Bücher mit dem Tag "wk2"
61 Bücher
- Markus Zusak
Die Bücherdiebin
(4.670)Aktuelle Rezension von: Hortensia131939, Nazideutschland. Der Tod hat viel zu tun. Doch die kleine Liesel Meminger lässt ihn innehalten, als sie am Grab ihres kleinen Bruders ihr erstes Buch stiehlt. Als ihr die Buchstaben immer mehr vertraut werden, wird das Stehlen von Büchern etwas Besonderes für sie. Es trägt sie durch eine Welt, in denen Bomben, alles in Schutt und Asche versinken lassen, und Juden nach Dachau marschieren müssen. Wie schon gesagt, der Tod hat viel zu tun.
Dieses Buch ist zurecht als historisches Jugendbuch preisprämiert. Anfangs hatte ich etwas Mühe mit dem Schreibstil, da besonders die Erzählung aus der Sicht des Todes sehr philosophisch geschrieben war. Aber Liesels Geschichte geht dafür sehr schnell ans Herz. Sie wächst in einem Weltkrieg auf und nimmt alles durch ihre kindliche Sicht wahr. Es ist auch schön, wie sie die Liebe zu Wörtern entdeckt und Bücher ihr eine ganz eigene Welt öffnen.
Mein Fazit: Ich finde, dass Buch bietet eine gute Diskussionsgrundlage, um die Schrecken des Zweiten Weltkrieges fassbar zu machen. Jugendliche Leser sollten mit dieser Geschichte nicht alleine gelassen werden. Es ist sehr eindrucksvoll. 5 Sterne.
- Bernhard Schlink
Der Vorleser
(5.787)Aktuelle Rezension von: Alrik"Der Vorleser" von Bernhard Schlink hat mich tief beeindruckt. Die Geschichte um die Beziehung zwischen dem jungen Michael und der geheimnisvollen Hanna ist fesselnd und regt zum Nachdenken an. Schlink beleuchtet dabei nicht nur die persönliche Ebene, sondern auch die historische Dimension der Nachkriegszeit in Deutschland.
Besonders gelungen fand ich die Entwicklung der Charaktere und die authentische Darstellung ihrer inneren Konflikte. Der Schreibstil ist klar und präzise, was das Lesen angenehm macht. Allerdings gab es Passagen, die sich etwas in die Länge zogen und meinen Lesefluss leicht beeinträchtigten.
Insgesamt ist "Der Vorleser" ein lesenswertes Buch, das wichtige Themen anspricht und einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Ich kann es jedem empfehlen, der sich für tiefgründige Literatur interessiert.
- Jonathan Littell
Die Wohlgesinnten
(160)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderNach der großen Ankündigung und dem großen Erfolg in Frankreich konnte man sehr gespannt sein. Der Autor hat wohl die nötige Distanz um dieses >Eisen< anzupacken. Leider passiert dann sehr wenig. Lobenswert ist die genaue Recherche und das Aufarbeiten von Zahlen und Orten, aber Ereignisse werden zum Teil nur gestreift und das Buch wird bald langweilig. Es ist sehr enttäuschend, man kann fast von einem Machwerk sprechen denn von all dem angekündigten, versprochenen ist nichts übrig. Es wird soviel angepackt, aber dann plötzlich fallen gelassen und der Autor nimmt seine Erzählfäden oft nicht mehr auf und so ist es nicht interessant, nicht brisant, nicht aufklärend oder aufrüttelnd, sondern einfach nur langatmig, langweilig und überhaupt nichts sensationelles.
- Joseph Heller
Catch 22
(93)Aktuelle Rezension von: Anton_LoeweIch habe vor Kurzem die Miniserie von George Clooney gesehen und im Anschluss noch einmal den Roman gelesen. Keine Frage, dass der Roman die Serie um Längen schlägt.
Catch 22 gilt als Antikriegssatire, doch Heller geht es sicher auch darum, die Mechanismen eines außer Kontolle geratenen Kapitalismus zu zeigen. Die Handlung des Romans spielt im Zweiten Weltkrieg, wobei viele Abschnitte eher an die McCarthy-Zeit erinneren. Wer schwarzen Humor mag, liebt dieses Buch bestimmt.Der Held Yossarian wird in eine absurde Welt geworfen, in der er kein Held sein möchte.
