieges, die Infos über Russlanddeutsche, der Glaube der Mennoniten - alles wurde spannend und interessant beschrieben und ging mir teilweise sehr nahe. Manchmal waren die Erzählungen richtig grausam und erschütternd. Ein Buch voller Emotionen, die mich nicht kalt ließen.

    Diese Geschichte hat mich sehr bewegt und betroffen gemacht. Obwohl sie teilweise sehr grausam ist, ist sie absolut hörens- bzw. lesenswert. Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

  12. Cover des Buches Wofür es lohnte, das Leben zu wagen (ISBN: 9783958901209)
    Christian Hardinghaus

    Wofür es lohnte, das Leben zu wagen

     (9)
    Aktuelle Rezension von: mabuerele

    „...Angesichts des Todes werden die Werte des Lebens ein Nichts...“


    Das Sachbuch beginnt mit einem Vorwort von Hans Machemer. Dort legt er kurz dar, wie und weshalb es zur Veröffentlichung der Geschichte kam. Es sind die Briefe seines Vaters, die den Inhalt des Buches bilden.

    Anschließend folgen von Christian Hardinghaus eine geschichtliche Beurteilung und die Vorgeschichte.

    Helmut Machemer ist Augenarzt. Mit 36 Jahren und auf Grund seines Berufs wäre er vom Kriegsdienst freigestellt gewesen. Doch seine Frau Erna ist nach Lesart der damaligen Zeit halbjüdisch. Damit gelten sie und die drei kleinen Söhne als Mischlinge. Erna musste deshalb schon ihr Medizinstudium aufgegeben. Da sich Helmut nicht von seiner Familie trennen will, sieht er nur eine Chance. Wenn er sich freiwillig zum Heer meldet und dort alle Tapferkeitsauszeichnungen erhält, kann er damit erreichen, dass seine Familie arisiert wird. Diese Sonderregelung gibt es im Rassengesetz.

    Hans Machemer ist dabei, als die Deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 ohne Kriegserklärung über die sowjetische Grenze marschiert. Er ist Unterarzt der Aufklärungs-Abteilung der 16. Panzerdivision. Gleichzeitig schreibt er in Briefen seine Erlebnisse und Gedanken nieder und fotografiert das Geschehen. Die Vielzahl dieser Briefe bildet den Hauptinhalt des Buches.

    Der erste Brief datiert vom 5. Oktober 1941. Die Deutsche Wehrmacht befindet sich auf einem fast ungebremsten Vormarsch. Deshalb zeigen die ersten Briefe auch seinen Optimismus. Deutlich wird die Überlegenheit der deutschen Truppen herausgestellt. Es ist nicht zu überlesen, dass die Propaganda der letzten Jahre Spuren hinterlassen hat. Das zeigt sich in einer gewissen Überheblichkeit. Andererseits überwiegt auch im Verhalten gegenüber dem Gegner die Menschlichkeit. Das Regiment zieht durch die Ukraine und trifft dabei nicht nur auf Feinde. Exakt werden die Dörfer und das dortige Leben beschrieben. Schnell machen sie Bekanntschaft mit Wanzen und Flöhen.

    Die ganze Widersprüchlichkeit der Gedankenwelt wird hier an einer Stelle besonders deutlich. Helmut möchte, dass seine Familie arisiert wird, nimmt aber den Judenhass in der Ukraine als gegeben hin.

    Mit dem ersten Wintereinbruch ändert sich der Schriftstil leicht. Plötzlich geht es nicht mehr nach vorn. Die Langeweile des Stellungskrieges, erste Erfrierungen, fehlende Winterbekleidung gewinnen zunehmend Raum in den Briefen. Nachdem er im ersten Teil davon berichtet hat, dass die Rote Armee beim Rückzug verbrannte Erde zurückgelassen hat, verwendet nun die Deutsche Wehrmacht ebenfalls diese Taktik. Doch immer überwiegt die Hoffnung auf den Sieg.

    Hinzu kommt, dass Helmut in den Briefen darauf drängt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Arisierung der Familie voranzutreiben. Er hat Angst um seine Kinder. Auf seine Beförderung wartet er seit zwei Jahren. Das ärgert ihn, ändert aber wenig an seinem Pflichtbewusstsein.

