Bücher mit dem Tag "wirtschaftsgeschichte"

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93 Bücher

  1. Cover des Buches Das Kapital im 21. Jahrhundert (ISBN: 9783406801044)
    Thomas Piketty

    Das Kapital im 21. Jahrhundert

     (19)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

    Der französische Wirtschaftler Thomas Piketty hat mit diesem knapp 1000 Seiten fassenden Werk eine mit einer fast erschlagenden Fülle von Belegen versehene Geschichte der Vermögensentwicklung seit dem 18. Jahrhundert vorgelegt. Der Ökonom umkreist die Frage von sozialer Gerechtigkeit bei der Akkumulation von Kapital. Anhand leicht verständlicher Beispiele und richtig gestreuten Wiederholungen analysiert Piketty verständlich den Kapitalismus über die Jahrhunderte hinweg.

    Erst ganz zum Schluss bringt der Autor seine eigenen Vorschläge ein. Hauptthese von Piketty ist den modernen Kapitalismus über eine progressive Kapitalsteuer an die demokratische Kette zu legen. Ob man am Ende gleicher Meinung ist oder nicht, so bleibt das Buch eine absolute Leseempfehlung für jeden der sich an das Thema Kapital bis jetzt noch nicht ran getraut hat!

  2. Cover des Buches Warum Nationen scheitern (ISBN: 9783596195589)
  3. Cover des Buches Der Sektor (ISBN: 9783608964042)
    Michael Hudson

    Der Sektor

     (4)
    Aktuelle Rezension von: M.Lehmann-Pape
    Ernüchternd, treffend, mit starken Argumenten und Analysen versehen

    „Die Themen, die mich interessierten, wurden an der New York University…… nicht unterrichtet“.

    Was Wunder, wenn Hudson, mit scharfem Verstand und mannigfaltigen Erfahrungen in der Finanzbranche und den Wirtschaftswissenschaften, schon in frühen Jahren Problematiken ansprach, die sich bis heute exponentiell gesteigert haben, aber dennoch der herrschenden Meinung eines „Die Wirtschaft muss laufen“ stark entgegenstehen.

    Und noch schwieriger wird es im Feld der allgemeinen Verständnisse und Setzungen der Wirtschaft und des Finanzsektors, wenn Hudson sehr gründlich die primäre Stellung des „Gläubigers“ hinterfragt, auf der Blaupause der lateinamerikanischen Pleiten mit ihren Schuldenschnitten bis hin zur Erlassung von Schulden Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts anführt und den Vergleich zur Gegenwart zieht, in der anscheinend auch gewählte Regierungen, ihrem Volk eigentlich als erstes verpflichtet, diese Fürsorgepflicht hintenanstellen müssen um einen „Ausverkauf ihres Landes“ zur Bedienung von Schulden aktiv selbst noch mit vorantreiben zu müssen. Wie in Griechenland zu sehen, in der am Ende die öffentliche Infrastruktur, Häfen und anderes verkauft werden müssen zur Deckung von nationalen Schulden.

    Dies, so führt Hudson durchaus mit gewichtigen Argumenten aus, ist eben der Kernantrieb der globalen Finanzwirtschaft. Geld immer mehr zu akkumulieren in wenigen Händen, herauszuholen was herauszuholen ist und am Ende ein gar ganzes „geplündertes Land“ zurückzulassen um sich des nächsten „Opfers“ weltweit „anzunehmen“.

    Ein System, dem Hudson die Wirtschaftsordnungen der Jahre nach dem zweiten Weltkrieg bis etwa zum Ende der 70er Jahre hin gegenüberstellt, in der „plangeleitetetes staatliches Handeln“ Zeichen der Stunde war und damit Kontrolle, soziale Verteilung und Einhegen von Auswüchsen ob der Erfahrungen der Entwicklung hin zu zwei Weltkriegen (für die ebenfalls wirtschaftliche Entwicklungen mit angeführt werden können) das politische Handeln geleitet hat.

    Dass dann zwei Behauptungen mehr und mehr erkennbar gegenüberstehen, ist eine überaus umstrittene Frage dann, die aber Dank Hudson nicht lapidar beantwortet werden kann. Während Hudson einem „starken Staat“ das Wort führt, darin die wohl einzige wirksame Möglichkeit einer stabilen, den Menschen dienenden Wirtschaft sieht, richtet sich dies natürlich gegen jede Form der „freien Marktliberalität“, in der ebenso vehement behauptet wird, dass der Staat (immer) der „schlechtere Wirtschafter“ ist.

    Wobei für den Leser eine einfache Gegenprobe natürlich möglich ist. Wie stellten sich Vermögensverteilung, Infrastruktur, Arbeit und Wirtschaften zwischen 1950 und 1980 oder 1990 dar mit welchen Folgen für die Menschen und den sozialen Frieden im Land und wie stellt sich die weltweite Vermögensverteilung, der soziale und politische Friede, die Infrastruktur und mehr in der Gegenwart dar? In der doch scheinbar nurmehr jemand selbst nur eine Wohnung an vielen Orten findet, für den Geld nicht die wichtigste Rolle im Leben spielt, während selbst die Mittelschicht (und das nicht nur beim Wohnraum), mehr und mehr an die Ränder gedrückt wird.

    Am Ende bleibt: Es sind die Schulden und die Form, in der Schulden erzeugt und für eigene Machtansprüche genutzt werden, was die Welt an den Abgrund führt.

    Was Hudson ebenso ruhig und beredt erläutert, wenn er die Kulturgeschichte des Geldes und der Schulden ebenso fundiert im Buch vorführt, wie er die Auswirkungen dieser „Schuldenlasten“ und der „Lust, Geld zu verleihen“ um es dann gnadenlos einzutreiben und auf diesem Weg den Schuldner nicht nur „in den Schulden“ zu halten, sondern diese immer weiter zu erhöhen (Zinseszinseffekt).

    Dass Hudson dies mit den „Parasiten“ des Tierreiches vergleicht, passt da wie die Faust aufs Auge. Bis hin zur „Fledderei“ des irgendwann toten Wirtes umgehend einen neuen Wirt „anzufallen“.

