Bücher mit dem Tag "verschwundene welt"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "verschwundene welt" gekennzeichnet haben.

10 Bücher

  1. Cover des Buches Der nächtliche Rat (ISBN: 9783458172918)
    Dževad Karahasan

    Der nächtliche Rat

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Liisa
    Der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan ist wohl spätestens seit er 2004 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wurde auch unter deutschen Literaturfreunden bekannter geworden. Ich wollte schon länger mal etwas von ihm lesen und habe mich nun für seinen 2006 erschienen Roman »Der nächtliche Rat« entschieden. Darin erzählt er von Simon Mihailović, der im Sommer 1991 nach 25 Jahren seine Geburtsstadt Foča wieder besucht. Der Krieg zieht bereits herauf und das Misstrauen unter den Menschen wächst. Seine anfängliche Freude über das Wiedersehen mit seiner Stadt und seinen alten Freunden schlägt bald in Grauen um, als vier ihm nahestehende Menschen kurz hintereinander ermordet werden und der Verdacht auf ihn fällt. Seltsame Dinge tragen sich zu, Realität und (Alb-)Traumphasen scheinen sich zu mischen. Dann steht Enver Pilav, sein verschollener bester Freund, ein Sufi-Mönch, vor der Tür. In langen Gesprächen geschieht etwas in Simon und er öffnet sich quasi für eine andere mythisch-religiöse Dimension und der Roman nimmt eine überraschende Wende. »Der nächtliche Rat« ist ein ungewöhnlicher, kraftvoller und spannender Roman. Spannend nicht im Sinne wie ein Krimi spannend ist - auch wenn es Tote gibt und er Krimi-Elemente enthält - nein, es ist die Spannung, die sich am Vorabend des Krieges immer mehr verdichtet und die Spannung, die aus der Art von Karahasans Erzählstil erwächst. Dževad Karahasan ist ohne Zweifel ein beeindruckender Erzähler.
  2. Cover des Buches Das Ministerium der Schmerzen (ISBN: 9783833304613)
    Dubravka Ugresic

    Das Ministerium der Schmerzen

     (6)
    Aktuelle Rezension von: Farbwirbel

    Ein irreführender und ebenso treffender Titel ziert das Cover des 2004 erschienenem Romans von Dubravka Ugresic. 'Das Ministerium der Schmerzen' ist ein Werk über die Zerissenheit von Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, sich selbst in einer neuen Sprache wiederfinden müssen und Traumata verwinden. Die Protagonistin Tanja Lucić stammt aus Zagreb, studierte dort Literaturwissenschaften und musste aufgrund der Ausschreitungen im vormaligen Jugoslawien das Land verlassen.

    Ich weiß nur, dass ich längst abgereist und noch nirgends angekommen war. - S. 16

    Auf dem Weg nach Amsterdam streift sie zuerst durch Berlin, trennt sich dort von ihrem Mann und bekommt dann das Angebot, in Amsterdam Serbokroatisch an der Universität zu unterrichten und eine Wohnung gestellt zu bekommen.

    Auf dieses Unterfangen lässt sie sich ein und handelt dabei gegen die Prinzipien eines Professors, denn sie entwickelt eine eigene Art des Unterrichtens. Ihr Studierenden sind alle Betroffene des Krieges, jeder hat seine eigene Geschichte und auch seine eigene Sprache. Um die Gruppe zusammenzubringen und auf der Suche nach ihrer Identität packen sie einen Koffer mit Texten über Jugoslawien. Dinge, die sie nicht vergessen wollen, Dinge, die sie vergessen wollen – von Rezepten bis zu Kriegserfahrungen ist alles dabei.

    Sobald ich den Unterrichtsraum zum ersten Mal betrat, erkannte ich die Unsrigen. Die Unsirgien liefen mit einer unsichtbaren Ohrfeige im Gesicht herum. Sie hatten den schrägen Blick eines ängstlichen Hasen, eine besondere Anspannung, etwas von einem Tier, das lauert, aus welcher Richtung Gefahr drohen könnte. Die Unsrigen verrieten sich durch eine nervöse Wehmut im Gesicht, durch einen verdüsterten Blick, einen Schatten der Abwesenheit, eine kaum sichtbare innere Geducktheit. - S. 22

    Tanja und die Studierenden wachsen zusammen, verbringen viel Zeit in Cafés zusammen und lassen sich in ihre Blase fallen. Dabei wirkt Tanja stets über den Dingen schwebend, so als wäre sie in dem Geschehen nicht wirklich verwurzelt und dadurch nicht ganz dabei.