    Deutlich wird, wie hart das Leben eines Arztes direkt an der Front ist. Es geht um die Erstversorgung der Verwundeten. Die nächste Schwierigkeit besteht darin, sie in ein Lazarett zu bringen. Das ist nur noch bedingt möglich. Der russische Winter lässt nicht nur Wasser gefrieren, sondern auch Füße und Hände. Fahrzeuge fallen aus. Der Stellungskrieg zermürbt. Bisher registrierte Helmut in seinen Briefen die Menge der gefallenen Russen. Nun werden zunehmend eigene Kameraden beerdigt. Außerdem gibt es Probleme mit der Post. Die mit Sehnsucht erwarteten Päckchen aus der Heimat bleiben aus.

    Berührend zu lesen sind die Briefe der Kinder, die sie an ihren Vater schreiben. Im letzten Drittel des Buches sind auch Briefe von Erna veröffentlicht. Dort tauschen sich die Eheleute über Schreibstil und Lesbarkeit aus. Erna schreibt alle Briefe ihres Mannes ab.

    Wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch die Hoffnung auf Sieg und Heimkehr. So schreibt Helmut:


    „...Dass der Russe seine letzten Reserven ausschöpft, ist keine Frage...“


    Auch das Eingangszitat stammt aus einem der letzten Briefe. Seine Zeilen sprechen von Kameradschaft selbst in schwierigen Situationen, setzen sich mit Fehlverhalten auseinander und bescheinigen dem Regiment einen Hauch preußischer Disziplin. Doch gerade in der letzten Zeit kommt er auch mit Ärzten in Kontakt, die die Situation wesentlich kritischer sehen. Helmut hat aber nur ein Ziel vor den Augen, und dafür setzt er sich mit ganzer Kraft ein: die Sicherheit seiner Familie. Dabei ahnt er aus meiner Sicht nicht einmal, wie groß die Gefahr für sie wirklich ist. Trotzdem gibt er Verhaltensratschläge, was zu tun ist, falls er nicht zurückkehrt. Die lange Zeit wirkt zermürbend. Heimaturlaub ist nicht in Sicht oder wird gestrichen.

    Und dann stellt er eine Frage, die Monate vorher überhaupt nicht im Raum stand.


    „...Dankt uns die Heimat einmal, was wir für sie tun?...“


    Die Briefe ermöglichen mir als Leser einen Einblick in eine Gedankenwelt, die schwierig nachzuvollziehen ist. Die Soldaten sahen sich als Verteidiger der Heimat. Sie taten ihrer Ansicht nach ihre Pflicht. Dass es zunehmend von beiden Seiten Grausamkeiten gab, wurde registriert, aber kaum bewertet.

    Die politische Beeinflussung des Gegners durch Kommissare wird häufig angesprochen, die Wirkung der eigenen Propagandamaschinerie nicht registriert.

    Eingebunden im Buch sind viele Originalfotos. Sie veranschaulichen die Situation.

    Außerdem gehört zum Buch eine DVD. Auch dort befinden sich bisher unveröffentlichte Bilder. Gut gefallen hat mir der Kommentar des Autors. Unter anderen führt er aus, welchen Gefahren sich Helmut mit diesen Aufnahmen ausgesetzt hat.

    Außerdem sind Originaldokumente dem Buch beigefügt.

    Helmut erreicht sein Ziel. Seine Familie wird deutschblütigen Personen gleichgestellt. Doch er zahlt dafür einen hohen Preis. Seine Söhne werden ohne ihn aufwachsen.

    Ich bin mir bewusst, dass diese Rezension dem Buch nicht allumfassend gerecht werden kann. Sie spiegelt nur einen Teil des Inhalts wider.

    Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist ein wichtiges Zeitdokument, da es ungeschönt die Gedanken eines Arztes an der Front wiedergibt. Der meist sachliche Schriftstil wirkt besonders beeindruckend.

  13. Cover des Buches Kiew Contract - Im Namen meines Vaters (ISBN: 9783960871354)
    Caroline de Vries

    Kiew Contract - Im Namen meines Vaters

     (19)
    Aktuelle Rezension von: DominicsBücherWelt

    Kiew Contract von der Journalistin Caroline de Vries ist ein hochspannender Politthriller für den man sich aber Zeit nehmen muss zu lesen.