    Ob man diesen Linien und dieser Analyse nun zustimmt oder nicht, ob man Hudsons Lösungsvorschläge als sympathisch oder überzeugend oder beides oder das Gegenteil bewertet, das Buh stellt in allen Fällen eine wichtige und fundierte Lektüre dar, die man einfach gelesen haben sollte.
  4. Cover des Buches Das goldene Rhinozeros (ISBN: 9783406713798)
  5. Cover des Buches Schulden (ISBN: 9783608985108)
    David Graeber

    Schulden

     (16)
    Aktuelle Rezension von: M.Lehmann-Pape
    Sklaverei durch Schulden Breit diskutiert wurde und wird Graebers „Kulturgeschichte des Kapitalismus“. Eine „Kulturgeschichte“, die im Gesamten eines verdeutlicht, egal wie krude manche Argumente des Autors auch sein mögen und wie wenig an echter Alternative Graeber im Buch entwickelt. Geld regiert die Welt (fast) von Beginn an. Vor allem über das System der Kredite. Ob man dieses als Chance und einzige Möglichkeit „vernünftigen“ Wirtschaftens betrachtet oder, wie Graeber, als zeitloses Mittel der „Versklavung“, das muss dann der Leser selbst entscheiden, zu welcher Sichtweise er sich positioniert. Den Fakt der zentralen Wertigkeit des Kreditwesens mitsamt seiner vielfachen Folgen stellt David Graeber überzeugend argumentiert und historisch verankert eindrucksvoll im Buch klar. Nicht umsonst sind ja gerade in der gegenwärtigen Situation „Schulden“ zum zentralen Thema des politischen Handelns geworden. Ein Thema, welches Graber sprachgewandt bis in die Anfänge menschlichen Miteinanders zurückführt, auf die Entwicklung der Möglichkeit, Schulden quantifizierbar zu machen. Quantifizierbar aber werden Schulden erst durch die Einführung des Geldes. Geld und Schulden tauchen gleichzeitig und unabdingbar miteinander verknüpft auf der Bühne des öffentlichen Lebens auf. Dies ist schon auf uralten Lehmtafeln aus Mesepotamien nachzulesen. Eine Argumentation, in deren Verlauf Graeber die „Standardversion“ der Wirtschaftsgeschichte vom „ausgeglichenen Tauschhandel“ schnell entzaubert und auf die bestimmende Kraft der Kredite verweist. Menschen hatten seit Erfindung des Geldes zu allen Zeiten vielfach „Schulden“ bei anderen Menschen, Schulden, die von Beginn an Freiheiten einschränkten und diese im Verlauf der Geschichte bis in die Gegenwart hinein in potenzierendem Maße immer weiter einschränkten. Aus diesem Gedanken der Freiheit und der Sklaverei entfaltet Graeber im Verlauf der Argumentation seine grundlegende These. Dass nämlich der (auch moralische) Kernsatz, alles an Schulden immer zurückzahlen zu müssen, ebenso wie der wirtschaftliche Druck der Kreditgeber zur Rückzahlung, eben kein „Naturgesetz“ ist, sondern durchaus und einfach durchbrochen werden sollte. Ein dennoch „eingeimpftes“ Gesetz, dass von den Kreditgebern (den „Reichen“, dem „1 Prozent“) im Lauf der Geschichte mit Krieg und Gewalt geschrieben wurde. Ein System des Geldes, das von Beginn an auf Kredite und damit auf Herrschaft über die große Masse der „Schuldner“ aufgebaut war. Gerade dieser geschichtliche Teil aus anthropologischer Sicht liest sich flüssig, überzeugend und deckt sich auch mit den Erfahrungen nicht nur der letzten Jahre über den Druck, den der einzelne, mittlerweile aber auch ganze Staaten durch ihre „Schulden“ erfahren. Bedauerlicherweise bietet Graeber außer dieser Analyse keine strukturierte Synthese, kein Programm, keine ernstzunehmenden programmatischen Ideen, wie es denn nun wirklich anders ginge. Dies, neben so manchen dunklen Verschwörungsideen über die Ursachen der aktuellen Finanzkrise, schmälert zwar nicht den Ertrag der anthropologischen Analyse, wohl aber die Möglichkeiten, mit den Erkenntnissen Graebers im Buch selbst konstruktive Schritte herauszuarbeiten. So verbleibt eine interessante, fundierte, durchaus erhellende Darstellung der „Geld- und Kreditgeschichte“, die überaus lesenswert und mit kritischen Aspekten gegen „Standardlesarten zur Funktion des Geldes“ im Buch vorliegt, ohne aber gewichtige, konstruktive Möglichkeiten zur Überwindung des offenkundigen Problems der Akkumulation des Kapitals und der damit einhergehenden „Versklavung“ von „99 Prozent“ an zu bieten. Diese konstruktive Leistung muss somit noch von anderer Seite her erbracht werden. Graeber bietet hierzu zumindest eine grundlegende und bedenkenswerte Analyse an.
  6. Cover des Buches Der Code des Kapitals: Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft (ISBN: 9783518587607)
    Katharina Pistor

    Der Code des Kapitals: Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Gwhynwhyfar

    «Grundsätzlich besteht das Kapital aus zwei Komponenten: einem Gut und dem Rechtscode. ... ‹Gut› hier in einem weiteren Sinn für jedes Objekt, jede Forderung, Fähigkeit oder Idee, unabhängig von seiner oder ihrer Form. ... ein Stück Boden, ein Gebäude, das Versprechen zu einem späteren Zeitpunkt eine Zahlung zu erhalten, eine Idee für ein neues Medikament ... Mit der richtigen rechtlichen Codierung kann jedes dieser Güter in Kapital und dadurch seine Tendenz, Vermögen für seine(n) zu schaffen, verstärkt verwandelt werden.»