Ach so: Wenn man sich überhaupt eine Verfilmung ansehen möchte, dann besser die von Mike Nichols (1970).
- Thomas Keneally
Schindlers Liste
(282)Aktuelle Rezension von: CarinaElenaEs gibt schon so viele Rezensionen, da weiß ich gar nicht was ich noch neues schreiben soll was man noch nicht gelesen hat. Habe zuerst das Buch gelesen und dann den Film geschaut und beides hat mich so erschüttert. Finde es auch sehr schwer ein solches Werk zu kritisieren (egal ob positiv oder negativ), daher werde ich mich da kurz halten. Für mich sollte dieses Buch auch als Schullektüre eingeführt werden, sodass die Geschichte niemals in Vergessenheit gerät.
Der Autor führte viele Gespräche mit Weggefährten und Fachleuten und vermeidet es, Lücken mit erfundenen Informationen zu füllen. Man lernt Oskar Schindler kennen, einen Mann den man so schnell nicht vergessen wird.
Ich kann jedem, der sich für das Thema Holocaust interessiert, nur empfehlen, dieses Buch zu lesen. Auch der Film ist ein Meisterwerk für sich, aber das Buch sollte man dadurch nicht unbeachtet lassen. Wunderbar, ergreifend und erschreckend mit jedem Wort, das auf den Seiten steht. Alleine dieses Buch sollte uns zeigen, dass so etwas nie wieder passieren darf! Und gleichzeitig zeigt es auch, wie wahr der hebräische Spruch ist, welcher einige Male im Buch Erwähnung findet:
"Wer auch nur ein einziges Leben rettet, der rettet die ganze Welt." - Sir Winston Churchill
Der Zweite Weltkrieg
(16)Aktuelle Rezension von: Tobias_DamaschkeDieses Buch verbindet zwei meiner absoluten Lieblingshobbys: Lesen und Geschichte.Der Zweite Weltkrieg ist der Urknall der modernen Weltordnung, der folgenschwerste Konflikt des 20. Jahrhunderts, dessen Folgen bis heute überall zu spüren sind. Es gibt wohl kaum ein geschichtliches Thema, das so oft in Filmen, dem Fernsehen oder Büchern verwendet wird. Doch kaum ein Werk reicht an das von dem Mann heran, der 1940 durch seine unerschütterliche Unbeugsamkeit vielleicht das zivilisierte Europa vor den Nazis rettete.
Winston Churchill ist eine absolut faszinierende Persönlichkeit. Sicherlich kann man ewige Diskussionen über ihn führen, viele sehen ihn kritisch und dieser Text hier soll jetzt bestimmt nicht ins geschichtswissenschafftliche abdriften. Hier gehts nämlich um eine Fähigkeit dieses Briten, die man ihm nicht absprechen kann: Er konnte verdammt gut schreiben.
Dieses Buch ist mehr als eine bloße Zusammenfassung des Krieges aus britischer Sicht. Teilweise liest es sich wie eine Autobiographie oder Churchills Memoiren. Es gibt tiefe Einblicke in das britische Regierungs- und Parteiensystem, Einzelschicksale werden eörtert, große Borgen gespannt und Details ans Licht gebracht, die zumindest mich beim ersten Mal Lesen sehr überraschen konnten. Zudem, bedingt durch den Autoren und die Zeit, aus der das Buch stammt, ist dies hier auch ein Zeugnis des Denkens eines Menschen aus der Zeit des Imperialismus. Sobald Churchill von der "britischen Rasse" spricht, sollte man nicht den Fehler machen, aus rein modernen Augen auf das Buch zu schauen - wie jeder Mensch war Churchill ein Kind seiner Zeit und da damals andere Ansichten vorgeherrscht hatten, sollte dieser Sprachgebrauch niemanden verwundern.
Am Ende ist dieses Buch einfach nur hochinteressant und - obwohl man ja natürlich weiß, wie alles ausgeht - stellenweise sehr spannend. Ich lege dieses Buch jedem ans Herzen, der sich für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs interessiert und auch mal einen Blick hinter die Kulissen der britischen/allierten Seite wagen will. es lohnt sich - den Nobelpreis für Literatur hat das Buch schließlich nicht aus purem Zufall gewonnen.