    Die Protagonistin Katharina Eswetja, eine Hamburger Journalistin mit ukrainischen Wurzeln soll für eine Zeitung einen Reisebericht über die Ukrainische Hauptstadt schreiben. In Ihrem bisherigen Leben hat sie die Stadt gemieden, da Sie tief mit ihren eigenen Wurzeln und dem Leben ihres Vaters, einen berühmten Journalisten, verbunden ist. Kaum in der Stadt angekommen, muss Katharina feststellen, dass die Vergangenheit sie schneller einholt als ihr lieb ist und dass die Widersacher ihres Vaters auch vor der Tochter nicht halt machen. Dabei trifft Sie auf einen Staatsanwalt, der vorgibt Sie zu beschützen, jedoch muss Katharina schnell feststellen, dass die Frage nach Freund und Feind manchmal schwer zu beantworten ist. Dabei begegnet Sie auch dem Vater wieder und lernt zu verstehen, dass es Ideale gibt für die es sich lohnt zu kämpfen und Dinge aufs Spiel zu setzen um das Richtige zu tun...


    Meinung: Der Schreibstil von Caroline de Vries hat mir von Anfang an sehr gut gefallen und man kommt meiner Meinung nach gut in das Buch rein. Schwierigkeiten haben mir aber die vielen Charaktere und ihre Geschichte gemacht. Die Autorin wechselt in der ersten Hälfte des Buches in jedem Kapitel den Protagonisten und teilweise auch zwischen den Zeiten. Am Anfang geht es um die Journalistin und ihre Reise in die Ukraine, dann begegnet Sie den Wiedersachern ihres Vaters und ab da wird auch die alte Geschichte des Vaters in Rückblicken erzählt. Hat man sich daran gewöhnt und kann man Perspektivwechsel und Namen gut unterscheiden wird man Kiew Contract schnell als fesselnden, hochaktuellen Politthriller für sich entdecken an dem es sich lohnt dranzubleiben.


    Fazit:  Ein spannender Erstling und ich würde mich freuen mehr von der Autorin zu lesen. Von mir eine absolute Leseempfehlung für alle Thriller-Fans und solche die es werden wollen.
  14. Cover des Buches Die Wahrheit über Frankie (ISBN: 9783499254901)
    Tina Uebel

    Die Wahrheit über Frankie

     (40)
    Aktuelle Rezension von: Babscha
    Wer ist Frankie? Er ist ein Phantom, ein Schattenmann mittleren Alters, der plötzlich ins Leben der drei jungen befreundeten norddeutschen Studenten Christoph, Judith und Emma tritt und diese mit ausgeklügelter Raffinesse und geheimnisvollen Andeutungen über seine angeblichen Verwicklungen in gefährliche Geheimdiensttätigkeiten und -verschwörungen um Hilfe bittet. Und die drei jungen, idealistischen und damit gut manipulierbaren Menschen sind bereits nach kurzer Zeit Feuer und Flamme und lassen sich nur zu gern von dem charismatischen Frankie rekrutieren. Aber was zunächst mit kleinen Botendiensten für Frankie beginnt, nimmt später zunehmend paranoide Verfolgungswahnstrukturen an. Ohne es bewusst wahr zu nehmen, entwickelt das Trio völligen Gehorsam und eine absolute Abhängigkeit von Frankie, bricht, immer auf der Flucht vor imaginären Verfolgern, gemeinsam mit ihm auf zu einer jahrelangen Odyssee quer durch Europa und lebt unter völliger Aufgabe der eigenen Persönlichkeit in immer wieder wechselnden Tarnidentitäten unter teils menschenunwürdigen Bedingungen. Bis dann nach endlosen zehn Jahren aufgrund einen lapidaren Planungsfehlers alles zusammenbricht. In kraftvoller, authentischer Sprache lässt die Autorin ihre drei Protagonisten immer wieder abwechselnd zu Wort kommen und von jedem die ganze Geschichte im Stile eines Verhörs erzählen. Der besondere Reiz des Berichts liegt hierbei darin, wie sich im Laufe der Jahre die drei Personen unter dem Druck der Ereignisse zunehmend entfremden, sich hassen lernen und objektive Sachverhalte aus völlig unterschiedlichen, teils realitätsfernen Sichtweisen wiedergeben. Eine beklemmende, eindringliche Schilderung über die Macht von Manipulation, die auf der Basis eines konstruierten permanenten Bedrohungsszenarios und wohlweislich und geschickt an den individuellen menschlichen Schwachstellen ansetzend, in der Lage ist, empfängliche Menschen über kurz oder lang komplett und nach Belieben umzudrehen. Die Idee des Buches basiert tatsächlich auf einer wahren Begebenheit.
  15. Cover des Buches A Short History of Tractors in Ukrainian (ISBN: 9780241961827)
    Marina Lewycka

    A Short History of Tractors in Ukrainian

     (44)
    Aktuelle Rezension von: gerda_badischl

    80-jähriger Exilrusse in England heiratet eine junge Ukrainerin, die nur auf sein Geld aus ist. Erzählt aus der Sicht der erwachsenen Tochter des Mannes.

