Unser Mitmachkrimi "Abwege" Kapitel 9

Erstellt von petersplitt vor 6 Jahren

Unser Mitmachkrimi "Abwege" Kapitel 9

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petersplittvor 6 Jahren

Hier kommt das neunte Kapitel unseres Mitmachkrimis. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und freue mich über Eure Anregungen...


NEUNTES KAPITEL

Julia betrat das Polizeipräsidium und steuerte zielstrebig auf den Empfang zu. Hier saß Ingrid Goldmeyer wieder an ihrem gewohnten Arbeitsplatz. Lange bevor Julia zur Polizei gekommen war, hatte Ingrid bereits in der Zentrale gesessen. Jeder der hier arbeitete kannte, -und liebte sie. Sie war eine liebenswürdige Dame in den späten 50ern, die sich mit Vorliebe in grellen Farben kleidete. Julia konnte sich in diesem Moment niemanden grüner vorstellen, als Ingrid Goldmeyer. Sie hatte ihre lindgrüne Strickjacke abgestreift, trug aber darunter eine passende Bluse im gleichen Farbton, sowie eine enge blau-grüne dreiviertel Hose. Dem ganzen hatte sie noch ein paar weitere farblich übereinstimmende Details hinzugefügt: Pumps mit hohen Absätzen und Knöchelschnalle in dunkel grün, Ohrringe mit grünen und türkisfarbenen Glaseinsätzen, die an Scherben einer gebrochenen Flasche erinnerten, sowie einen dick aufgetragenen, metallic-grünen Lidschatten.

„Hallo Herzchen, schön das du wieder da bist“, grüßte Julia charmant.

„Erzähl mir bloß nicht, dass Du mich vermisst hast?“ konterte Ingrid kokett, schlug die Augenbrauen betont langsam nach oben und lächelte Julia an.

„Du bist die gute Seele des Hauses. Ohne dich wäre es doch nur halb so schön hier.“ Ingrid strahlte über das ganze Gesicht. „Einer muss den Laden schließlich am Laufen halten.“

„Wenn wir dich nicht hätten...aber sag mal, ist Gereon schon da?“

Ingrid verdrehte die Augen. „Das ist er allerdings, nur fürchte ich mit dem ist heute nicht gut Kirschen essen. Ich wünsche dir einen schönen Tag mit dem Miesepeter.“

„Oh...oh dann mache ich besser, das ich ins Büro komme“, sagte Julia und lief die Treppen hinauf. Das Laufen war für sie zum Frühsport geworden. „Ein Aufzug ist etwas für alte Leute“, pflegte sie zu sagen. Sekunden später betrat sie ihr Büro. Hauptkommissar Gereon saß bereits an seinem Schreibtisch und blätterte in irgendwelchen Papieren herum. Als Julia sich ihm näherte, sah sie, dass es sich um die Akten der vermissten Personen handelte.

„Morgen Gerd“, begrüßte sie den Kommissar. Hat sich was getan?“

Gereon blickte zu ihr auf. „Gott sei Dank, dass du es bist, Julia. Ich habe schon befürchtet Staatsanwalt Heller stünde hinter mir. Der ist mittlerweile wie ein zweiter Schatten für mich!“

Julia sah ihn an und grinste. „Bin ganz deiner Meinung, Gerd. Ein höchst unsympathischer Mensch. Scheint sich irgendwie profilieren zu wollen. Am besten du kümmerst dich gar nicht um ihn.“

„Dein Wort in Gottes Ohr und um deine Frage zu beantworten, nein, es gibt keine wirklichen Neuigkeiten. Ich habe gerade erst eine Akte über die vermissten Personen angelegt. Kannst ja mal drüber schauen.“

„Oh ja, gerne. Was dagegen, wenn ich sofort damit anfange?“

„Nein, überhaupt nicht. Ich habe sowieso gerade ein Brett vor meinem Kopf. Du würdest mir sogar einen großen Gefallen tun, wenn du dich der Sache annimmst. So lange keine Leiche auftaucht, sind mir die Hände gebunden.“

Julia schnappte sich die Akte. „Sag mir die Wahrheit Gerd. Glaubst du das die Vermissten jemals wieder auftauchen werden?“

„Keine Ahnung. Manchmal dauert es Wochen, manchmal Monate oder auch Jahre und manche wollen erst gar nicht, dass man sie findet.“

