Bücher mit dem Tag "wilhelm ii"
13 Bücher
- Ken Follett
Sturz der Titanen
(1.287)Aktuelle Rezension von: SM1"Sturz der Titanen" ist der erste Roman der dreiteiligen "Jahrhundert-Saga" von Ken Follett. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht der erste Weltkrieg und dessen Vorgeschichte.
Erzählt wird die Geschichte verschiedener Protagonisten in England, Deutschland, Russland und den USA; diese erleben alltägliche und historische Ereignisse und Entwicklungen aus ihrer jeweiligen individuellen Perspektive. Im Laufe des Romans verknüpfen sich die einzelnen Handlungsstränge langsam miteinander und ergeben ein Gesamtbild.
Freunde historischer Romane werden die gesamte Reihe mögen, deren zweiter und dritter Teil noch besser sind als Teil eins.
- Christopher Clark
Preußen
(23)Aktuelle Rezension von: Stefan83Zitiere an dieser Stelle mal Rezensenten-Freund Mario Pf. von "amazon", der es mit seiner Besprechung schon perfekt auf den Punkt bringt:
"Sir Winston Churchill bezeichnete Preußen einst als "die Wurzel allen Übels" und so verwundert es kaum, dass die Churchills Überzeugung zu Grunde liegende Sichtweise von Preußen als Hort des Nationalsozialismus aufgegriffen wurde und in der der Auflösung des Freistaats durch den Alliierten Kontrollrat am 25. Februar 1947 mündete. Nun bricht der 1960 in Sydney geborene Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharines' College in Cambridge mit diesem Diktum und zwingt durch sein eindrucksvolles Standard-Werk zu einer Revision des Preußenbildes, denn "Die Wahrheit ist, dass Preußen ein europäischer Staat war, lange bevor es ein deutscher wurde. Deutschland war nicht die Erfüllung Preußens, sondern sein Verderben".
Für Christopher Clark beginnt der Aufstieg Preußens jedoch nicht erst 1701 mit der Krönung Friedrich III. zu König Friedrich I. in Preußen, sondern bereits um 1600, als die Kurfürsten der Markgrafschaft Brandenburg gerade begannen ihre Position im Heiligen Römischen Reich zu festigen. 1613 etwa, konvertierte Kurfürst Johann Sigismund zum Calvinismus und wurde somit zu einem calvinistischen Herrscher über ein lutherisches Land, was zu einigen Differenzen mit dem Landadel führen sollte. Noch waren die brandenburgischen Hohenzollern lediglich Herrscher Brandenburgs, bis sie 1618 das Herzogtum Preußen erbten, welches außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ursprünglich eine Region zwischen Hinterpommern und dem Kurland bezeichnete.
In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurden die Länder der Hohenzollern vermehrt verwüstet und der Kurfürst wechselte mehr als einmal die Bündnisse, wobei Georg Wilhelm zuletzt in das eher sichere Preußen flüchten musste, wo er 1640 verstarb. Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm erbte ein zerrüttetes Land, das vom Dreißigjährigen Krieg gezeichnet war, ein schweres Trauma zu bewältigen hatte, doch der junge Monarch schritt energisch zur Tat und begann nicht nur das Heer zu vergrößern, sondern auch zu modernisieren und durch bessere Ausbildung, wie Manöver zu einer schlagkräftigen Truppe zu machen. Als Folge des Dreißigjährigen Krieges erkannten die brandenburgischen Folgen, wie wichtig eine Festigung ihrer Souveränität im Reich ist und dass sich das bleibende Gefühl der Verwundbarkeit nur durch ein starkes Heer effektiv bekämpfen lässt. Um dieses zu erhalten brauchte man allerdings Gelder, die unter anderem durch häufige Wechsel der Bündnispartner lukriert wurden.
Erst als sich Friedrich III. zu König Friedrich I. krönte, wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, die zur Bildung eines stärkeren Einheitsgefühls der nun königlichen Lande führte und Preußen im Laufe des 18. Jahrhunderts zum Namen des neuen Königreichs werden ließ. Die Krönung, so Clark, passte jedoch in ihre Zeit, als viele europäische Herrscher eine Standeserhöhung anstrebten und diese im Falle Preußens eben doch zu einer besseren Integration des vormaligen Herzogtums führte.