    Warum diese Geschichte jemand lustig finden kann, verstehe ich nicht. Es ist eigentlich alles eher ernsthaft: eine Auseinandersetzung der erwachsenen Tochter mit ihrer eigenen Familie (vor allem ihrem schwierigen Verhältnis zur "Big Sis"). Die Auseinandersetzung einer überzeugten politisch Linken, die mit dem Thema Immigration plötzlich auf sehr unangenehme Weise konfrontiert wird. Wo endet das Recht auf Selbstbestimmung für alte Menschen?

    Sehr menschlich in allen Aspekten, es wirkt wie eine wahre Geschichte. Manchmal sogar etwas zu wirklich in meinen Augen - ich lese nicht so gerne darüber wie eine Familie auseinanderzubrechen droht. Ich habe das Buch  immer wieder frustriert abgebrochen. Das Happy End, das (leider) nicht sehr realistisch ist, hat meinen Wunsch nach einer positiven Auflösung befriedigt. Deshalb gibt es doch noch 4 Sterne und eine vorsichtige Leseempfehlung.

  16. Cover des Buches Die letzten Zeugen (ISBN: 9783518466971)
    Swetlana Alexijewitsch

    Die letzten Zeugen

     (8)
    Aktuelle Rezension von: Bellis-Perennis

    Die in der Ukraine geborene und lange in Weißrussland lebende Autorin hat in den Jahren 1978-2004 Interviews mit Menschen geführt, die beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht ab 1941 kleine Kinder waren. 

    So unterschiedlich wie die Kinder damals waren, so unterschiedlich sind ihre Erinnerungen an den Krieg. Allen ist jedoch gemeinsam, dass mit dem Erleben des Grauens ihre Kindheit ein jähes Ende genommen hat. 

    Swetlana Alexijewitsch hat diesen nunmehr erwachsenen Kindern zugehört und hat ihnen eine Stimme gegeben. Sehr einfühlsam und wie eine Chronistin hat sie die schrecklichen Erinnerungen puristisch niedergeschrieben, um sie für die Nachwelt zu erhalten.  

    Manche können sich nur mehr vage an einen Geruch oder eine Farbe erinnern. Manchen haben sich die grauenvollen Erlebnisse tief in ihre Seele gebrannt.  

    Die Autorin hat die, oft kindlich anmutenden Aussagen genau zitiert. Damit kann der Leser einen kleinen Einblick in die zerstörten Kinderseelen nehmen, denn kaum ein Kind ist unbeschadet davongekommen. 

    Viele der Interviewten mussten miterleben, wie Väter und Mütter direkt vor ihren Augen ermordet wurden, wie Väter sich verabschiedeten um niemals wiederzukehren. Der eine oder andere spricht von Aufnahme in Partisanengruppen oder vom Verstecken eines jüdischen Kindes.  

    Schreibstil: 

    Swetlana Alexiejewitschs Sprache und Stil sind einfühlsam und präzise. Dieses Buch ist eine gelungene, vielschichtige Komposition von vielen Zeitzeugengesprächen. Jeder Zeitzeuge wird mit Namen, dem damaligen Alter und dem aktuellen Beruf vorgestellt. Sie erhalten eine der Erinnerung angemessene Überschrift.  

    Wir lesen sehr häufig von Überlebenden des Holocaust als „Zeitzeugen“. Doch diese russischen Kinder sind ebenfalls Zeitzeugen. Zeugen des Größenwahns eines Diktators.  

    Fazit: 

    Dieses Buch zu lesen, bedeutet schwere Kost. Dennoch sehr empfehlenswert. Gerne gebe ich dafür 5 Sterne.