„In Ordnung, ich sehe mir mal die Akte an. So hat jeder seine Arbeit.“

„Tu das Julia, aber vergiss nicht sie zurückzugeben, hörst du!“

Julia nickte und nahm die Akte mit zu ihrem Schreibtisch. Nachdem, was mit Bernadette geschehen war, brannte ihr der Fall unter den Fingernägeln. Aber das musste Gereon natürlich nicht unbedingt wissen. Sie arbeitet sich durch die Vermisstenanzeigen. Auf den ersten Blick schienen sie vollständig zu sein und es sah ganz danach aus, als hätte Gereon gründliche Arbeit geleistet. Er war bei den Angehörigen gewesen und hatten die Freunde und Arbeitgeber abgeklappert. Das Resultat war eindeutig: Überall hatte man sich über das Verschwinden der jeweiligen Person sehr besorgt gezeigt. Aber das war auch schon alles gewesen. Ansonsten hatten die Untersuchen nichts Außergewöhnliches ergeben. Am allerwenigstens Hinweise auf ein Verbrechen oder auf eine Gewalttat.. Also hatte Gereon die Vermisstenmeldungen routinemäßig an alle Polizeireviere im Bundesgebiet weitergeleitet, sowie die Krankenhäuser in der Region befragt. Doch als auch hier seine Bemühungen zu keinem nennenswerten Ergebnis führten, hatte er die Vorgänge erst einmal ad acta gelegt und sich um andere Fälle gekümmert. Die letzten Einträge bezogen sich auf Diana Meyfarth. Auch über sie war so gut wie nichts bekannt. Geboren in der Eifel, hatte sie in Daun gelebt und war dann nach Köln gezogen um in der Rheinmetropole zu studieren. Sie war an der Universität registriert und hatte eine Zeitlang im Studentenwohnheim gewohnt. Danach verlor sich ihre Spur, weil sie niemand mehr an der Fakultät gesehen hatte. Aber sie hatten die Handtasche mit ihrem Perso am Fühlinger See gefunden und dann war da noch die merkwürdige Geschichte mit dem umgekippten Kanu… Und genauso stand es in der Akte. Soweit war alles korrekt. Julia überflog noch einmal die Namensliste der vermissten Personen. Ein Name stach ihr besonders ins Auge: Horst Schürmann, besser gesagt Dr. Horst Schürmann. Diesen Namen kannte sie gut. In Gedanken ließ Julia Revue passieren, was sie von ihm wusste: „Schürmann war ein Winkeladvokat, wie es im Buche stand. Angeblich hatte er ein Alkoholproblem und wurde mehrfach mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht. Zumindest besaß er hervorragende Beziehungen zum Milieu. Einmal hatte man ihn bei einer Razzia in einem Sexclub mit Kokain erwischt, und so weiter...“ Die Liste ließ sich beliebig verlängern. Immer wenn etwas nicht ganz koscher war, kam der Name Horst Schürmann ins Spiel. „Und ausgerechnet den soll jemand seit zwei Wochen vermissen? Julia kamen erste Zweifel. Davon hätte ihr Gereon doch etwas erzählen können! Auf der anderen Seite war er der erfahrene Kommissar und sie nur eine junge Anfängerin. Es lag auf der Hand, dass Gereon sie nicht über jede Kleinigkeit informieren wollte.

„Na Julchen, du scheinst etwas entdeckt zu haben?“

Julia zuckte zusammen. Auf einmal stand Gereon dicht hinter ihr und klopfte ihr auf die Schulter. Sie spürte seinen Atem und kam sich seltsam ertappt vor.

„Äh, mein persönlicher Freund…“, stammelte sie. „Ist lange her, seit ich von diesem Vogel hier etwa gehört habe.“ Sie zeigte auf das Foto von Horst Schürmann.

„Hm, stimmt genau“, meinte Gereon. „Zum Glück ist hier seine hässliche Visage schon seit längerem nicht mehr aufgetaucht. Es hat Zeiten gegeben, da musste man sie jeden Tag ertragen.“

„Aber was, wenn er tot ist?“ Julia sprach leise aus, was sie dachte.

„Du meinst ermordet, was?“ Gereon zog die Augenbrauen hoch und grinste. „Ein Mord in meinem Bezirk? Davon müsste ich doch gehört haben. Und wenn, dann ist er bestimmt in einem Puff gestorben.“

„Ha ha ha, dann müsste er aber ein wahrer Glückspils gewesen sein. Solch einen Tod wünscht sich doch jeder Mann. Weiß man denn schon, mit wem er vor seinem Verschwinden zusammen war?“

„Hör mal Julia, es reicht jetzt. Ich weiß sehr wohl, dass du ein gute Polizistin bist, aber seit ein paar Tagen drehst du völlig am Rad. Und jetzt sprichst du sogar schon von Mord.“ Bei den letzten Worten veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

„Man muss doch alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, konterte Julia schnell.

„Ach was! Du gehst auch immer gleich vom Schlimmsten aus, mein Liebe. Was für mich zählt sind Fakten, Fakten und nochmals Fakten. Wie ich schon sagte, wo keine Leiche, da gibt es auch keinen Fall. Ich kann mich doch nicht um jeden unwichtigen Driss kümmern! Sag mal, bist du eigentlich nur neugierig, oder hast du etwas Konkretes gefunden?“

Julia seufzte. Sie wusste, dass diese Diskussion zu nichts führen würde.

