Bücher mit dem Tag "verbrechen gegen die menschlichkeit"
23 Bücher
- Jonathan Littell
Die Wohlgesinnten
(160)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderNach der großen Ankündigung und dem großen Erfolg in Frankreich konnte man sehr gespannt sein. Der Autor hat wohl die nötige Distanz um dieses >Eisen< anzupacken. Leider passiert dann sehr wenig. Lobenswert ist die genaue Recherche und das Aufarbeiten von Zahlen und Orten, aber Ereignisse werden zum Teil nur gestreift und das Buch wird bald langweilig. Es ist sehr enttäuschend, man kann fast von einem Machwerk sprechen denn von all dem angekündigten, versprochenen ist nichts übrig. Es wird soviel angepackt, aber dann plötzlich fallen gelassen und der Autor nimmt seine Erzählfäden oft nicht mehr auf und so ist es nicht interessant, nicht brisant, nicht aufklärend oder aufrüttelnd, sondern einfach nur langatmig, langweilig und überhaupt nichts sensationelles.
- Robert Merle
Der Tod ist mein Beruf: Roman
(156)Aktuelle Rezension von: ArtVandaleyRobert Merle ist ein wahrhafter Schauer-Roman gelungen, der seinen Sinn mehr als erfüllt. In der Ich-Form berichtet Robert Lang über sein Leben. Die an sich fiktive Romanfigur basiert jedoch bis ins Detail auf dem Leben von Rudolf Höß, dem Lagerkommandanten von Ausschwitz während des zweiten Weltkrieges. Über Episoden seiner Kindheit und dem jungen Erwachsenenleben zeichnet der Roman nach, wie Lang Schritt für Schritt Karriere macht, bis er von Heinrich Himmler persönlich den Auftrag bekommt, die millionfache Ermordung von Juden zu "organisieren". Geleitet wird Lang dabei nur von einer Maxime: der Befehlstreue. Durch die emotionslose, nüchterne und im Falle des Aufbaus des Konzentrationslagers und der Gaskammern auch technische Beschreibung der Abläufe wird die grausame Entmenschlichung deutlich und zeigt, zu welchem Unheil Diktaturen im schlimmsten Fall führen können. Unterbrochen wird der Ablauf perverserweise durch das weihnachtliche Zusammensein mit der Familie. Selbst der Suizid eines ranghohen Lageruntergebenen, der den Geruch der Leichen nicht mehr ertragen konnte, wird zur Banalität. Dabei gefriert einem das Blut in den Adern. Das muss es auch.
- Han Kang
Menschenwerk
(89)Aktuelle Rezension von: Lina_LentgeDie Autorin scheut sich nicht davor, Gewaltsituationen ungeschönt darzustellen, doch das Buch ist weit mehr als nur eine Sammlung von Brutalität und Horrorszenarien. Vielmehr taucht sie tief in die menschliche Psyche ein und beleuchtet das Leid, das durch physische Gewalt verursacht wird. Trotz allem durchdringt ein Funke Hoffnung die Seiten, der von den Protagonist:innen ausgeht.
Der historische Hintergrund des Buches, das Gwangju-Massaker von 1980, verleiht der Geschichte eine zusätzliche Tiefe. Durch die Perspektive des Jungen Dong-Ho und derjenigen, die mit ihm die Ereignisse erlebten, wird eine unvergessliche Verbindung zu einem tragischen Moment in der Geschichte hergestellt.
Han Kangs Schreibstil ist ein Meisterwerk für sich. Mit einem Wechsel zwischen Ich-Perspektive, Du-Perspektive und dritten Person erzeugt sie eine fesselnde Atmosphäre. Die Worte sind bewusst gewählt und treffen stets ins Herz. Han Kang beherrscht die Sprache auf einem unfassbar hohen Niveau und lässt die Leser:innen in ihrer Welt versinken.
Nachdem ich das Buch beendet habe, bin ich tief gerührt von der ehrlichen Darstellung der Brutalität und der psychologischen Tiefe der Hinterbliebenen. „Menschenwerk“ ist ein einzigartiges und bewegendes Werk, das noch lange nach dem Lesen in den Gedanken verweilt. Es ist ein Buch, das man nicht einfach vergisst.