    Das «Kapital» genießt seit 300 Jahren erstaunliche juristische Sonderrechte. Geschickte Firmenanwälte bauen Konstrukte, verschleiern, oft legal, bestimmen das Geschick ganzer Gesellschaftsstrukturen. Gesetze, die für die Vermehrung von Kapital stehen – Gesetze dagegen könnten das ändern. Alles fing damit an, dass der Mensch sesshaft wurde. Plötzlich steckte er einen Claim ab, nannte dies seinen Besitz. Land, Vieh und Ernte definierten das Besitztum. Es bildeten sich Rechtsbegriffe; Kapital begründete sich früher meist über Grund und Boden. Heute befindet sich Vermögen oft in abstrakten Werten wie Aktien, Anleihen, Immobilien und Patente, ein mobiles Vermögen, das global «verschifft» werden kann, mit windigen Tricks verschleiert und versteckt wird, oder in Trusts und Stiftungen im Verborgenen liegt, um sich dem Steuerzugriff zu entziehen. Man sucht sich global aus den vielen Rechtssystemen die vorteilhaftesten Regularien heraus. Und hier kommen die Anwälte, «Herren des Codes», ins Spiel, die in diesem Geflecht eine große Rolle spielen.


    Katharina Pistor zeigt in diesem Buch die Rechtsgeschichte des Kapitals auf. Römer, die bereits Firmenkonstrukte installierten, die eine Haftung von Eigentümern beschränkte, ähnlich den heutigen Kapitalgesellschaften. Die Fugger waren Meister darin. Es gibt sehr interessante Beispiele – bis hin zur kriegerischen Übernahme der Europäer von Land in fremden Kontinenten: Was ich erobert habe, gehört mir. Die Ureinwohner waren auch nicht in der Lage, Grundbücher vorlegen, die ihren Besitz im Sinn der Europäer legitimieren konnten. In England des 16. Jahrhunderts erreichen die Landlords mit Hilfe von gewitzten Anwälten Ländereien, für den sie zuvor lediglich Nutzungsrechte besaßen, die nun in persönliches Privateigentum umgewandelt wurden. Jetzt gehörte ihnen nicht nur die Ernte der Feldfrüchte, sondern sie besaßen enormes Kapital in Form von Grund und Boden, den man gegebenenfalls verkaufen oder beleihen konnte. Der Anfang zu den ersten Gesetzen zu Grund und Boden. Dem nicht genug. Um den Familienbesitz der Landlords vor Gläubigern zu schützen, übertrugen sie ihn in eine dem heutigen Trust ähnliche Kapitalgesellschaft, dessen Nutzungsberechtigte sie waren und die sie gleichzeitig «im Namen und im Auftrag künftiger Generationen» leiten durften. Damit entgingen sie dem Recht auf Pfändung des gesamten Besitzes, den sie ja theoretisch Gläubigern aushändigen mussten. Familienbesitz war nicht pfändbar. Dieses Recht wurde von der jungen USA nach der Unabhängigkeit übernommen. In England hingegen wurden diese Privilegien bald abgeschafft.


    Die vorindustriellen Gesellschaften erfanden Kapitalgesellschaften, die es den Besitzern ermöglichte, ihr Privatvermögen zu schützen. War die Gesellschaft pleite, blieben die Gläubiger auf ihren Forderungen sitzen, die Eigentümer behielten pikanterweise ihr Privatvermögen. Man konnte später Untergesellschaften gründen, bei dem der Absturz einer einzelnen nicht den ganzen Konzern herunterzieht (z.B. eine AG mit mehreren GmbH’s). Das Konstrukt haben bereits die Medici zur Perfektion installiert. Das Privatrecht wird so ausgehebelt, bei dem der Schuldner mit seinem Privatvermögen haftet. Beispielhaft und detailliert erklärt die Autorin, wie die Anpassung des Rechts an die Wünsche der Besitzenden sich im Lauf der Geschichte entwickelt hat. Historisches, wie die «institutionelle Autopsie» der Lehman Brothers, wird erklärt, in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung vom Schuldschein zum Wechsel und der der Handel damit.


    «Das Recht ist ein mächtiges Werkzeug für die Ordnung des Sozialen und hat das Potential, einem großen Spektrum gesellschaftlicher Ziele zu dienen; dennoch wurde es fest in den Dienst des Kapitals gestellt.»


    Wie sieht es eigentlich mit Naturgütern aus? Bodenschätze, Wasser. Ist dies ein Gemeingut oder gehört es in privates Besitztum? Alles ist juristisch codiert. Das angelsächsische Rechtssystem basiert auf Präzedenzfälle. Das «Common Law» (von England in die USA getragen) gibt privaten Anwältinnen einen großen Spielraum. «Denn diese sind nicht nur als Berater zum bereits existierenden Recht tätig, sondern formen aus dem alten Stoff ständig neue Rechte.» Die Rechtsauffassung eines Anwalts vor Gericht, kann zur Urteilsbegründung herangezogen werden, neue Rechtscods entstehen, die in anderen Verhandlungen wieder als gültiges Recht herangezogen werden, ohne von einem Parlament beschlossen zu sein. Im Zivilrecht von Deutschland, Frankreich usw. handeln wir nach dem «Code Civil», der von Napoleon verbreitet wurde. Im Süden galt damals in Frankreich das «römische Recht», im Norden das «Gewohnheitsrecht». Napoleon fasste sie zusammen und modernisierte das neue System als ein vernunftgegründetes allgemeines Recht, das dem Richter Handlungsspielraum zur Entscheidung gab, und es floss soziales Gedankengut aus der Französischen Revolution mit hinein. Freies individuelles Eigentum wurde gewährt, der Zopf des Feudalismus abgeschnitten, eine strikte Trennung von Staat und Kirche eingeführt. Hier wird nach geltendem Recht entschieden, ohne dass Anwälte ihre eigenen Cods in die Entscheidung durch Argumente einfließen lassen können. «So werden auch noch in der Gegenwart alle Jurastudierenden in Deutschland zum Richter und nicht zum Rechtsanwalt ausgebildet. Erst nach der Richterqualifikation dürfen sie den Anwaltsberuf ergreifen.» Dazu kommt nach dem Studium eben auch das Referendariat mit abschießendem Staatsexamen. Im «Comen Law» muss man zunächst nach dem tudium in privaten Kanzleien gearbeitet haben, um zum Richter berufen zu werden. Das Studium ist auf den Rechtsanwalt ausgerichtet. Es gibt in allen Kapiteln interessante Exkurse in die Rechtsgeschichte, die ziemlich spannend sind, verständlich erklärt für den Laien. Allein für die vielen Ausflüge in die Rechtsgeschichte ist das Sachbuch lesenswert. Katharina Pistor stellt Thesen auf, bringt Zusammenhänge, die mir gut gefallen haben, anderen stehe ich ein wenig skeptisch gegenüber. Aber allein die Informationen und Vervindunen, das eigene Orientieren und Nachdenken bringt den Leser weiter. 


