Bücher mit dem Tag "verschiedene perspektiven"
28 Bücher
- Maja Lunde
Die Geschichte der Bienen
(1.022)Aktuelle Rezension von: katiandbooks1852 leidet der Samenhändler William an einer Depression. Der Lebenswille kehrt zurück, als er an einer Idee für einen neuartigen Bienenstock arbeitet.
2007 ist George als einer der Ersten an der sogenannten Colony Collapse Disorder betroffen, einem kollektiven Bienensterben, und das, obwohl er als einer der wenigen Großimker seine Bienenstöcke nicht von Ort zu Ort hetzt.
2098 sind die Bienen auf der ganzen Welt längst ausgestorben. China hat rechtzeitig auf Bestäubung per Hand umgestellt. Die Arbeiterin Tao will für ihren Sohn ein besseres Leben als täglich auf den Obstplantagen zu schuften, doch es kommt alles ganz anders.
Dass man es hier mit einem wichtigen Thema zu tun hat, weiß man schon, bevor man das Buch überhaupt aus dem Laden geholt hat, doch ist es auch lesbar? Ist es! Maja Lunde will aufklären und aufzeigen, was in unserer Konsumgesellschaft schon seit Jahrhunderten schief läuft, aber sie will auch eine gute Story erzählen. So schafft sie es mit einem angenehmen, verständlichen Schreibstil und einem guten Spannungsbogen ihre drei Geschichten lesenswert zu machen. Es geht nie nicht um die Bienen und die Probleme, die uns mit ihrem Aussterben drohen, es geht auch um klar beschriebene Depressionen, die im Jahr 1852 noch keiner benennen kann, nicht einmal der Betroffene. Es geht um den Konflikt zwischen einem Vater und seinem Sohn, der lieber Journalismus studieren will als den Hof der Familie zu übernehmen. Und letztendlich zeichnet sie die dystopische, erschreckende Zukunft ohne Bienen.
Fazit: Maja Lunde beschreibt ein sehr wichtiges Thema lesbar und augenöffnend, von der Wurzel bis zur wahrscheinlichen Zukunft. Hoffen wir, dass sie unrecht hat. Aber ich glaube es nicht. Von mir gibt es 4,5****.
- Nick Hornby
A Long Way Down
(2.415)Aktuelle Rezension von: ReisebaerenVier sehr unterschiedliche Charaktere treffen sich zufällig am Silvesterabend auf einem Hochhaus um sich das Leben zu nehmen. Doch statt zu springen, fangen sie an zu reden und sich ihre Geschichten zu erzählen und am Ende finden sie gemeinsam den Weg wieder herunter.
Der Roman hat wirklich Spaß gemacht zu lesen. Besonders die Charaktere waren sehr spannend gezeichnet. Manchmal war mir die Geschichte jedoch ein wenig zu kreierte, vor allem gegen Ende.
Das Wahre und Traurige an der Geschichte für mich ist, dass das Leben nicht plötzlich großartig wird. Es wird nur an der ein oder anderen Stelle ein klein wenig besser und das macht dann bereits den Unterschied. So endet das Buch nicht in einem fundamentalen Happy End, bei dem jeder sich plötzlich seinen Traum erfüllt und alle Beziehungen wieder eingerenkt sind. Es sind die kleinen Töne und das ist für mich die große Erkenntnis des Buches.
- Jodi Picoult
Beim Leben meiner Schwester
(1.879)Aktuelle Rezension von: Al_loves_booksEin wirklich packendes Buch mit einem wirklich schönen Schreibstil. Gerade, wenn man emotional veranlagt ist, nimmt das Buch einen sehr mit. Spoiler: Ich habe mich emotional auf Kates tragischen Tod vorbereitet und war total überrumpelt, als am Ende Anna gestorben ist. Ich habe das Buch vor mir auf die Matratze geworfen und bestimmt fünf Minuten lang nur „Ne“ gesagt.
Ich kann das Buch wärmstens empfehlen. - Bernardine Evaristo
Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
(154)Aktuelle Rezension von: herr_hyggeManchmal fällt es schwer, die Handlung eines Romans und das, was er in einem losgetreten hat in Worte zu fassen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich diesen Beitrag schon fast zwei Monaten vor mir herschiebe. 🙈
In „Mädchen, Frau etc.“ erzählt Bernardine Evaristo die Geschichten verschiedener Frauen, die zum Teil eng, zum Teil etwas lockerer miteinander verwobenen sind. Charaktere wie sie unterschiedlicher nicht sein können, erzählen von ihren Sehnsüchten und Ängsten.
Den Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichten bildet dabei die bevorstehende Premiere von Ammas Theaterstück am National Theatre in London. Von Amma, einer lesbischen Dramatikerin ausgehend, eröffnet uns die Autorin kleine, aber bewegende Momentaufnahme aus verschiedenen Leben. Sie gewährt uns Einblicke in der Vergangenheit dieser Frauen, erzählt uns von Ihren Entbehrungen, den Kämpfen die sie ausgefochten haben und von Dingen die Ihnen Freude und Glück beschert haben.
Die Washington Post spricht von "einer mitreißenden Symphonie schwarzer Frauenstimmen" und die Jury des Booker-Preises redet von "einem beeindruckenden, leidenschaftlichen Roman über das Leben schwarzer britischer Familien." All das sind Aussagen, die ich nur bestätigen kann. Evaristo hat ein Meisterwerk geschaffen, in dem Sie Menschen, die viel zu wenige gehört werden, eine Stimme gibt.