Was an Clarks Werk besonders hervorzuheben ist, er nutzt eine klare und deutliche Sprache, deren Formulierungen für Laien genauso verständlich sind, wie für Historiker. Dabei erzählt er die Geschichte von Preußens Aufstieg lebendig und regelrecht spannend, indem er neben der Ereignisgeschichte auch immer wieder Biographien bedeutender Persönlichkeiten, sowie Berichten und ferner eben Geschichten miteinander verwebt. Dabei bleibt der Autor dem Anspruch des Werkes jedoch treu und hält sich an eine umfassende Darstellung der Geschichte, ohne abzudriften. Dabei würde man sich jedoch immer wieder wünschen, er hätte doch bei diesem oder jenen Thema etwas mehr aufgearbeitet und doch vergisst man darüber leicht, dass genau dies den Umfang des Buches gesprengt hätte. Tragisch ist das gerade beim Thema Religion in Preußen, worüber Clark als Autor von "The Politics of Conversion: Missionary Protestantism and the Jews in Prussia" ein sehr spezifisches Fachwissen besitzen dürfte, dem er in sein opus magnum leider nur geringfügig Rechnung tragen darf.
Fortschritte und Rückschläge zeichnen die Geschichte Preußens und Christopher Clark scheut sich nicht, die Geschichte Preußens frei von allen Mythen, als eine politische Erfolgsgeschichte darzustellen. Die preußische Sicherheitspolitik verlangte ein starkes Heer, das Heer eine Finanzierung durch Bündnisse und die außenpolitischen Interessen eine Abgrenzung von der bedingungslosen Kaisertreue. Somit waren Preußens größte Innovationen und Errungenschaften einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen, etwa die Aufnahme Vertriebener Hugenotten, welche als leistungsfähige Arbeiter und Handwerker ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Prosperität Preußens leisteten. Als Australier ist Clark denkbar in der Lage sich objektiv-distanziert mit Preußen zu befassen und eigentlich war auch "Preußen: Aufstieg und Niedergang 1600 - 1947" ursprünglich für britische Leserschaft gedacht, wobei von dieser anderen Perspektive aber interessante Impulse ausgehen.
An die Ära des Deutschen Reichs nähert sich Clark unter dem Aspekt an, dass Preußen in dieser Zeit innerhalb des Reichs (Seite 637) "mit 65 Prozent der Gesamtfläche und einem Bevölkerungsanteil von 62 Prozent de facto eine Hegemonialstellung" genoss. Von da an, befand sich Preußen in Auflösung und hatte sich trotz allem den gesamtdeutschen Interessen unterzuordnen, auch wenn der preußische Ministerpräsident gleichzeitig als Reichskanzler agierte und der König Kaiser war.
Die einzige Kritik, die ich an diesem fulminant erzählten und fesselnden Werk gefunden habe (und daher lediglich mit 4 Sternen bewerte) ist, dass die Sozialgeschichte eindeutig zu kurz kommt; der Schwerpunkt liegt auf der Ereignisgeschichte bzw. brilliant geschriebenen biographischen Essays. Natürlich werden auch die politischen Ideen (etwa der Pietismus) und die einzelnen Mächte im Land (Städte, Landadel) beschrieben. Die Auswirkungen der Industrialisierung kommen jedoch eindeutig zu kurz. Industrialisierung und die damit erzwungene Modernisierung waren wichtige Faktoren, die auch Preußen prägten - die preußischen Güter waren überschuldet und marode, der industriellen Konkurrenz nicht mehr "gewachsen" - und es ist bezeichnend, dass der letzte Anlass zum Sturz von Heinrich Brüning die von ihm gesehene Notwendigkeit gewesen ist, die großen Güter in Ostpreußen zu parzellieren und aufzuteilen, was ihm prompt in der Umgebung Hindenburgs als "Agrarbolschewismus" verübelt wurde.
Mit einem über 100 Seiten starken Anhang aus Anmerkungen, Index, Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnissen, sowie einigen sehr sehenswerten Kartenmaterial ist Christopher Clarks "Preußen: Aufstieg und Niedergang" ein wahren Wälzer, bleiben doch mehr als 700 Seiten an Text, die das Werk schlicht zu "dem" aktuellen Standard- und Referenzwerk machen, eine lohnenswerte Anschaffung für historisch Interessierte ist es schon aufgrund des unkomplizierten Stils und der fundierten wie erst recht umfassend ausgearbeiteten Geschichte allemal.
