Cover des Buches Mary (ISBN: 9783446252707)
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Rezension zu Mary von Aris Fioretos

Ein Ort der Schande

von Sikal vor 7 Jahren

Rezension

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Sikalvor 7 Jahren

„Es mag seltsam klingen, aber ich bin die einzige, die erzählen kann, wie ich endete.“

Der Autor Aris Fioretos hat mit seinem Roman einen Ort gewählt, den viele Griechen am liebsten in die Vergessenheit schicken möchten – Gyaros, Gefängnisinsel zur Zeit der Militärdiktatur und bekannt als Internierungslager politischer Gefangener.

Studentin Mary hat sich aus einem regimetreuen Elternhaus abgenabelt, ihre Liebe zu Dimos gefunden und ist schwanger, als sie während einer Demo festgenommen wird. Ihr wird nichts vorgeworfen, sie soll nur Namen preisgeben, die für die Aufstände verantwortlich zu machen sind. Als sich Mary weigert zur Verräterin zu werden, muss sie die ganze Macht und Willkür des Staates erfahren. Sie wird in verschiedenen Gefängnissen gefoltert, soll mürbe gemacht werden, bis sie schließlich auf die Gefängnisinsel Gyaros verlagert wird. Jedes Vergehen dort wird mit dem Verbannen in unterschiedliche Buchten bestraft. Ständige Begleiter sind Ratten und die Angst, selbst zur Ratte zu werden. Zwischen den inhaftierten Frauen entsteht eine Zweckgemeinschaft, Hilfestellung in unterschiedlichen Situationen und die Hoffnung auf eine ungewisse Zukunft.

Als Leser wird man zum stillen Beobachter der Qualen von Mary, aber auch ihrer Zwiegespräche mit ihrem Körper, ihrem ungeborenen Kind, das für lange Zeit ihr kleines Geheimnis bleibt. Fioretor schildert hier mit oftmals poetischen Beschreibungen das Zwischenspiel von Körper und Geist und nimmt so der Geschichte etwas von Elend und Schrecklichkeit.

Das Buch ist aus der Perspektive von Mary geschrieben, erzählt ihre Sicht der Dinge, ihre Gefühle, ihre nach außen getragene Unverletzlichkeit und ihr aufgewühltes Inneres. Zwischendurch erfährt man in Rückblenden über ihre Kindheit, den Verlust ihres Bruders und ihre Beziehung zu Dimos.

Während man als Leser abwechselnd erschüttert und dann wieder hoffnungsvoll Mary begleitet, denkt man an die vielen anderen politisch Inhaftierten, an die allgegenwärtige Schrecklichkeit unserer Welt. Für mich war dieses Buch beinahe nicht auszuhalten, oft musste ich es zur Seite legen und etwas Abstand gewinnen. Trotzdem bin ich nun froh, diesen Roman gelesen zu haben.

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