Auch wenn mir zu Beginn der Lektüre, der Schreibstil der Autorin einige Schwierigkeiten gemacht hat, hat mich dieses Buch nach nur wenigen Seiten vollends mitgerissen. Es brachte mich zum lachen, zum weinen und zum nachdenken.
Wenn Ihr "Der Zopf" von Laetitia Colombani genau so gefeiert habt wie ich, kann ich euch "Mädchen, Frau etc." wärmstens empfehlen. Ihr werdet begeistert sein. - Monika Feth
Der Erdbeerpflücker
(64)Aktuelle Rezension von: Eli09Es war mein erstes Buch von Monika Feth und ich war direkt von ihrem Schreibstil und von den verschiedenen Charakteren beeindruckt. Ich fande es sehr gut das dass Buch aus verschiedenen Sichten geschrieben wurde. Ich finde es spannend direkt von der Täter Perspektive zu lesen und fande es sehr interessant was seine Gedankengänge waren.
Die Geschichte war von Anfang bis Ende interessant man konnte nicht mehr auhören weiterzublättern. Am meisten hat mich aber fasziniert wie der Täter sich während dem Buch gefühlt hat und wie er sich in einer romantischen Beziehung rantastet.
Fazit: Sehr tolles Buch werde aufjedenfall mehr von der Autorin lesen
- Jodi Picoult
Neunzehn Minuten
(943)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderPeter Houghton hat in 19Minuten das Leben von zehn Menschen ausgelöscht und das von hunderten für immer verändert. Für ihn ist "es" endlich vorbei. Der Ermittler Patrick lernt einen Jungen kennen der sich immer als Opfer gefühlt hat. Seine einzige Freundin war vor Jahren Josie Cormer gewesen. Sie hat das Masaker aus nächster Nähe mit erlebt und ihre Mutter bearbeitet als Staatsanwältin diesen Fall. Es gibt viele Opfer, Geschichten und eine verzweifelte Mutter, die ihren Sohn einfach nicht wieder erkennt. Jodi Picoult ist ein gewaltiges, ein wichtiges Buch gelungen. Sie beleuchtet nicht nur die Tat, die Geschichten der Opfer, sonder auch das Leben von Peter und wie es zu diesem schrecklichen Masaker kommen konnte. 19 Minuten wird für Gesprächsstoff sorgen.
- Eva Menasse
Quasikristalle
(105)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerWas wissen wir wirklich über uns selbst ? Und was vom anderen?
Das Leben der Xane Molin aus der kaleidoskopischen Sichtweise. Mal als junge Heranwachsende, die mit Judith sehr eng und mit Claudia um besonderen befreundet ist. Ein tragisches Ereignis beendet abrupt die Mädchenfreundschaften.
Als Studentin nimmt Xane an einer Führung im Konzentrationslager Auschwitz teil. Mit dem Leiter dieser Exkursion bahnt sich eine zwischenmenschliche Nähe an.
>Kann ein Mensch stundenlang den Kopf schütteln, ohne Schaden zu nehmen? Eine Frage, die Mengele sicher interessiert hätte. <
Xane als Mieterin in einem ehrenwerten Haus. Der Vermieter bewohnt selbst sein Mehrparteienhaus und trägt Sorge in allen Bereichen. Doch er hat die Rechnung ohne Xane gemacht.
Nach einigen Jahren trifft Xane auf Salome, jetzt Sally, die Schwester ihrer früheren Freundin Judith. Sie verbringen viele Tage und Nächte zusammen. Xane mit Mo verheiratet, würde Sally gerne unter die Arme greifen, doch Sally spielt ein Spiel.
Mo, der Ehemann von Xane hat aus seiner ersten Ehe zwei Töchter. Xane möchte gerne selbst Mutter werden, doch dies gestaltet sich nicht einfach. Für ihren sehnlichen Wunsch nimmt Xane einiges in Kauf.
Eine Begegnung mit Nelson verleitet Xane zu Gefühlen die die Tendenz zu einer außerehelichen Verbindung zu nehmen scheinen. Während Xane die Führung übernimmt, übt sich Nelson in Zurückhaltung.
Viola, die älteste Stieftochter von Xane, bereitet ihrem näheren Umfeld nicht gerade große Freude. Sie scheint es im Besonderen, mit ihrem agressiven verhalten, oft auf Xane abgesehen zu haben.
Auch als Vorgesetzte gerät Xane immer wieder in den Mittelpunkt, logischerweise. Dies mal mehr und mal weniger positiv.
Als Tochter und selbst als Mutter, wird Xane in verschiedene Facetten des Lichts gerückt.
>Aber zu wissen, dass man sich nicht immerzu bigott beschnitten hat, dass man im Gegenteil einiges Schöne davon gehabt, dass man manchmal geschwelgt und im prickelnden Luxus gelebt hat; daran zu denken, wenn sie einem später den künstlichen Darmausgang legen – das müsste irgendwie tröstlich sein.<
Eva Menasse hat hier ein Leben coloriert in allen Farben und möglichen Formen. Sie hat eine Hommage auf das Leben, das existieren, das da sein, kreiert, dass das Bewusstsein den Fokus auf das eigene Sein, unwillkürlich in den Mittelpunkt plaziert. Intelligent und mit großem Gespür für die interessanten Datails, führt sie uns durch viele Fragmente des Lebens. 13 Geschichten über eine Frau aus der Sicht der anderen. Diese Idee wurde geradezu perfekt umgesetzt. Große Leseempfehlung!
