Bücher mit dem Tag "urs widmer"

Der Erzähler ist ein Zwerg, der im offiziellen Leben natürlich nur starr in eine Richtung schauen kann, aber wenn unbeobachtet, durch seine Welt geht. Dieser erzählende Zwerg nun präsentiert seine Geschichte, die er mit dem Jungen Uti bis in dessen Erwachsenentage begleitet.
Das ist eine nette Idee und Urs Widmer, der schön und engmaschig erzählen kann, macht daraus eine nette unspektakuläre Geschichte. Mal was anderes, eine schöne Idee, aber dann doch genau in der richtigen Länge, bevor man das Interesse verliert.

"Du siehst mich, weil ich in genau dem Augenblick gestorben bin, in dem du zur Welt gekommen bist. Ich sage nicht Jahr oder Tag oder Stunde oder Minute oder Sekunde. Ich sage Augenblick"

U.Widmer

Dies sagt Herr Adamson zu einem 8 jährigen Jungen, der lange nicht realisiert dass Herr Adamson eigentlich ein Toter ist. Und erstaunlich schnell auf den Beinen ist, gleich einem Jugendlichen.

Der Leser taucht ab in das Reich der Toten, da gibts Navajo - Indianer oder dann findet man sich plötzlich auf einer griechischen Polizeistation. 

Sehr verworren und man muss höllisch aufpassen wer den jetzt nun real ist oder tot. Zwischendurch verlor ich die Übersicht, es ist als schwebe man beim lesen zwischen den beiden Welten - wenn es die den tatsächlich gibt.

Der Perspektivenwechsel von den underdogs zu den Top Dogs, Spitzenmanagern also, die urplötzlich ihren Job und den damit verbundenen Lebensstil verlieren, wird uns in einer grotesken Parodie auf die Wirtschaft präsentiert. Die Tragikkomik mit der Widmer seine Protagonisten in der Handlung präsentiert ist das eigentlich dramatische an diesem Stück. Sofern man wirklich versucht sich das ganze einmal bildlich vorzustellen und sich wirklich intensiv mit diesem Stück beschäftigt ist das Werk gerade heutzutage die ideale Lektüre um sich mit dem Turbokapitalismus und seinen Auswirkungen zu befassen.

Urs Widmer war ein begabter Wortakrobat - daran gibt es nichts zu rütteln. Seine Sätze sitzen und bringen einen oft zum schmunzeln und staunen. Das ist auch in Liebesbrief für Mary nicht anders. Witzig und fantasievoll beginnt denn auch diese ungewöhnliche Liebesgeschichte, deren grösster Teil ein auf englisch geschriebener Liebesbrief ist. Ein Brief, in dem Helmut seiner Mary, die in den australischen Busch abgehauen ist, seine Liebesnöte und sexuellen Probleme schildert. Denn Mary ist Irin und der Briefschreiber möchte ihr in ihrer Muttersprache schreiben.

Immer wieder unterbrochen wird der Liebesbrief von Kommentaren des Ich-Erzählers, der mit Helmut befreundet ist und die schöne Mary an diesen verloren hat. Die Geschichte hat durchaus ihren Charme. Allerings driftete das Ganze für meinen Geschmack mehr noch als Widmers "Das Buch des Vaters" ins Surreale ab. Ich bin Parodien grundsätzlich nicht abgeneigt, wenn es allerdings um psychisch kranke Mütter geht oder Aborigines, die mit Affen verglichen werden, dann finde ich das nicht wirkich witzig. 

Widmers "Der geliebte meiner Mutter" allerdings fand ich richtig gut. Wenn ich also wieder mal Lust auf Widmer habe, werde ich wohl besser diesen wieder aus meinem Regal holen.