- Joe J. Heydecker
Der Nürnberger Prozeß
(7)Aktuelle Rezension von: sabatayn76Inhalt:
Joe J. Heydecker war einer der wenigen deutschen Berichterstatter beim Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg und schrieb zusammen mit Johannes Leeb das bereits 1958 erstveröffentlichte Standardwerk 'Der Nürnberger Prozess', das nun zum 70. Jahrestag als überarbeitete Neuausgabe erschien.
In 'Der Nürnberger Prozess' werden die Suche nach den Kriegsverbrechern, ihre Inhaftierung, die einzelnen historischen Stationen zwischen Hitlers Machtergreifung im Jahre 1933 und der Kapitulation Deutschlands im Jahre 1945, der Prozessverlauf, die Aussagen der Angeklagten und die Urteilsverkündung detailliert behandelt und zudem erklärt, wie das jeweilige Urteil zustande kam.
Mein Eindruck:
Ich habe mich schon sehr intensiv mit dem Dritten Reich beschäftigt und mich deshalb sehr auf die umfangreichen Schilderungen über den Nürnberger Prozess gefreut. Meine Erwartungen an das Buch wurden nicht enttäuscht, und ich habe durch die Lektüre viel Neues gelernt und spannende Einblicke in bislang unbekannte Aspekte in der Geschichte des Dritten Reiches erhalten.
Der Prozess wird im Buch minuziös wiedergegeben: die Räume, die Personen, die Anklagepunkte, die Urteile, die einzelnen Geschehnisse beim Prozess, die historischen Ereignisse und die Zusammenhänge werden im Detail geschildert, wodurch man sich als Leser beinahe als Zeuge fühlt, dem Prozess fast als Zuschauer und Zuhörer beiwohnt. Mir haben die lebendigen Beschreibungen mit den vielen Dialogen und Zitaten sehr gut gefallen, und sie haben mein Wissen um das Dritte Reich noch intensiviert.
An den über 700 Seiten liest man auch als schneller Leser eine ganze Weile, zumal das Buch inhaltlich zeitweise so dicht ist, dass man meiner Meinung nach kaum mehrere Kapitel am Stück lesen kann.
Besonders faszinierend und fesselnd fand ich den Abschnitt 'Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte', der einem klar vor Augen führt, was Hitlers Sieg für Deutschland, Europa und die Welt noch bedeutet hätte. Auch die Fotografien und den Anhang mit dem Wortlaut von zusätzlichen Originaldokumenten, der Zeittafel, der umfangreichen Bibliografie und dem hilfreichen Register fand ich gelungen.
Mein Resümee:
Im Buch finden Sie wahrscheinlich alles, was Sie über den Nürnberger Prozess wissen wollen. Sehr empfehlenswert! - Fridolin Schley
Die Verteidigung
(1)Aktuelle Rezension von: WortklauberZwischen 1947 und 1949 fand als einer der Nachfolgeprozesse des Nürnberger Hauptprozesses der sog. Wilhelmstraßen-, auch Ministerien-Prozess genannt, statt. Gegen die Hauptverantwortlichen waren direkt nach Kriegsende geurteilt worden, jetzt ging es um Verantwortliche aus der zweiten oder dritten Reihe. Es wurde gegen 21 Angeklagte u. a. wegen der Anklagepunkte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit prozessiert, darunter acht Angehörige des Auswärtigen Dienstes. Prominentester Angeklagter war Ernst von Weizsäcker (1882 – 1951). Sein Sohn Richard (1920 – 2015) begleitete den Prozess als einer seiner Verteidiger.
Diese beiden Personen der Zeitgeschichte, Vater Diplomat in der Weimarer Republik und im sogenannten „Dritten Reich“, Sohn ein späterer Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, der als solcher 1985, vierzig Jahre nach Kriegsende, eine vielbeachtete Rede über die Verantwortung der Deutschen im Umgang mit der Vergangenheit hielt, sind auch auf dem Cover des Buches abgebildet: der Vater auf der Anklagebank, sein Sohn in Anwaltsrobe ihm zur Seite.