- Saša Stanišić
Vor dem Fest
(187)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderFürstenfelde in der Uckermark. Es ist die Nacht vor dem großen Fest und alle Bewohner bereiten sich auf ihre Weiße vor. Frau Kranz will zum ersten mal ihre Heimatstadt bei Nacht malen und strauchelt doch immer wieder. Jeder hat seinen Teil zu tun und seinen Teil zu vergessen und seinen Teil, den er lieber nicht mehr sehen will. Der kleine Ort hat schon viel erlebt. Die DDR, die Wende, den Umbruch, den Neuanfang, den Tod des Fährmanns und den Wandel von Berufen und Strukturen. Was ist besser? Was kommt noch? Im Stadtarchiv, im Heimatmuseum, da gibt es alles über die Stadt und immer wieder wird etwas Neues hinzu getragen und archiviert. Sicher auch wieder bei diesem Fest, denn ohne Spuren geht es niemals vorbei. Das war immer schon so und wird auch immer so bleiben. Sasa Stanisic ist mit Vor dem Fest ein Roman gelungen, der auf den ersten Blick vielleicht nicht viel Geschichte bietet, aber das täuscht! In jedem Satz, in jedem Detail und in jedem Charakter steckt so viel Leben und Hintergrund, dass es zuweilen Sätze über fast eine Seite gibt. Ich liebe seine Art zu schreiben und erzählen und wie er manchmal ganz behutsam und leise berichtet und an anderer Stelle laut, aufbrausend und auch wieder ironisch wird. Jede Figur ist ein Erlebnis für sich und kennen wir sie nicht alle irgendwie und wohnen wir nicht selbst im fiktiven Fürstenfelde? Manchmal erschreckend realistisch und dann doch wieder überzogen und fast forsch, aber niemals langatmig oder langweilig. Manchmal ist das Leben aufregend, langweilig, so wie die Speisekarte beim Metzger
- E.O. Chirovici
Das Buch der Spiegel
(358)Aktuelle Rezension von: DoraLupinIm Buch geht es um mehrere Personen, die ihre Geschichte und ihre Recherchen zu einem einzigen Mord erzählen, der schon 25 Jahre zurück geht. Dabei sagt der eine das Gegenteil vom andren und es bleibt bis zum Schluss rätselhaft was denn eigentlich passiert ist in der Mordnacht.
Ich bin auf das Buch aufmerksam geworden auf Grund des Covers. Ich finde es toll gemacht wie die Stadt sich spiegelt und dazu der Titel des Buches, passt perfekt.
Es war zunächst eigenartig diesen Roman aus Sicht von 3 Protagonisten bzw erzählen zu lesen aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Ist auf jeden Fall eine super Idee und für mich noch nie dagewesen wie der Autor diesen Mordfall erzählt. Man ist vor jeder Person auf der Hut, die in Verbindung zum Mordfall steht.
Sehr spannend gemacht, eine ganz eigene Idee, eine ganz eigene Schreibweise. Etwas sehr neues!
Nur das Ende hat mich etwas ratlos zurück gelassen, da hätte ich gern nochmal die Sicht aus dem Manuscript gehabt....deshalb einen Stern Abzug. Ansonsten sehr gut gemacht! - Tom Rachman
Die Unperfekten
(201)Aktuelle Rezension von: JorokaTageszeitungen haben heutzutage gerade durch die Konkurrenz im Internet einen schweren Stand. Doch hinter den bedruckten Seiten stehen Menschen, die mit größerer oder eher geringerer Hingabe, mehr oder weniger befähigt diese Zeilen gefüllt haben. Tom Rachman bringt uns diese Menschen ein Stück weit näher. Und auch eine Leserin, zugegebenermaßen eine sehr verschrobene, wird genauer unter die Lupe genommen. Und nebenbei erzählt Rachman die Geschichte vom Traum eines einzelnen, in der ewigen Stadt eine englischsprachige Zeitung zu gründen und diese weltweit zu verbreiten. Man könnte dies als Spleen eines reichen Amerikaners abtun, doch dieses Vorhaben bestimmt über 50 Jahre einen großen Teil des Lebens vieler Menschen....
Die besonderen Stärken des Romans sind sicherlich im Schreibstil von Rachman (bzw. der anscheinend gelungenen Übersetzerarbeit) zu sehen. Rachman erweist sich als befähigter Stilist. Ihm gelingt es, 11 ganz unterschiedliche Geschichten seiner Figuren zu erzählen und sie trotzdem zu einem Geschichtsteppich zusammen zu weben. Rahmen bietet in Rückblicken ein Abriss der 50jährigen Zeitungsgeschichte. Am Ende treffen sich die Stränge in der Gegenwart wieder.
Fazit: Ein kurzweiliges Buch, gefällig geschrieben, abwechslungsreich durch die verschiedenen Lebenseinblicke, dadurch aber auch nicht zu sehr in die Tiefe gehend.
- David Mitchell
Der Wolkenatlas
(20)Aktuelle Rezension von: Caro_LesemausSechs Lebenswege, die sich unmöglich kreuzen können: darunter ein amerikanischer Anwalt, der um 1850 Ozeanien erforscht, ein britischer Komponist, der 1931 vor seinen Gläubigern nach Belgien flieht, und ein koreanischer Klon, der in der Zukunft wegen des Verbrechens angeklagt wird, ein Mensch sein zu wollen. Und dennoch sind diese Geschichten miteinander verwoben. Mitchells originelle Menschheitsgeschichte katapultiert den Leser durch Räume, Zeiten, Genres und Erzählstile und liest sich dabei so leicht und fesselnd wie ein Abenteuerroman.