    «Deshalb haben sie auch zunehmend darauf gedrängt, juristische Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen oder der Schiedsgerichtsbarkeit dem offiziellen Verfahrensweg den Vorzug zu geben. Doch auch das bringt die Anwälte in eine eigenartige und potenziell recht angreifbare Lage: Sie sind auf die Autorität des staatliche Rechts angewiesen, meiden aber die Gerichte, die traditionellen Hüter des Rechts, aus Angst davor, dass diese sich in ihre Codierungsbemühungen einmischen könnten.»


    Die Globalisierung bringt erweiterte Wahlmöglichkeiten für Firmen und ihre Anwälte. Firmenkonstrukte, Steuerrecht umgehen, verschleiern ... Auswahlmöglichkeit des Firmensitzes, verschiedene Rechtssysteme, Vertragsfreiheit, Verhandlungsort für Rechtsstreitigkeit. Ein Dschungel des Rechtsgeflechts. Nehmen wir als Beispiel das Café von Heike Mustermann in der Fußgängerzone, die brav ihre Steuern bezahlt, auf der anderen Straßenseite der hippe Multikonzern, der überteuerten Kaffee verkauft und kaum Steuern abgibt. Und dann hat man globale Schiedsgerichte erfunden, die ja dazu dienen sollen, Einigkeit schnell zu regeln, die Gerichte zu entlasten. Wer glaubt es? Seit TTIP und CETA ist erlaubt, was von vielen Juristinnen für nicht rechtsstaatlich und verfassungswidrig gehalten wird – von Anwalt zu Anwalt Streitigkeiten ohne Richter beseitigen. Man einigt sich schnell, wenn es um die Verletzung der Rechte von Verbraucher*innen geht. Das alles hinter verschlossenen Türen ohne den Blick der staatlichen Richter, die diese Beschlèsse dann aber als rechtsgültig akzeptieren müssen.


    Katharina Pistor fordert Korrekturen im Rechtssystem. Die demokratische Gesellschaft muss unbedingt die Kontrolle über ihr Recht zurückgewinnen. Gesetze können das ändern und man kann falsche Gesetze auch abschaffen. Sie schlägt u. a. vor, private Schiedsgerichte bei öffentlichem Interesse zu verbieten. Ebenso, die Möglichkeit für Vermögende, ihre finanziellen Risiken der Allgemeinheit aufbürden. Siehe Banken und Firmenpleiten. Spekulative Verträge sollten nicht mehr vor Gerichten durchsetzbar sein. Das Sachbuch ist ein Füllhorn von interessanten Ausflügen in die Rechtsgeschichte – aber nicht nur das, Zusammenhänge werden gut erklärt, ihre Auswirkung auf unsere Gesellschaft. Recht schützt Kapital teilweise sehr ungerecht und trägt somit dazu bei, ein Ungleichgewicht in der Gesellschaft herzustellen.


    Katharina Pistor, geboren 1963, ist Edwin B. Parker Professorin of Comparative Law und Direktorin des Center on Global Legal Transformation an der Law School der Columbia University in New York. Für ihre Forschungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Max-Planck-Forschungspreis 2012. Der Code des Kapitals. Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft wurde von der Financial Times und von Business Insider zu einem der besten Bücher 2019 gekürt. Dieses Buch steht in der Longlist: Wissenschaftsbuch des Jahres 2022. 

    https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/der-code-des-kapitals-von-katharina.html


  7. Cover des Buches Unsere wunderbaren Jahre (ISBN: 9783596522521)
    Peter Prange

    Unsere wunderbaren Jahre

     (88)
    Aktuelle Rezension von: Lesefee2305

    „…die Sache mit den Talenten, und was man daraus macht. Als wir damals anfingen, jeder mit seinen vierzig Mark, hatten wir doch alle ziemlich klare Vorstellungen, was wir damit im Leben anfangen wollen.“


    „Unsere wunderbaren Jahre“ von Peter Prange liegt schon ziemlich lange auf meinem SuB. Schätzungsweise seit mindestens 2019 - eventuell länger.

    Obwohl es mich eigentlich total angesprochen hat, habe ich mich einfach nicht ans Lesen getraut. Warum?

    Weil der Roman nahezu 1000 Seiten lang ist. Das Papier ist dünn wie Pergament und ja, das hat mich tatsächlich abgeschreckt.

    Glücklicherweise habe ich den Roman jedoch in unseren Urlaub mitgenommen und hatte so viel Zeit zum Lesen! Und ich habe es nicht bereut!

    Der Schreibstil des Autors ist wunderbar flüssig und so macht es unglaublich viel Freude die Figuren über mehrere Jahre ihres Lebens zu begleiten.

    Fiktion und Realität liegen dabei dicht beeinander, historische Aspekte werden in die Handlung eingebaut und alles startet und endet mit der D-Mark. Eine spannende Zeit auf vielen Ebenen, Freud und Leid liegen eng beeinander. Das Leben nimmt seinen Lauf. Der Leser darf erleben, wie die sechs Hauptfiguren ihr Leben meistern und es wird in keiner Minute langweilig! 

    Gleichzeitig ist es wohl einer der persönlichsten Romane des Autoren, den er selbst und sein Heimatort haben ebenfalls eine Rolle…

    Ich habe den Roman also in unserem Urlaub durchgelesen und vergebe klare 5 von 5 Sternen.

