Bücher mit dem Tag "wolfgang herrndorf"
8 Bücher
- Wolfgang Herrndorf
Tschick
(2.930)Aktuelle Rezension von: Barbara_NeltingJahre, nachdem ich "Tschick" nach nur drei gelesenen Seiten des furchtbaren Schreibstils wegen weglegte, wagte ich nun einen neuen Anlauf - und wurde nicht enttäuscht. Im Gegensatz zu vermutlich den meisten Menschen, die dieses Buch gelesen und (positiv) bewertet haben, begeisterte mich die Geschichte von Maik und Tschick nicht WEGEN, sondern TROTZ ihres gelinde gesagt gewöhnungsbedürftigen Schreibstils. Dass ein, wie sich im Laufe des Buches herausstellte, durchaus differenzierter und gar nicht dummer Achtklässler nicht in der Lage sein soll, ganze, grammatikalisch korrekte Sätze zu formulieren, fand ich unplausibel. Sicher, der Text soll Maiks Gedanken spiegeln, alles klar, aber dennoch...
Nichtsdestotrotz fängt Herrndorf mit und in diesem Roman die Lebenswirklichkeit und Schulwelt Jugendlicher - altklug-weise bis zum geht nicht mehr und dabei auf der anderen Seite in vielen Dingen praktisch lebensunfähig - auf liebevolle und realistische Weise auf, ebenso wie die vielen Skurrilitäten (menschlich und bürokratisch) der deutschen Provinz des frühen 21.Jahrhunderts. Dank vieler ehrlicher Zwischenlacher verzeihe ich dem Autor auch das doch etwas ins Klischeehafte abdriftende Ende. Dank für drei Stunden richtig guter Unterhaltung!
- Wolfgang Herrndorf
Arbeit und Struktur
(138)Aktuelle Rezension von: Thoralf80Die besondere Tragik Herrndorfs ist kaum greifbar: Im Moment des Erfolgs ist der vitale, sportliche Mann in seinen Vierzigern urplötzlich dem Tode geweiht. Er, der das Leben liebte und bekannte, schon „vorher“ unter Thanatophobie gelitten zu haben, wird getragen in seinem langen Scheiden von einem großen Freundeskreis. Kommunikation war ihm das Wichtigste.
Und ja, sie schienen das Leben in vollen Zügen zu genießen: Baden, Fußballspielen, Kino, Literatur, Ritte von Party zu Party. Der Autor einer zelotischen Gazette bezeichnete in einem Nachruf den Kreis um Herrndorf als „Bildungsprekariat“, womit er im Gegensatz zur ursprünglichen Bedeutung des Begriffes wohl meinte, dass die – mindestens literarisch – hochgebildeten Jungs und Madels erheblich weniger verdien(t)en als Jürgen Drews oder die Wildecker Herzbuben. Herrndorf schrammte in seiner Ein-Zimmer-Hinterhauswohnung finanziell immer knapp am Existenzminimum vorbei, Geld bedeutete ihm nichts, und als er nach dem Erfolg von „Tschick“ plötzlich „Geld wie Heu“ hatte, konnte er nicht mehr viel damit anfangen. Plante nicht noch ein Abenteuer der intensiven Art, eine Weltreise etwa, jetzt, da der Sensenmann an die Pforte klopfte, nein, er stürzte sich geradezu manisch in die Arbeit.
Originelle Gedanken und hübsche Passagen, wie eingangs die rund um das Bekenntnis, den Blick früh schon auf die Vergangenheit gerichtet zu haben, Goethe fiel mir sofort ein, obwohl leicht deplatziert: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt“ , oder etwa sein gespaltenes Verhältnis zu Tellkamp (und den Quatsch, den Mann mit Thomas Mann auf eine Stufe stellen zu wollen), oder plötzliche, originelle Gedankenblitze, einmal auch um den in seiner Badewanne ertränkten Schopenhauer. Und natürlich um die Kankengeschichte selbst ...
Auch ein Berlin-Buch. „Berlin war richtig“ meint er an einer Stelle. Na ja, da darf man durchaus anderer Meinung sein …
Herrndorf hat unglaublich viel gelesen. Ich bin noch nicht ganz durch, glaube aber nicht, dass er einen Hinweis gibt auf das, was ich selbst lesen würde, wenn ich mich zur letzten Tat entschlösse: Seneca und Marc Aurel, und noch einmal den „Diskurs über den Freitod“ von Jean Amery.
Herrndorf spricht von Caro-Kann. Schade, hätte zu gern mal gegen ihn Schach gespielt.