David Mitchell hat mich mit diesem Buch sowohl sprachlich als auch erzählerisch völlig mitgerissen. Die Hörbuchfassung ist zudem sehr gut vertont mit verschiedenen Sprechern, die die jeweilige Epoche und den Zeitgeist sehr gut transportieren.Insgesamt werden 6 verschiedene menschliche Schicksale über Jahrhunderte auf ungewöhnliche Weise miteinander verwoben. Die ersten 5 Abschnitte enden dabei irgendwie mittendrin, was zunächst irritiert. Der 6. Abschnitt ist ihnen gegenüber sehr lang, was sich aber im Weiteren erschließt: Alle 5 Anfangsschicksale werden antichronologisch wieder aufgegriffen und weiter erzählt. Schon allein diese Idee fand ich genial. Jede Geschichte hat dann auch ihre eigene Dynamik, ihr eigenes Setting, wobei es immer wieder um Macht und Unterdrückung geht. Die Sprache fand ich gut an die jeweilige Epoche angepasst. Detailliert beschreibt David Mitchell die Umgebung aus der Ich-Perspektive des aktuellen Protagonisten. Ich fühlte mich sofort in die Szenen der Vergangenheit hinein versetzt und auch die Zukunftsvisionen hatte ich klar vor Augen. Vor allem in Timothy Cavendishs Geschichte musste ich immer wieder lachen. Es ist also auch nicht nur alles bierernst und bedrückend ;)Insbesondere die beiden Schicksale aus der Zukunft fand ich am interessantesten und berührendsten. Zachrys Erzählung aus der fernsten Zukunft ist in einer abgewandelten, neuartigen Sprache gehalten. Der Hörbuchsprecher hat dies sehr gut umgesetzt. In der Printform könnte ich mir vorstellen, dass es etwas schwierig zu lesen ist, weil man immer wieder über komische Wörter stolpert.
Fazit:Ein absolut faszinierendes Buch, das ich nur jedem ans Herz legen kann. Wenn man Hörbücher mag, lohnt sich das hier doppelt! David Mitchell hat mich mit seiner Fantasie in Staunen versetzt und geschafft, dass ich alles ganz klar vor mir sehe. Wirklich ein außergewöhnliches Werk.
P.S.: Auch der Film ist sehr lohnenswert!! - Joachim B. Schmidt
Tell
(226)Aktuelle Rezension von: textwerkbremenLiterarisches Retelling erfreut sich gerade großer Beliebtheit: Antike Mythen und überlieferte Sagenstoffe neu erzählen, ausgewählte, noch unbeachtete Figuren – insbesondere bisher ‚stumme‘ Heldinnen wie Medusa oder Penelope - erhalten eine eigene Perspektive und können eine aktualisierte oder andere Version eines scheinbar fest tradierten Narrativs geben.
Wie einzigartig, fesselnd und besonders die Wiedererzählung eines bereits vielfachen reproduzierten Stoffes funktionieren kann, zeigt Joachim B. Schmidt in seinem Roman TELL aus dem Jahr 2022. Schmidt wählt keine Überhöhung der Schweizer Nationalheldenfigur Wilhelm Tell, sondern hebt Tell als einen schlichten, starrköpfigen, äußerlich aufbrausenden und innerlich gebrochenen Menschen von seinem Mythensockel. Tell wird von seiner eigenen Familie wie von anderen Bergbewohnern weniger als Heils-, denn als Unheilsperson wahrgenommen, er ist nicht der vom Schicksal geleitete Befreiungskämpfer, der gegen die Habsburger Herrschaft antritt, sondern ein unterdrückter Bauer und Familienernährer, der ums pure Überleben, aus persönlichen Freiheits- und Rachegefühlen kämpft.
Die Tell-Sage wird zusätzlich jeglichem historischen Mittelalterstaub entledigt, indem die einen kurzen Zeitraum umfassende Handlung aus ständig wechselnden Perspektiven erzählt wird. Hier kommen alle Seiten, alle Geschlechter, alle Schichten, Haupt- wie Nebencharaktere, ja sogar nur kurz die Handlungsbühne betretende Stimmen, zu Wort, blicken in kurzen Kapiteln jeweils auf das sich kontinuierliche weiterentwickelnde Geschehen, geben jeweils ihr Wissen und ihre Meinung mit in den Handlungsverlauf. Da die agierenden wie beobachtenden Figuren zudem in ihrem ungeschönten Lebenskontext aus Brutalität, Härte und Armut beschrieben werden, erhält der Text eine zugleich erschreckende wie pulsierende Authentizität.
Ein für mich genial gestalteter Roman, der auf keiner Seite – obwohl der Kern der Geschichte bekannt ist – an Spannung oder Faszination verliert und vor allem die Brüchigkeit und Infragestellung des symbolischen Gehalts von Mythen thematisiert.
Absolute Leseempfehlung!
[unbezahlte Werbung, eigenes Exemplar]
- Bernhard Aichner
Bösland
(279)Aktuelle Rezension von: _liesmich_Klappentext: Sommer 1987. Auf dem Dachboden eines Bauernhauses wird ein Mädchen brutal ermordet. Ein dreizehnjähriger Junge schlägt sieben Mal mit einem Golfschläger auf seine Mitschülerin ein und richtet ein Blutbad an. Dreißig Jahre lang bleibt diese Geschichte im Verborgenen, bis sie plötzlich mit voller Wucht zurückkommt und alles mit sich reißt: Der Junge von damals mordet wieder …
Bernhard Aichners Sprache ist fesselnd, er versteht es mit einfachen Worten den Lesenden mitzureißen. Atemlos liest man Seite für Seite. Dieser Thriller geht mir sehr ans Herz, die Unschuld, die Schuld, die bedingungslose Freundschaft, das Bösland, dass alles nimmt einen beim Lesen mit. Nie denkt man an surreales, alles kann so gewesen sein. Und ja, auch wenn der Thriller vor dreißig Jahren in einer non digitalen Welt spielt, gab es da doch schon etwas… Videocameras 😉 - Sandy Hall
Klar ist es Liebe
(212)Aktuelle Rezension von: LostHope2000Dieses Buch ist etwas anders als die meisten Lienesromane und zwar wird hier nicht aus der Sicht der zwei Protagonisten geschrieben sondern aus 14 verschiedenen Sichtweisen darunter: Eichhörnchen, Parkbank, Bruder, Barista und Kellnerin. Die Geschichte beginnt September wo Lea ihr Erstsemester beginnt sowie Gabe. Man kann sagen es ist Liebe auf den ersten Blick aber die sind zu doof um das zu kapieren (Sorry für diesen Ausdruck). Oft habe ich geschimpft, mir an die Stirn geklatscht und hätte die beiden am liebsten mit den Kopf gegegeneinander geschlagen (Wollte auch jemand im Buch machen ;))
Die Geschichte an sich ist sehr schön aufgebaut, hinter jedem Namen steht nochmal um welche Person es sich handelt so das man nicht immer wieder zurück blättern muss. Die Kapitel sind in Monaten aufgeteilt so das man auch hier einen guten Überblick behält.
Die Hauptpratogonisten mag ich jetzt nicht sonderlich aber die Erzähler sind mir manchmal echt ans Herz gewachsen auch wenn die nur über Lea und Gabe erzählt haben ^^
Das Cover ist relativ schlicht, es passt zu einem Liebesroman. Das Herz sieht aus wie ein Baum was zu Gabes Aufsatz passt und eine wichtige Rolle in diesem Buch spielt. Wie die beiden da auf verschiedenen Seiten lehnen spiegelt eigentlich den kompletten Roman wieder. Sie fühlen sich zueinander hingezogen aber reden nicht miteinander.
Allen in allen finde ich den Roman ganz schön, besonders der Aufbau gefiel mir obwohl ich nicht ganz so mit den Erzählstil klar gekommen bin und desöfteren einfach nochmal zu lesen um es jetzt zu verstehen aber das ist bei jedem anders. Ich gebe diesem Buch 3 von 5 Sternen weil natürlich meine eigenen Meinung mit spielt aber auch weil ich es irgendwann zu lang fand aber es kann auch daran liegen weil es einfach nicht mein Genre ist, ich möchte das Buch auch überhaupt nicht schlecht machen, es ist nur nicht meins deswegen nur 3 Sterne.
- Kathrin Spoerr
Nach Feierabend
(16)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDer Roman folgt den alltäglichen Gedanken und Erlebnissen diverser Menschen, die alle in der gleichen Firma arbeiten, sich gegenseitig jedoch kaum kennen. Obwohl sie tagsüber Luft und Raum teilen, lebt jeder in seiner eigenen Filterblase, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es gibt Spannungen, Sehnsüchte, Konflikte, aber das meiste bleibt hinter der professionellen Fassade verborgen. Abends geht man heim und wechselt die Identitäten:
Ich auf der Arbeit. Ich nach der Arbeit.
Für mich ist dieser Roman gerade deshalb so großartig, weil er so unspektakulär daherkommt, dass man sich denkt: Ja, so ist es nun mal, das Leben. So ist das, wenn Menschen in den Feierabend gehen und mit dem eigenen Alltag kollidieren.
Das liest sich unterhaltsam und entspannt, alles ganz easy. Das richtige Buch für den Feierabend (was sonst): Füße hochlegen, Bierchen trinken, eintauchen in die Lebenswirklichkeit von Gestalten, die man kennt, weil es sie überall gibt. Kommt halt vor, dass man Mordfantasien hat, die man nie auslebt. Kann passieren, dass einen schnöde Dinge wie das richtige Waschpulver über alle Maßen in Anspruch nehmen.
Ist wahrscheinlich ganz normal, dass man ab und zu an der Grenze zur Eskalation entlangschrappt. Herrlich.
In der einen oder anderen Szene dachte ich mir: Das hat er jetzt doch nicht wirklich gedacht. Das wird sie ja wohl nicht tatsächlich tun? Aber man kann es so gut nachvollziehen – den Wunsch, mal so richtig auszuflippen. Der dummen Schnepfe, die einem den Stinkefinger gezeigt hat, den schicken Wagen mit dem Hockeyschläger zu zertrümmern.
Da brechen sich Frustrationen Bahn, die aus einer gewissen existentiellen Angst entstehen. Die Charaktere stehen ohnmächtig vor ihrer eigenen vermeintlichen Bedeutungslosigkeit, ohne ihre Aggressionen als Übersprungshandlung zu begreifen.
Interessant ist, wie sich die Geschichten überlappen.Das Buch springt in vielen kleinen Kurzgeschichten von Person zu Person, wechselt ständig die Perspektive. Da sich aber alles im Umfeld dieser einen Firma abspielt, wandern manche Charaktere durch verschiedene Handlungsstränge, was der Geschichte einen losen Rahmen gibt.
Die Interessen, Wünsche und Ängste werden immer skurriler, ohne ins Unglaubwürdige abzudriften, und genau diese Gratwanderung ist der Clou des Ganzen. Aber man spürt: lange kann das nicht mehr gutgehen. Zu hauchdünn ist die Membran zwischen Leben und Erdulden.
Fazit
Bin ich auf der Arbeit ein anderer Mensch als nach Feierabend? In einer Anzahl von Kurzgeschichten folgt der Roman verschiedenen Charakteren vom Arbeitsleben in die Privatsphäre, und da tut sich ganz unspektakulär so mancher Abgrund auf.
Eine übergreifende Handlung gibt es nur in Grundzügen, aber das Buch liest sich großartig – amüsant, clever geschrieben, überraschend und durchaus mit Tiefgang.
Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:https://wordpress.mikkaliest.de/rezension-kathrin-spoerr-britta-stuff-nach-feierabend/ - Katharina Bendixen
Taras Augen
(38)Aktuelle Rezension von: Literaturgalaxien
Nach einem Chemieunfall in der Factory 11 wird Taras und Alúns Heimatort zur Sperrzone erklärt.
Die Menschen werden zu Flüchtlingen, wer nicht bei Verwandten unterkommt, wird in Notunterkünften untergebracht.
Monate später wird das Gebiet rund um die Fabrik zur "Gelben Zone" erklärt – sprich, die Menschen, die von dort kommen, verlieren ihren Platz in der Notunterkunft und können auch keinen Anspruch auf Entschädigungsgeld geltend machen.
Taras Mutter, die als mäßig erfolgreiche Künstlerin arbeitet, zieht mit Tara und dem Großvater zurück in ihr altes Haus.
Doch dann beginnt Tara unter Gesichtsfeldstörungen zu leiden.
Währenddessen sucht Alún, der jetzt in Tonfato lebt, nach Tara. Denn sie ist seine große Liebe, auch wenn er vor Monaten alles verbockt hat. Um ihr seine Liebe zu beweisen, beginnt er, Fliesen mit Taras Augen an öffentlichen Plätzen anzubringen und lernt so auch eine junge Street-Art-Künstlerin kennen, die ihm hilft, den wachsamen Augen der Securitys zu entkommen.💬 Meine Meinung
Taras Augen nimmt sich der Themen Leben nach einer Umweltkatastrophe und Chancenungleichheit an. Denn wie überall auf der Welt muss man auch in Tonfato Geld haben, um bleiben zu können. Jenen, die wenig bis nichts haben, bliebt keine Chance, als sich dem gesundheitlichen Risiko auszusetzen und in den kontaminierten Heimatdistrikt zurückzukehren – oder aber, in Tonfato zu bleiben und obdachlos zu werden.Ich muss zugeben, ich hab ein bisschen gebraucht, bis ich so richtig in das Buch gekippt bin, was vor allem an den futuristischen Namen liegt, die alle so ungewohnt sind, sodass ich immer wieder zurückblättern musste, sowie mir auch etwas zu viele Themen in den Roman gepackt waren (die Themen Street Art/ Leben von der Kunst haben den Roman dann doch etwas gesprengt). Aber die Handlung wurde dann wirklich spannend und vor allem sehr berührend. Denn Tara – und noch weitere Jugendliche – erblinden, und niemand will darüber sprechen.
Fazit: Insgesamt ein ungewöhnlicher Jugendroman, der nicht nur eine Botschaft hat, sondern auch wirklich spannend ist und die Gedanken und Gefühle von Teenagern gut widerspiegelt. Etwas für anspruchsvolle junge Leser:innen – denn der Stil fordert durchaus ein bisschen heraus!
(kein Rezensionsexemplar, Jänner 2023)
- Tania Carver
Jäger
(79)Aktuelle Rezension von: JenniSEigentlich wollte die Polizeitprofilerin Marina Esposito über Ostern mit ihrer kleinen Familie ihren Urlaub genießen. Aber jemand hatte anderes im Sinn.
Wie kam es zu der Explosion im Cottage?
Wo ist die kleine Josi?
Und vor allem: Wer ist der Golem?
Ich liebe bisher ja wirklich alle Teile der Reihe, aber dieser hat mich nochmal mehr vom Hocker gehauen!
Spannung von Seite 1 bis Ende, 2/3 des Buches habe ich innerhalb von 24 Stunden -man muss es so sagen- verschlungen!
Man lernt die Familie um Marina und auch die Protagonistin selbst besser kennen. Phil kommt mir in diesem Band etwas zu kurz - aber hat seine Gründe. Auch die Entwicklung der anderen Charaktere und ihre Beziehungen fand ich super.
Ein mini Kritikpunkt: mir ging das Ende dann etwas zu schnell und ich habe noch ne ungeklärte Frage - aber da ich ja schon weiß, dass es eine Fortsetzung gibt bin ich sehr gespannt was noch alles auf die beiden zukommt!
4,5 / 5 Sternen
- Iris Murdoch
Der schwarze Prinz
(5)Aktuelle Rezension von: TheSaintHerrlicher Schreibstil (bezieht sich auf die englische Ausgabe!). Nette unspektakuläre Geschichte mit interessanten Charakteren. Leider gerät die Geschichte gegen Ende etwas aus dem Ruder und wird bei den "P.S." der Charaktere direkt anstrengend zu lesen. Schluß verwirrt und ließ mich etwas ratlos zurück. Überwiegend jedoch ein tolles Lesegefühl (bezogen auf die englische Ausgabe). - Julie Otsuka
Solange wir schwimmen
(27)Aktuelle Rezension von: hamburgerlesemaus„Du hast immer gedacht, sie würde ewig leben. Sie war nie krank. Sie hat nie geklagt. Sie hat sich nie einen einzigen Knochen gebrochen. Sie war, solange du denken kannst, bärenstark.“ (S. 135)
Jetzt hat sie Demenz und warten im Heim darauf, von dir oder deinem Vater abgeholt zu werden. Sie hat bereits alle ihre Sachen in ein Kissenbezug gestopft, aber keiner wird Alice heute oder jemals wieder nach Hause fahren. „Ganz allmählich beginnt sie zu verschwinden […]“. (S. 136)SOLANGE WIR SCHWIMMENJulie Otsuka
… ist die Geschichte von Alice, die eine unheilbare Krankheit hat und in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Wir erfahren in kurzen, knappen Sätzen, wie ihr Leben zuvor verlief, aber auch verlaufen wird, denn das Pflegeheim hat kaum Kapazitäten, sich um jeden einzelnen Patienten angemessen zu kümmern.