Der Roman beginnt mit einer sehr dichten Beschreibung des Hauptschauplatzes. Schley nimmt den Leser mit in den Gerichtssaal. Den überlieferten Protokollen, Film- und Tonaufnahmen dieses Prozesses – Buchstaben auf Papier, Schwarz-Weiß-Bildern, verrauschten Tonmitschnitten – haucht Schley im wahrsten Sinne des Wortes Leben ein. Ankläger und Angeklagte, Verteidiger, Richter, Zeugen, Wachpersonal, Übersetzer, Journalisten … Die ganze Personnage, Haupt- und Nebendarsteller dieses historischen Prozesses, erwachen im Roman wieder zum Leben. Das ist genauso beeindruckend wie – jedenfalls ging es mir so – überwältigend. Ich habe das von Devid Striesow eingelesen Hörbuch gehört und war von der Informationsflut dieses Einstiegs zugegeben ge-, wenn nicht stellenweise überfordert.
Ich sage „Roman“, und als solches wird das Buch auch vermarktet, man kann sich aber durchaus bei der Lektüre fragen, was für eine Art Roman das ist – traditionellen Handlungsmustern und Konstruktionen selbst bekannter Vertreter des Genres Gerichtsroman/Justiz-Thriller folgt „Die Verteidung“ nicht. Tatsächlich hat der Autor wohl anfangs nicht auf einen Roman hingeschrieben. Ich fühlte mich beim Lesen teils mehr bei einem Essay, dann wieder bei einem Sachbuch, dann aber auch tatsächlich bei einem Roman.
Ich stelle mir die Arbeit an „Die Verteidigung“ – auch wenn der Autor wohl „nur“ zwei Jahre daran gearbeitet hat – als einen ungeheuren Kraftakt vor. Der Printausgabe ist ein reichhaltiges Quellenverzeichnis nachgestellt. Diese beiden Personen der Zeitgeschichte vor dem historischen Hintergrund zu zeigen und gleichzeitig eine Vater-Sohn-Geschichte zu erzählen, ist gelungen. Ebenso, diese Fülle der zeitgeschichtlich verbürgten (oder vermuteten oder behaupteten) Ereignisse und Personen in diesen erzählenden Kontext einzubringen – und damit aus historischen Ereignissen Literatur zu machen.
Fridolin Schley hat seine Vorgehensweise selbst so kommentiert: Er habe dem historischen Fall unbedingt gerecht werden wollen. Wo offene Fragen und Zweifel blieben, habe er den Stoff mit literarischen Mitteln behandelt und den authentischen Fall „literarisch in die Schwebe gehoben“, ihn „verunsichert“.
So vermeidet er für mein Empfinden auch eine unangenehme, eher aufdringlich wirken müssende Innensicht, die letztendlich nur Behauptung, nur Anmaßung sein könnte. Wenn aus Personensicht erzählt wird, dann oft mit dem Zusatz: so könnte es gewesen sein, nicht, so war es. Trotzdem schimmert da und dort die Haltung des Verfassers durch – was womöglich ein Balanceakt für sich gewesen sein könnte.
Wie da im Nachkriegsdeutschland um Dinge wie Schuld und Verantwortung gestritten und gerungen wird, und wie das Echo in der großen Öffentlichkeit war, das lässt tief blicken. Es legt auch Diskrepanzen bloß, blinde Flecken, im Politiker Richard von Weizsäcker einerseits und dem Sohn Ernst von Weizsäckers andererseits – nicht als reißerischer Akt, sondern als stille, durchaus vielsagende Gegenüberstellung.
„Die Verteidigung“ vermittelt eine Fülle von Informationen, ist dabei aber nichts, was man zwischendurch so eben mal wegliest – was ja nicht verkehrt ist, man sollte sich nur darauf einstellen.
Fridolin Schley wurde 1978 in München geboren. 2007 war er einer der Bewerber um den Bachmann-Preis. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen, Stipendien und Förderpreise. „Die Verteidigung“ ist sein zweiter (veröffentlichter) Roman.
- Olivier Guez
Das Verschwinden des Josef Mengele
(90)Aktuelle Rezension von: mariameerhabaZuzusehen wie Mengele alles verliert, seine Würde, seine Haltung, seinen Doktortitel, es hatte etwas Befriedigendes, das gebe ich ungern zu. Das Karma hat ihn eingeholt, sein Leben zerstört, die letzten Lebensjahre waren nur noch eine Folter für ihn, ohne dass ihn jemals sein Gewissen beunruhigt hat und das zu lesen, war erschreckend.