  8. Cover des Buches Das Ende der Megamaschine (ISBN: 9783853713846)
  9. Cover des Buches Berthold Beitz (ISBN: 9783827008923)
    Joachim Käppner

    Berthold Beitz

     (14)
    Aktuelle Rezension von: WinfriedStanzick
    Diese Biographie von Berthold Beitz ist ein publizistisches Meisterwerk. Denn sie nähert sich einem Mann, dessen Leben so reich, so vielfältig ist, dass es nur schwer zwischen zwei Buchdeckel zu pressen ist. Das Leben von Berthold Beitz ist ein Teil deutscher Zeitgeschichte. Einflussreicher Wirtschaftsboss an der Spitze des Krupp-Konzerns war er und hatte aber anders als die vielen heutigen Manager, die nur an ihr schnelles Geld und an die Rendite denken, immer das Gesamte im Blick. So war, wie Helmut Schmidt in einem Vorwort zu diesem Buch dankbar und mit Hochachtung hinweist, Berthold Beitz in den sechziger Jahren schon gegen viele Widerstände in seiner Zunft ein leidenschaftlicher Vorreiter und Kämpfer für eine neue Ostpolitik. Sehr oft hat Beitz in seinem Leben mutig und entschieden gehandelt, was ihn zeitweise zu einem einsamen Mann machte, der jedoch aus einer großen inneren Freiheit heraus sich nicht beirren ließ und seinem Weg vertraute. Sein Engagement hat vieler Entwicklungen befördert und er hat mit seinem Leben seinem Land gedient und sich um es verdient gemacht. Erst spät etwa wurde bekannt, dass er während des Krieges Hunderte von verfolgten Juden das Leben gerettet hat, wofür er in Israel als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt wurde. Man spürt beim Lesen, wie wichtig solche freien und unabhängigen Unternehmerpersönlichkeiten für unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg waren. Sehr lange allerdings hat ein gegen das Unternehmertum alten Stils gerichteter Zeitgeist die Würdigung solcher Persönlichkeiten erschwert. Dass das nun in diesem Jahr in mehreren Büchern geschieht, (vgl. auch: Berthold Leibinger, Wer wollte eine andere Zeit als diese, Murmann 2010) begrüße ich sehr.
  10. Cover des Buches Die Fabrikanten (ISBN: 9783257235463)
    Sibylle Mulot

    Die Fabrikanten

     (13)
    Aktuelle Rezension von: verena scott
    gute familiengeschichte, schön geschrieben
  11. Cover des Buches Herrschaft der Dinge (ISBN: 9783570553824)
    Frank Trentmann

    Herrschaft der Dinge

     (4)
    Aktuelle Rezension von: 101844
    Frank Trentmann hat ein wirklich ansprechendes Buch verfasst. Es beginnt mit einem thematisch passenden und zum Nachdenken anregendem Gedicht. Dem folgt eine Einleitung, in der die Inhalte und Schwerpunkte des Buches verdeutlicht werden. Das stimmt auf das Kommende ein und bietet gleich zu Beginn Orientierung. Der Autor begleitet die Lesenden durch den Text und verfolgt konsequent und souverän den roten Faden. 
    Das Buch gliedert sich in zwei Teile und die Vorgehensweise des Autors wird an geeigneten Stellen erläutert. Gerade bei einem so umfassenden Text, ist das eine willkommene Unterstützung. 



    Zum Inhalt: Entstehung und Prozess von Konsumkulturen werden mittels vieler guter Beispiele veranschaulicht. So erfahren die Lesenden z. B. die Bedeutung von Gabeln, was es mit "Luxusgesetzen" auf sich hat und wieso gelbe Lederstiefel zum Tode führen konnten.  Dabei bereisen die Lesenden die verschiedenen Kontinente und werden, dank des geschickten Schreibstils des Autors, in die Zeit von vor über 500 Jahren versetzt. Diese Reisen verdeutlichen gesellschaftliche und kulturelle Wandel und deren Einfluss auf den Konsum. Karten, 
    Diagramme und Grafiken unterstützen anschaulich das Verständnis für wirtschaftliche Prozesse und Entwicklungen. Frank Trentmann gelingt es, das Tempo der Verbreitung von Konsum spürbar deutlich zu machen. Es wird nachvollziehbar, wie aus luxuriösen Exoten in kürzester Zeit Alltagsdinge wurden. 
    Ein spannender Exkurs zum Thema Identitätsbildung in unmittelbarem Zusammenhang mit Konsum ist nur ein Beispiel für viele weitere. Dabei führt der Autor immer wieder zum Hauptthema zurück und schafft so ein ganzheitliches Bild. 
    Des Weiteren wird mit gängigen Klischees, wie dem der "Amerikannisierung" Europas, aufgeräumt. Frank Trentmann scheut sich nicht, sich mit der vernichtenden Kritik an den Konsum auseinanderzusetzen. Schlussendlich entwickelt er eine ganz eigene Perspektive, die zeigt, was getan werden muss.
  12. Cover des Buches Krupp (ISBN: 9783442085323)
    Bernt Engelmann

    Krupp

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Bellis-Perennis

    Der deutsche Journalist Bernt Engelmann (1921-1994) ist Autor vieler Sachbücher und hat sich in vorliegendem Buch mit der Geschichte der Unternehmer-Familie Krupp auseinandergesetzt.

     

    Er beschreibt die durchaus wechselhaften Geschicke der Familie, die seit dem 16.Jahrhundert in Essen ansässig sind, mit teils humorigen Kommentaren.

     

    Zu Beginn sind die Krupps (Salz)Händler und wenig später einflussreiche Stadträte. Erst mit Friedrich Krupp beginnt 1811 die Entwicklung zum Industriekonzern, der mehrere kleinere Krieg und zwei furchtbare Weltkriege übersteht.

     

    Engelmann wühlt in privaten und öffentlichen Archiven, fördert Urkunden und Verträge zu Tage, die im Anhang im Original zu finden sind, und stellt Aussagen von Krupp-Hasser denen der „Hof-Biografen“ gegenüber.

