Leseprobe Debütroman "Verloren"

Erstellt von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 6 Jahren

Leseprobe Debütroman "Verloren"

Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Jahren

Das Holz des Bettes knarzte, als sich Josh darauf niederließ. Nur schwerfällig drang Sonnenlicht in den Innenraum des Wohnmobils, in dem er sich befand. Die Vorhänge waren zugezogen, darauf ausgelegt, kein Licht hineinzulassen. Im Wohnwagen herrschte Unordnung, die Josh nicht wirklich realisierte. Er saß auf dem Bett, starrte in den Raum hinein, doch sah er nichts, bemerkte nichts und wollte es auch nicht. Seine Arme hingen regungslos und ohne Kraft von seinem Körper hinab, seine Handgelenke streiften das helle Holz des Bettes. Seine Beine wippten hysterisch auf und ab, doch auch das schien Josh nicht zu bemerken und wenn jemand mit ihm hier gewesen wäre, hätte er ihn wahrscheinlich darauf angesprochen und gebeten, es sein zu lassen. Josh hörte nur den sich wiederholenden Ton der Jeans, die aneinanderrieben, während er seine Beine bewegte. Seine leblosen roten Haare fielen ihm in Strähnen wiederholt ins Gesicht, er beließ es dabei und rührte sich kein Stück. Sein Herz schlug in einem lahmen Rythmus und ließ das Blut durch seine Adern fließen, die sich kalt wie Eis anfühlten. Sein ganzer Körper fror und das Zittern nahm seinen Körper lückenlos ein. Die Augen des Rothaarigen begannen, durch den Raum zu huschen und nachzusehen, ob noch alles bei Ort und Stelle war. Seine Bewegungen nahmen langsam zu, seine Finger krallten sich in den Stoff der Jeans und verharrten nun an dieser Stelle - eine lange Zeit.

Josh hatte gar nicht bemerkt, wann es angefangen hatte zu regnen. Die nassen Tropfen prasselten gegen die Fensterscheiben des Wohnmobils, auf einmal war es viel dunkler, graue bis schwarze Wolken standen am Himmel. Noch immer saß Josh an der selben Stelle, hatte sich nicht bewegt. Seine Hände taten bereits weh, der Ursache zu schulden, dass er sie seit Ewigkeiten in einer Position hielt und sie verkrampfte. Seine Beine wippten noch immer auf und ab, noch schneller als vorher, und sie begannen langsam zu schmerzen. Nicht viel später entschied sich Josh dazu, sich einfach nach hinten auf die Matratze fallen zu lassen. Sein Oberkörper lag auf der weichen Matratze, seine Hände entspannten sich und ließen nun endlich seine Jeans frei. Seine zitternden Hände ließ er nun einfach neben seinem Körper ruhen und bewegte sie nun nicht mehr. Die Beine, die eben noch gewippt hatten, ruhten nun, wie alles andere an seinem Körper ruhte. Alles, außer seine Augen. Seine Augen starrten an die Decke des Wohnwagens, beobachteten den Regen, der auf das Dachfenster rieselte. Das Geräusch des Regens hatte etwas beruhigendes für Josh, für einen Moment fühlte er sich abgeschirmt von allem, von der Außenwelt, von Gefahren, die ihm begegnen könnten und auch von sich selbst. Er fühlte sich wohl. Fühlte sich, als könnte ihn hier nichts erwischen, in diesem Wohnwagen, dessen Atmosphäre sich warm anfühlte. Doch dieses Gefühl, dass Josh nicht beschreiben konnte, war so schnell verflogen, wie es gekommen war.
Ein lautes, wütendes Klopfen knallte gegen seine Tür und Josh zuckte auf. Das Zittern seiner Hände hatte sich verschlimmert. Seine Augen suchten panisch seinen Raum ab, blickten in jede Ecke, jedoch war es schwer, etwas zu erkennen, da nun die Dunkelheit die Überhand gewann. So dunkel und kalt, wie es außerhalb des Wohnwagens war, so war es nun auch innerhalb. Die schützenden Barrieren waren urplötzlich gefallen und Josh fühlte sich um viele Nuancen unsicherer. Die Wärme, die er vor einer Sekunde noch gefühlt hatte, war in der nächsten Sekunde in Eiseskälte gewichen. Auf einmal wusste Josh nicht einmal mehr, wie sich das Gefühl von Sicherheit überhaupt anfühlte. Sein Herz raste ungesund schnell und laut, dass das Blut in seinen Ohren rauschte. Einige Minuten hörte er nichts mehr - nicht den schlimmer werdenden Regen, nicht einmal seine schnelle, zitternde Atmung. Dann jedoch, wie aus dem Nichts, hörte er ein erneutes Klopfen, wieder an seiner Tür. Dann noch eins, und noch eins, und noch eins. Das Klopfen ging um seinen Wohnwagen herum, es klopfte und klopfte, es wurde lauter, aggressiver und angsteinflößender. Als das Klopfen, dessen Herkunft sich Josh nicht erschließen konnte, wieder an seiner Tür ankam und verstummte, hatte der Rothaarige noch viel mehr Angst. Sein Herz schlug heftig gegen seinen Brustkorb, hinterließ ein unwohles Gefühl. Dass das Klopfen aufgehört hatte, als es wieder an der Tür war, bereitete ihm noch mehr Unbehagen, als wenn es fortsetzen würde. Nicht zu wissen, was nun als nächstes passierte, brachte ihm Gänsehaut. Für eine lange, nervenaufreibende Zeit, herrschte Geräuschlosigkeit. Der Regen wurde schlimmer, verwandelte sich in nur wenigen Sekunden zu einem heftigen Gewitter mit schwarzen, schreienden Wolken. Als es blitzte wurde für eine Millisekunde der Raum erhellt und Josh zuckte heftig zusammen, wie ein Hase, den man verschreckte. Als er einen Schatten auszumachen schien, hatte ihn Panik wie ein Stromschlag durchzogen. Direkt nach dem Blitz begann das Klopfen, laut und schnell. Es wurde rasch zu einem wutentbrannten Hämmern gegen die Tür, ein Versuch, sie zu öffnen. Ein ungeduldiges, wütendes Klopfen, dass immer und immer schlimmer und lauter wurde. Voller Nervosität rutschte Josh auf dem Bett herum und sprang im nächsten Moment hektisch auf, schloss die Tür ab und schob eine schwere Kiste vor die Tür, ehe er zurückschlich und sich wieder in das Bett verkroch.