    Ein Wendepunkt der Geschichte birgt die Kritik des Institutsleiters an Tanjas Arbeit, denn diese Kritik kam von einem ihrer Studierenden. Verletzt setzt sie zum Gegenschlag an und sie unterrichtet distanziert und strukturiert die serbokroatische Literatur. Ihr geht es nicht gut damit und auch die Studierenden sind nicht zufrieden damit.

    Die Grundstimmung des Romans ist sehr tragend und beklommen. Gerade Tanja, die oft in poetischen Gedanken zum Krieg, zur Identität und zu sich selbst wiederzufinden ist, lässt diesen Eindruck entstehen. Die Sprache ist wunderschön und gleichzeitig, wie als würde man Glas essen, denn was geschrieben wird, ist hart und erschütternd.

    Ich hatte zuvor kein großes Wissen über die Zusammenhänge des Zusammenbruchs Jugoslawiens und auch jetzt bin ich durch das Buch nicht im Bilde von historischen Fakten. Das ist aber nicht der Anspruch des Romans. Es geht darum, den Axthieb in der Seele der Geflohenen zu zeigen, dass der Verlust von Heimat und Existenz unvorstellbar ist, auch wenn der Roman eine Annäherung daran gibt.

    Dennoch muss ich gestehen, das Buch hatte seine Längen. Das Thema ist mit zarten Fingerspitzen bearbeitet worden, doch zwischenzeitlich ging für mich die Verbindung von Leser und Text verloren. Nichtsdestotrotz war es ein berührendes und wenig pathetisches Buch, das mir einen Einblick in die Thematik gab und zutiefst treffend Menschlichkeit abbildet.

  3. Cover des Buches Im Schatten des Urahnenbaums, (ISBN: B002BR82H8)
    Camil Sijaric

    Im Schatten des Urahnenbaums,

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Ein Buch voller Bausymbolik, das mir unglaublich gut gefallen hat. Ich hatte zwar den Eindruck, dass es relativ abrupt endete, d. h. mehrere Details ungeklärt blieben, doch ist das der einzige Kritikpunkt an diesem Buch, das von der Zwischenkriegszeit im muslimischen Nordostteil Montenegros berichtet. Als Werk steht es deutlich in der Nachfolge von Ivo Andrićs großen historischen Romanen, und obwohl sehr viele Figuren auftauchen, konzentriert es sich auf einige wenige. Allein die Ausgangssituation: der Windhund jault auf ungewöhnliche Weise, was man als Zeichen deutet, dass jemand im Haus sterben wird. Das alte Familienoberhaupt geht raus und setzt sich unter den Ahornbaum, den einer seiner Vorfahren pflanzte. Er spielt wie ein Kind mit Steinchen und beginnt sich an sein Leben zu erinnern. Wen das nicht sofort gefangen nimmt, dem sei von diesem Werk zwar nicht abgeraten, aber diese ruhige poetische Art ist schon recht prägend für die Familiengeschichte, die im wesentlichen auf den Stammsitz im Bihor-Gebirge beschränkt bleibt. Es ist erstaunlich, wie viele Geschichten Sijarić mit so wenigen Figuren erzählen kann, ohne unglaubwürdig zu werden. Die Figur des Amar weist übrigens deutliche Parallelen zur Biographie des Autors auf (höhere Schule in Skopje, Studium in Belgrad). Der Autor ist zudem in der Lage große Bilder zu schaffen: Als etwa ein Familienmitglied mit einem Messer verletzt wird, heißt es: „Alle waren sie jetzt ein Baum, alle waren sie verwundet, alle bluteten sie.“ Poetischer kann man den Wunsch nach Blutrache kaum schildern. Hier geht es aber nie um die bloße Wiedergabe solcher überkommenen Bräuche, sondern um ihre Überwindung. Eines der Hauptthemen ist (was man erst im Nachhinein merkt) die Rolle der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft. So ernst wie es vielleicht klingt, ist das Buch aber gar nicht und so gibt es immer wieder auch tragikkomische Szenen, etwa jene mit dem Mann mit dem Grammophon. Eine der zentralen Szenen ist ein Reitturnier auf einem Gebirgsplateau (der Weg dorthin kommt einer der Hauptpersonen vor wie der „Gang in eine ferne Zeit.“), welches ein weiteres wichtiges Thema (das untergehende Osmanische Reich) auf gelungene Art und Weise abhandelt.
  4. Cover des Buches Tagebuch der Aussiedlung (ISBN: 9783851291186)
    Dževad Karahasan

    Tagebuch der Aussiedlung

     (1)
    Noch keine Rezension vorhanden
  5. Cover des Buches Garten, Asche (ISBN: 9783518018781)
    Danilo Kis

    Garten, Asche

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Diese Auseinandersetzung mit der tragischen Gestalt seines Vaters hat mir einiges abverlangt, irritiert mich und die aufgeweichte Realitätswahrnehmung erschwert die Lektüre zusätzlich. Durch manche (fast schon neurotisch-zwanghafte) Passagen wie eine Aufzählung von einigen Hundert Adjektiven oder extrem lange Sätze mit Hunderten Wörtern (einer hat fast 300!) habe ich mich regelrecht gequält, weil ich sie unbedingt verstehen wollte. Man kann sie aber vielleicht auch einfach überlesen. Viel störender ist die starke Kodierung, denn für meinen Geschmack ist einfach zuviel in Andeutungen verschlüsselt und in Fetzen zerrissen. Auch sind mir die religiösen Aspekte zu fremd, um sie voll zu durchdringen. Auf mich wirkt das Buch etwas überfrachtet und zu 'verkopft'. Dieses Buch braucht Leser, die einen sehr ähnlichen Erfahrungshorizont haben oder aber die bereit sind, sich sehr intensiv mit einem Autor zu beschäftigen.
  6. Cover des Buches Das Buch Blam (ISBN: 9783423123402)
    Aleksandar Tisma

    Das Buch Blam

     (10)
    Noch keine Rezension vorhanden
  7. Cover des Buches Götz und Meyer (ISBN: 9783518456965)
    David Albahari

    Götz und Meyer

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Bücher von David Albahari sind oft anstrengende Lektüre, weil es wie bei den anderen großen jüdischen Schriftstellern Serbiens (Aleksandar Tisma und Danilo Kis) um die Aufarbeitung und den Umgang mit der Erinnerung geht, weil versucht wird, so viel wie möglich festzuhalten, und niemand in der Lage ist, festzustellen, was nach dem Massenmord von Jasenovac und den hier beschriebenen Wahnsinnstaten der Deutschen bewahrenswert ist. Was die Lektüre aber ungemein erschwert, ist nicht so sehr die Trostlosigkeit, die viele dieser Werke (etwa "Das Buch Blam" oder "Garten, Asche") ausstrahlen, denn die ist mehr als verständlich, sondern die Art und Weise, in der es präsentiert wird: Wie auch "Tagelanger Schneefall", der Exil-Roman Albaharis, ist dieses Buch komplett ohne Absätze geschrieben. Das verleitet sehr schnell dazu, alles zu überfliegen. Man kommt kaum zum innezuhalten und reflektiert somit auch nicht, was man da liest. Es fiel mir immer dann auf, wenn ich nach einer Pause weitergelesen habe, und erst eine Weile brauchte, um die Stelle wiederzufinden. Das ist schade, denn Albahari zeigt hier einen Lehrer, der als einer von wenigen aus seiner Familie den Holocaust überlebte, und nun - fast fünf Jahrzehnte später - seinen Schülern klarmachen will, was es heißt, wenn man in ein Konzentrationslager aufbricht, und welche grausam-zynische Tötungsmechanismen die Deutschen auch hier ausprobierten. Diese Gaswagen, die alle Menschen im Frachtraum des Fahrzeugs mittels der Autoabgase töten, fuhren - von dem KZ aus - durch die Straßen der Stadt, während sich die Fahrer langweilten und vermutlich an zahllosen ahnungslosen Passanten vorbeifuhren. Ihm geht es vor allem um die Täter, um deren Schutzmechanismen, mit denen sie sich bemühten, sich nicht die Hände dreckig zu machen, während Zentimeter hinter ihnen bis zu 100 Menschen auf einmal starben. Dieser Genozid, der im Fall von Belgrad zirka 5.000 Frauen, Kinder und Alte betraf, ist angesichts der gewaltigen Opferzahlen des Zweiten Weltkriegs vielleicht übersehen worden, doch was es für einen einzelnen Menschen bedeutet, das zeigt Albahari hier in seinem gewohnten Stil zwischen Realität und Fiktion schwankend, und doch dichtet er nichts hinzu.
  8. Cover des Buches Das Museum der bedingungslosen Kapitulation (ISBN: 9783518395707)
    Dubravka Ugresic

