Cover des Buches Bodentiefe Fenster (ISBN: 9783957320810)
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Rezension zu Bodentiefe Fenster von Anke Stelling

Bodentiefe Abgründe einer Kommune

von Ginevra vor 8 Jahren

Rezension

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Ginevravor 8 Jahren
Sandra ist ein Kind der 1970-er: ihre Mutter übte noch die traditionelle Hausfrauenrolle aus, las die frühen Schriften der Feministinnen wie Alice Schwarzer. Sie begann zu rauchen, zu diskutieren und wurde Gründungsmitglied eines „Kinderladens“, in dem antiautoritäre Erziehung zum Programm und zur Lebensphilosophie wurde. Marlies war damals die vielbewunderte Leiterin – und eine der ersten Frauen, die zusammenbrachen. Heute spricht sie offen über ihr Burnout und entwickelte eine neue Lebnsphilosophie, die fast schon wieder zum Diktat wurde: sich mehr um sich selbst kümmern, die eigenen Grenzen wahren.

Sandra ist verheiratet mit dem intellektuellen, freundlichen Tom, der sich in Haushalt und in der Erziehung vornehm zurückhält. Letztendlich ist Sandra alleine mit der Verantwortung für Haushalt, Sohn und ihren Job als Kolumnistin für kleinere Zeitschriften.

Ihr Leben in einem Mehrgenerationenhaus, das ursprünglich einmal der Idee einer Kommune folgte, gerät immer mehr aus den Fugen. Sandra hadert mit ihren Ideen, Träumen und der Wirklichkeit, die sich oft in kleinkrämerischen Auseinandersetzungen und gegenseitigem Mißtrauen zeigen. Doch ist das alles real – oder dreht Sandra langsam, aber sicher durch?

Anke Stelling wurde 1971 in Stuttgart geboren und hat schon einige erfolgreiche Romane veröffentlicht. Sie setzt sich kritisch mit der Frauenrolle in der heutigen Gesellschaft auseinander.

Anhand von Sandras Geschichte, die sich fast autobiographisch liest, beschreibt Anke Stelling die negativen Folgen der feministischen Bewegung, die in einer chronischen Überlastung von Frauen
Durch Haushalt, Erziehung UND Beruf entsteht. Dazu kommt, dass Frauenarbeit weiterhin in unserer Gesellschaft weniger geschätzt und entlohnt wird als Männerarbeit. Die Folgen sind oft ein geistiger und körperlicher Burnout. Sandra ist freischaffende Autorin, und für ihren Mann ist selbstverständlich, dass ihre Arbeit (die sie selbst schon gar nicht mehr als solche würdigt) hintenan steht, während er seine Karriere ausbaut – und dafür von allen bewundert wird. Sandra dagegen wird belächelt und als verrückt abgestempelt, weil sie die Rituale der Hausgemeinschaft hinterfragt und entlarvt. Das Schlimmste: sie findet sich selbst minderwertig. Höchste Zeit, endlich aufzutanken – aber wo? Das Ende möchte ich nicht verraten, ist aber leider realistisch…

Fazit: mir hat das Buch gut gefallen, der Schreibstil ist sehr eindringlich und persönlich. Für einige Längen und Redundanzen ziehe ich einen Punkt ab – ansonsten kann ich es wirklich empfehlen. Auch für Männer!
4 von 5 Sternen.
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