  17. Cover des Buches Everything Is Illuminated (ISBN: 9780544484009)
    Jonathan Safran Foer

    Everything Is Illuminated

     (91)
    Aktuelle Rezension von: Wuwei
    So genial ich Foers Zweitling finde (incredibly ...), so mäßig finde ich den (hochgelobten) Erstling. Leider habe ich den Zweitling zuerst gelesen, vielleicht liegt es daran ... Sicher, auch hier gibt es einen komplizierten Plot, mehrere Handlungsstränge, aber außer dem ukrainischen Briefeschreiber Alex (?), fand ich alles andere für mich pers. zu uninteressant. ach ja, das Mädchen, Brod, ist auch eine gute Figur. Der Rest erget sich in alten Klischees (Hunde, Hochzeiten etc.) und das leider immer weider. Besser als ein deutscher Spielfilm, aber doch deutlich schlechter als nummer zwei. Aber das Gute ist: Man sieht hier, wie aus einem Talent (dieses Buch) ein wahrer Meister wurde (incrfedibly). Natürlich ist dieses Buch immer noch besser als 90% der Bücher, die man in einer üblichen Buchhandlung sieht, also seht bitte meine Kritik im rechten Licht. Auch hier gilt: Auf Englisch lesen ,wenn möglich. Die Übersetzung ist auch hier ziemlich bescheiden.
  18. Cover des Buches Radetzkymarsch (ISBN: 9783843059572)
    Joseph Roth

    Radetzkymarsch

     (130)
    Aktuelle Rezension von: claudiaZ

    Die Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Dies wird anhand des Aufstieges und des Niedergangs der Familie von Trotta über mehrere Generationen dargestellt. Die Geschicke der Familie sind durch einen Zufall im Leben des Großvaters auf alle Zeiten mit dem Kaiser Österreich-Ungarns verbunden. Der Fokus liegt dabei ganz und gar auf dem männlichen Teil der Familie, was den tatsächlichen damaligen Verhältnissen entsprechen dürfte. Denn es geht um Themen wie Ehre, Pflichterfüllung, Standeskodex, die schon im Kindes- und Jugendalter maßgebend sind. Im familiären Bereich trägt dies dazu bei, dass das Verhältnis zwischen den Generationen formell und unpersönlich ist und die Schranken oftmals nicht überwunden werden können.

    Sowohl für das Kaiserreich als auch für die Familie von Trotte nimmt die Handlung einen schicksalhaften Verlauf. Dabei empfand ich das Buch allerdings nicht niederschmetternd, was ich dem Schreibstil Joseph Roths zurechne. Aus diesem Grund wird dies nicht das letzte Buch gewesen sein, welches ich von dem Autor gelesen habe.

     

  19. Cover des Buches Die Annäherung (ISBN: 9783442715916)
    Anna Mitgutsch

    Die Annäherung

     (12)
    Aktuelle Rezension von: gst

    Manchmal nimmt das Buhlen um die Liebe der Eltern kein Ende. So wie bei der 70jährigen Frieda, deren Mutter schon starb als sie elf war. Als Jugendliche wurde sie von Berta, der zweiten Frau ihres Vaters, aus Eifersucht vertrieben.
    Wenige Jahre vor seinem 100. Geburtstag erleidet Theo einen Schlaganfall. Frieda würde sich nun gern mehr um ihren Vater kümmern, doch Berta weiß es weiterhin zu verhindern. Als sie selbst an ihre Grenzen stößt, wird eine Pflegerin aus der Ukraine angeheuert. Die schenkt Theo neue Lebensfreude. Und wieder kommt Bertas Eifersucht zum Tragen, so dass Ludmilla in ihre Heimat zurückkehrt. Nachdem Theo seine Tochter bittet, sie zurückzuholen, bietet sich für Frieda endlich die Gelegenheit, sich mit der Vergangenheit ihres Vaters im Krieg auseinanderzusetzen. Schließlich hat sie ihn schon als Jugendliche verdächtigt, im Krieg Verbrechen begangen zu haben, deren er sich sich nicht bewusst ist.

    „Erinnerungen sind wie Gefühle, wir haben keine Herrschaft über sie, kaum einen Einfluss.“ (Seite 101)

    Das Buch wird von Erinnerungen getragen, an den Krieg, an Verletzungen nicht gelebter Liebe, an Sprachlosigkeit und fehlendes Vertrauen. Es erzählt von der Rückschau am Ende des Lebens, von Trauer um verpasste Gelegenheiten und der Angst vor dem Ende. Dabei denkt sich die Autorin ganz tief in ihre Figuren hinein. Sie schreibt ausführlich, ohne langatmig zu werden – trotz einiger Wiederholungen. Dabei passt sich der Erzählstil dem Alter der Protagonisten an.