Insgesamt ist Christopher Clarks neues Buch über Preußen ist eine hervorragende Darstellung über Aufstieg und Niedergang Preußens zwischen 1600 und 1947. Er sieht Preußens Geschichte - im Gegensatz zu zahlreichen früheren britischen Historikern - nicht nur als Verhängnis an, welches zum Niedergang Deutschlands geführt habe (etwa im Vergleich zu Shirers monumentaler Studie zum Dritten Reich, die dessen Existenz auf das "preußische" und deutsche Erbe ziemlich undifferenziert zurückführt), sondern ist eine wohltuend differenzierte Darstellung, die nicht nur fesselnd geschrieben ist, sondern sich bemüht, Preußen vorurteilslos darzustellen und zu "erzählen". Eine wohltuend differenzierte und gut lesbare Studie entstanden, die Haffners Werk und dem grundlegenden Preußen-Buch von Hans-Joachim Schoeps in keiner Weise nachsteht und sicherlich bald zum Standardwerk der Preußen-Werke zählen wird. " - Christoph Schulte-Richtering
Kaiser, Kriege und Kokotten
(7)Aktuelle Rezension von: Lara_HoeffnerDieses Buch ist großartig. Und ein seltener Glücksfall: Es ist witzig und klug zugleich. Mal möchte man sich kringeln vor Lachen, und im nächsten Satz schon ist man platt, dass man wieder auf überraschende Weise etwas gelernt hat, was man vorher nicht wusste - und zwar auf so unnachahmliche Art, dass man sich fragt: Warum schreiben nicht alle Autoren so? "Schnick, Schnack, Schnuck" ist zwar ein Geschichtsbuch - von Nero bis zur Finanzkrise lernen wir in 44 amüsanten und kurzen Kapiteln, wo der Nibelungenschatz vergraben liegt, warum Tatajana Gsell um ein Haar Königion von Spanien geworden wäre und warum Heidi Klum ihre Karriere Immanuel Kant zu verdanken hat Aber dabei tritt Christoph Schulte-Richtering überhaupt nicht wie ein wandelndes Lexikon auf, obschon ihm von der Völkerwanderung bis zur Wiedervereinigung, von den Kreuzzügen bis zu 9/11, vom Preußenkönig Friedrich bis zu Hitlers Autobahnen wirklich nichts unbekannt zu sein scheint. Das liegt einzig an seiner Darstellungsweise von Geschichte – die einfach unerhört ist. Frech, ohne falschen Respekt, gegen jeden einschläfernden Strich gebürstet. Alles Lehrerhafte, jede Faktenhuberei gehen ihm ab. Aber überraschende Zusammenhänge herzustellen, das macht ihm großen Spaß, und das spürt der Leser genussvoll auf jeder Seite. Liest man etwa die sechs Seiten über die Finanzkrise, hat man nicht nur das Prinzip der Leerverkäufe ein für allemal begriffen, sondern elegant gleich mitgelernt, warum das 17. Jahrhundert das große Zeitalter des niederländischen Blumenstilllebens werden konnte und was das mit der provozierenden Kunst eines Damien Hirst zu tun hat. Den gegenwärtigen Burgfrieden zwischen Banken und Regierungen beurteilt Schulte-Richtering allerdings skeptisch: «die Sache fühlt sich ein bisschen so an, als ob man den Hund den Wurstvorrat bewachen lässt». Der Autor ist ein Meister des ersten Satzes. „Am Morgen des 26. April 1336 klingelt der Wecker, und das Mittelalter ist vorbei.“ So beginnt das Kapitel über die Renaissance. Oder der Barock: "'Barocke Rubensfrau sucht Mann fürs Leben', wenn Sie so eine Kontaktanzeige lesen: Finger weg!“ Sehr schön auch folgender Auftakt: „Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala weiala weia!“ Okay, vor Wagners „Nibelungen“ kapituliert sogar ein Schulte-Richtering, um dann Richard Wagners Leben als Künstler und Mann freilich doch noch zu erhellen. Spielerisch stellt dieses Buch unser Wissen vom Kopf auf die Füße. Dabei orientiert sich der Autor durchaus an filmischem Erzählen, hier merkt man den Stall, aus dem er kommt. Seit Jahren arbeitet er als Gedankenlieferant und Texter für viele Fernsehgrößen, von Gottschalk bis Plasberg, von Harald Schmidt bis Stefan Raab. Gekonnt strafft er, spitzt zu, reduziert ein paar Jahrhunderte auf drei Sätze und bringt sie damit auf den Punkt. Einzelheiten leuchtet er sorgfältig aus, stellt Querverweise her – und unterbricht das Programm rechtzeitig. „Ende Teil 1. Pause, Popcorn, Pipi.“ Großes Kino, diese kleine Weltgeschichte! - Gordon A. Craig
