Rezension zu "Osteuropaexpress" von Marianne Zückler
Dieses Buch entdeckte ich in der diesjährigen Vorschau des Verlages und wusste sofort, dass ich es haben musste. Es gibt Bücher, da überlegt man sich nicht zwei Mal, ob man sie lesen möchte oder nicht.
Im „Osteuropaexpress“ kommen verschiedene Figuren zu Wort, die alle aus unterschiedlichen Ländern Osteuropas stammen. Auf diese Weise entsteht ein facettenreiches Bild des Lebens als LGBT. Der Zeitrahmen erstreckt sich von den 70ern bis heute, sodass auch der Leser Einblick erhält, wie das Leben der Homosexuellen in Zeiten des Kommunismus aussah und wie es heute ist.
Zwar mögen alle Charaktere erfunden sein, doch basieren die Informationen, die Autorin Marianne Zückler uns durch ihre Figuren zukommen lässt, auf zahlreichen geführten Interviews. Jahrelang hat Zückler sich mit Menschen getroffen, die ihr ihre Lebensgeschichte erzählt haben.
Dabei ist dieses Buch herausgekommen, das mich oft sprachlos gemacht hat. Man denkt, dass im 21. Jahrhundert in Europa die Rechte von Homosexuellen und Transgendern akzeptiert werden. Doch die Geschichten, die hier erzählt werden, berichten davon, dass dies nur ganz langsam vonstatten geht. Dass ich in den Städten die europäischen Gesetze durchsetzen, doch bis diese auf dem Land angenommen werden, wird es wohl noch dauern.
Was diese Menschen alles erdulden mussten, liess mich mehr als einmal wütend werden. Eigentlich war ich immer wütend darüber, wie es eine Gesellschaft schafft, Leben zu zerstören, nur weil es sie nicht in die Norm passen. Mehr als einmal fragte ich mich, was denn nun an der Liebe so schlimm sein kann.
Aber in den Erzählungen kommt zum Tragen, was Kirche, Gesellschaft und sogar die eigene Familie davon hält, wenn sie feststellen, dass ein Sohn oder eine Tochter homosexuell oder transgender ist. Es war einfach nur schlimm. Ich kann das Buch schliessen und in mein gemütliches Leben zurückkehren, doch Anna, Breda und die anderen leben mit ihren Erinnerungen, mit ihren Erfahrungen. Ein ganzes Leben lang.
Wer nimmt sich heraus, Menschen so kaputt zu machen?!
Doch strahlt das Buch auch Hoffnung aus. Hoffnung darauf, dass es besser wird. Manche wandern aus, nach Deutschland zum Beispiel. Aber viele bleiben in ihrem Land, in ihrer Heimat, und kämpfen dort, organisieren Paraden, Anlaufstellen und Hilfehotlines. Manche stecken ihre Energie in eine Beziehung, die sie endlich ganz erfüllt, und versuchen, ihre Familie wieder zu kitten.
Nach all diesen Berichten und Erlebnissen tut es gut, zusammen mit den unterdessen lieb gewonnen Figuren hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Auf dass gleiche Rechte für wirklich alle gelten.