Der Autor hier beschreibt sehr gut die Flucht eines Monsters. Er macht daraus nicht einen einfachen Bericht, das den zweiten Abschnitt vom Leben Mengeles zerlegt, sondern er sorgt dafür, dass man Mengeles Elend mitfühlt, dass man dabei ist und zu sieht, wie ein stolzer Mann langsam zerbricht.
Es ist ein erschütterndes Buch, aber gleichzeitig zeigt es auch, wie die Reichen davonkommen können. Wie sie sich der Justiz entziehen, wie Geld ihnen ermöglicht, jenseits der Gesetze ein Leben zu führen, das man getrost als ein schönes Leben bezeichnen kann. Vielleicht ging es Mengele nicht gut bei seiner Flucht, aber alle anderen hatten doch ein angenehmes Leben, gönnten sich nach so viel Mord und Korruption eine Villa, ein riesiges Anwesen, die ihre Vergangenheit so weit in den Schatten rückte, das man sie zu beneiden begonnen hat.
Das Buch ist spannend, interessant, gewaltig, brutal und so ehrlich, dass es mich sehr oft erschüttert hat. Der Stil ist einfach und leicht und vor allem funktioniert das Buch. Ich habe es gern gelesen.
- Helga Schubert
Judasfrauen
(2)Aktuelle Rezension von: JoBerlinZehn Beispiele von Verrat durch Frauen stellt Helga Schubert in diesem Buch dar. Es geht um Fälle aus der Nazi- und unmittelbaren Nachkriegszeit. Aus Gerichtsakten hat sie rekonstruiert, die literarische Umsetzung gelingt ihr dabei ganz exzellent. Ganz unterschiedlich sind die Darstellungsformen gewählt, mal als nüchterner Bericht, mal als Erzählung, mal als Monolog – immer mit großem sprachlichen und stilistischen Können.
Warum wurden diese fatalen Taten begangen? Einmal wohl wollten diese Frauen wichtig sein, einmal eine große Tat: jemanden ausliefern aus Rache, aus Eifersucht, aus politischem Irrsinn. Doch mit der Zeiten Lauf dreht sich das Blatt, nun werden die Täterinnen vor Gericht gestellt und werden doch noch zur Rechenschafft gezogen.
- David Foenkinos
Charlotte
(8)Aktuelle Rezension von: WaschbaerinAufmerksam auf dieses Buch, bzw. Hörbuch "Charlotte" von David Foenkinos wurde ich durch dieses ausdrucksvolle Cover.
Es ist ein Hörbuch der Extraklasse, einfühlsam gelesen von Devid Striesow.
1942 übergibt Charlotte Salomon einem Vertrauten einen Koffer voller Bilder. "Das ist mein ganzes Leben", sagt sie dabei. Es war ein viel zu kurzes Leben, das ihr vergönnt war und mit dem Tod im KZ Auschwitz endete.
Charlotte war Tochter eines jüdischen Chirurgen, der seine erste Frau, eine Krankenschwester, im ersten Weltkrieg kennenlernte. Sie verlieben sich und heiraten. Dieser Ehe entstammte Charlotte.
Das Kind wuchs im Berlin der 20er Jahre auf. Hatte sie eine glückliche Kindheit? Finanzielle Sorgen gab es jedenfalls nicht. Doch die Mutter wurde schwermütig, brauchte selbst Pflege und konnte ihrer Tochter Charlotte nicht zur Seite stehen. In einem unbeobachteten Moment stürzte sie sich aus dem Fenster in den Tod. Sie war nicht die erste Selbstmörderin in ihrer Familie. Auch ihre geliebte Schwester nahm sich in jungen Jahren das Leben, eine Tante, später ihre Mutter. Was mag dieser Verlust in dem Kind Charlotte bewirkt haben? Konnte sie diesen frühen Verlust später durch die Kunst verarbeiten?
Der Vater heiratete erneut und die Stiefmutter, selbst Künstlerin, erkannte das Talent des Zeichnens bei Charlotte und ermutigte sie darin.