Deutsche Geschichte 1866-1945
(7)Aktuelle Rezension von: Jens65Gordon Craigs Buch ist zusammen mit Golo Manns "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" das beste was man über diese Zeit lesen kann. Im Gegensatz zu Golo Manns Buch verschafft Gordon Craig mit eine phantastischen Blick für das Wesentliche erst einmal eine Überblick über die Ereignisse dieser turbulenten Zeit, ohne darüber die Analyse zu vergessen (die allerdings in Golo Manns Buch wesentlich scharfsinniger und genauer ist). Die besondere Stärke des Buchs die spannende erzählweise, trotzdem gerät der Autor aber nie in die Gefahr ungenau oder gar reißerisch zu werden. Gerade in der Behandlung des Dritten Reichs zeigt sich diese Eigenschaft des Buches, das nie in die Gefahr gerät einseitig zu werden, aber auch nicht die Spur von entschuldigenden Tendenzen zeigt. - Wilhelm Treue
Deutsche Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Band 2 : Von Metternich bis zur Gegenwart
(2)Aktuelle Rezension von: Jens65Deutsche Geschichte in 2 Bänden : 01. Von den Germanen bis zu Napoleon 02. Von Metternich bis zur Gegenwart Sehr interessantes Werk zur Deutschen Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Weniger für Laien , als für Kenner und Liebhaber deutscher Geschichte geeignet. - Tillmann Bendikowski
Sommer 1914
(2)Aktuelle Rezension von: M.Lehmann-PapeViel differenzierter als nur „Hurra-Patriotismus“
Schon bei oberflächlich näherem Nachdenken dürfte jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass durchgehende Begeisterung, freudiger „Frontwille“ und bedingungslose „innere und äußere Treue“ zu Kaiser und Vaterland sicherlich nicht durchweg und simpel die Gemüter in Deutschland zu Kriegsbeginn 1914 bestimmte.
Ebenso, wie auch nicht alle deutschen Politiker säbelrasselnd voranstürmten. Ebenso, wie es im Vorfeld politisch mahnende Worte und Versuche mancher Diplomaten gab, die angespannte Lage zu entschärfen, ebenso waren Angst, Ablehnung des Krieges, Sorge auch Gemütszustände im Volk.
Allein schon die Aufzeichnungen Stefan Zweigs, aus denen heraus (gerade in „Die Welt von Gestern“) sich eine paneuropäische, im künstlerischen vereinte europäische „Begeisterung“ sich erkennbar ableiten lassen, zeigen, dass es auch „die andere Seite“ vernehmbar gab.
So stimmt bei näherer Betrachtung, die Bendikowski dem Leser ruhig, sachgerecht und fundiert recherchiert vorlegt, nicht, dass „der Krieg, der Kampf, all die Gefahren – all das sei regelrecht herbeigesehnt worden“.
Doch, es gab auch solche Stimmen und Kreise, aber die Gesamtlage der Deutschen 1914 war wesentlich differenzierter und uneiniger, als es im Nachhinein der Fall gewesen sein schien.
„In der historischen Wirklichkeit waren die Reaktionen auf die Kriegsgefahr und den Beginn des Krieges sehr viel komplexer und widersprüchlicher“.
So die These, der Bendikowski sich anschließt und die er Seite für Seite im Buch zu belegen weiß. Um dies zu entfalten, wählt Bendikowski stilistisch fast die Form einer biographischen Reportage(n), in deren Mitte er fünf verschiedene Personen stellt, denen er für den Sommer 1914 breit nachgeht. „Stellvertreter“ für die unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung, Land-Stadtbevölkerung, Intelektuelle und Arbeiter, Soldaten und Zivilisten.
Wilhelm II. wählt Bendikowski als eine der Personen aus, in dem bereits „zwei Herzen“ in der Brust schlagen. 25 Jahre Frieden unter seiner Herrschaft, darauf war er stolz. Aber auch dem Militarismus stark zugeneigt und mit „Großreichträumen“ ausgestattet.
Ihm zur Seite stellt Bendikowski den Historiker Professor Cartellieri, den 17jährigen Arbeitersohn und SPD Mitglied Weilhelm Eidermann, die ledige Lehrerin Getrud Schädla (27) und den Dozenten und Lyriker Ernst Stadler (30).
