Unser Mitmachkrimi "Abgründe" Kapitel 28

Erstellt von petersplitt vor 6 Jahren

Unser Mitmachkrimi "Abgründe" Kapitel 28

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petersplittvor 6 Jahren

ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Das Haus war mit hellen Klinkern verkleidet und von einer hohen Mauer umgeben. Ein paar Meter davon entfernt stand eine Garage, die ebenfalls entsprechend verklinkert war. Die Einheit gehörte zu einer Reihenhaussiedlung, die in den 90er Jahren gebaut worden war. Es war früher Abend, als sie dort ankamen. Im ersten Stock brannte bereits Licht.

„Wahrscheinlich macht er gerade die Betten“, scherzte Klaus Behringer.

„Das kann ich mir bei ihm überhaupt nicht vorstellen“, erwiderte Gereon und drückte auf den Klingelknopf. Nichts tat sich.

„Versuch es noch einmal Gerd“, sagte Klaus der den Eingang unter Beobachtung hielt. Jetzt gingen auch im Erdgeschoss die Lichter an. Ein kleines Fenster öffnete sich. „Wer ist denn da?“ fragte eine weiche, weibliche Stimme.

„Hier ist Kommissar Gereon“, sagte er. „Ist ihr Mann zu Hause?“

„Oh, einen Moment bitte.“

Ein Schloss wurde entriegelt, die Tür öffnete sich und eine Dame in einem Morgenmantel blickte sich vorsichtig um.

„Mein Mann ist nicht hier“, sagte sie zaghaft.

„Können wir trotzdem hereinkommen, Frau Heller?“

„J…ja bitte sagte sie und trat beiseite, um die Polizisten ins Haus zu lassen. Breiter Korridor, die Wände weiß gestrichen, moderne Designermöbel.

„Wissen Sie wo ihr Mann ist?“ fragte Gereon ohne Umschweife.

„In seinem Büro natürlich. Der Ärmste macht in letzter Zeit so viele Überstunden und dann noch die wechselnden Schichten, aber Sie wissen ja sicher, wie das ist“

„Wechselschichten?“ wunderten sich die beiden Männer. Normalerweise arbeitete kein Staatsanwalt in wechselnden Schichten und Heller schon gar nicht.

„Aber warum gehen Sie nicht ins Wohnzimmer. Wir müssen doch nicht hier im Flur stehen bleiben. Möchten Sie einen Kaffee?“

„Vielen Dank, aber wir sind dienstlich hier Frau Heller. Dürfen wir uns hier im Haus ein wenig umsehen?“

„A…aber warum denn…was ist denn los?“

„Das darf ich Ihnen nicht sagen, Frau Heller, aber Sie würden uns sehr helfen, wenn Sie uns sagen, wo sich ihr Mann aufhält.“

„Aber ich verstehe nicht. Mein Mann ist in seinem Büro und arbeitet, das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Die Überstunden, Sie wissen doch…?“

„Du Gerd, ich glaube sie weiß wirklich nichts. Lass uns loslegen“, meinte Klaus Behringer. Die Polizisten sahen sich die einzelnen Zimmer an: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, nichts Ungewöhnliches. Im ersten Stock gab es zwei weitere Zimmer und ein Gästebad, alles ordentlich aufgeräumt und auf Hochglanz geputzt. Frau Heller war eine vorbildliche Hausfrau.

„Frau Heller, gibt es hier im Haus einen Keller oder einen Abstellraum?,“ fragte Gereon

Sie sah ihn erstaunt an. „Natürlich haben wir einen Keller, so wie viele andere Leute auch.“

„Und ist der Keller so groß, dass man darin mehrere Personen unterbringen könnte?

„Ach was! Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? In unserem Keller gibt es einen Hobbyraum, einen Werkzeugraum und einen Waschraum. Den Hobbyraum betrete ich allerdings nicht. Das hat mein Mann nicht so gerne. Da bewahrt er nämlich seine Akten auf.“

„So? Ich denke, dass sollten wir gleich überprüfen“, sagte Gereon.

„Warten Sie, dann muss ich erst den Ersatzschlüssel suchen. Mein Mann hat seinen Schlüssel immer bei sich.“ Frau Heller stand unsicher im Türrahmen. Ein nachdenklicher Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Die Polizisten fragten sich, was in ihr vorging? Machte sie sich ernsthafte Sorgen, oder dachte sie nur nach, wo sich der Schlüssel befand? Die Antwort gab sie selbst.

„Ah jetzt weiß ich wo er ist: Im Vitrinenschrank, unterste Schublade. Moment, ich bin gleich zurück.“

Die Polizisten warteten, während die Minuten verstrichen. Sie kam zurück und brachte den Schlüssel mit. Zusammen gingen sie nach unten und schlossen den Raum auf. Der war etwa drei auf vier Meter groß und vollgestellt mit nutzlosem Krempel. Eine Anzahl Aktenordner standen ordentlich auf zwei Holzregale verteilt, es gab einen Schreibtisch und was vielleicht noch am Interessantesten war, ein ordentlich gemachtes Einzelbett. Anscheinend pflegte es sich der Herr Staatsanwalt hier unten gemütlich zu machen. Die Wände waren mit religiösen Motiven dekoriert. In der untersten Schublade des Schreibtisches fanden sie Dvd`s von irgendwelchen amerikanischen Predigern und religiösen Fanatikern. Dazu Bücher und nochmals Bücher. Sie hatten alle irgendwie mit Schuld und Sühne zu tun.

