Cover des Buches Briefe bewegen die Welt, Bd 2 (ISBN: 9783832794521)
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Rezension zu Briefe bewegen die Welt, Bd 2 von Hellmuth Karasek

Intellektueller Voyeurismus

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Ob Briefe jemals die Welt bewegt haben, sei einmal dahingestellt. Immerhin aber geben sie uns manchmal Auskunft über Beziehungen, die uns fremde, aber berühmte Menschen zu ihrer Zeit führten. Insofern erfüllt das Lesen nicht an uns gerichteter und auch einstmals nicht für die Öffentlichkeit gedachter Briefe bekannter Künstler eine gewisse voyeuristische Befriedigung, die wir natürlich als kulturhistorisch interessant und für unsere Bildung als bedeutsam empfinden.

Da uns der Herausgeber in seiner unnachahmlichen Art dabei hilft, Absender und Empfänger sowie die historischen Zusammenhänge kennen und verstehen zu lernen, nimmt man dann auch tatsächlich aus diesem Buch, wie schon aus seinem Vorgängerband, ein Menge an Informationen über beide Seiten des Briefkontakts mit.

Jeder Brief wird in Kopie gezeigt, als Text zum Lesen eingefügt und von Karasek kommentiert. Schließlich werden die betreffenden Personen hinreichend ausführlich vorgestellt. Es gibt außer dem Schreiben von Briefen und einer angeblichen Kultur desselben kein weiteres zusammenführendes Band in diesem Buch. Manchmal ist man deshalb ziemlich überrascht, welcher Brief als Nächstes kommt. In einigen wenigen Fällen kann man die Auswahl des Herausgebers durchaus als merkwürdig ansehen oder seine Kommentare als zweifelhaft empfinden.

Karasek veröffentlicht zum Beispiel noch einmal den Brief von Wladimir Klitschko vom März 2003 an seine Fans, nachdem "Dr. Steelhammer" gerade gegen den Box-Opa Corrie Sanders verloren hatte. Man kann sicher darüber streiten, ob diese Zeitungsanzeige nicht eher der Auswurf einer gut geölten PR-Maschinerie von RTL als das Werk des guten Wladimir war. Ihn in eine Reihe mit den Briefen von Mozart, Beethoven, Heine, Thomas Mann oder anderer Größen zu stellen, spricht hingegen für einigen Mut.

Doch insgesamt kann man aus diesem Band tatsächlich viel lernen. Beispielsweise über die Beziehungen zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque, das schwierige Verhältnis von Hugo von Hofmannsthal und Stefan George, Kafkas Probleme mit seinem Vater, Erich Kästners trostloses Liebesleben, das wilde Treiben der Alma Mahler, das Eheleben des Thomas Mann und das von Robert und Clara Schumann. Dazu kommen Episoden aus dem Leben von Romy Schneider, Erich Maria Rilke, Nestroy, Mozart, Gropius, Heine, Jimi Hendrix und Uschi Obermaier sowie von Beethoven. Alleine diese Aufzählung verdeutlicht den recht breiten Bogen, den Karasek spannt.

Fazit.
Der zweite Band dieser Reihe steht dem ersten in Nichts nach. Mir gefiel er sogar besser. In nur wenigen Fällen erschien mir die Auswahl der Briefe ein wenig rätselhaft und die Interpretationen merkwürdig. Insgesamt ein gelungenes Buch über Briefe bekannter und völlig unbekannter Menschen und die dazu gehörenden Hintergründe und Zusammenhänge. Die Auswahl ist nicht themengebunden, sondern "der Kultur des Briefeschreibens" geschuldet, was immer das auch sein mag.
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