Doch alles kam anders als gedacht. Die Nazis wurden größer und größer, bekamen immer mehr Zulauf und Charlottes Stiefmutter, eine Sängerin, bekam als Jüdin Auftrittsverbot. Auch Charlottes Vater hatte unter dem neuen Regime zu leiden. Es nützte ihm nichts dass er im ersten Weltkrieg kämpfte, in den letzten Jahren viele wissenschaftliche Abhandlungen schrieb und den medizinischen Fortschritt voran trieb. Er war Jude und das war genug.
Trotz ihrer jüdischen Abstammung schaffte es Charlotte an der Kunstakademie zu studieren. Doch der Vater hatte die Gefahren zu spät erkannt, hat trotz seiner finanziellen Möglichkeiten Deutschland nicht rechtzeitig verlassen. Als es nicht mehr zu ignorieren ist was auf die Juden zukommt, war es zu spät. Er wurde verhaftet, kam aber später wieder frei.
Charlotte gelang es nach Südfrankreich zu fliehen. Doch es gab genügend Menschen die glaubten, aus ihrem Leid noch eigene Vorteile schlagen zu können. Doch sie gab nicht auf, glaubte sich dort in Sicherheit. Doch das stellte sich als Irrtum heraus. Sie wurde verraten und verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Welche Ironie des Schicksals! Ihre Eltern, die Charlotte überredeten nach Frankreich zu fliehen damit sie der Deportation entkommen würde, konnten in den Niederlanden untertauchen und haben den Krieg überlebt.
David Foenkinos machte ein ganz eigenes Buch aus dieser Lebensgeschichte. Er besuchte die einzelnen Orte, an denen Charlotte lebte und bringt so dem Leser/Hörer die Künstlerin noch näher. Vor Charlottes Elternhaus in Berlin sind 3 Stolpersteine mit den Namen angebracht. Doch als er an der ehemaligen Wohnungstür der Familie Salomon klingelt, wird ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Der Autor schafft es, den Hörer die Angst und Not fühlen zu lassen, in der Charlotte und ihre Eltern lebten. Allein schon das wäre Grund genug für alle Sternchen. Von mir gibt es eine absolute Empfehlung für dieses außergewöhnliche (Hör)Buch.
- Kurt Schrimm
Schuld, die nicht vergeht
(1)Aktuelle Rezension von: M.Lehmann-PapeJagd auf Uneinsichtige
Als Staatsanwalt hatte Kurt Schrimm bereits „von Amts wegen“, den Auftrag, „gegen das Vergessen“ anzugehen und die Gräueltaten des dritten Reiches bis weit in die Gegenwart hinein unnachgiebig zu verfolgen.
Gerade was die „zweite und dritte“ Reihe der Beteiligten angeht, gerade was jene betrifft, die sich selbst immer nur als „kleines Rad“ im großen Ganzen dargestellt haben, als reine „Befehlsempfänger“ ohne eigenen Handlungsspielraum.
Was nicht stimmt. Schlicht und einfach. All die Wachleute, Aufseher, die „Verwerter“ jüdischen Eigentum und Besitzes, die „Todesbringer“, in lebendiger Sprache und ebenso, teils fast abenteuerlich zu lesenden, Ermittlungsberichten gibt dieses Buch einerseits Auskunft über die Ermittlungen, Verhaftungen und Verhandlungen an sich, zum andern aber ermöglicht Schrimm auch einen tiefen Blick in die innere Haltung solcher Menschen, die sich selbst im Gros anscheinend nichts vorzuwerfen zu haben glauben.
Wie ebenso mehr und mehr dem Leser deutlich wird, dass hier einer schreibt, der nicht nur „von Amts wegen“ sich mit diesen Verbrechen beschäftigt hat, sondern auch eine Person mit klaren Überzeugungen, die durch seine Tätigkeit noch deutlich geschärft und gefestigt wurden.
Sei es, was Josef Schwammberger angeht, ehemaliger Ghetto Kommandant in Przemsyl, 1987 erst nach akribischen Ermittlungen festgenommen, sei es von der „anderen Seite aus“ aus Sicht der Opfer, die dem Leser ebenfalls im Buch nahgebracht werden, denn die zentralen „Bausteine“ solcher Verhandlungen gegen NS-Verbrecher beruhten und beruhen zum größten Teil auf Zeugenaussagen.