- Robert Merle
Der Tod ist mein Beruf: Roman
(156)Aktuelle Rezension von: ArtVandaleyRobert Merle ist ein wahrhafter Schauer-Roman gelungen, der seinen Sinn mehr als erfüllt. In der Ich-Form berichtet Robert Lang über sein Leben. Die an sich fiktive Romanfigur basiert jedoch bis ins Detail auf dem Leben von Rudolf Höß, dem Lagerkommandanten von Ausschwitz während des zweiten Weltkrieges. Über Episoden seiner Kindheit und dem jungen Erwachsenenleben zeichnet der Roman nach, wie Lang Schritt für Schritt Karriere macht, bis er von Heinrich Himmler persönlich den Auftrag bekommt, die millionfache Ermordung von Juden zu "organisieren". Geleitet wird Lang dabei nur von einer Maxime: der Befehlstreue. Durch die emotionslose, nüchterne und im Falle des Aufbaus des Konzentrationslagers und der Gaskammern auch technische Beschreibung der Abläufe wird die grausame Entmenschlichung deutlich und zeigt, zu welchem Unheil Diktaturen im schlimmsten Fall führen können. Unterbrochen wird der Ablauf perverserweise durch das weihnachtliche Zusammensein mit der Familie. Selbst der Suizid eines ranghohen Lageruntergebenen, der den Geruch der Leichen nicht mehr ertragen konnte, wird zur Banalität. Dabei gefriert einem das Blut in den Adern. Das muss es auch.
- Walter Kempowski
Das Echolot - Barbarossa '41 - Ein kollektives Tagebuch - (1. Teil des Echolot-Projekts)
(6)Aktuelle Rezension von: Jens65Ein ergreifendes, fesselndes Zeitzeugnis. Und eigentlich ein Buch, das als Pflichtstoff in den Geschichtsunterricht gehört !!! Summa summarum: Ein grandioses, tausendstimmiges Werk, das man nicht vergessen kann. Danke, Walter Kempowski! - Ian Kershaw
Höllensturz
(20)Aktuelle Rezension von: dunkelbuchWill man sich über die historische Entwicklung Europas im letzten Jahrhundert bzw. von 1914 - 1949 ein Bild machen, dann ist wohl kein Buch besser als dieses dafür geeignet!
- Rudolf Höß
Kommandant in Auschwitz
(14)Aktuelle Rezension von: Jeys_Book_LinesIch habe mir dieses Buch zugelegt, da mich der Nationalsozialismus, der zweite Weltkrieg etc. sehr interessiert. Teilweise waren wirklich äußerst interessante Informationen und Ansichten vertreten, die man so noch nicht kannte. Teilweise war das Buch für mich aber sehr zäh geschrieben und hat mich nicht wirklich gefesselt. Ich war über einige Schilderungen des "Kommandanten" ziemlich überrascht, viele Dinge haben mich doch kurz zum Grübeln gebracht. An sich ein gutes Buch, ich denke man muss aber doch sehr konzentriert und fixiert darauf sein, um dem ganzen Inhalt folgen zu können.
- Lothar-Günther Buchheim
Die Festung
(23)Aktuelle Rezension von: Schwabe84Ein Welzer von über 1400 Seiten, die den Weg des "Autoren", von Berlin, über die Bretagne, ins Elsass beschreibt, in den Kriegwirren, während der Alliierten Invasion. Das Buch beschreibt ähnlich, wie in Das Boot, den Wahnsinn des Krieges, diesmal nicht nur zu Wasser, sondern auch an Land. Das Buch ist in keinem Vergleich, zur der Serie von Sky.
- Traudl Junge
Bis zur letzten Stunde: Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben
(102)Aktuelle Rezension von: NalasBuchBlogJeder hat bereits einmal von Hitlers Sekretärin gehört – daher ist dem einen oder anderen auch der Name Traudl Junge oder Traudl Humps bekannt.
In diesem Buch erzählt sie ihre Geschichte, wie sie an die Stelle als Sekretärin gelangte und dadurch in den „engeren“ Kreis von Hitler aufgenommen wurde. Doch auch die Erlebnisse der letzten Stunden im Bunker, der Flucht und den Jahren danach werden einiges an Bedeutung beigemessen.
