Cover des Buches Schmerzfrei durch Trigger-Osteopraktik (ISBN: 9783517069470)
Dr_Ms avatar
Rezension zu Schmerzfrei durch Trigger-Osteopraktik von Wolfgang Bauermeister

Nicht ganz ehrlich, aber hilfreich

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

Dr_Ms avatar
Dr_Mvor 9 Jahren
Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten - aus welchem Grund auch immer - entsetzliche Rückenschmerzen. Das Leben wird zur Hölle. Sie schleppen sich zu ihrem Hausarzt. Der wird Ihnen im besten Fall sagen, dass Sie verspannt sind oder sich einen Muskel gezerrt haben. Vielleicht sind es ja auch die Bandscheiben und eine Operation droht. Im harmlosen Fall wird er Ihnen zunächst Schmerzmittel verschreiben und vielleicht ein paar Salben. Wenn er clever ist, verpasst er Ihnen noch ein paar Mal Reizstrom. Je mehr Geräte zur Anwendung kommen, umso besser für ihn. Wenn Sie Glück haben, lassen die Schmerzen nach oder verschwinden für eine Weile. Ob das an der "Behandlung" lag, werden Sie nie erfahren. Vielleicht hätte sich auch alles von selbst gelegt. Da aber wie üblich und für den Arzt günstig nur die Symptome "behandelt" wurden, bleibt die Ursache des Schmerzes fast immer erhalten. Und der ganze Leidensweg wird sich wiederholen.

Dann erfahren Sie, dass es einen Arzt gibt, der ganz anders vorgeht und schon viele Menschen dauerhaft geheilt hat. Er heilt auch Sie. Die Schmerzen kommen nie wieder. Aber Ihre Kasse bezahlt diese Behandlung nicht, weil sie angeblich wissenschaftlich nicht fundiert ist. Was aber wissenschaftlich fundiert ist, legen Leute fest, die davon profitieren.

Vielleicht sind Sie prominent und beschließen, den Arzt bekannt zu machen. Ahnungslos nehmen Sie an einem Rundtischgespräch mit anderen Medizinern und teil. Und dann passiert etwas, womit Sie in Ihrer Naivität niemals gerechnet hätten. Es wird Ihnen nämlich verkündet, dass Sie nicht geheilt sein können und Ihre Schmerzfreiheit nur gefühlt sei (haha!).

Sie glauben nicht, dass so etwas passieren kann? Fragen Sie Dieter Hildebrandt, denn der schildert seine persönlichen Erlebnisse im Vorwort des vorliegenden Buches. Willkommen also im Wunderland von Ulla Schmidt und ihren Vorgängern und in der verschworenen Glaubensgemeinschaft der deutschen Schulmediziner.

Nun ist der Autor dieses Buches auch ein Schulmediziner. Er hat nur eine recht lange Zeit in den USA verbracht, wo es zwischen der Schulmedizin und anderen Vorgehensweisen anders als in Deutschland ein recht entspanntes und mitunter kooperatives Verhältnis gibt. Er hat deshalb die deutschen Verhältnisse unterschätzt und ist naiv ins kollegiale Messer gelaufen. In der Regel sind Ärzte Unternehmer auf dem "Gesundheitsmarkt". Wer diese einfache Tatsache einmal gründlich durchdenkt, der versteht nicht nur die Schwierigkeiten des Autors, sondern auch, dass das deutsche "Gesundheitssystem" auf dieser Basis nicht reformierbar ist.

Kommen wir nun aber zum Kern der Lehre des Dr. Bauermeister. Er behauptet, dass Schmerzen in unserem Bewegungssystem durch so genannte Trigger(=Auslöser)punkte in Muskelfasern entstehen. Diese Punkte gilt es zu finden und durch Druck zu beseitigen. Dazu benutzt er seine Hände oder andere von ihm entwickelte Hilfsmittel. Da nicht immer Schmerzpunkt und Auslöser übereinstimmen, werden im Text die entsprechenden Muskeln und die mit ihnen zusammenhängenden möglichen Schmerzen detailliert vorgestellt. Leider ist diese Vorstellung insbesondere bei Rückenschmerzen nicht vollständig. Dr. Bauermeister empfiehlt uns, die Triggerpunkte selber zu suchen. Und spätestens an dieser Stelle sollte der Leser nachdenklich werden und sich fragen, für wen dieses Werk eigentlich geschrieben wurde. Denn wenn Sie, lieber Leser, vorher keine Ahnung von dieser Heilmethode hatten, sind Sie nun praktisch (und nur darum geht es doch wohl) auch nicht schlauer. Dieses Buch wendet sich nämlich entweder an Leute, die die Methode bereits praktisch erlebt oder erlernt haben oder an Menschen, die einen entsprechenden Spezialisten aufsuchen sollen. Dazwischen gibt es keine wirkliche Zielgruppe. Sollten Sie es doch probieren wollen, dann brauchen Sie unbedingt einen Partner, denn diese Heilmethode ist nicht sanft, sondern schmerzhaft, wenn man sie mechanisch durchführt. Dr. Bauermeister meint, dass man genügend Druck auf die entsprechenden Punkte bringen muss. Das tut (obwohl man es aushalten kann) nun mal ziemlich weh. Und ich kenne nur wenige Menschen, die sich selber gerne Schmerzen bereiten.