„Ich hab ja immer gewusst, dass mit dem etwas nicht stimmt“, sagte Klaus. „Mal sehen, was wir sonst noch finden?“

Was sie sonst noch fanden, waren Aufzeichnungen zu den Fällen, die er bearbeitet hatte, Zeitungsartikel, die von seinen Erfolgen erzählten, Fotos aus seiner Jugendzeit und Medikamente. Letztere fanden sie in einem Schuhkarton unter dem Bett. Es waren starke Antidepressiva, die nur von einem Psychotherapeuten verschrieben werden durften.

Gereon pfiff durch die Zähne, als er die Mittel sah. „Die nehmen wir mit“, ordnete er an. „Scheint so, als hätte der Staatsanwalt ein psychisches Problem.“

„Bitte bringen Sie hier nichts durcheinander. Mein Mann hasst Unordnung. Er darf nicht merken, dass Sie hier waren“, sagte Frau Heller dazwischen. Die beiden Beamten schenkten ihr keine Beachtung. Sie sahen sich die Fotografien an. Die meisten zeigten Heller als kleiner Junge, wie er auf einem Wiesengrundstück spielte. Im Hintergrund der Fotos war ein altes Gemäuer zu sehen.

„Mensch Gerd. Das ist interessant! Sieht aus wie ein Bunker oder eine alte Wehranlage. Wo mögen die Aufnahmen entstanden sein?“

„Zeig mal her Klaus!“ Gereon begutachtete die Aufnahmen. „Wäre ein idealer Schlupfwinkel, falls die Anlage noch existiert, jedenfalls viel besser als dieses Haus. Wenn du mich fragst, hier verschwenden wir nur unsere Zeit. Wir werden hier nichts finden.“

„Ich habe aber noch was Gerd!“ Klaus hatte noch ein wenig in dem Schreibtisch herumgewühlt und eine Dokumentenmappe gefunden. „Hier drin sind Kaufverträge für dieses Haus und für ein Freizeitgrundstück in der Eifel.“

„Was? Ein Freizeitgrundstück in der Eifel? Zeig mal her!“

Das Dokument enthielt einen Lageplan, sowie eine Urkunde über den Kauf des Grundstücks. Auf einmal wurde Gereon furchtbar aufgeregt. Er wandte sich an Frau Heller.

„Was wissen Sie über ein Freizeitgrundstück in der Eifel?“ fragte er. Sie sah ihn an, ohne den Wirbel zu verstehen, den er jetzt machte.

„Ach so das“, sagte sie gelassen. „Das hat er sich mal gekauft, weil es so günstig war. Ich bin lange nicht mehr draußen gewesen. Man kann ja auch nicht viel mit dem Grundstück anfangen. Es gibt noch nicht einmal einen Teich oder so etwas, zum Baden meine ich.“

„Aber eine alte Wehranlage?“ drängte Gereon.

„Ach dieses alte Gemäuer! Glauben Sie bloß nicht, dass es unter Denkmalschutz steht. Es ist wirklich nichts Besonderes. Wahrscheinlich ist der größte Teil davon bereits in sich zusammengefallen.“

„Wo genau liegt das Grundstück, Frau Heller?“

„Auweia, mal sehen, ob ich den Weg noch zusammen bekomme? Also, Sie nehmen zunächst die Autobahn bis nach Erftstadt und dann…“


Im Polizeipräsidium ging alles drunter und drüber. Kriminalrat Sengel spürte, dass seine Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt war. Er war vom Tod des Pfarrers unterrichtet worden und wollte Julia zur Rede stellen. Doch die war noch nicht im Präsidium aufgetaucht. Genauso wenig aber war sie in der Kirche. Die alarmierten Kollegen hatten den toten Pfarrer in seinem Privatgemach gefunden. Das Portal der Kirche hatte offen gestanden doch weit und breit war niemand zu sehen gewesen. Sie hatten nach Julia gesucht und den Dienstwagen vor der Kirche stehen sehen, das war auch schon alles. Von ihr selbst fehlte jede Spur.

Und als ob das alles noch nicht schlimm genug war, schien sich die komplette Mordkommission aus dem Staub gemacht zu haben, Staatsanwalt Heller eingeschlossen, denn der hatte sich bisher auch noch nicht blicken lassen. Kriminalrat Sengel war dermaßen schlecht gelaunt, dass er die arme Ingrid Goldmeyer am Empfang fast zum Wahnsinn trieb. Alle zwei Minuten rief er bei ihr an und wollte in Erfahrung bringen, ob bereits einer seiner Leute den Eingang passiert hatte, was Ingrid jedoch leider regelmäßig verneinte. Sie hatte weder die Kollegen Brück, Behringer und Gereon noch Staatsanwalt Heller ins Präsidium kommen sehen. Kriminalrat Sengel stand auf und öffnete die Oberlichter seiner Fenster. Ein frischer Luftzug erfüllte sein Büro. Als er sich wieder hinsetzte hatte sich seine Miene verändert. Und er telefonierte weiter. Jochen Balzer war gerade aus Dünnwald gekommen. Er hatte den toten Pfarrer untersucht. „Eindeutig Selbstmord“, Herr Kriminalrat“, erklärte er. „Jetzt liegt er bei uns auf dem Obduziertisch und nein, ich habe keinen der Kollegen gesehen und mich bereits darüber gewundert.“

Danach rief Sengel im Archiv an. Dieser Anruf geschah schon fast aus purer Verzweiflung und nur, damit er bestätigt bekam, dass Günter auch nichts wusste.

Am besten, ich gehe auch nach Hause, dachte Sengel. „Hier macht ja doch jeder, was er will!“


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