Rezension zu "Ein Staat braucht einen Mörder" von Helmut Schödel
Ein hochinteressantes Psychogramm über die Zentralfigur der Lucona-Affäre, dem ehemaligen Chef des Wiener Zuckerbäckers und Hoflieferanten Demel, Udo Proksch.
Falls der Ein oder Andere nichts oder nichts mehr damit anfangen kann, immerhin handelte es sich um den grössten Politskandal der österreichischen Nachkriegsgeschichte, hierzu einige Anmerkungen.
Die Lucona war ein Frachtschiff, das 1977 im indischen Ozean, vermutlich bewusst zum Zwecke des Versicherungsbetruges, unter Inkaufnahme von 6 toten Seeleuten, gesprengt wurde. An Bord soll sich wahlweise eine Uranaufbereitungsanlage oder einfach nur Schrott befunden haben. Drahtzieher soll mutmasslich eben dieser Udo Proksch gewesen sein. Nebenbei, und dies machte das Ganze zum Politskandal, auch Zentralfigur der Wiener Society mit besten Kontakten bis in die allerhöchsten Regierungskreise. Problem des Ganzen, bis zum heutigen Tage ist diese Affäre nicht bis ins letzte Detail aufgeklärt.
Proksch war bis zu seinem Lebensende inhaftiert, fand sich damit auch irgendwie ab und trug wohl nicht übermässig zur Aufhellung bei.
Im Buch des Journalisten Helmut Schödel ergibt sich das Bild eines sich äusserst wichtignehmenden, zeitweise ja auch tatsächlich extrem schillernden Impressarios der Wiener Gesellschaft. Ein gutes Stück auch wehleidig , irgendwo aber auch herzensgut.
Also kurzum, schwer durchschaubar.
Aufklärende Aspekte zur Person Proksch bringen diverse Interviews, unter anderem mit einer seiner Lebensgefährtinnen, der bekannten Entertainerin Erika Pluhar.
Amüsant auch der Einblick in die zahllosen Briefe, die Proksch während seiner Haftzeit an alle möglichen Vertrauten gerichtet hat.
Für alle, die einen weiteren Blick, nur aus anderem Winkel, auf die Vorgänge des damaligen Österreich werfen wollen, meiner Ansicht nach ein empfehlenswertes, auch weil sehr gut, sehr flüssig und sehr kurzweilig zu lesendes, Buch.