Seine zitternden Hände krallten sich in seine Haare, er winkelte seine Beine an und legte den Kopf auf seine bebenden Knie. Seine Augen kniff er zusammen, während er darauf hoffte, dass es bald wieder aufhörte. Mit jedem Klopfen stoppte sein Herz für einen minimalen Moment, ehe es im nächsten Moment noch um einiges schneller schlug.

»G-Geh... weg, bitte bitte bitte«, stammelte der Rothaarige, Tränen stiegen ihm in die Augen und liefen im nächsten Moment seine Wangen entlang, nur um dann an seinem Kinn abzutropfen. Das Klopfen verschwand, Stille kehrte ein, doch die panische Angst, die es mit sich gebracht hatte, verblieb. Ebenso blieb die düstere Kälte und das entblößte Gefühl von stetiger Beobachtung. Alles, was er hörte, war das sich aufbrausende Gewitter und der peitschende Regen, der gegen seine Fenster schlug. Er hatte das Gefühl, es würde noch immer jemand vor seinem Wohnwagen lauern und nur darauf warten, dass er die Tür wieder öffnete. Lange verharrte er in dieser Position, war darauf vorbereitet, dass es bald wieder beginnen würde, doch nichts kam. Kein Klopfen, kein weiterer bedrohlicher Moment. Nur der Regen. Josh hob seinen Kopf wieder, sah sich im Wohnwagen um. Die Tränen verschleierten ihm die Sicht, weshalb er sich mit dem Handrücken über die Augen wischte. Er schniefte, seine Gelenke schmerzten und eine Gänsehaut legte sich auf seine Haut. Um sich selbst zu beruhigen schnappte er sich einen seiner Joints, zündete ihn direkt an und zog an ihm. Der warme Rauch, der sich in seinen Lungen ausbreitete, wärmte seinen Körper von innen heraus und zeigte langsam seine Wirkung. Es beruhigte ihn allmählich. Seine Lippen zitterten dennoch, wie der Rest seines Körpers und als seine Zigarette aufgeraucht war, fühlte es sich an, wie als würde er wieder einfrieren. Die Schmerzen, deren Ursprung er nicht finden konnte, breiteten sich aus und sein ganzer Körper schrie deshalb, sein Kopf pochte und Tränen liefen weiterhin über seine Wangen, ohne dass er es merkte. Er schloss seine Augen. Wieder blitzte es, aus Angst öffnete er ruckartig wieder seine Augen und anschließend entfloh ihm ein von Todesangst beherrschter lauter Schrei. Sein Herz setzte aus, ehe es so schnell wie möglich das Blut durch seine Adern pumpte und seinen eingefrorenen Körper aus seiner Starre befreite. Er sprang auf, mit zwei langen, panischen Schritten ging er zu seiner Tür und versuchte, sie zu öffnen. Sein Blick huschte immer wieder über seine Schulter nach hinten zu dem, was er glaubte zu sehen. Die feurigroten Augen, die direkt durch ihn hindurchstarrten, seine Seele aufzusaugen versuchten und ganz langsam näher kamen, ließen Josh jegliche schlimmen Gefühle durch den Körper schießen. Es wirkte, als wüssten diese Augen alles über Josh, auch die Dinge, die dieser nicht mal selber wusste. Und das brachte dem Rothaarigen noch mehr Unbehagen. Die Augen der Gestalt waren leer, für Josh sprachen sie vom Tod, vom Teufel und von allem, was man damit in Verbindung bringen konnte.