„Nein, leider nicht. Ich finde es nur sehr seltsam, dass auf einmal in Köln so viele Personen verschwinden. An so viele Zufälle mag ich einfach nicht glauben.“

Gereon lehnte sich an die Wand. Er beobachtete, wie sich Julia nach vorne beugte. Ihr Stuhl quietschte.

„Beinahe kommst du mir schon so vor, wie diese hysterische Bernadette Meyfarth. Ganze Verschwörungsarien hat sie mir vorgetragen, damit ich nach ihrer Schwester suche.“

Julia sah ihn an.

„Ach ja? Vielleicht hat sie ja in manchen Dingen recht. Oder hast dich schon mal gefragt, ob es irgendeine Verbindung zwischen den einzelnen vermissten Personen gibt?“

Gereon fühlte sich angegriffen.

„Ach was! Du siehst zu viele Krimis Julia. Schau dir lieber die 20Uhr Nachrichten an. Dort erfährst du was wirklich in der Welt passiert.“

Julia verzog ihr Gesicht. „Danke Gerd. Ich weiß deinen Rat zu schätzen“, sagte sie beinahe beleidigt.

„Na prima, aber jetzt verrate ich dir etwas, was nicht in den Akten steht. Es hat da mal ein Gerücht gegeben. Angeblich soll Schürmann Schmiergelder genommen haben. Dabei ging es um einen Klein-Kriminellen, der mit der Russenmafia in Verbindung stand.“

Julia wusste nicht genau worauf er hinaus wollte. „Und?“, fragte sie.

„Schürmann war sein Verteidiger und wollte anfänglich einen Deal mit der Staatsanwaltschaft aushandeln. Er versprach, gewisse Hintermänner ans Messer zuliefern, wenn man seinen Klient mit mildernden Umständen davonkommen lassen würde.“ Gereon machte eine kleine Pause.

„Ja und? Erzähl doch weiter!“ Julia starrte ihn gebannt an. Gereon grinste angesichts ihrer Neugierde. Er hatte sie da, wo er sie haben wollte. Es bereitete ihm sichtlich Freude Julia auf die Folter zu spannen.

„Nun, der Deal platzte. Stattdessen hat sich der Kriminelle in seiner Zelle selbst aufgeknüpft.“

„Selbstmord?“

„Danach sah es zumindest aus. Nur komisch, dass ausgerechnet Schürmann der letzte war, der ihn in seiner Zelle besucht hatte. Und das bei den schönen Besucherzimmer, die wir haben. Natürlich hat man ihm niemals etwas nachweisen können und um den Kriminellen hat sich sowie so niemand gekümmert.“ Gereons Grinsen verwandelte sich zu einem grimmigen Lächeln.

„Und nun ist der saubere Anwalt verschwunden. Das stinkt doch zum Himmel!“ „Aber ausgerechnet Mord? Er kann doch auch ganz einfach verduftet sein. Zum Beispiel weil ihm unsere schöne Stadt zu heiß geworden ist.“

„Sicher, das wäre gut möglich. Du meinst, jemand hat ihm vielleicht nahe gelegt, zu verschwinden?“

Jetzt trat Gereon noch näher an sie heran.

„Wie denn, ohne Geld? Wir waren bei seiner Frau. Sie hat uns bestätigt, dass nichts von seinem Konto abgehoben wurde.“

„Verdammt! Und wenn ihm wirklich etwas zugestoßen ist?“

Gereon zuckte mit den Achseln. „Weißt du Julia, das Schicksal treibt oft seltsame Blüten. Der Teufel verführt die Menschen manchmal zu unglaublichen Taten, die noch nicht einmal vor dem Halt machen, was sie normalerweise lieben und respektieren. Genau damit hat das alles zu tun.“

Das Telefon klingelte. Gereon nahm den Hörer ab. „Ja? Sagte er.

„Bitte entschuldige Julia, sagte Ingrid Goldmeier. „Ist Kommissar Gereon zufällig bei dir?“

„Ich bin am Apparat, was gibt es denn?“

Julia blickte den Kommissar fragend an.

„Ah, Herr Kommissar! Ich belästige Sie nur ungern, aber ich habe hier jemanden in der Leitung, der behauptet, er habe in einem Einkaufswagen einen menschlichen Arm gefunden.“

„Verdammte Scheiße, sind denn jetzt alle verrückt geworden? Fehlt nur noch, dass wir jetzt die Vermissten häppchenweise zurückbekommen!“

Mit diesen Worten eilte er auf den Flur hinaus und überlies Julia ihren Gedanken. „Ist schon ein komischer Geselle geworden, der Kommissar“, dachte sie. „Früher soll er ganz anders gewesen sein.“ Sie notierte sich die Telefonnummern der Angehörigen, soweit sie der Polizei bekannt waren. Den Kontakt zu ihnen würde sie selbst herstellen. Am besten zusammen mit Bernadette. Die Präsentation einer Leidensgefährtin konnte in diesem Fall sehr nützlich sein.



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