Cover des Buches Herr der Krähen (ISBN: 9783940666178)
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Rezension zu Herr der Krähen von Ngũgĩ wa Thiong'o

Rezension zu "Herr der Krähen" von Ngugi wa Thiong'o

von Gospelsinger vor 12 Jahren

Rezension

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Gospelsingervor 12 Jahren
Afrikanische Despoten hatten schon immer die Neigung, unnütze Prestigebauten zu errichten, aber der Herrscher des fiktiven afrikanischen Staates Aburiria setzt dem Fass die Krone auf. Er plant das irrwitzige Projekt „Marching to Heaven“, einen neuen Turmbau zu Babel. Dazu braucht er mehr Geld, als er aus seinen Untertanen herauspressen kann, also wendet er sich an die „Global Bank“, die ihren Sitz in New York hat. Die will aber Beweise, dass Aburiria ein demokratischer Staat ist… Gleichzeitig verzweifelt der sehr gut ausgebildete Kamiti an seiner erfolglosen Arbeitssuche in Aburiria. Als er bei seiner neuesten Bewerbung auch noch übel verspottet wird, eröffnet sich ihm durch Zufall eine ganz andere Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er wird zum Seher und Heiler; er ist der Herr der Krähen. Damit wird er einerseits zu einem gefragten Ratgeber, gerade auch der herrschenden Schicht, zum anderen aber auch ein Sündenbock für das, was im Land schiefläuft und die Geldzusage der Global Bank behindern kann. So wird der Herr der Krähen auch für die überall im Land entstehenden Schlangen verantwortlich gemacht. Sobald die Bevölkerung von dem Projekt „Marching to Heaven“ hörte, bildeten sich zwei Typen von Schlangen: Die der Arbeitsuchenden und die Schlange derjenigen, die mittels Bestechungsgelder ihren Anteil am Kuchen sichern wollen. Und schon bricht das Chaos im Land los. Intrigen, Neid, eine ganz eigene Auffassung von Demokratie, die in Morde an politischen Gegnern gipfelt, Voodoo und eine Verwicklung nach der anderen verbinden sich zu einem bizarren Roman. Ganz ehrlich gesagt: Das Buch hat ein paar Längen. Die Intrigen sind mir zu ausufernd beschrieben, dafür hätte ich lieber mehr über die Frauen erfahren. Davon abgesehen ist dieses Buch, das alle Themen des modernen Afrika versammelt, absolut lesenswert. Im Buch ist ohne Weiteres erkennbar, dass der Autor seine schlechten Erfahrungen mit dem kenianischen Diktator Daniel arap Moi verarbeitet hat. Aber auch auf andere afrikanische Potentaten, wie dem togoischen Diktator Gnassingbé Eyadema, passt die Beschreibung des Herrschers von Aburiria. Den Größenwahn, die persönliche Bereicherung an von außen kommenden Geldern, die Unterdrückung der Bevölkerung, die Unfähigkeit zur Demokratie, das chauvinistische Frauenbild und den Glauben an Magie, an Voodoo, haben alle afrikanischen Diktatoren gemeinsam. Ich hoffe, dass dieses außergewöhnliche Buch, das den afrikanischen Kontinent aus einem satirisch überspitzten, aber realistischen Blickwinkel zeigt, viele Leser findet.
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