Ich möchte an dieser Stelle keineswegs die Wirksamkeit der Methode in Frage stellen. Im Gegenteil. Ich habe nur bei der Begründung der Methode so meine (aus Erfahrung gespeisten) Zweifel. Vor einigen Jahren erlernte ich im Zusammenhang mit asiatischen Kampfkünsten eine ganz ähnliche Methode zur Beseitigung von Verspannungen. Man drückt genau wie Dr. Bauermeister dies empfiehlt auf bestimmte Punkte. Diese sind allerdings bei jedem gleich und bekannt. Es sind nämlich immer die Stellen, an denen der entsprechende Muskel am Knochen befestigt ist. Auf diese Weise verschwinden zum Beispiel Kopfschmerzen, die durch eine Verspannung des Kopfwenders entstanden sind, in zwei Minuten. Nicht, weil der Muskel ruckartig seine "Triggerpunkte" verliert, sondern weil durch den langsamen Druck die durch den Körper gefühlte Gefahr einer Verletzung so groß wird, dass die Körperintelligenz den entsprechenden Muskel sofort entspannt. Manchmal fühlt der "Gedrückte" dies wie ein Zurückflippen des Muskels. Wer einen solchen Punkt einmal kennen lernen will, der suche mit seinem linken Daumen auf der Außenseite des rechten Unterarms ungefähr eine Handbreit von der Armbeuge entfernt. Dort entspannt man die Muskel, die für das Fingerbeugen verantwortlich sind. Ein Drücken wird dort immer Schmerzen verursachen. Hat dort jeder Trigger?

Nicht immer kommt man jedoch in zwei Minuten zum Ziel, denn meistens sind mehrere Muskeln (zum Beispiel bei Nacken oder Schulterschmerzen) im Spiel. Oder aber die Muskeln liegen unter großen Fettschichten, so dass man Schwierigkeiten hat, die Punkte zu finden. Dann sollte man doch zu Dr. Bauermeister gehen und sich mit Stoßwellen behandeln lassen. Das tut nicht weh und hilft bestimmt.

Aus welchen Gründen auch immer verschweigt uns Dr. Bauermeister insbesondere bei Rückenschmerzen einige wesentliche "Punkte". Beobachtet man Menschen mit Schmerzen im unteren Rückenbereich, dann wird man in den meisten Fällen einen Bauchansatz oder Schlimmeres vorfinden. Die nur schwach entwickelte Bauchmuskulatur kann die Wirbelsäule nicht stützen, und es entsteht ein Hohlkreuz, was wiederum zu enormen Spannungen in allen dort angesiedelten Muskelgruppen führt. Jede ruckartige Bewegung, bei der Kraft angewendet wird (zum Beispiel das Anheben einer Bierkiste bei nach unten gebeugten Rücken) wird nun Schmerzen auslösen. Diese Schmerzen resultieren sehr oft aus einer Verspannung der Bauchmuskulatur. Solche Verspannungen löst man zum Beispiel durch einen Druck auf einen Punkt der auf der Innenseite des Schambeins liegt. Alleine schafft man das nie. Für den oberen Rücken liegen solche Punkte zwischen den Rippenansätzen am Brustbein.

Fazit: 1. In vielen Fällen hilft die Methode des Autors, wenn man jemanden kennt, der sie beherrscht. Es wäre ehrlicher gewesen, dies zu sagen. Es wird nicht gelingen, sich alleine zu behandeln. Entweder kommt man an die Punkte nicht heran oder man schont sich zu sehr. Es tut schließlich weh. Frauen haben zudem oft nicht genug Kraft in den Fingern. Sie brauchen also Hilfsmittel.
2. Der Autor verschweigt wesentliche Behandlungspunkte. Warum das so ist, bleibt sein Geheimnis.
3. Über die wirklichen Ursachen der Schmerzen werden nur wenige Zeilen verloren. Hier ist der Doktor ganz Schulmediziner. Die Schmerzen werden aber immer wieder auftreten, wenn sich Betroffene nicht ihrer falschen Bewegungsmuster bewusst werden. Entweder man lernt die Lektion oder man wird gezwungen, sie ständig zu wiederholen. Wenn es durch Dehnung und Kräftigung aller(!) Muskeln nicht gelingt, die Muskulatur insgesamt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, werden die Schmerzen wieder kehren und es wird ab einem bestimmten Punkt zu Dauerschäden an den durch verkürzte Muskeln falsch bewegten Gelenken kommen. Die vom Autor am Schluss des Buches angeführten Dehnübungen sind sicher hilfreich, aber leider eher rudimentär.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks