Cover des Buches América (ISBN: 9783423191364)
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Rezension zu América von T. C. Boyle

Eine Welt voller böser Überraschungen

von CorinnaSmiles vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Gegensätze stoßen sich ab - oder? Rechtschaffener US-Bürger trifft illegalen mexikanischen Pechvogel. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher

Rezension

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CorinnaSmilesvor 10 Jahren
Als US-Bürger Delaney Mossbacher den Mexikaner Cándido anfährt, prallen nicht nur Mensch und Auto, sondern auch zwei (Lebens-)Welten aufeinander.

Der rechtschaffene, liberal-humanistisch gesinnte Delaney lebt mit seiner Familie in einer exklusiven Wohnanlage am Rande von Los Angeles. Konfrontiert mit dem Fremdenhass der Bewohner dieser privilegierten Kolonie, die sich vor Eindringlingen schützen wollen – vor der Masse der arbeitslosen Ausländer, die wie eine Heuschreckenplage über das Land einfallen – keimt auch in Delaneys Hinterkopf die Saat der nagenden Angst auf und er muss erschrocken feststellen, wie brüchig seine liberalen Überzeugungen letztendlich sind.

Mexikaner Cándido verkörpert hingegen das Sinnbild des getretenen Hundes. Gemeinsam mit seiner schwangeren Frau América (deren Name schlicht und ergreifend alle ihre Hoffnungen an das Leben ausdrückt) ist er als illegaler Einwanderer in das Land des Überflusses gekommen, um seinen Traum von einem besseren Leben zu verwirklichen – „ein richtiges Haus (…), in einer richtigen Wohngegend mit Gesetzen, Respekt und Menschenwürde“. In der bitteren Realität campieren die beiden im Canyon, leben in ständiger Angst vor der US-Einwanderungsbehörde, sind nahe dem Verhungern und der Willkür und Ausnutzung ihrer sporadischen Arbeitgeber ausgesetzt.

So unterschiedlich die zwei Männer sind, führt sie das Schicksal doch immer wieder zusammen. Als schließlich die Katastrophe eintritt, drohen Cándido und América in einem Inferno zu versinken und Delaney beginnt seine Mission des Hasses.

T. C. Boyles großartiger Roman ist eine Geschichte des Kontrasts – ein Kontrast, der weit tiefer geht als ein oberflächliches arm versus reich und der sich durch das ganze Buch hindurchzieht und jede seiner Szenen durchtränkt. Pechvogel auf der einen, Glückspilz auf der anderen Seite? So einfach liegen die Dinge nicht, denn hier hat jeder seine Last zu tragen, sei es auf der physiologisch-materiellen oder ideologischen Ebene. Boyle gibt den Lesern die Chance, beide Welten kennen und verstehen zu lernen, eigene Gefühle und Einstellungen zu reflektieren und – wann immer man glaubt, nun kann es für die elenden Pechvögel Cándido und América nicht mehr schlimmer kommen – Zeichen der Hoffnung zu setzen.

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