Im Vorwort nimmt Traudl Junge nochmals Stellung zu den niedergeschriebenen Eindrücken auf den darauffolgenden Seiten und wie sie heute darüber denkt. In manchen Sätzen geht sie sehr kritisch mit sich und den Aussagen sowie den Erlebnissen um, schildert aber auch, was sie dabei damals dachte, ihre Erwartungen und warum manches ihr so im Gedächtnis geblieben ist.
Außerdem wird Hitler hier in einem ganz anderen Licht dargestellt, wie die Öffentlichkeit ihn zu diesem Zeitpunkt kannte: nämlich als charmant, väterlich, ruhig und liebevoll (in Bezug auf seinen Hund und Eva).
Gleichzeitig wird auch darüber berichtet, dass manche Themen nicht offen angesprochen werden durften. Wer es doch wagte, wurde daraufhin nie wieder in den engeren Kreis eingeladen und der Kontakt wurde abgebrochen.
Die Paranoia, die ihn verfolgte, ist ebenfalls in einzelnen Abschnitten sehr gut dargestellt.
Auch wenn das Buch an der einen oder anderen Stelle etwas langatmig erscheint, fand ich es interessant zu lesen
- Wassili Grossman
Leben und Schicksal
(25)Aktuelle Rezension von: JosseleAllein schon dieser Band ist ein Riesenwälzer und dabei handelt es sich „nur“ um den zweiten Band eines doppelbändigen Romans über den Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion und insbesondere über die Schlacht von Stalingrad. Der chronologisch erste Band trägt den Titel Stalingrad. Entstanden ist die Dilogie in der Zeit von 1942 – ca. 1960. Die Veröffentlichungsgeschichte ist wegen der sowjetischen Zensur ein eigener Roman. Unzensiert auf Deutsch ist seltsamerweise der zweite Teil im Jahr 2021 nach dem hier vorliegenden, der 2007 erschien, herausgekommen.
Gegenüber dem ersten Band unterscheidet sich Leben und Schicksal vor allem auch durch die harte und klare Kritik an den Zuständen in der Sowjetunion, weshalb dieser Roman dort zu keiner Zeit, auch nicht entschärft oder teilweise zensiert, erscheinen konnte. Erstmals erschien er daher 1980 in der Schweiz. Zu verdanken ist das mehreren Schmugglern, die das Manuskript aus der Sowjetunion heraus brachten. Wladimir Woinowitsch berichtet in seinem Nachwort davon.
Der Entstehungsgeschichte der Dilogie ist es wohl geschuldet, dass manche Namen sich im ersten und zweiten Band unterscheiden. So wird Jewgenia Nikolajewna, die in Stalingrad Schenja hieß, in diesem Band Genia gerufen und der im ersten Band lediglich als Übergeber eines Päckchens auftretende Iwannikow heißt als Gesprächspartner von Mostowskoi in einem deutschen Lager und Autor einer philosophischen Betrachtung nun Ikonnikow-Morsch.
Sehr offen formuliert Grossman Kritik an der kommunistischen Einheitspartei: „Das Parteibewusstsein bestimmte auch die Haltung des Parteifunktionärs gegenüber einem Buch oder einem Bild; deshalb musste er, ohne zu zögern, auf einen vertrauten Gegenstand, auf ein Buch etwa, das er liebte, verzichten, sofern seine eigenen Neigungen mit dem Interesse der Partei in Konflikt zu geraten drohten.“ (List Tb, 4. Aufl. 2016, S. 120) oder „Grausam und hart waren manchmal die Opfer, die Getmanow um seines Parteibewusstseins willen bringen musste.“ (ebd., S. 120)
Der Autor macht kein Geheimnis daraus, was er von dieser Art von Unehrlichkeit hält: „Es laufen so viele Nullen herum. Die Menschen haben Angst, ihr Recht auf Ehrlichkeit zu verteidigen, sie geben zu leicht nach. Kompromisslertum und erbärmliches Verhalten allenthalben.“ (ebd., S. 991)
Und in Bekräftigung seiner Theorie, dass die Menschen sich ihre Freiheit nicht dauerhaft nehmen lassen, erwähnt Grossman auch die Aufstände in den sozialistischen Ländern: „Da ist der poststalinistische Berliner Aufstand im Jahr 1953 und der ungarische Aufstand im Jahr 1956, da sind die Aufstände, die nach Stalins Tod in den Lagern Sibiriens und des Fernen Ostens aufflammen.“ (ebd., S. 257/258)
