Cover des Buches Der stille Putsch (ISBN: 9783453200272)
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Rezension zu Der stille Putsch von Jürgen Roth

Die (fast) offene Rückkehr des Feudalismus

von M.Lehmann-Pape vor 10 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 10 Jahren
Die (fast) offene Rückkehr des Feudalismus

Einsichtig sollen sie sein, die Argumente der Politik an ihre Bürger europaweit, „den Gürtel enger zu schnallen“.

Auch wenn erkennbar ist, dass der Bürger keine existentiellen Fehler begangen hat (könnte er gar nicht auf dieser Ebene des „Verlustes“ hunderter Milliarden Euro), auch wenn schwer zu erklären ist, warum „die da oben“, allen voran die Banken, mit Zinserleichterung und Direktspritzen vieler Milliarden Euro (direkt gefolgt von manchen Regierungen und deren langjährigem „Schutz“ von Korruption, Steuerhinterziehung, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft) nun auf Kosten „derer da unten“ sich versuchen, zu sanieren und die Bürger damit auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte hinaus im Strudel der Schulden sich wiederfinden werden, es gibt eben „keine Alternative“. Sagt man.

Das mit der Krise, dem Wanken des Euro, der Abwendung „explodierender Kosten für die Wirtschaft“ (die dann wiederum der normale Bürger auf der Strom- und Energierechnung mit übernimmt samt anderer direkter und indirekter Abgaben) die Stellung des Bürgers, der Einfluss der arbeitenden Bevölkerung stark abnimmt, das ist für Jürgen Roth, wie er durchaus überzeugend und mit spitzer Feder in diesem Buch darlegt, dann kein „Nebenprodukt“, kein „am Rande mitgenommenes Übel“, sondern durchaus ein angestrebtes Ziel. Derer, die mit ihren Summen Einfluss nehmen können, derer, die sich die Welt der nahen Zukunft gerne zu ihren Gunsten gestalten möchten.

Nun wäre ein wenig Differenzierung auf Seiten des Lesers bei der Lektüre nicht von Schaden.

Einerseits sind die Auswürfe, die Roth in seinen vielen Beispielen und auch strukturellen Analysen vorlegt, real, fundiert recherchiert und faktisch bedrohlich für die Frage nach einer starken Position des „einfachen Menschen“ und Bürgers.

Andererseits ist seine These eines gezielten Vorgehens, einer abgesprochenen Strategie, die, so schwingt es im Buch mit, unter konkreter Nennung von Personengruppen, auf den oberen Ebenen der Politik und Wirtschaft Europas „geplant“ wurde und wird nicht einfach so zu belegen und zu halten.

Andererseits, man braucht kein Anhänger einer Verschwörungstheorie, einer „putschenden Oberschicht“ zu sein, um die einfachen Folgen dessen, was passiert anhand der Analyse Roths mit zu vollziehen.

Sparprogramme, von Oben, in weiten Teilen des Südens Europas auch „von Außen“ vorgegeben, damit ein grundsätzliches Wanken der Errungenschaften der Sozialsysteme, die Schwächung der Kraft der Gewerkschaften, Dumpinglähne, das Ausnutzen aller nur denkbaren (und teils nur mit viel Überlegung denkbarer) „Nebenwege“ zur Einsparung der Herstellungskosten, die explodierenden Entlohnungen der „Macher“ persönlich und der Renditen ganz allgemein und vieles mehr, das Roth Schritt für Schritt schildert (von den „runden Tischen“ über die „Bankenmachtim Eliteclub“ über die Zugang und weidliche Nutzung der „Medienmacht“ hin zur „Wut der Ohnmächtigen, zerstörte Gesundheitssystem und beginnender Hass gegen Fremde allüberall) .

All das Dinge, die in hiesigen Breitengraden (noch) nur in den Nachrichten betrachtet werden, deren Primat einer rein marktorientierten Ausrichtung aber über kurz oder lang auch die noch stabilen Länder wie Deutschland erreichen werden (und in der in den letzten Jahren vorbereitend vollzogenen Schwächung der breiten gesellschaftlichen Kräfte bereits sichtbar werden).

Ob nun „Europa“ bewusst „gegen seine Bürger aufrüstet“ und Politik, Unternehmensberater, Banken und wirtschaftliche Eliten konzertiert und bewusst einen „Putsch“ vorantreiben, das mag dahingestellt bleiben.

Dass aber die Gewichte sich stark verändern, die Geschwindigkeit dieser Veränderung zu Ungunsten der Rechte und des Einflusses des „normalen Bürgers“ zunimmt und dass dies durchaus „System“ haben könnte, das sollte der Leser sich während und nach der Lektüre dieses Buches durchaus ernsthaft vor Augen führen.

Wieweit dann die wenigen Hinweise zum „Widerstand“ im Buch ausreichen, mag dahingestellt bleiben (hier wäre ein Mehr an Anregungen wünschenswert gewesen).

Aber dass dies in dieser Fülle, Breite und Geschwindigkeit nicht ohne Schaden auf Dauer hingenommen werden kann, Widerstand also Not tut, das ergibt sich nicht erst und nicht nur aus dieser teils spitzen, teils polemischen, aber immer praktisch belegten Lektüre einer konzertierten „Attacke auf den Sozialstaat“ zu Gunsten derer, die am Bürger nur verdienen, aber für diesen so wenig wie möglich ausgeben möchten.

Da Roth Ross und Reiter nennt, ein sehr konkreter Vorwurf, der zur Diskussion fast zwingt.
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