- Wolfgang Herrndorf
Sand
(163)Aktuelle Rezension von: JorokaEs gibt verschiedene Erzählstränge in diesem Buch. In der Hauptsache geht es aber um einen Mann, der sich nicht mehr erinnern kann, wer er überhaupt ist und was er mitten in der Wüste zu suchen hat. Der Einfachheit halber gibt es sich den Namen Carl und versucht mit der Hilfe von Helen, die ihn aufgegabelt hat, die Puzzleteile zusammen zu setzen. Die Geschichte spielt in und um Tindirma, eine fiktive Stadt in einem nordafrikanischen Land (wenn man googelt, findet man eine gleichlautende Stadt in Mali mit etwas über 3.000 Einwohnern) Anfang der 70iger Jahres des 20. Jahrhunderts.
Hat Carl etwas mit dem Überfall und den 4 Toten in der Hippie-Kommune zu tun? Helen jedenfalls trifft dort eine alte Freundin wieder. Was hat es mit dem Koffer voller DDR-Geld auf sich? Wer sind die Männer, die Carl eine über die Rübe gehauen haben, wodurch er sein Gedächtnis verloren hat? Was hat es mit der dubiosen 'Mine' auf sich, und welche Art von Mine ist überhaupt gemeint? Viele viele Fragen, die nicht alle im Verlauf der Handlung geklärt werden.....
Die ersten Seiten haben mich ziemlich verwirrt, ich brauchte eine ganz Weile, bis ich mich in das Buch eingelesen hatte. Irgendwann war ich dann gut im Fluss, vom Ausgang aber enttäuscht... Nicht, dass das Buch nicht streckenweise unterhaltsam zu lesen wäre, aber am Ende fiebert man über eine sehr lange Spanne einer Auflösung entgegen, die dann etwas undurchsichtig ausfällt. Konnte nicht so richtig warm mit dem Werk werden, obwohl ich den Stil von Herrndorf nicht schlecht finde. Kann es sein, dass auch etwas zu viel Inhalt hineingepackt wurde?
Fazit: Krimi, Spionagethriller, Gesellschaftskritik? Jedenfalls eine interessante Mischung.
- Wolfgang Herrndorf
In Plüschgewittern
(154)Aktuelle Rezension von: Cumuluscitrus"Ich öffne das Fenster, und ich schaue auf die Sterne, die im Fenster hängen und denselben Fluchtreflex auslösen wie früher."
Ein Protagonist, der sich zwischen Kindheit und Erwachsenwerden irgendwo selbst verloren hat, selten nüchtern zu sein scheint, aber seine Umwelt umso nüchterner betrachtet.
Geschrieben in ungeschönter Klarheit, bleiben Handlung und Antiheld doch etwas verworren, ziellos, planlos, unglücklich. Ein überraschender Perspektivwechsel am Ende, dennoch bleiben, beabsichtigt, mehr Fragen als Antworten.
Fazit: Muss man mögen - ich mochte es, habe es in einem Rutsch gelesen und kann es weiterempfehlen.
- Wolfgang Herrndorf
Bilder deiner großen Liebe
(150)Aktuelle Rezension von: BibliomaniaDas Büchlein ist so dünn, dass ich Gefahr laufe zu viel zu verraten...
Isa Schmidt. Das ist der Name der Hauptfigur. Isa hat einen ersten Auftritt in Tschick, aber nun hat Wolfgang Herrndorf ihr sein letztes Buch gewidmet, das nicht mehr fertig geworden ist. Aber genau das macht diese Geschichte, die von einem Mädchen handelt, das aus einer Anstalt abgehauen ist, so realistisch. Isa läuft durch die Weltgeschichte, durch Wälder, Felder, steigt auf Schiffe und lässt sich von Fernfahrern mitnehmen. Es ist warm, sie hat quasi nichts mitgenommen und trägt nur das am Leib, was sie schon bei ihrer Flucht trug. Sie lernt unterschiedlichste Menschen kennen und gerade die Art und Weise macht dieses Buch aus. Isa ist schon ein wenig verrückt und durch den fragmentarischen Stil wird ihre Verrücktheit noch verstärkt. Gleichzeitig ist sie aber auch liebenswürdig und man hat Mitleid mit ihr. Es steht immer wieder die Frage im Raum: ist sie traurig? Sie lügt ziemlich viel und dennoch ist man ihr nicht böse. Alle scheinen zu wissen, dass sie nichts wirklich ernst meint.
Am Ende des Buches gibt es noch eine kleine Entstehungsgeschichte zu Herrndorfs letztem Werk, was mir auch gut gefallen hat.
Ich habe das Buch als Vorbereitung auf das gleichnamige Theaterstück gelesen und bin jetzt wirklich gespannt, wie die Umsetzung gelungen ist.
Es hat mir nicht so gut gefallen, wie "Arbeit und Struktur", aber doch eine interessante Geschichte, die mich mit Herrndorfs Hintergrund noch mehr fasziniert.