     

    Das ergibt einen recht spannenden Lesestoff! Man glaubt es kaum, dass Gegner und Fans von ein und derselben Familie sprechen. Bernt Engelmann wird seinem Wunsch, der Dynastie neutral gegenüber zu bleiben, durchaus gerecht. Er sieht beide Seiten, zieht korrekte Schlüsse und betrachtet die Familie immer im aktuellen Zeitgeschehen. Deshalb erhält der Leser auch einen tollen Abriss der deutschen Geschichte, die so manch einer vielleicht nicht ganz so gerne und vor allen nicht ganz so kritisch gesehen haben möchte.

     

    Herrlich sind die, an britischen Humor erinnernden, Passagen, wenn er die unterschiedlichen Standpunkte gegenüberstellt. Engelmann entlarvt den amerikanischen Historiker und Autor William Manchester als nicht ganz so sattelfest in der Geschichte der Krupps.

     

    Neben den schon erwähnten Originalverträgen, Faksimiles von Urkunden und Briefen, enthält das Buch eine große Anzahl von Fotografien einiger Familienmitglieder des weit verbreiteten Clans.

     

    Fazit:

     

    Das Buch erzählt detailgenau den Aufstieg und Niedergang der Familie Krupp. Kritisch und doch humorvoll.

  13. Cover des Buches Wohlstand und Armut der Nationen. The Wealth and Poverty of Nations, dtsch. Ausgabe (ISBN: 9783886805259)
  14. Cover des Buches Die Kunst über Geld nachzudenken (ISBN: 9783430156288)
    Andre Kostolany

    Die Kunst über Geld nachzudenken

     (17)
    Aktuelle Rezension von: Dr_M
    Kostolany war ein Liebling der Medien, ein Unikum, das man gerne zeigt. Und die Leute lieben solche Typen. Wenn er bei n-tv auftrat und seine Weisheiten zum Besten gab, dann war das amüsant. Mehr aber auch nicht. Und so wie er sich selber in der Öffentlichkeit zelebrierte, so ist auch sein letztes Buch: Am Ende weiß man nicht so recht, wozu es eigentlich nützt, aber es liest sich dafür gut. Kostolany erklärt uns wie volkswirtschaftliche Parameter und die psychologische Verfassung der Massen die Finanzmärkte beeinflussen. Der Leser soll lernen, was die Märkte so machen werden, wenn diese oder jene Situation eintritt. Aber lernt er das wirklich? Wenn ich einem hinreichend intelligenten Menschen einen Aktienchart zeige und ihm erkläre, daß man an den Wendpunkten short oder long gehen soll, kann er das dann auch tatsächlich, wenn er nicht in die Vergangenheit sieht, sondern in die Zukunft? Wird er die Situation dann überhaupt erfassen, und falls er es tut, wird er dann auch folgerichtig handeln? Und wenn er gehandelt hat, wird er mit seiner Position danach richtig umgehen? Ich wage das zu bezweifeln. Man lernt aus den gleichen Gründen auch das Spekulieren eines Kostolany nicht durch einen gelehrten, aber gerade deswegen oberflächlichen Blick in die Vergangenheit. Eines der großen Rätsel dieses Universums wird für mich immer die Frage bleiben, wie Leute, die vorgeblich Amateure oder gar Neulinge an den Finanzmärkten sind, nach dem Lesen eines oder gar dieses Buches der Meinung sein können, sie hätten nun verstanden, wie die Börse läuft.

    Kostolany hat sich selbst stolz den Titel Spekulant verliehen. Und die Spekulanten sind die Guten, die wahren Künstler eben. Neben ihnen gibt es in seiner etwas vereinfachten Börsenwelt noch die Fondmanager und die Spieler. Fondmanager sind seiner Meinung nach die ewigen Verlierer, weil sie so selten die Indizes schlagen. Die Spieler hingegen sind die Bösewichte an der Börse. Sie haben keine Ahnung vom richtigen Spekulieren und handeln nach Techniken, die Kostolany für schrecklichen Unsinn hält. Nun arbeiten aber die wenigen Menschen, die dauerhaft Gewinn an den Finanzmärkten machen, heute fast ausschließlich mit solchen Techniken. Diesen kleinen Irrtum kann man ihm aber nicht ernsthaft vorwerfen. Das war einfach nicht mehr seine Zeit, und er hat diese Techniken, die weit weg von irgendeiner primitiven Chartanalyse angesiedelt sind, auch nie wirklich verstanden oder verstehen wollen. Im Gegensatz zu diesen erfolgreichen Leuten, die meist nur Insidern bekannt sind und aus gutem Grund die Öffentlichkeit scheuen, gibt es in unserer Zeit nur noch einige wenige ernsthafte Spekulanten vom Kostolany-Typ. Sie versuchen zu erkennen, was die ökonomische Zukunft bringen wird und positionieren sich vorher entsprechend. Sie handeln auf lange Sicht und brauchen, wenn sie davon leben wollen, viel Geld. Ansonsten müssen sie Vorträge halten und Bücher schreiben. Dem Leser dieses Buches wird nach seiner Lektüre das Spekulieren kaum dauerhaft gelingen, denn Kostolany hat seine Kunst nicht dadurch gelernt, daß er das Buch eines anderen Spekulanten gelesen hat, sondern durch eine harte Ausbildung und zahlreiche Erfahrungen in seinem langen Leben. Schließlich war er wie jeder tolle Spekulant wenigstens zweimal pleite. Viel Spaß also beim Spekulieren lieber Leser. Und beachten Sie Kostos Gebote Nummer 2 und 4: Genügend Geld haben, um nicht unter Druck zu kommen und hart und zäh bleiben, wenn man überzeugt ist. Besonders Gebot 4 führt in der Regel schneller in die erste Pleite als man denkt. Und dann Gebot Nummer 3 verinnerlichen: Geduld haben, denn erstens kommt alles immer anders und zweitens anders, als man denkt. Schließlich zum Trost auch noch Gebot Nummer 5: Elastisch sein und immer damit rechnen, daß in der Vorstellung ein Irrtum vorlag. Na, wenn das nichts ist .
  15. Cover des Buches Bekenntnisse eines Economic Hit Man (ISBN: 9783442154241)
    John Perkins

    Bekenntnisse eines Economic Hit Man

     (12)
    Aktuelle Rezension von: JSilver

    Perkins schreibt als Amerikaner für Amerikaner - in dem subjektiven Stil eines geläuterten Patrioten, wie ich es schon oftmals erlebt und gelesen hab.

    dadurch ließt sich ein Buch über den ungeschönten Kapitalismus gerade so weg wie eine Kolumne im Spiegel. 