    „Erinnerungen verändern sich, sie verändern sich langsam, ohne unser Zutun, weil wir uns verändern. Dann weiß man nicht mehr, welche die richtige ist und wie es wirklich war, aber vielleicht stimmen sie alle.“ (Seite 246)


    Die 1948 geborene Österreicherin Anna Mitgutsch wusste bereits in der Volksschule, dass sie Schriftstellerin werden wollte. An der Universität Salzburg studierte sie Anglistik und Germanistik. In der Hippie-Bewegung lotete sie ihre Grenzen aus und bereiste die halbe Welt. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.

  20. Cover des Buches Böses Spiel (ISBN: 9783570306307)
    Brigitte Blobel

    Böses Spiel

     (35)
    Aktuelle Rezension von: ReadingLikeCarrie

    Das Thema "Mobbing" ist immer brandaktuell. Heute wie "damals", als das Buch geschrieben wurde. In Büchern von Brigitte Blobel geht es meist um typische Probleme, mit denen junge Heranwachsende konfrontiert sind. 

    Die Geschichte ist gut geschrieben und man kann sich leicht in die Lage der Protagonistin hineinversetzen. Auch die Sachen, die ihr geschehen, wirken alltäglich und realitätsnah. Ein nicht so gut betuchtes Mädchen wechselt aufgrund ihrer guten Noten als Externe auf ein Internat, wo Klassenunterschiede deutlich hervortreten.

    Zu Beginn und zum Schluss wird die Geschichte aus der Sicht des "Retters" geschrieben, der auch nur zu den beiden literarischen Zeitpunkten "stattfindet".

    Meiner Meinung nach kommt das Ende etwas abrupt und auch der Genesungsweg hätte ruhig ein wenig genauer beschrieben werden können.

  21. Cover des Buches Roadtrip mit Emma (ISBN: 9783426790304)
    Christina Klein

    Roadtrip mit Emma

     (9)
    Aktuelle Rezension von: Mary2

    Christina Klein und ihr Freund Paul möchten Christinas Großmutter besuchen. Die wohnt allerdings in Sibirien und der Weg wird nicht etwa mit dem Flugzeug, sondern mit einem umgebauten Mercedes-Camper zurückgelegt. Dieser Camper wurde von seinen Besitzern Emma genannt und ist tatsächlich älter als seine Reisenden: als Oldtimer hat Emma bereits mehr als 30 Jahre auf dem Buckel…

    Der Reisebericht, den Christina Klein geschrieben hat, gibt die Erfahrungen dieses abenteuerlichen Trips wieder, der zunächst durch Südosteuropa, dann über Moldawien und das Schwarze Meer nach Georgien und Kasachstan führt, bis schließlich nach ca. 10.000 km das heimatliche Dorf erreicht ist.

    Zwischendurch gibt es jede Menge Erlebnisse, viele davon hängen mit der etwas zickigen Emma zusammen und den schlechten Straßen, die einem Oldtimer zu schaffen machen. Einen anderen Schwerpunkt bilden das Essen und der Alkohol-Konsum während der Reise. Über politische Systeme, kulturelle Höhepunkte oder die wirtschaftliche Situation der bereisten Länder erfährt man in diesem Buch kaum etwas, dafür mal mehr oder weniger über die Stimmung der Reisenden. Der Rückweg aus Sibirien führt schließlich über Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan zum Kaspischen Meer mit einem längeren Abstecher in den Iran. Hier endet etwas abrupt die Reiseerzählung. Der Karte in der Umschlagklappe ist zu entnehmen, dass der Trip über die Türkei und Griechenland bis nach Österreich fortgesetzt wird, zu lesen ist davon aber nichts mehr. Der Bildteil in der Mitte des Buches ergänzt den Text immerhin auf hilfreiche Weise.

    Das Buch liest sich in einem flotten Tempo. Durch die doch ziemlich andere Lebenseinstellung der Autorin ist bei mir der Funke aber nicht übergesprungen. Die Ungenauigkeiten des Verlags (40.000 km waren es schlichtweg nicht bis nach Sibirien und die Karten bezeichnen die Orte mit anderen Namen als die Autorin, um nur einige ärgerliche Auffälligkeiten zu nennen), kommen hinzu.