- Wolfgang Herrndorf
Diesseits des Van-Allen-Gürtels
(38)Aktuelle Rezension von: JorokaIm einzelnen:
"Der Weg des Soldaten": verkappte Kunststudenten-Erstsemester unter sich; ein spanischer Untermieter; eine Reise nach Italien mit Ausfällen; homoerotische Komponente.... 4 Sterne
"Blume von Tsingtao": Pfleger im Altenheim findet nach Ableben eines Bewohners verstecktes Geld und macht sich damit auf Weltreise; in China sucht er nach dem Drachen, der aus dem Hinterkopf Feuer spuckt; 4 Sterne
"Im Oderbruch": Auto geklaut; möchte im nächstliegenden Haus nur telefonieren; bleibt aber an einer abgedrehten Frau hängen; Begegnung der 3. Art.... 3 Sterne
"Herrlich diese Übersicht": eine private Party mit geschäftlichem Hintergrund; viel Dialog... soll wohl hipp sein; am Ende sind alle dicht... ich irgendwie auch 1,5 Sterne
"Diesseits des Van-Allen-Gürtels": er wollte eigentlich auf eine Feier, doch er bleibt in der leergeräumten Nachbarswohnung auf dem Balkon hängen; sinniert mit einem pubertierenden Jungen aus dem Haus über Gott und die Welt und leeren dabei zwei Flaschen Hartes... 5 Sterne
"Zentrale Intelligenz Agentur": aus weiblicher Perspektive geschrieben; Gründungsveranstaltung der besagen Agentur auf einem Schloss, mit nicht eingeladenen Gästen.... wieder viel Alk, das scheint der Autor zu lieben... 3 Sterne.
- Wolfgang Herrndorf
Tschick
(94)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderMaik Klingenberg findet den neuen in der Klasse komisch. Er wird nur Tschik genannt und ist Russe. Als die Ferien beginnen, ist Maik mal wieder alleine. Sein Vater muss mit seiner Sekretärin auf >Geschäftsreise< und seine Mutter ist mal wieder in einer Entzugsklinik. Eines Tages kreuzt Tschik bei ihm auf und drängt in sein Leben. Irgendwann gibt Maik zu, dass er so gerne auf die Party des Jahres gehen würde, aber das heißeste Mädchen der Schule hat ihn nicht eingeladen. Tschik hat einen Plan und nicht nur dass. Er hat einen geklauten Wagen und mit dem machen die Jungs eine Urlaubsfahrt. Einen Führerschein hat natürlich keiner von Beiden und einen Plan wo es genau hin geht auch nicht. Wie tankt man? Wo isst man? Wie erleben sie die Nächte? Aus dem schüchternen Maik wird langsam ein offener Junge und Tschik scheint ein echter Kumpel zu sein und gemeinsam bestreiten sie Unwegbarkeiten und lernen ein nettes Mädchen kennen, aber kann das Gefühl von Glück anhalten?
Das Buch von Wolfgang Herrndorf ist herausragend. Ein Roadmovie, eine Sozialstudie und eine Selbstfindung von zwei sehr unterschiedlichen jungen Männern, die einiges lernen.
- Wolfgang Herrndorf
Die Rosenbaum-Doktrin
(6)Aktuelle Rezension von: complitseSo ein schmales Heftchen, gerademal 18 Seiten, und so viel Gehalt: Meine besten 15-Minuten Lesezeit dieses jungen Jahres. Herrndorfs Rosenbaum-Doktrin ist eine Gesprächsdokumentation wie aus einem Feature von Alexander Kluge, changierend zwischen Ernst und Spaß, mehrheitlich Spaß, untermalt von einer nicht unangenehmen leichten Verunsicherung ob der Faktualität.Wolfgang Herrndorf besucht den Kosmonauten Friedrich Jaschke im Altersheim und redet mit ihm über die Zeit der Raumfahrtpioniere. Jaschke hat seine Ausbildung zusammen mit Sigmund Jähn absolviert, und obschon er besser im Kopfrechnen war (sehr wichtig in der russischen Raumfahrt!) und auch in Sachen Pysik und Physiologie der Erste war, wurde Jähn, der Parteiliebling, bevorzugt. Jähn flog ins All und Jaschke blieb unten.
Neben der interessanten Perspektive, die Jaschke bietet, begeistert vor allem sein lakonischer, zum Schnodderigen tendierender Ton:
Herrndorf: Aber es gab auch Rückschläge.
Jaschke: Die Mondsache, klar. Mond war natürlich die Königsdisziplin.
Kulturwissenschaftlich interessant und beinahe philosophisch wird es, als sie auf die Rosenbaum-Doktrin zu sprechen kommen: Wie reagiert man, wie reagiert die Sowjetunion, wenn man im Weltraum Irrationalem begegnet?
Auf den wenigen Seiten des Heftes gibt es mehrere Gelegenheiten zum lauten Auflachen, die ich alle genutzt habe. Ich hätte noch stundenlang weiterlesen mögen. Wenn es überhaupt etwas an dem Büchlein auszusetzen gibt, dann, dass es zu kurz ist.
[Diese Rezension erschien zuerst auf meinem Blog comparaison d'être ]