Er brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass er seine Tür abgeschlossen hatte - er hatte es in all der Panik wieder vollkommen vergessen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, seine Augen waren weiterhin mit Tränen gefüllt und er brauchte lange, um mit seinen übertrieben zitternden Händen das Schloss aufzubekommen. Mit seinem schwachen Fuß schob er die Kiste zur Seite, die er vorher vor die Tür geschoben hatte. Josh fragte sich, ob diese ekelhafte Gestalt mit diesen toten Augen der Grund für das Klopfen gewesen war und ebenso fragte er sich, wie sie hereingekommen war. Jedoch wollte er jetzt nicht daran denken, er wollte raus, er wollte weg. Noch einmal sah er hinter sich und schrie erneut auf, als er bemerkte, dass die Gestalt im kleinen Wohnwagen viel näher gekommen war, viel zu nah, und nun versuchte, nach ihm zu greifen. Seine Atmung verschnellerte sich um einiges, Panik durchzuckte ihn mit jedem Herzschlag. Als er die Tür seines Wohnmobils endlich aufbekommen hatte, stolperte er hinaus, blickte noch einmal hinter sich und sah, wie die Kreatur ihm folgte. Er schluchzte auf und plötzlich fing er an, Gelächter zu hören, dass höchstwahrscheinlich für ihn bestimmt war. Es lachte ihn aus, lachte über seine Taten und sicherlich auch über seine Todesangst. Während er nach hinten sah, versuchte er zu laufen. Doch seine schnellen, unkoordinierten Schritte wollten nicht, so wie er es wollte, und er fiel zu Boden. Auf dem Boden versuchte er, weiter nach hinten zu rutschen. Die satanische Gestalt war schneller als er.

Mit krächzender und vom Weinen erschluckter Stimme bettelte er, dass die ekelhafte Gestalt verschwinden sollte, ihn nicht anfassen sollte. Ohne Wirkung. Mit den Füßen versuchte er nach der Gestalt zu treten, während er weiter hinter rutschte und im nächsten Moment es schaffte, aufzustehen und weiterzurennen. Das Lachen hörte er immer noch, noch viel lauter. Wie als würde ein ganzes Publikum ihn auslachen, wie als wäre er Teil einer dummen Show. Seine Haare und auch seine Kleidung wurden vom strömenden Regen durchnässt, während er ahnungslos durch die Straßen irrte und versuchte, dem Lachen und dem Abbild eines Dämons zu entkommen. Als ihm die Luft ausging, der Schmerz in seinem Körper sich verdoppelt hatte und sein Herz drohte, in einzelne Teile zu zerspringen, hörte er auf zu rennen und fand sich auf einer kleineren Straße wieder. Kein Auto kam, es war vollkommen still, außer das Lachen in seinem Kopf, durch das er sich am liebsten die Ohren abgerissen hätte. Er keuchte, holte schnappend nach Luft und schluchzte zeitgleich verzweifelt auf. Von Paranoia erfüllt blickte er sich um, suchte die Gestalt. Tränen rannen über sein Gesicht und vermischten sich mit den Regentropfen, die auf sein Gesicht rieselten. Es war dunkel, nur das dumpfe Licht der Straßenlaternen erhellte den Weg. Erfüllt von Schmerz und tiefer Trauer ließ er sich einfach fallen, mitten auf der Straße krümmte er sich zusammen und schrie. Verzweifelt drückte er sich die Hände gegen die Ohren, in der Hoffnung das Lachen würde bald aufhören. Er weinte und schrie abwechselnd, hörte nicht das wütende Hupen eines Autos, das hinter ihm auftauchte. Als Josh nicht reagierte und liegen blieb, während er den Regen auf sich niederkommen ließ, fuhr das Auto einfach an ihm vorbei. Sein Geschrei schien kein Ende zu finden, genauso wenig wie seine Tränen. Als er von jemandem aufgezogen wurde, schrie er noch lauter, da er dachte es wäre die Kreatur.

Er flehte, die Gestalt solle ihn in Ruhe lassen, traute sich nicht, seine Augen zu öffnen und allmählich ging ihm die Kraft aus.


Erhältlich als ebook - "Verloren": https://www.neobooks.com/ebooks/leonora-baljija-verloren-ebook-neobooks-AV_OmDm6kDPAZIbqG7Y5

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