Bei aller Kritik am Kommunismus sowjetischer Prägung bezieht Grossman doch klar Stellung gegen den Faschismus: „Die Welt wird an jenem Tag in Blut ertrinken, an dem der Faschismus sich seines endgültigen Triumphes völlig sicher sein wird. Hat der Faschismus einmal keine bewaffneten Feinde mehr auf der Welt, dann werden seine Henker, die Kinder, Frauen und Greise töten, völlig das Maß verlieren. Der Hauptfeind des Faschismus bleibt der Mensch.“ (ebd., S. 233)
Eine gehörige Spitze gegen die nationalsozialistische Ideologie platziert Großmann auch nochmal gegen Ende: „Man konnte nur staunen! So viele von ihnen waren klein, hatten große Nasen und niedrige Stirnen, komische Hasenmäulchen und Spatzenköpfe, so viele Arier waren schwarzhaarig, pickelig und sommersprossig.“ (ebd., S. 966)
Ich las dieses Buch zum zweiten Mal, das erste Mal war vor ca. einem Jahrzehnt und im Gedächtnis geblieben ist mir vor allem dieser Brief, den Strums Mutter ihrem Sohn aus einem jüdischen Ghetto schreibt in der Erwartung, es sei ihr letzter Brief an ihn (ebd., S. 94-109). Und wieder passiert es. Ich weine! Es gibt einige Bücher, die mich berührt haben, aber keines hat mich so tief berührt, dass mir Tränen die Wange hinunterliefen. Doch diese Zeilen schaffen es zum zweiten Mal. Unglaublich.
Zwischendurch nimmt sich der Autor immer mal wieder Zeit, philosophische oder historische Betrachtungen anzustellen. So lässt er den als Christen, der den Glauben an einen Gott verloren hat, auftretenden Ikonnikow-Morsch sagen: „Ich habe das große Leiden der Bauern gesehen, die Kollektivierung aber wurde im Namen des Guten durchgeführt. Ich glaube nicht an das Gute, ich glaube an die Güte.“ (ebd., S. 27/28) und lässt ihn dann umfangreiche Überlegungen anstellen über das Gute und die Güte.
Selbst über die künstliche Intelligenz lässt sich der Autor aus, wohlgemerkt in den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts: „Man kann sich die Maschinen der zukünftigen Jahrhunderte und Jahrtausende vorstellen. Sie wird Musik hören, Malerei beurteilen, selbst Bilder malen, Melodien erschaffen, Verse schreiben. Gibt es eine Grenze für ihre Vollkommenheit? Wird sie dem Menschen gleich werden, ihn übertreffen?“ (ebd., S. 258)
Interessanterweise lässt Grossman den Physiker Pjotr Lawrentjewitsch Sokolow eine Klage anstimmen, die man auch später und bis heute in Deutschland vernimmt: „Wir Russen dürfen aus irgendeinem Grund nicht auf unser Volk stolz sein, im Nu stempelt man es als Chauvinismus und Dunkelmännertum ab.“ (ebd., S. 349)
Es gibt auch kleine Fehler und Seltsamkeiten in dem Buch, wobei natürlich für den Leser nicht zu klären ist, wie die zustande kamen. So ist der deutsche Offizier Liss mal Sturmbannführer und mal Obersturmbannführer, manche Namen oder Schreibweisen ändern sich zwischen ‚Stalingrad‘ und ‚Leben und Schicksal‘ und Vera ist im zweiten Teil mit Viktorow verheiratet, was sie im ersten noch nicht war. Allerdings fand erzählerisch nie eine Hochzeit statt.
Einem Satz des Nachworts von Jochen Hellbeck möchte ich an der Stelle ausdrücklich zustimmen: „Doch eröffnet sich eine gänzlich neue Lektüre, wenn man ‚Leben und Schicksal‘ als den zweiten Teil der von Grossman so intendierten Dilogie betrachtet.“ (ebd., S. 1074) Denn plötzlich erscheint Grossman nicht mehr, wie man den Eindruck gewinnen kann, wenn man den zweiten Band isoliert liest, als ausschließlich regimekritischer Autor, sondern als Autor, der voller Begeisterung für die Revolution den Glauben an das „Gute“ im Laufe seines Lebens und der Ereignisse verlor und dem die „menschliche Güte“ als Lösung gegenüberstellt.