„Auf den Tagm dass sich ein offizieller Vertreter des deutschen Staates bei mir meldet und sich für das interessiert, was in jenen Tagen geschah, habe ich über 40 Jahre gewartet. Ich habe meine Geschichten meinen Kindern und Enkeln erzählt, aber das ist nicht dasselbe“.
Ist es tatsächlich nicht und in Zeiten, in denen „völkisch“ und „abgrenzend“, gar „rassistisch bewertend“ wieder salonfähig zu werden scheint, ist dieses Werk ein wichtiger Baustein für jeden Leser, zumindest sich vor Augen zu halten, was damals aus solchen Haltungen heraus an Verbrechen, an inneren Einstellungen und an Leid erst möglich wurde.
Gerade weil im Buch (nicht nur, was Josef Schwammberger angeht) ja tatsächlich nicht selten anzutreffen ist, dass so manche der Angeklagten vor dieser Zeit du nach dieser Zeit nicht zur drängenden Ausübung von Gewalt neigten (Ausnahmen bestätigen die Regel). So dienen die Verfahren nicht nur einem konkreten Verbrechen und dessen Verurteilung, sondern in Gänze einer Aufarbeitung auch der Frage, was für Rahmensetzungen wohl dazu führen, das „Schlechteste im Menschen“ ungestraft, gar gewollt, zu Tage treten zu lassen.
Und da muss der Leser sich schon wappnen, denn nüchtern und sachlich im Stil macht Schrimm keinen Bogen um die authentische Darstellung brachialer Gewalt und herzloser Verbrechen. Wobei er im Übrigen auch die großen Misserfolge seiner Arbeit und seiner Ermittlungen nicht auslässt und damit beim Leser wiederum durchaus das schale Gefühl verstärkt, dass man selbst mit Dummdreistigkeit (oder gerade aufgrund derselben) um die eigene Verantwortung herumkommt.
Ein bewegendes Buch, gerade aufgrund der nüchternen Darstellung verankern sich vielfache Bilder eindringlich beim Leser. Und ebenso verankert sich, Seite für Seite mehr, die Überzeugung Schrimms, solches als menschliche Gemeinschaft nicht durchgehen lassen zu dürfen, bis zur letzten Minute solcher Leben, um sich überhaupt menschliche Gemeinschaft nennen zu dürfen. Gerade weil keine der konkreten angeführten Personen überzeugend Reue empfunden zu haben scheint. - Norbert Lebert
Denn du trägst meinen Namen
(15)Aktuelle Rezension von: lucky_snakesIm Abstand von ca 40 Jahren haben die beiden Autoren (auch Vater und Sohn) die Kinder von Nazigrößen besucht, um festzustellen, wie diese im Deutschland der 50er/90er Jahre so leben. Ich fand dies sehr interessant zu lesen, vor allem die unterschiedlichen Varianten der "Kinder" mit der Last ihres Namens umzugehen (und doch erschreckend, dass es zum Teil gar keine Last war) - DIE ZEIT - Geschichte
DIE ZEIT - Geschichte 6/2020 "Die Nürnberger Prozesse"
(0)Noch keine Rezension vorhanden - Anton Künzle
Der Tod des Henkers von Riga
(2)Aktuelle Rezension von: Jens65Als "Henker von Riga" ging der Nazioffizier Herbert Cukurs, dem Mord an 30.000 Menschen während des Holocausts vorgeworfen wurde, in die Nachkriegsgeschichte ein. Neben der Beschreibung der Planung und Durchführung des Mordes im Südamerika der 60er Jahre wird die politische Lage dieser Zeit beschrieben sowie die Lebensläufe Cukurs und Künzles. Doch hier zeigen sich auch die größten Schwächen des Buches: Stilisierung der Personen (Schwarz - Weiß - Zeichnung), mangelnde Objektivität in bezug auf die Beurteilung der Notwendigkeit der Tat an sich; ein, um es freundlich zu sagen, recht schlichter Sprachstil, zusammengefaßt: zu oberflächlich, zu "reisserisch", um wirklich ernst genommen werden zu können. Dennoch für Freunde dieses Themas interessant. - OQGC
Wir Menschen: Was falsch läuft und wie wir es besser machen können
(1)Noch keine Rezension vorhanden - Franzobel
Die Eroberung Amerikas
(26)Aktuelle Rezension von: Hannah_wulf_3232Die Stärke des Romans liegt in der Kreativität des Autors und auch einen gewissen Mut, abstruse Plots und Pointen rauszuhauen. Die erste Hälfte bzw. erste zwei Drittel des Buches sind noch relativ unterhaltsam, die Vielzahl an Personen und Wechsel der Zeiten und Orte erfordern Konzentration beim Lesen, aber das ist ok.