    Doch die themen die hier aufgemacht werden sind alles andere als Unterhaltsam, sondern berichten von der Skrupellosigkeit unserer Weltwirtschaft. Und was der einzelne Mitarbeiter dazu beigetragen hat.


    Erschreckend und ernüchternd 

  16. Cover des Buches Deutsche Geschichte (ISBN: 9783865399281)
  17. Cover des Buches Wer regiert die Welt? (ISBN: 9783593384061)
    Ian Morris

    Wer regiert die Welt?

     (8)
    Aktuelle Rezension von: Dr_M
    Einige behaupten, dass bereits im alten Griechenland die Voraussetzungen für die westliche Vorherrschaft geschaffen wurden. War also alles gewissermaßen von Anfang an determiniert? Oder entstanden diese Machtverhältnisse, wie andere meinen, als Produkt kurzzeitig wirkender Zufälle, die den Westen an einer bestimmten, aber entscheidenden Stelle der Entwicklung bevorteilt haben? Ian Morris verneint gleich zu Beginn seines umfangreichen Werkes diese beiden gängigen Theorien und kündigt dann eine völlig andere Erklärung an.

    Doch dazu müssen wir ihn in diesem Buch auf seinem Weg durch die menschliche Geschichte begleiten. Im ersten Kapitel beginnt diese Reise mit der Untersuchung der Wanderbewegung des Homo sapiens aus Afrika nach Europa und Asien. Da dies fast gleichzeitig geschah, sind rassische Gründe aus der Urzeit nicht verantwortlich für den Vorteil des Westens. Um 17000 v.u.Z. schmolzen in nur zwei oder drei Jahrhunderten die Gletscher auf der Nordhalbkugel. Als Folge dieser Erderwärmung kam es im sogenannten Fruchtbaren Halbmond vom heutigen Israel über die Türkei in den Iran und fast bis zum Persischen Golf zur frühzeitigen Entstehung und Kultivierung von Ackerbau und Viehzucht, was den Westen in Führung gehen ließ. Das ist der Inhalt des zweiten Kapitels.

    Das dritte Kapitel spielt eine zentrale Rolle im Buch, denn hier erklärt der Autor seine Methode, die gesellschaftliche Entwicklung zu messen. Dazu bastelt er sich einen Index aus vier Merkmalen: der Energieausbeute, der Organisationsfähigkeit (in Form des Verstädterungsgrades), der Verarbeitung und Verbreitung von Nachrichten und der Fähigkeit, Kriege zu führen. Nachdem geklärt ist, was zu messen ist, wird im Folgenden beschrieben, wie diese Messungen konkret durchgeführt werden. Darauf und auf kritische Punkte dabei näher einzugehen, würde leider den Rahmen dieser Rezension sprengen. Allerdings liegen einige Probleme auf der Hand, denn wir besitzen einfach nicht zu jeder Zeit und für jeden Ort der Vergangenheit die entsprechenden Daten. Klar ist dagegen sofort, dass die Kurve an ihrem Ende explosionsartig ansteigen muss.

    Von nun an arbeitet der Autor mit seinen Messkurven und präsentiert sie im vierten Kapitel für die Zeit von 14000 bis 5000 vor Christus. Dann wendet er sich der Zeit von 5000 bis 1000 vor unserer Zeit zu, in der der Osten ein wenig aufholte. Jedes Kapitel berichtet im angenehmen Erzählstil über die wesentlichen Ereignisse der Weltgeschichte im betrachteten Zeitraum, die für die damals faktisch nicht vorhandene Konkurrenz von Osten und Westen von Bedeutung waren. Obwohl der Text sehr gut geschrieben ist, kann er wegen der ungeheuren Faktenfülle gelegentlich etwas anstrengend werden.

    Von 1000 bis 100 vor Christus verlaufen die beiden Messkurven parallel. In dieser Zeit entstanden die heutigen großen Weltreligionen, und die Gesellschaften entwickelten sich von der Low-End-Organisation zur High-End-Organisation, was nichts anderes bedeutet als die Erfindung des Beamtenstaates. Das erklärt Morris im fünften Kapitel. Hier und schon im vorangegangen Kapitel macht der Autor deutlich, warum die Theorie des langfristigen Determinismus als Erklärungsmodell für die westliche Überlegenheit scheitern muss. Er nennt den Grund "Paradox der gesellschaftlichen Entwicklung". Eine gesellschaftliche Entwicklung, meint Morris, bringt immer auch genau die Kräfte hervor, die sie schließlich untergraben.

    Im sechsten Kapitel beschreibt er die Zeit von 100 vor bis 500 nach Christus, in der sowohl im Osten wie im Westen die Großreiche zerfielen. Von dieser Dauerkrise erholte sich der Osten anschließend viel schneller und ging, wenn man dem Index des Autors Glauben schenkt, erstmals in der gesellschaftlichen Entwicklung am Westen vorbei. Doch obwohl man damals in China mit Kohle etwas anfangen konnte und die Eisenherstellung aufblühte, kam es nicht zu einer industriellen Entwicklung wie mehrere hundert Jahre später in Europa. Und selbst wenn es die Chinesen, wie einige behaupten, in dieser Zeit bis nach Amerika geschafft hatten, so eroberten sie es nicht. Das wird sich später als ein schwerer Nachteil erweisen.

    Inzwischen jedoch hatte es überlegene chinesische Technologie bis nach Europa geschafft, und die Europäer nutzen das, was Morris den Vorteil der Rückständigkeit nennt. Sie holten in der gesellschaftlichen Entwicklung wieder auf (9. Kapitel) und begannen mit der Erfindung der Dampfmaschine das Zeitalter der westlichen Dominanz, das bis heute anhält. Dem Entwicklungssprung durch die industrielle Revolution in Europa (10. Kapitel) hatten die Asiaten zunächst nichts entgegenzusetzen.