In Summe ein Buch, was alles hat, was ein brillantes Werk braucht. Spannung, Liebe, Verrat, Politik, Philosophie und vieles mehr. Fünf Sterne. Dieses Buch gehört mit Sicherheit zu den Top Ten der besten Bücher, die ich je gelesen habe.
- Gustave M. Gilbert
Nürnberger Tagebuch
(7)Aktuelle Rezension von: sabatayn76‚Als Psychologe interessierte es mich natürlich, herauszufinden, was Menschen dazu gebracht hat, sich der Nazi-Bewegung anzuschließen und all das zu tun, was sie getan hatten.
Meine Befragung von Kriegsgefangenen und deutschen Zivilisten hatte sich als erfolglos erwiesen. Die kleinen Leute beteuerten, daß sie keinerlei Mitverantwortlichkeit trügen und nur ihren Führern gehorcht hätten, die sie verraten hatten. Diese Führer befanden sich nun im Nürnberger Gefängnis, und das war auch der Ort, an den es mich zog. Glücklicherweise konnte ich für den Übersetzer des Gefängniskommandanten einspringen und wurde daraufhin auch zum Gerichtspsychologen für die Dauer des Prozesses ernannt.‘ (Seite 9)
Gustave Mark Gilbert pflegte täglich engen Kontakt mit den Angeklagten des Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozesses, d.h. mit Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Rudolf Heß, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Fritz Sauckel, Albert Speer, Hjalmar Schacht, Walter Funk, Franz von Papen, Konstantin von Neurath, Baldur von Schirach, Arthur Seyß-Inquart, Julius Streicher, Wilhelm Keitel, Alfred Jodl, Karl Dönitz, Erich Raeder und Hans Fritzsche.
In ‚Nürnberger Tagebuch‘ berichtet Gilbert detailliert vom Prozesstagebuch, von den Reaktionen der Angeklagten auf die Konfrontation mit den Verbrechen der Nationalsozialisten, von der Verteidigung der einzelnen Angeklagten sowie von den einzelnen Urteilen. Er stellt jedoch auch die verwendete psychologische Testbatterie vor, berichtet von Ergebnissen der Intelligenztests und macht in seinen Ausführungen die Verleugnung und Verharmlosung der Verbrechen sowie die Abwehr von Schuld deutlich.
‚Nürnberger Tagebuch‘ bietet tiefe Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Angeklagten und zeigt zudem psychopathologische Auffälligkeiten sowie die Leugnung von jeglicher Verantwortung für die begangenen Verbrechen. Damit stellt Gilberts Buch ein besonders wertvolles und wichtiges Zeitdokument dar und ist für mich, die sich bereits sehr intensiv mit dem Dritten Reich beschäftigt hat, eines der besten und bemerkenswertesten Bücher zum Thema.
Als besonders interessant empfand ich alle Textstellen, die sich mit Göring und Speer auseinandersetzen und die deren Gedanken und Gefühle wiedergeben, weil Göring und Speer meiner Meinung nach die spannendsten Personen im Prozess waren, psychopathologisch und psychologisch von allen Angeklagten am faszinierendsten sind.
‚[...] ich fürchte, zwölf Jahre Hitlerismus haben das moralische Rückgrat unseres Volkes gebrochen.‘ (Seite 430) - Richard W Sonnenfeldt
Mehr als ein Leben
(6)Aktuelle Rezension von: cho-iceDer Untertitel versprach sehr viel: „Vom jüdischen Flüchtlingsjungen zum Chefdolmetscher der Anklage bei den Nürnberger Prozessen“ – wow, das wird interessant, dachte ich. Schon seit der Schulzeit lese ich gern Biografien, die sich mit dem Holocaust auseinandersetzen, aber über die Aufarbeitung bei den Nürnberger Prozesse hatte ich leider bisher noch kaum etwas gelesen. Also wünschte ich mir diese Biografie von Richard W. Sonnenfeldt, die 2005 erschienen und inzwischen nur noch antiquarisch erhältlich ist.