    So kann ich nur mit 3 Sternen bewerten.

    Für Leser, die selbst gerne Roadtrips unternehmen, kann das Buch bei der Planung eines Sibirien-Trips hilfreich sein.

  22. Cover des Buches Sie kam aus Mariupol (ISBN: 9783499290657)
    Natascha Wodin

    Sie kam aus Mariupol

     (60)
    Aktuelle Rezension von: Jossele

    Der Roman der deutschen Schriftstellerin ukrainisch-russischer Abstammung, die in Deutschland als Kind von sowjetischen Zwangsarbeitern geboren worden ist, in dem sie der Herkunft ihrer Mutter nachgeht, erschien im Jahr 2017. Es ist autofiktionales Werk. Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt die Autorin, wie die Suche nach ihrer Herkunft und Verwandtschaft ablief. Die Recherche beginnt damit, dass die Autorin den Namen ihrer Mutter ohne große Erwartungen ins russische Internet eingibt und von einem Treffer überrascht wird. Nun geht sie der Sache systematisch nach und berichtet, auf wessen Spuren sie bei ihrer Suche gestoßen ist. Im zweiten Teil gibt Wodin den Inhalt des Tagebuchs der älteren Schwester ihrer Mutter wieder. Im dritten Teil folgt die Autorin den Spuren ihrer Mutter vom Beginn der deutschen Besetzung Mariupols über ihre Zwangsarbeit in Deutschland, die Geburt der Tochter Natascha bis zum Ende des Krieges, wobei sie sich die konkreten Geschehnisse nur vorstellen kann. Im vierten Teil schließlich erzählt Wodin die Geschichte ihrer Familie in der Nachkriegszeit.

    Für meinen Geschmack nimmt der erste Teil, in dem es eigentlich nur um die Recherche der Autorin geht, einen zu großen Teil des Romans ein. Es wäre besser gewesen, diesen Teil zu straffen, weil er doch für den Leser in dieser Ausführlichkeit nicht so furchtbar interessant ist.

    Sehr berührend finde ich dagegen die restlichen drei Teile, die zwar teilweise fiktional sind, jedoch könnte es genau so gewesen sein. Es ist schon erschreckend, was Menschen anderen Menschen antun und wie manche Menschen praktisch fast von ihrer Geburt an immer zur falschen Zeit am falschen Ort sind und ohne eigenes Zutun oder eigene Schuld ein furchtbares Schicksal erleiden. Was die Mutter der Autorin durchmachte, das wünscht man niemandem. Drei Sterne.

  23. Cover des Buches Die Hunde und die Wölfe (ISBN: 9783641147334)
    Irène Némirovsky

    Die Hunde und die Wölfe

     (36)
    Aktuelle Rezension von: virginiestorm_autorin

    Die Autorin Irene Nemirovsky wuchs in Russland auf und floh während der Oktoberrevolution 1917 mit ihren Eltern nach Frankreich. Da sie nie die französische Staatsangehörigkeit erhielt, wurde sie 1942 von den Deutschen deportiert. Sie starb in Auschwitz.


    Von der Autorin habe ich bereits den hervorragenden Roman “Suite francaise” gelesen, in dem sie die Besetzung Frankreichs durch die Deutschen beschreibt.


    In ihrem Buch “Die Hunde und die Wölfe” geht es um die jüdischen Kinder Ada und Ben und Harry, die in Kiew in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten aufwachsen. Nach einem Progrom aus ihrer Heimat geflohen, sehen sie sich als Erwachsene in Paris wieder. 


    Der Erzählstil Nemirovskys gefällt mir weiterhin gut und die Beschreibung der Protagonisten sind sehr detailliert.

    Es fiel mir jedoch schwer, eine emotionale Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Einerseits war mir die Kultur des unbedingten Aufstiegs und der Abgrenzung sehr fern. Andererseits zeichnet die Autorin oft auch ein sehr kritisches und abfälliges Bild von ihren Charakteren, in dem sie typische Vorurteile ausspricht, die man heute als nicht politisch korrekt bezeichnen würde. 


    Ada verliebt sich aus der Ferne in den reichen Harry. Ihre Emotionen kann ich nicht nachvollziehen. Er ist passiv und verwöhnt und trotzdem sieht sie ihn als Anführer. 


