Rezension zu Erklärt Pereira von Antonio Tabucchi
Rezension zu "Erklärt Pereira" von Antonio Tabucchi
von Ulf_Borkowski
Rezension
Ulf_Borkowskivor 12 Jahren
Im Stile einer Zeugenaussage „Erklärt Pereira“ seinen Widerstreit zwischen Anpassung und Auflehnung. Portugal im Jahre 1938. António de Oliveira Salazar ist gerade an die Macht gekommen und hat das Land fest im Griff. Menschen verschwinden einfach so. Dr. Peireira ist Witwer, hat Übergewicht, Herzprobleme und ist in persona die Kulturredaktion der konservativ-katholischen, regimetreuen kleinen Abendzeitung Lisboa. Pereira schreibt Nekrologe auf kürzlich verstorbene, ausnahmslos regimekonforme Schrifsteller und übersetzt französische Literaten, die er als Fortsetzungen veröffentlicht. Für das politische Tagesgeschehen hat Pereira nicht viel übrig und lässt sich nur von Zeit zu Zeit vom Kellner seines Stammlokals Café Orquídea, in dem er sich täglich von Gemüseomeletts oder Fischsalat und gezuckerter Limonade ernährt, auf den neuesten Stand bringen. Durch einen Auszug aus einer Dissertation über den Tod, lernt Pereira den jungen Philosophie-Absolventen und Revolutionär Monteiro Rossi kennen. Aus väterlichen Gefühlen stellt er ihn als Praktikanten in der Kultur-Redaktion der Lisboa ein und zahlt diesen aus eigener Tasche, auch wenn Rossi bereits kurz nach ihrem Treffen untertauchen muss und alle Nachrufe, die dieser abliefert, unbrauchbar sind, da ausnahmslos regimegenehme Schriftsteller verrissen und nicht konforme in den Himmel gelobt werden. Auch wenn Pereira vordergründig noch seine Rolle spielt, so beginnen allmählich die Zweifel an seiner Loyalität zum Estado Novo. Zunächst durch die Veröffentlichung einer Kurzgeschichte des französischen Schriftstellers Alphonse Daudet, die erwartungsgemäß den Unmut seines regimetreuen Herausgebers herauf beschwört, entwickelt Pereira immer mehr Antipathien gegen die politische Situation in seinem Land. Trotz aller Vorsicht kommt jedoch die Geheimpolizei Pereira auf die Schliche und stellt Rossi in seiner Wohnung. Während Pereira verspottet und geschlagen wird, kommt Rossi bei dem Verhör im Nebenzimmer ums Leben. Pereira überwindet daraufhin all seine Zweifel und entschließt sich für die Auflehnung wider der Anpassung. Als letzten Artikel verfasst er einen Nachruf auf Monteiro Rossi, den er an der Zensur vorbei schmuggelt, der ausführlich das Geschehene schildert und die Namen der Mörder nennt. Daraufhin verlässt Pereira mit einem von Rossis falschen Pässen das Land. Mit „Erklärt Pereira“ hat der italienische Schriftsteller Antonio Tabucchi einen außergewöhnlichen, gleichzeitig heiteren, wie auch melancholischen Roman über die Frage, ob und wieweit man sich anpassen soll und wann man sich auflehnen muss, geschrieben, der mit seiner fingierten Authentizität ein sehr plastisches Bild einer aufkeimenden Diktatur erzeugt.