Leider wurde sie meinen Erwartungen nicht gerecht.
Zweifellos hatte der Autor ein spannendes, teilweise geradezu aberwitziges Leben, das sich besonders bis zu seinem 25. Lebensjahr wie eine Verkettung unglaublicher Umstände liest. Dass er als deutscher Jude, 1923 geboren in Gardelegen (Sachsen-Anhalt), 1938 noch nach England ausreisen kann, wird der Schlüssel zu seinem Überleben, auch wenn er dabei einige Umwege über Australien, Indien und Südafrika in Kauf nehmen muss, bis er sein eigentliches Ziel erreicht – die USA. Als amerikanischer Soldat kehrt er nach Europa zurück und wird dank seiner Sprachkenntnisse zum Chefdolmetscher für die USA bei den Nürnberger Prozessen.
Ich hatte erwartet, dass die Beschreibung dieser Prozesse mehr Raum einnimmt, doch der Autor setzt sehr viele Vorkenntnisse voraus. Natürlich sind seine Erinnerungen und subjektiven Eindrücke der Angeklagten, Verteidiger und Richter interessant zu lesen. Doch mir fehlten viele Eckdaten und so konnte ich diese Wissenslücke durch das Lesen dieser Biografie nur ein wenig verkleinern, aber nicht schließen.
Leider war mir Sonnenfeldt bis zuletzt nicht besonders sympathisch. Freimütig erzählte er von seinen zahlreichen Frauengeschichten hier und da, betonte immer wieder, wie eigenständig er war und wie wenig er mit Leuten seines Alters oder auch seines Volkes anfangen konnte, die nicht ähnlich viel erlebt hatten wie er. Seine Haltung erschien mir in vielen Punkten recht überheblich, weshalb ich immer wieder die Lust am Lesen verlor und recht lange brauchte, um das Buch zu beenden. Berührt hat mich lediglich die Beschreibung seiner Rückkehr nach Gardelegen. Schade, ich hatte mehr erwartet.
- Philip Kerr
Der Pakt
(29)Aktuelle Rezension von: TheSilencer1943. Auf beiden Seiten der Fronten ist eines klar: das Deutsche Reich kann den Krieg nicht mehr gewinnen.
Während die Nazi-Größen um Hitler ungeachtet dessen Möglichkeiten des Endsieges ausloten, SS-Offiziere den Sturz Hitlers planen, streben Churchill, Stalin und Roosevelt einen Friedensplan untereinander an, um dem Dritten Reich den Todesstoß zu versetzen – ein Versuch, der in den eigenen Reihen nicht immer Zuspruch findet.
Philip Kerr ist ein brillanter Erzähler. Vom Wittgenstein-Programm mal abgesehen, das in Philosophie ersäuft. Die spielt hier auch eine Rolle, wird aber nicht ganz so ernst genommen.
Mir fiel es besonders schwer, bei den zahlreichen Charakteren durchzublicken. Authentische Personen treffen auf fiktive – das ist verdammt unterhaltsam, aber nicht in der Vielzahl.
Nach dem verwirrenden ersten Viertel bleibt eine Abhandlung geheimdienstlicher Spionagearbeit, deren Unverfrorenheit lediglich im Gegenschlag übertroffen wird.
Dialoglastig, spannend, mit Hängern und mit einer Schlußpointe, die man eigentlich erwartet – zumindest, wenn man den Buchrücken gelesen hat.