    Das Museum der bedingungslosen Kapitulation

     (5)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Die Literaturwissenschaftlerin berichtet lauter interessante Details aus der Frühphase des Auseinanderbrechens Jugoslawiens. Vor allem beschäftigt sie sich dabei aber mit der Manipulierung von Erinnerungen (etwa der Falschbeschriftung oder Vernichtung von Fotos) und der Geschichte (z. B. Umdeutung von Persönlichkeiten). Aufhänger des Buches ist ein Besuch in Berlin, so dass diese Außensicht der Kroatin auf die deutsche Hauptstadt und ihren brüchigen Untergrund ebenfalls zu den Stärken zählt. Wie sicher sie die Fragilität Berlins beschreibt, (allein dieses Bild von den gelben Davidsternen, schwarzen Hakenkreuzen und roten Hämmern/Sicheln – brillant) wie ungewohnt sie diese Stadt wahrnimmt, hat mich tief beeindruckt, obwohl ich kaum fünf Mal dort war. Daneben geht es noch um ihr Verhältnis zur Mutter, russische Kunst oder eine Erscheinung bei einem Zirkel, Erlebnisse in München, Boston, Lissabon, Zagreb und Geschehnisse in Bosnien-Herzegowina. Durch diesen vielgestaltigen Roman kann man so viele Dinge besser verstehen, dass er die Bestnote verdient hat. Humanistisch, poetisch, klug, unbequem, durchkomponiert, melancholisch, grandios.
  9. Cover des Buches Die Frauen des Hadschi (ISBN: B0000BNXQU)
    Camil Sijaric

    Die Frauen des Hadschi

     (1)
    Noch keine Rezension vorhanden
  10. Cover des Buches Hypnose (ISBN: 9783801503062)
    Hanna Krall