    Morris macht in letzter Instanz vor allem geografische Gründe für die Tatsache verantwortlich, dass diese industrielle Revolution im 18. Jahrhundert vom Norden Europas ausging und nicht 600 Jahre früher in China begann. Darüber und auch über einige seiner Interpretationen historischer Vorgänge kann man durchaus geteilter Meinung sein. Wenn man nämlich seine Darlegungen in den einzelnen Kapiteln aufmerksam liest, dann argumentiert er dort manchmal auch anders, zum Beispiel indem er sozio-kulturelle Aspekte ins Spiel bringt oder gelegentlich auch die innere Haltung von Völkern berücksichtigt.

    Trennt man sich einmal von der konstruierten Ost-West-Betrachtungsweise und stellt dann die Frage, warum in Europa heute die nördlichen Länder den Ton angeben, obwohl sie erst in der jüngeren Geschichte Europas eine Rolle zu spielen begannen, dann versagen die geografischen Argumente von Morris, die er im 11. Kapitel noch einmal für seine Ost-West-Frage zusammenfasst, sofort, denn Europas geografische Vorteile liegen ganz eindeutig im Süden.

    Das letzte Kapitel verdirbt den guten Eindruck des Buches dann etwas, denn hier lässt sich der Autor auf viele recht fragwürdige Spekulationen ein. Ganz nebenbei kommt dabei auch sein Hang zu ausladenden Betrachtungen sehr deutlich zum Vorschein, der das Buch künstlich aufgebläht hat. Hätte sich der Autor etwas konzentrierter seiner zentralen Frage gewidmet und sie als wirklichen roten Faden benutzt, dann wäre das Buch deutlich weniger umfangreich geworden.

    Obwohl der Text nach einem riesigen Anlauf einen relativ kurzen und fragwürdigen Sprung zustande bringt, hat es doch den unschätzbaren Vorteil, dass es die wesentlichen Ereignisse der Menschheitsgeschichte auf ungefähr 600 Seiten zusammenfasst, ohne irgendwann langweilig zu werden.

    Im Anhang erklärt Morris noch einmal seinen Index der gesellschaftlichen Entwicklung und bringt Zahlen und Berechnungsmethoden, die in den jeweiligen Kapiteln ausgespart blieben.

    Fazit.
    Ein sehr interessantes Buch, das die Menschheitsgeschichte unter dem Blickwinkel der Entwicklung in Asien und Europa (sowie später Nordamerika) betrachtet. Der Autor untersucht, warum Gesellschaften aufsteigen und fallen. Obwohl man über seine Antwort auf die eingangs gestellte Frage geteilter Meinung sein kann, bietet das Buch einen einzigartigen und sehr gut lesbaren Überblick über die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in Ost und West.
  18. Cover des Buches Die Korruptionsfalle (ISBN: 9783498039158)
    Hans Leyendecker

    Die Korruptionsfalle

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    Leyendecker berichtet uns aus der um sich greifenden und flächendeckenden Korruption, die vor keiner Branche und keiner Gesellschaftsschicht halt macht. An manche der ganz bekannten Fälle (zB Mannesmann-Vodafone) konnte man sich noch erinnern, nach 20 Jahren wäre eine aktualisierte Neuauflage wünschenswert. Daß in Deutschland bei diesen Zuständen überhaupt noch "was läuft"! Grotesk, was da abgelaufen ist, wie dreist und selbstüberzeugt die Betreffenden vorgegangen sind. Leider kann man keine Partei ausnehmen, auch nicht die selbst favorisierte. Irgendwie denkt man doch, daß das Ganze eher in den Großstädten und den Metropolregionen stattgefunden hat, aber die größeren Unternehmen in unserer Provinz hier (v.a. die Entsorgungsbetriebe) sieht man jetzt auch mit anderen (mißtrauischen) Augen. H.L. ist uns bei unserer Pragfahrt mit der Referendars-AG 2002 in zwei Tagen mindestens drei Mal über den Weg gelaufen. Entscheidungsträger, hört den Autor!

  19. Cover des Buches Nippon Connection (ISBN: 9783442465446)
    Michael Crichton

    Nippon Connection

     (76)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    Die Vorlage zu dem Film mit Sean Connery und Wesley Snipes. Die Belehrungen Connors an den kohai nerven irgendwann, genauso wie die seitenlangen Abschnitte über Videobänder und deren Manipulation. Aber eine spannende Krimigeschichte ist es allemal, und das sexy Mordopfer in der Verfilmung wird von dem deutschen Model Tatjana Patitz gespielt. In gewissen Kreisen ist das Buch als antijapanisch und rassistisch bezeichnet worden, aber in jedem Fall ist es ein Weckruf an amerikanische Entscheidungsträger. Und die Staatsanwältin ist eine Rabenmutter.

  20. Cover des Buches Die protestantische Ethik (ISBN: 9783866473690)
  21. Cover des Buches The Ancient Economy (ISBN: 9780520219465)
    M.I. Finley

    The Ancient Economy

     (1)
    Noch keine Rezension vorhanden
  22. Cover des Buches Die berufliche Spezialisierung in Handel und Handwerk (ISBN: 9783867572521)
  23. Cover des Buches Bill Gates (ISBN: 9783453089570)
    Bernhard Günter

    Bill Gates

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Holden
    The Gates of hell: Günter hat ein erleuchtendes Buch über Bill Gates, eines Genies der heitigen Zeit, geschrieben, und betont dessen Fertigkeiten sowohl im technischen wie auch im marketingmäßigen Bereich, eines unermüdlichen Schöpfers und Erfinders, der durchaus auch seine negativen Seiten hat wie Tobsuchtsanfälle und die Fähigkeite, Geschäftspartner über den Tisch zu ziehen. Seine Anfänge im zukunftsorietierten Seattle werden beschrieben, genauso wie die entscheidenden Wegmarken auf dem Weg zum Weltunternehmen, aber ich hätte mich doch über mehr technische Details gefreut, und dem Buch täte auch eine Neuauflage gut, die ebenfalls sehr interessant ausfallen dürfte.
  24. Cover des Buches The Company (ISBN: 0812972872)

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