Nicht sein bester Roman, aber auch keine Zeitverschwendung. - Ellen Feldman
Der Junge, der Anne Frank liebte
(18)Aktuelle Rezension von: sternIch bin eine miserable Schreiberin (ich tue es auch äußerst ungern), aber da noch keine Rezension für dieses Buch geschrieben wurde, und ich allerdings finde, dass es eine verdient hat, werde ich die erste schreiben müssen und nicht bloß auf die Buchpinnwand schreiben! Erzählt wird die fiktive Geschichte von Peter van Pels, Sohn der Familie, die mit den Franks in Amsterdam untergetaucht ist. Peter gilt zwar als offiziell während des Holocaust als verstorben, doch die Autorin ließ sich zu ihrem Roman von einer Führung durch das Hinterhaus inspirieren, in der gesagt wurde, dass zu allen Bewohnern Klarheit geschafft wurde, was mit ihnen nach dem Verrat geschah, außer über Peter. Ausgehend von Anne Franks Tagebucheintrag, Peter wolle seine Geschichte nach dem Krieg neu erfinden, erzählt Ellen Feldman diese aus der Ich-Perspektive Peters. Peter ist in die USA ausgewandert, heiratet, bekommt zwei Töchter und einen Sohn. Doch seine Vergangenheit und seine Herkunft verleugnet er. Seine Frau, eine Jüdin, weiß zwar, dass Peter in einem Konzentrationslager war, den Grund dafür kennt sie aber nicht. Sein Leben läuft "perfekt" bis zu dem Zeitpunkt, wo er auf dem Nachttisch seiner Frau "Das Tagebuch der Anne Frank" entdeckt und von seiner Vergangenheit heimgesucht wird. Es ist ein gelungenes Buch über die Verarbeitung eines Holocaust-Traumas voller Angst, Erinnerungen und vermeintlicher Verfolgung. Zu keinem Zeitpunkt wird es makaber, wie ich zu Anfang befürchtet hatte, da der Hauptakteur bekanntlich kurz vor der Berfreiung der Alliierten verstorben. Es ist lediglich eine fiktive Geschichte über einen Juden, die so auch einem anderen Überlebenden hätte passieren können. - Kurt Vonnegut
Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug
(120)Aktuelle Rezension von: admitDer Protagonist Billy Pilgrim ist bärtig und in eine blaue Toga gehüllt, was den amerikanischen Soldaten, die nach dem Krieg des Tötens müde sind, spanisch vorkommt. Nach und nach stellt er sich als Zeitreisender heraus, der im Jahr 1968 erkennt, dass aus seinen Kindern Musteramerikaner geworden sind. Er wurde aber schon 1967 auf einen fremden Planeten entführt, lebt dort sexuell freizügig und lernt von den Außerirdischen deren Schicksalsergebenheit und Gleichmut, welche an den 'Go with the flow' der Hippies erinnern. Ist er jetzt ein Drogenkonsument oder hat er einfach nur die Rettung in seine Fantasie gesucht? Das bleibt den Lesern überlassen zu deuten.
- Christopher R. Browning
Ganz normale Männer
(12)Aktuelle Rezension von: Alisha70Gelesen habe ich dieses Buch bereits vor mehr als einem Jahr, die Rezension dazu habe ich jedoch lange vor mir hergeschoben. So richtig habe ich mich an dieses schwierige Thema dann doch nicht rangetraut. Nun, im Zuge meiner Lektüre von Anne Berests "Die Postkarte" habe ich auch diese Dokumentation über das Polizeibataillon 101 wieder hervor geholt.
Anhand der Befragungen und Gerichtsakten der Mitglieder des Reserve-Polizeibataillons 101 zeichnet Christopher R. Browning dokumentarisch die Beweggründe der Mitglieder und den Holocaust in Polen nach.
Das Polizeibataillon 101 (und alle anderen natürlich auch) bestand aus 500 Männern, die für das Einziehen in die Wehrmacht als zu alt angesehen wurden. Stattdessen sollten sie unter anderem in Polen die Räumung der Lager und die Umsetzung der "Endlösung" vorbereiten.
Erschreckend, aber leider nicht überraschend war es dann doch zu lesen, wie oft der Satz "Ich habe doch nur meine Pflicht getan" in den Befragungen gefallen ist.
Zwei Erkenntnisse, die vielleicht nicht allgemein bekannt sind: den Mitgliedern des Bataillons wurde zu Beginn vom Kommandanten angeboten, sich anderweitig versetzen zu lassen, falls man sich der Aufgabe nicht gewachsen fühle. Davon haben lediglich 12 (!) von 500 Männern Gebrauch gemacht. Meist aufgeführte Begründung: Was sollen die anderen denn von mir denken? Dann mache ich da lieber mit.
Die Anzahl der Menschen, die vor Ort (hier in Polen, Litauen und der Ukraine) den deutschen Besatzern geholfen haben, hat mich ebenfalls erschreckt, wenn auch leider nicht überrascht.
Eine eindringliche Dokumentation, natürlich keine leichte Kost, aber ich bin froh, es gelesen zu haben.