Cover des Buches Blassrosa oder die geheime Taktik des Monsieur F (ISBN: 9783956671524)
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Rezension zu Blassrosa oder die geheime Taktik des Monsieur F von Tharina Wagner

Vorurteile und die berühmte 2. Chance

von Igelmanu66 vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Eine Geschichte über Vorurteile aller Art und über die berühmte 2. Chance im Leben.

Rezension

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Igelmanu66vor 9 Jahren

»Ein leichter Wind umwehte den Fuchs und machte die Hitze erträglicher. Liberté, dachte er und betonte jede Silbe in Gedanken, um sich selbst davon zu überzeugen, dass es der Wahrheit entsprach. Li-ber-té. Jetzt stand er auf der anderen Seite des großen Tores und betrachtete die Straße. … In diesen Sekunden fiel ihm auf, dass auf dieser Seite der Mauer niemand auf ihn wartete. Niemand würde ihn abholen, niemand würde ihm um den Hals fallen. Niemand interessierte sich für seine Heldengeschichten oder seine Fälscherkunst.«

Nach vielen Jahren im Gefängnis ist der Fuchs endlich wieder auf freiem Fuß. Der Fuchs ist schlau und daher beschließt er, die glückliche Fügung, die ihn in Form eines Pokerblattes zum Hausbesitzer machte, zum Start in ein neues Leben zu nutzen. In ein ehrliches Leben. Doch das ist gar nicht so leicht…

»Manchmal beobachtete er seine Nachbarn. Diese beobachteten ihn immer. Wenn seine Augen die ihren trafen, versuchten sie unauffällig so zu tun, als würden sie die Wolken betrachten. Wie immer erzählten sie sich die wildesten Geschichten. Sie sprachen gerne über ihn, doch mit ihm sprachen sie nie. Natürlich nicht, schließlich hatten sie gehört, dass er erst vor Kurzem aus dem Gefängnis entlassen worden war.«

Der Fuchs beschließt, die Wohnungen in seinem Haus zu vermieten. So könnte er ehrliches Geld verdienen und zudem durch seine Mieter wieder unter Menschen kommen. Schon bald treffen in seinem Haus die unterschiedlichsten Menschen aufeinander, Vertreter verschiedener Generationen und Kulturen, ehrliche und nicht so ehrliche. Missverständnisse und Vorurteile sind da an der Tagesordnung und der Fuchs, der durch seinen früheren „Beruf“ ein wenig paranoid wurde und sich dauernd beobachtet fühlt, beobachtet seinerseits genau, was seine Mieter so treiben und führt über alles Buch. In teilweise sehr skurrilen Einträgen ;-)

Dieses Buch hat mal wieder rundum Spaß gemacht! Der Fuchs war mir gleich sympathisch und gemeinsam mit ihm hoffte ich, dass sich nicht bewahrheitet, was ihm ein Freund mal gesagt hatte und was seitdem ständig in seinem Kopf rumspukte…

»On ne change pas. (Man ändert sich nicht.) Einmal kriminell, immer kriminell. Du wirst nicht eines Tages aufwachen und Anwalt sein, oder mit einer erfolgreichen Geschäftsfrau verheiratet. Schlag dir das aus dem Kopf, jetzt gleich...«

Der Fuchs ist aber nicht der einzige, der in diesem Buch versucht, neue Wege zu beschreiten. Auch für einige seiner Mieter ergeben sich Situationen, die Entscheidungen verlangen oder das Leben auf irgendeine Weise ändern. Was den Reiz dabei ausmacht, ist die Vielfalt an Generationen, Kulturen und sonstigen Unterscheidungsmerkmalen der Charaktere. Und eins haben sie gemein: Wirklich jeder von ihnen hat den anderen gegenüber vorgefasste Meinungen. Diese Vorurteile sind oft nicht einmal bösartig und man hat auch überhaupt nichts gegen den anderen und möchte gut miteinander auskommen. Aber man weiß doch schließlich, wie „die“ so sind…

»Madame Fondant wollte erst von ihrem Beruf erzählen, zögerte dann allerdings. Die muslimischen Frauen hielten sich hauptsächlich in der Küche auf, das wusste sie ganz genau. Sie beschloss, das Französisch ihrer Gastgeberin zu loben. Tatsächlich hatte sie nur einen leichten Akzent und ihr Satzbau erinnerte an Tausendundeine Nacht. Madame Bensaoula lächelte bescheiden und erklärte, dass sie als Dolmetscherin sieben Sprachen beherrschte.«

Neben den Vorurteilen gibt es noch reichlich Verwechslungen, Irrtümer und Missverständnisse. Schön ist, dass sie nicht konstruiert, sondern wirklich ganz alltäglich und nachvollziehbar wirken (in der Realität meist nur nicht so geballt auftreten ;-) Aber hier haben wir ja schließlich eine Geschichte – und die ist wirklich schön. Leicht und unterhaltsam zu lesen, ließ sie mich immer wieder schmunzeln und brachte trotzdem ihre Botschaft und eine ordentliche Portion Gesellschaftskritik rüber.

Die Autorin lebt seit 2008 in ihrer Wahlheimat Frankreich, drei Jahre davon in Pariser Vorstädten. Das merkt man deutlich, das gesamte Szenario erzeugt französisches Flair, das durch eingestreute französische Sätze und Worte noch mehr betont wird. Verständnisprobleme braucht aber niemand zu fürchten, denn die Übersetzung steht jeweils unten auf der Seite.

Was man hingegen nicht deutlich merkt, ist die Tatsache, dass es sich hier um einen Debutroman handelt. Ich bin schon jetzt gespannt, was die junge Autorin wohl als nächstes schreiben wird!

Fazit: Eine Geschichte über Vorurteile aller Art. Eine Geschichte, die zeigt, wie leicht man sich in seinen Mitmenschen irren kann und über die berühmte 2. Chance im Leben.

»An diesem Tag fiel Monsieur Bensaoula auf, dass sich die Menschen zu oft Meinungen ohne Grund bildeten. Und oft verstrickte man sich in einer solchen Meinung, einfach nur, um Recht zu behalten.«

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