    Hypnose

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Mit dem sehr offenen Stil des Erzählens dürfte so mancher Leser Probleme haben: Manchmal wünscht man sich einfach auch mal Klarheit darüber, was sie mit all den Pünktchen andeuten will ("..." kommt auf jeder Seite mindestens einmal vor). Auf der anderen Seite ist es genau das, was das Buch so lesenswert macht. Das hier sollte niemand nebenbei lesen, man soll Pausen einlegen und darüber nachdenken, und meistens versteht man es dann auch. Wären es pure Erzählungen geworden, hätte man viele ihrer Anspielungen überlesen. So entwickelt sie aus dem Grauen der Vernichtung ein Panoptikum Polens (und Deutschlands sowie Israels), ist bemüht, wirklich alles abzudecken: polnische Antisemiten und Helfer, jüdische Verräter und Kämpfer, deutsche Mörder und solche, die man mit der Waffe am Kopf zum Mord zwingen muss. Aus diesem vielfältigen Spektrum entdeckt Krall einem erstaunliche Details: wie die Chassiden von Kock (dt. Kotzk), die in Treblinka umgebracht wurden, in den Köpfen der Befreiten von Bergen-Belsen (!) weiterleben werden, weil sie mit deren Gesängen ihren ersten Sabbat in Freiheit erleben, etwa. So etwas erkennt man aber nur, wenn man gründlich liest. Das Hauptproblem solcher Bücher ist aber die Gratwanderung zwischen Realität und Realismus. Wenn man nicht weiß, was davon wirklich so geschehen ist, verliert es an Wert, ja man beginnt Dinge zu hinterfragen. Die Autorin versucht es dadurch zu lösen, dass sie bei einigen Erzählungen Fußnoten verwendet, doch macht es das nur bedingt besser, da es dadurch noch mehr zwischen Erzählung und Abhandlung schwankt. Ich habe das Buch einige Male zur Seite gelegt, seit ich es vor zwei Wochen angefangen habe, irgendwie hat mich schon die erste Erzählung geärgert, doch zum Glück habe ich mich auch von den nächsten Geschichten nicht verschrecken lassen, denn es wird immer besser und besser. Wenn man auf dem Umschlag etwas von Meistererzählungen liest, und gleich die erste so unfassbar unglaubwürdig ist, dann quält man sich da – trotz der Kürze – schon heftig durch, bis man anhand des Schlusses erkennt, dass das alles genau so passiert und kein Stück weit erfunden ist. Genau dadurch wird vermittelt, welch absurde Geschichten die Realität schreibt. Das ist kein Spoiler, sondern soll all denen helfen, die ähnlich wie ich an diesem selbstlobenden Stil kleben bleiben, der die ersten Erzählungen schwer erträglich macht. Diese absolut glatt geleckten und tadellosen Figuren sind schwer zu ertragen, besonders, wenn man sie für erfunden hält. Erst die Erzählungen, die mehr im Reportagestil verfasst wurden, entwickeln wahre Größe, berichten kleine Details, die viele nicht kennen dürften. Einige Dinge fand ich unnötig, etwa die mehrfache Erwähnung des Aussehens des Dr. Mengele, die für mich keine erkennbare Relevanz hatte. Auch die Wiederholung des Bildes mit der Ausbürgerung von Juden durch Polen, erschien mir unnötig. Manche Wiederholung hängt aber vielleicht damit zusammen, dass "Hypnose" eine deutsche Zusammenstellung von Werken aus den Jahren 1978 bis 1996 ist. "Schwierigkeiten beim Aufstehen" behandelt die Unterwanderung der Solidarnosc-Bewegung, "Doktorarbeiten" antisemitische Diskriminierung im Polen der späten 1960er Jahre. Danach hatte ich erneut Probleme weiterzulesen, denn die "Hauptsache ICH bin toll"-Einstellung konnte ich noch nie leiden. Das ist mir einfach zu platt. "Rosenfeld" schildert Entwurzelung, "Eine Story für Hollywood" Ghostwriting. "Hypnose" ist zwar die Titelgeschichte, aber eher ein zersplittertes Wanken durch die polnisch-jüdische Geschichte, das auch Bilder aus Israel einbezieht. Sie erwähnt verständnislose Amerikaner und desinteressierte Israelis, umgenutzte Synagogen und kritisiert mehrfach Israel. Dazu sollte man vielleicht anmerken, dass Krall selbst polnische Jüdin ist, was auf und in meiner Ausgabe nirgends erwähnt wird, so dass ich bei einigen Sachen überlegte, ob sie da nicht etwas weit geht für eine Polin, und mich doch erst mal über sie informierte. Die nächste Erzählung überzeugte mich dann aber von der Qualität der Autorin: "Das Eckhaus mit dem Türmchen" enthält schon erwähntes Detail zu den chassidischen Juden von Kock, berichtet von dem schwierigen Umgang mit der Vergangenheit des Ortes (etwa mit den jüdischen Gräbern). Auch alle folgenden Erzählungen sind überdurchschnittlich: "Begegnung im Bialy-Tal" verknüpft extrem geschickt wenige Namen zu einem Mosaik der polnischen Geschichte (v. a. ab 1939) und berichtet dabei vom Streit um Tote zwischen verschiedenen Verteidigungsorganisationen der Polen. Ein sehr dichtes Meisterwerk mit schockierend-bewegenden Szenen! „Der Hintergrund des Auges“ berichtet vom RAF-Terroristen Stefan Wisniewski und seinem polnischen Vater, „Die Nacht der Vereinigung“ zeigt deutsche Lebensläufe in einem äußerst gelungenen Bild (v. a. der Schlußabsatz), „Pola“ kehrt schließlich nach Kock bzw. in dessen Umgebung zurück. Das ist eine andere Stärke des Buches: Trotz der Zusammenstellung gibt es einen roten Faden, etwas das das Buch vollkommen macht und ihm genau dadurch Größe verleiht. Hart geht sie mit allen ins Gericht. Es ist immer schwer Bände mit Erzählungen zu bewerten. Der hier steht bei mir zwischen vier und fünf Sternen, weil auch die, die mir nicht so gefielen ihre Berechtigung für das Gesamtkonzept haben.
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