Der Witz an dem Buch ist, dass die spanischen Eroberer, die grausam, ungewaschen und aus heutiger Sicht ungebildet sind, sich berufen fühlen, die "Wilden" in Westindien zu zivilisieren, zu missionieren oder auch umzubringen; und sich dabei für unglaublich fortschrittlich halten. Dann kommt es zu absurd-komischen Szenen, so werden nach Landung in Florida erstmal die Krokodile (nein, Alligatoren) exkommuniziert.
Sprachlich eine Mischung, die Charaktere reden teils in ihrem eigenen Slang, auch das passt gut. Es ist, auch sprachlich, keine historisch korrekte Darstellung, und deshalb gibt es keine, überhaupt keine Notwendigkeit, das N-Wort zu benutzen. Und das ist kein Ausrutscher, sondern eine Grundhaltung. Der Kolonialismus scheint auch in diesem Buch durch, die "Wilden", die "Indianer", die "N*", deren Ermordungen teils flapsig kommentiert werden. Ich muss dem Autor zu Gute halten, dass er in alle Richtungen austeilt, aber: während den spanischen Figuren in dem Roman noch Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, sind die "Wilden" nichts anderes als unzivilisiert. Das gilt umso mehr für die weiblichen Figuren in dem Buch: es ist ja leider ein Klassiker, das insbesonders männliche Autoren häufig ihre weiblichen Romanfiguren reduzuiert auf ihre Äußerlichkeiten beschreiben und diese Figuren nur in Relation zu einem Mann relevant werden. Das ist in diesem Roman wirklich besonders extrem. Und wenn der Autor dann immer wieder von den gelenkigen, liebeskundigen Indianerfrauen schwadroniert, dann ekelt einen das nur noch an. Für mich endete der Roman vorzeitg im letzten Drittel in den Sümpfen Floridas, abgestoßen und angeekelt von den "Altherren" (nicht böse gemeint) - Phantasien des Autors.
- Florjan Lipuš
Schotter
(3)Aktuelle Rezension von: JorokaEin Gedächtnismarsch, Erinnerungsschleifen an die Zeit in einem Konzentrationslager, dörfliche Scheinidylle und wenig Zuversicht, dass sich der Mensch grundsätzlich zum Besseren ändert.
Der Inhalt dieses Romans lässt einen nicht gerade in Jauchzen und Jubeln einstimmen. Eine düstere Grundstimmung bleibt bis zum Ende bestehen, die aber auch dem ‚Anlass‘ nicht unangemessen erscheint. Zählt man das Werk zur Erinnerungskultur? Gut möglich, dass es bald an Österreichischen Schulen als Deutsch-Lektüre angeboten wird.
Der Stil ist fantastisch, vor allem im ersten Drittel, zum Dahinsinken. Trotzdem hatte ich als erfahrener Leser ein wenig Mühe, bis zum Schluss gut durchzuhalten.
Fazit: Lesegenuss weniger durch die Handlung als durch den Schreibstil. Sicherlich keine lockere Strandlektüre für breite Bevölkerungsgruppen.
- Thomas Fischer
Strafgesetzbuch
(2)Aktuelle Rezension von: HoldenDer "Tröndle/ Fischer", auf jedem guten Juristenschreibtisch zu finden (übrigens auch bei Salesch und Co. hihi). Unser Repetitor war damals sehr angetan, daß der neue Bearbeiter Fischer manche alte Zöpfe abgeschnitten hat. Für Laien aber selbstverständlich unlesbar. - Uwe Neumahr
Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg ´46. Treffen am Abgrund
(2)Noch keine Rezension vorhanden - 8
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