Es ist eine traurige Geschichte, die mir sehr naheging.
Zugegeben, die ersten beiden Kapitel mit diesen vielen stilistischen Mitteln gefielen mir nicht und irgendwie kam mir diese Schwimmgruppe auch so unglaublich kleinkariert vor, aber als ich dann merkte, dass der Fokus sich auf Alice konzentrierte und mir die liebe @maria riet, durchzuhalten und das Buch nicht abzubrechen, bekam das Buch eine Wende, und ich konnte mich auf den besonderen Schreibstil einlassen.
Fazit:
Ein kleines Juwel, dieses feine und tief traurige Buch. Große Leseempfehlung.
4/ 5
- Mark Lamprell
Jede Liebe führt nach Rom
(29)Aktuelle Rezension von: Kristine_liestDrei Handlungsstränge, die von drei Beziehungsgeschichten erzählen, die alle in einer Stadt spielen - in Rom. Mehr oder weniger ist dieser Roman eine Episodengeschichte, sie handelt vom Suchen und Finden der Liebe.Die Charaktere der einzelnen Stränge sind authentisch und echt beschrieben, die Erlebnisse amüsant und unterhaltsam.Und dennoch zog sich für mich die Lektüre gerade im Mittelteil... Ich kann gar nicht genau festmachen, woran es lag, denn der Schreibstil ist durchaus flüssig und angenehm zu lesen. - Bernd Frenz
Der Groll der Zwerge
(8)Aktuelle Rezension von: sechmetDer Große Krieg ist dreißig Jahre her. In dieser Zeit herrschte Frieden. Doch der endet jetzt.Denn die Steinmetzte der Zwerge bringen einen heiligen Fluss der Elfen zum Versiegen, als sie neue Grabkammern in der Nekropole Felsheim in den Berg schlagen. Und genau dadurch lebt ein alter Zwist wieder auf. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kommt der Ork Grimm aus seinem Exil zurück, um mit seinen alten Feinden abzurechnen. Aber auch die Menschen beweisen ihre Arglist…
Der Autor Bernd Frenz hat einen Schreibstil, den man flüssig und schnell lesen kann. Die Figuren sind allesamt interessant. Und wenn die Figuren noch etwas detaillierter gewesen wären, wären sie richtig gut. Aber auch so, gefallen sie mir gut. Insbesondere gefallen mir Binek und Imtje. Die Zwerge sind genauso, wie man es erwartet und die Elfen sind etwas überheblicher.
Bei der Story habe ich ein wenig gebraucht, um damit wirklich warm zu werden. Aber wenn man sich dann erst einmal darauf eingelassen hat, kann man sich irgendwann nicht mehr wehren und liest einfach immer weiter. Und trotzdem fehlte mir bei der Story das gewisse Etwas. Trotzdem gefällt es mir, dass hier nicht die Völker direkt in die Schubladen Gut / Böse gepackt werden. Denn jedes Volk hat seine guten und auch schlechten Momente.
Unterm Strich ist es ein recht unterhaltsamer Fantasy-Roman. Da dieses der erste Band ist, bin ich gespannt, wie sich die Story und auch die Figuren weiterentwickeln. Ich hoffe, dass der nächste Band fesselnder wird. Wer einen unterhaltsamen Fantasy-Roman sucht, wird hier sicherlich fündig. Man sollte aber dabei bedenken, dass die Story nicht so tiefgründig ist, wie es bei anderen Romanen dieses Genres der Fall ist. - Maria Blumencron
Kein Pfad führt zurück
(7)Aktuelle Rezension von: XirxeSechs Kinder, keines älter als 10 Jahre, werden von ihren Eltern von Tibet aus ins Exil nach Indien geschickt. Gemeinsam mit einem Fluchthelfer, Mönchen und anderen Erwachsenen fliehen sie über den Himalaya nach Nepal und reisen von dort weiter nach Dharamsala. Maria Blumencron, Schauspielerin und Filmemacherin, begegnet dieser Gruppe nachts in den Bergen, als diese gerade die chinesische Grenze überquert hat. Sofort schließt sie alle Kinder in ihr Herz und ist seitdem deren Notfallmutter und Patin, die 'The Six' (wie sie sich später nannten) bis heute begleitet hat. Maria Blumencron und Chime, eines dieser Kinder und heute 22 Jahre, beschreiben in diesem Buch abwechselnd wie es dazu kam, dass sie sich im höchsten Gebirge der Welt begegneten und wie ihr gemeinsames Leben weiterging. Man erfährt vom Aufwachsen in tibetischen Kinderdörfern, wie groß die Sehnsucht nach Liebe, Zuwendung und Nähe wird und wie sich eine tibetisch-deutsch-österreichische Familie zusammenraufte. Ganz nebenbei nutzt Maria Blumencron die Gelegenheit, ihre 'verkorkste' Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten, was für meinen Geschmack doch eher etwas fehl am Platze war. Die Einschübe der aktuellen Nachrichten aus Tibet sowie die ergänzenden Informationen zum tibetischen Leben fand ich hingegen durchweg von Vorteil. Viel zu schnell sind solche Dinge aus den täglichen Nachrichten verschwunden und geraten dadurch bedauerlicherweise in Vergessenheit. Alles in allem ein berührendes Buch, wobei ich den Schreibstil von Frau Blumencron nicht immer gelungen fand. Ihre humorvollen Ausführungen waren zwar schön zu lesen, doch die manchmal unmittelbar darauffolgende blumige oder fast schon esoterische Ausdrucksweise wirkte nicht sehr passend. - Johanna Paul
Das kleine Friesenhaus am Meer: Ein Nordsee-Roman
(41)Aktuelle Rezension von: sarah83sbookshelfIrgendwann ist es genug und somit steigt Emma eines Tages in München ins Auto und fährt in Richtung Norden. Weg von ihrem Mann, weg von den Vorwürfen und seinem Getue. Es verschlägt sie mit ihrem restlichen Geld in den Ort ihrer Kindheit. Während sie versucht ihr Leben neu zu ordnen, steht eines Tages ihre Nichte Sina vor der Tür. Auch sie musste flüchten, wenn auch aus einem ganz anderen Grund. Als schließlich noch Jonas auftaucht, ist das Trio vereint und es gilt gemeinsam den vielen Stolpersteinen, die sich Leben nennen, auszuweichen.