Ein Querschnitt somit durch die Schichten, die Herkunft, die innere Haltung, der sich in den einzelnen Reaktionen auf die Krise und den Ausbruch des Krieges deutlich widerspiegeln wird. Portraits, die Bendikowski flüssig, biographisch kundig und immer mit dem Blick auf die innere Haltung der Krise der Zeit gegenüber darzustellen versteht, so dass der Leser mehr und mehr emotionale Nähe aufbauen kann und mitten hineingezogen wird in die verschiedenen Lebenswelten der Personen und deren Erwartungen..
Eine fundierte Darstellung, die sich vielfach auf Primärquellen (überwiegend lagen Tagebücher der Personen vor) stützt und, wo ein Tagebuch nicht vorliegt (wie bei Wilhelm II,) ist überreichlich anderes Quellenmaterial vorhanden und von Bendikowski genutzt, um ein differenziertes Bild der „inneren Haltungen“ herausarbeiten zu können.
Durch den „Transport“ der unterschiedlichen Haltungen und „Gemütslagen“ in der Anhaftung an konkrete, historische Figuren gelingt Bendikowski, diese Unterschiede in der inneren Haltung und Wahrnehmung des „Sommers 1914“ überzeugend vor Augen zu führen und endgültig mit dem Vorurteil aufzuräumen, ein ganzes Volk wäre mit glänzenden Augen zu den Waffen gestürmt. Und selbst jene, die in dieser Form im August 1914 noch gedacht haben, werden bald erste Zweifel erleben (wie auch der Kaiser angesichts des raschen Vordringens russischer Truppen).
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre. - Bruno Bandulet
Als Deutschland Großmacht war
(2)Aktuelle Rezension von: Dr_MDie historische Sicht auf den 1. Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik lange sehr stark von den ideologisch geprägten Thesen des Hamburger Historikers Fritz Fischer und dessen Werk "Griff nach der Weltmacht" aus dem Jahre 1961 beeinflusst. Obwohl es auch schon früher massiven Widerspruch zu Fischers Thesen gab, brauchte es erst der Unterstützung namhafter ausländischer Historiker, um dem Streben nach einer den historischen Tatsachen besser entsprechenden Betrachtungsweise auch in Deutschland einen deutlichen Schub zu geben. Insbesondere Christopher Clarks Buch "Die Schlafwandler" spielte in jüngster Zeit dabei eine herausragende Rolle.
Bruno Bandulet vertritt nicht ganz die Haltung Clarks. Vielmehr behauptet er, dass Deutschland diesen Krieg nicht wollte, sondern England, Frankreich und Russland, die jeweils bilaterale Beistandsverpflichtungen eingegangen waren, aus verschiedenen Beweggründen den Konflikt provozierten. Ob bei einem so komplexen Ereignis tatsächlich Schuldfragen überhaupt endgültig zu entscheiden sind, erscheint mehr als fraglich. Und was hat es eigentlich für einen Sinn, eine solche Frage überhaupt beantworten zu wollen? Als viel sinnvoller erweist sich doch die Untersuchung, wie es überhaupt zu einem derart verheerenden Ereignis kommen konnte und ab wann sich die Entwicklungen nicht mehr aufhalten ließen und warum das so war.
Auf diese Fragen gibt Bandulets Buch interessante Antworten. Bei seinem Text handelt es sich nicht um eine mit unzähligen Quellen und Forschungsarbeiten unterlegte wissenschaftliche Arbeit, sondern eher um eine gut untermauerte Meinung, bei der man am Ende allerdings nicht ganz weiß, wie selektiv der Autor mit den Quellen umgegangen ist, um seine Haltung darzustellen. Sicher ist jedoch, dass man die innere Logik seiner Betrachtungsweise durchaus verstehen kann. Und die geht so:
Deutschland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine ökonomische Großmacht in Europa, die zunehmend Unbehagen und Widerwillen insbesondere in England und Frankreich hervorrief. Interessanterweise hat sich daran bis heute wenig geändert. Russland wiederum besaß eigene Interessen auf dem Balkan und befand sich in Konfrontation mit Österreich-Ungarn, das seinerseits mit dem Deutschen Reich verbunden war. England, so Bandulet, hatte sich in seiner Geschichte stets mit der jeweils ökonomisch mächtigsten europäischen Kontinentalmacht angelegt. Der phänomenale Aufstieg Deutschlands am Ende des 19. Jahrhunderts war der britischen Weltmacht ein gehöriger Dorn im Auge. Liest man den zahlreichen Aussagen englischer Politiker dieser Zeit, die Bandulet zitiert, dann erschien ein Krieg mit Deutschland ein unausweichliches Ereignis zu sein.
