LESEPROBE zur Erzählung »Schikane bis zum Tod«

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Grenzlandvor 7 Jahren

»Tödliches Verlangen« – Geheim gehaltene Todesfälle in den Grenztruppen der DDR


Leseprobe zur Erzählung »Schikane bis zum Tod«


»Unteroffizier Hasenscharte! Zu mir!«

Der Hauptfeldwebel brüllte über den Kompanieflur, sodass es jeder Soldat hören konnte – und vor allem sollte.

Es war ein früher Samstagnachmittag im Herbst 1980. Kein Offizier befand sich mehr auf der Grenzkompanie, der den Hauptfeldwebel hätte noch stören können, bei dem was er jetzt vorhatte.

Mit Ausnahme vielleicht des OvD, des Offiziers vom Dienst. Doch der wurde an diesem Wochenende von einem jungen Unterleutnant gestellt, der gerade frisch von der Offiziersschule an die Grenze versetzt worden war und den seine Offizierskollegen zum Wochenenddienst vergattert hatten. Und der stellte für den altgedienten Hauptfeldwebel keine wirkliche Gefahr dar.

Außerdem war der Unterleutnant nur ein Offizier auf Zeit, der sich für einen dreijährigen Dienst verpflichtet hatte (ab dem Jahr 1983 galt für Offiziere auf Zeit ein vierjähriger Dienst). Damit war er bei den Berufssoldaten bestenfalls geduldet, aber er gehörte nicht wirklich dazu – nicht zu ihnen, den echten Soldaten, die wahrhaft dienten. Und wenn er doch etwas sagen sollte, dann würde ihm der Hauptfeldwebel eine Ansage geben – und zwar eine richtige.

»Unteroffizier Kubatz meldet sich wie befohlen zur Stelle!«

Der Unteroffizier salutierte und stand stramm.

»Warum hat das so lange gedauert, Kubatz?«, brüllte der Hauptfeldwebel ihn an. Haben wohl den Finger nicht aus dem Arsch bekommen – oder was?! Oder haben Sie etwa an sich rumgespielt?!«

Dann wechselte er unvermittelt zum Du und schrie: »Du schwule Sau!«

* * *

Kubatz diente seit einem Jahr unter dem Hauptfeldwebel und wusste um dessen üble Art, mit seinen Untergebenen umzugehen.

Aber seit er ihn wegen einer Kompetenzüberschreitung im Dienst beim Politoffizier der Kompanie gemeldet hatte, wurde es mit jedem Tag schlimmer.

Heute aber ging er ihn ganz persönlich an: Als schwule Sau verschrien zu werden und noch dazu so, dass es jeder in der Kompanie hören konnte, dies kam unter Soldaten einem Todesurteil gleich.

* * *

»Und, Kubatz – haste an dir rumgespielt?!«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Genosse Hauptfeldwebel.«

»Du weist nicht, was ich meine, Kubatz?! Das werde ich dir gleich sagen! Du großer Haufen Scheiße!«

»Ich bitte den Genossen Hauptfeldwebel, den Ton zu wahren.«

Der Hauptfeldwebel lachte böse auf.

»Du kranke Sau bittest mich, den Ton zu wahren?! – Soll ich mich totlachen!«

»Genosse Hauptfeldwebel, ich muss Sie noch einmal bitten, einen anderen Ton zu wählen.«

»Und – wenn nicht?!«

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