Ein Buch über Neuanfänge und Missverständnisse. Ein Buch über darüber, wie es ist, aus einer Situation auszubrechen, die dem eigenen Leben nicht gut tut. So sonnig das Buchcover wirkt, das Buch hat mehr Tiefgang, als es im ersten Moment erscheinen mag.
Es zeigt, wieviel Menschen mitunter auf sich nehmen, um anderen zu gefallen und nicht anzuecken und wie schnell sich diese Menschen selbst verlieren.Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Emma, Sina und Jonas erzählt, wodurch der Leser näher an die jeweiligen Probleme und Gefühle rückt. Mal traurig, doch zumeist zutiefst optimistisch zeigt sich, wie sehr der Glaube an sich selbst und die richtigen Menschen im Umfeld Berge versetzen können und das Leben von jetzt auf gleich lebenswerter sein kann.
Das Buch kommt ohne die großen Regeln der Achtsamkeit aus und zeigt durch Empathie und Perspektivwechsel, wie sich Menschen fühlen und wie sich dies auf die Gesellschaft auswirkt. Der Roman lädt dazu ein, alte Fesseln zu überdenken und abzuschütteln, denn das Leben ist schön.
4 von 5 Friesenhäusern
- José Eduardo Agualusa
Die Frauen meines Vaters
(6)Aktuelle Rezension von: aus-erlesenWenn man sich am Freitagabend durch die Fernsehsender zappt, schwappt einem eine Überzahl an Talkshows entgegen. Es gab Zeiten, da wurde mit dem Hackebeil ein politisches Statement abgegeben. Oder Rockröhren zeigten vor laufender Kamera wie sich Geschlechtsgenossinnen mal was Gutes tun können. Und heute? Quietschvergnügt dahockende Moderationsmarionetten freuen sich tierisch, dass „Promis“ in „ihrer Show“ Belanglosigkeiten absondern, die nun wirklich keinen mehr hinter dem Ofen vorlocken. Geschichtenerzähler sind echte Mangelware geworden. Die verantwortlichen Redakteure sollten Mal José Eduardo Agualusa einladen. Der kann erzählen… und zwar die Geschichte von Faustino Manso, einem angolanischen Musiker, dessen Geschichte nur auf dem Papier vorbei ist. Denn da ist von Laurentina, seine Jüngste. Die bis vor Kurzem noch gar nicht wusste, das Faustino im Stunden Flugkilometer entfernten Angola ihr Erzeuger ist. Ihre Mutter hat ihr auf dem Sterbebett eine Briefbeichte hinterlassen. Von nun an kennt Laurentina nur noch ein Ziel: Ihren Vater kennenlernen.
Auf dem Flug nach Angola liest sie in Zeitungen einen Artikel über ihren bekannten unbekannten Vater. Eine Legende war er! Lebte im gesamten südlichen Afrika und gründete Familien, wo er sein Haupt bettete. Aber er war und blieb ein Rolling Stone. Die Todesanzeigen in derselben Zeitung übertreffen sich in Huldigungen und Lobeshymnen. Wird sie wirklich willkommen sein? So viele Frauen und Mütter und Kinder – und dann sie. Die Frau, die im vermeintlich reichen Portugal aufwuchs, sie nie meldete? Doch hier ist Afrika. Und Familie ist eben nun mal Familie. Da gibt es keine Ausnahmen. Und so taucht Laurentina in ein Leben ein, das sie niemals vermisst hat bis zu den Tagen, die ihr weiteres Leben verändern werden.
Man kann José Eduardo Agualusa nicht vorwerfen phantasielos zu sein. Schnell vertieft man sich in sein Buch und merkt gar nicht wie die Zeit vergeht. Zwanzig, fünfzig, hundert, zweihundert Seiten verfliegen im Nu. Erst wenn man die letzte Seite erreicht hat, nimmt das beklommene Gefühl von einem Besitz, dass diese Geschichte nun doch ihr unwillkommenes Ende gefunden hat. Es ist nicht die Eleganz der Worte, die hier brilliert, sondern der Einklang aus zwei Welten, der zu einer Sinfonie für die Sinne anhebt. Ein bisschen Lagerfeuerromantik kommt auf, wenn man über die Zeilen fliegt. Fast scheint der Autor im flackernden Licht der Flammen zu sitzen und vom Leben, vom Hier und Da, von Einst und Heute zu berichten. So als ob Faustino Manso immer noch unter den Lebenden weilen würde. Wer Afrika verstehen will, wer wissen will wie Familie richtig funktioniert – und warum - kommt um dieses Buch nicht herum.