Warum der Autor seinem Buch diesen aus meiner Sicht etwas irreführenden Titel gab, blieb mir auch nach dem Lesen ein Rätsel, denn darum geht es in diesem Text überhaupt nicht. Der Untertitel ("Ein Bericht über das Kaiserreich, seine Feinde und die Entfesselung des Ersten Weltkrieges") spiegelt den Inhalt dagegen sehr treffend wider. Zunächst beschreibt der Autor das damalige Europa und die herrschende Stimmung. In einem zweiten Kapitel widmet sich Bandulet der Bismarkschen Außenpolitik und dem Platz Russlands in der Sichtweise des Reichskanzlers.
Nach Bismarcks Abgang betraten Männer die politische Bühne Deutschlands, die ihren Aufgaben und der komplizierten geopolitischen Lage Deutschlands nicht gewachsen waren. Bandulet kommentiert diese unglückseligen Entwicklungen immer wieder in den folgenden Kapiteln. In ihnen geht es zunächst um die damaligen Beziehungen zwischen Deutschland und England, um die Kolonialfrage und die weltpolitischen Ambitionen der beiden Mächte. Danach befasst sich der Autor mit der deutschen Flotte und der Rolle des Alfred von Tirpitz. Interessant sind die Zahlen über tatsächlichen Flottenstärken der Weltmächte, die Bandulet in diesem Abschnitt anführt.
Das folgende Kapitel ("Österreichs Feinde und das Vorspiel zum Krieg") schildert die damalige explosive Lage auf dem Balkan und Russlands Ambitionen in diesem Teil Europas. Die letzten beiden Kapitel erzählen vom Weg in die Kriegskatastrophe, dem Kriegsverlauf und betrachten die für alle europäischen Staaten tragischen Folgen dieser die nächsten Jahrzehnte beeinflussenden Auseinandersetzungen.
Wenn man Bandulets Buch liest, dann wird klar, wie schnell es in einer aufgeheizten politischen Situation zu einer nicht mehr zu stoppenden Kettenreaktion kommen kann, die (wie in diesem Fall) damals unvorstellbar katastrophale Folgen für die kommenden Jahrzehnte implizierte, denn der 1. Weltkrieg war das Schlüsselereignis für ein ganzes folgendes Jahrhundert.
Ohne den von der amerikanischen Hochfinanz unter Führung von J.P. Morgan provozierten Kriegsteileintritt der USA wäre es, so Bandulet, zu anderen Kriegsergebnissen gekommen. So richtig dies wohl ist, so nutzlos scheint es, über die eventuellen Folgen zu spekulieren. Im Übrigen entdeckt man an dieser Stelle in Bandulets Text Teile der deutschen Friedensbedingungen, die im Januar 1917 der US-Regierung übermittelt wurden. Deutschland fordert dort "Koloniale Restitution in Form einer Verständigung, die Deutschland einen seiner Bevölkerungszahl und seiner wirtschaftlichen Interessen entsprechenden Kolonialbesitz sichert."
Diese ambitionierte Forderung passt nicht ganz zu Ausführungen des Autors an früherer Stelle, sondern zeigt, dass das Deutsche Reich sehr wohl koloniale Interessen besaß und diese auch durchsetzen wollte. Hier könnte man auf die Vermutung kommen, dass der Autor die historischen Tatsachen möglicherweise nicht ganz adäquat beleuchtet. Das ändert aber nichts daran, dass sein Buch eine interessante Lektüre ist, die sich einer einseitigen und von den Siegern bestimmten Betrachtungsweise der Rolle Deutschlands in dieser Zeit entgegenstellt. - Martin Gilbert
1900-1918
(1)Aktuelle Rezension von: Jens65In Band I ( 1900-1918 ) und Band II (1919-1933 ) zur Geschichte des 20. Jahrhunderts beschreibt Professor Martin Gilbert jedes Jahr nach politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Kriterien geordnet. Dabei wird Geschichte fesselnd erzählt wie ein Roman. Historische Genauigkeit langweilt hier nicht, sondern stellt die Dinge in einen faszinierenden Gesamtkontext. - 8
- 12
- 24