    Der Roman hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Die Themen von Abgrenzung und Flüchtlingsstatus sind auch heute wieder sehr aktuell. 

    Wo ziehen wir Grenzen? Zwischen Gesellschaftsschichten, Kulturen, Religionen, Geschlechtern? Warum haben wir Angst vor dem Fremden, dem Anderen?


    Nicht umsonst heißt der Roman “Die Hunde und die Wölfe”. 

    Die Wölfe als Sinnbild der hungrigen Unterschicht, die sich mit Zähnen und Klauen nach oben kämpfen will. Die Hunde mit dem diamantenbesetzten Halsband sind die verwöhnte, verweichlichte Oberschicht, die sich durch Kultur von den “Wilden” abgrenzt.


    In der Kritik an den Klassenunterschieden sehe ich eine Parallele zu “Die Zeitmaschine” von Wells aus dem Jahr 1895. Die Eloi, die im Überfluss leben, sind verweichlicht. Und die hässlichen Morlocks sind scheinbar ihre Sklaven.


    In Nemirovskys Roman strebt die Unterschicht nach der Ehe oder Geschäftsbeziehungen mit den höheren Klassen. Und trotzdem verachtet sie die Verweichlichung der Oberen.

    Und die Oberschicht wiederum nutzt die Gier und die Skrupellosigkeit der unteren Klassen für ihre Zwecke und findet das Ungebändigte der Frauen reizvoll. Und gleichzeitig verurteilt sie diese als Wilde.


    Ausgrenzung - ein wichtiges Thema. Nur im dem Extrem, in dem Nemirovsky es in ihrem Roman schildert, sehe ich es in der heutigen Gesellschaft nicht mehr (noch nicht wieder?). Aber vielleicht sind die Unterschiede jetzt einfach verwischter und die Grenzen subtiler geworden und die Extreme haben sich ins Internet verlagert. Zudem scheinen sich die Klassen stärker vom gesellschaftlichen Status weg auf Körperbilder und Lebensweisen verschoben zu haben.


    Es fällt mir schwer, das Buch zu beurteilen. Es war definitiv nicht unterhaltsam oder spannend geschrieben. Die Kultur war mir fremd und ich hatte Mühe mich in die Beweggründe der Figuren hineinzuversetzen, denen Status wichtiger war als Liebe. Trotzdem ist es ein wichtiges Zeugnis der Zeit und regt zum Nachdenken und Diskutieren an.



  24. Cover des Buches Vielleicht Esther (ISBN: 9783518468265)
    Katja Petrowskaja

    Vielleicht Esther

     (39)
    Aktuelle Rezension von: Sarange

    Ich brauchte eine Weile, bis ich in dieses assoziative, intuitive Schreiben hineinfinden konnte (v.a. der Anfang des Buches war aus meiner Sicht völlig verstolpert), um dann seine Poesie zu genießen und gleichzeitig mit der Ich-Erzählerin die Tiefen ihrer Trauer auszuloten - über schmerzende Gewissheiten ebenso wie über Eventualitäten und Leerstellen, die bleiben werden trotz intensivster Spurensuche - in Wien, Warschau, Kiew, Auschwitz, Yad Vashem... - nach ein paar hinterlassenen Fitzelchen der Existenz ihrer zahlreichen und in ihrer jeweiligen Gesellschaft sehr aktiven Vorfahren. Ein Haschen nach Wind.

    Im Zuge dieser tragischen Recherche und Reflexion darüber entfaltet die Autorin ein wahres Panoptikum aus verschlungenen biografischen Wegen, aus sich aneinander reibenden und gegenseitig zersplitternden, die Menschen zwischen sich zermahlenden politischen Systemen im Laufe des 20. Jahrhunderts, aus religiösen Bruchstücken verschiedenster Ausprägungen des Juden- und Christentums, aus geschichtskluger, aber persönlich entwurzelter Nachlese in Akten, archivierten Zeitungsartikeln, Fotos und Bröckchen von mündlich überlieferten oder angedeuteten Familienlegenden, aus Verweisen auf die griechische Mythologie, auf Goethe, Bulgakow, Tolstoi... Das alles in einer scheinbar assoziativen, aber klug und feinfühlig Verknüpfungen herstellenden, poetischen und traurig-humorvollen Schreibweise, in der ich der Autorin tief bewegt durch ihre Gedanken und Gefühle gefolgt bin.

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks