Dorothy West

 4 Sterne bei 5 Bewertungen
Autor*in von Die Hochzeit und Die Hochzeit.

Lebenslauf

Dorothy West gründete 1934 die Literaturzeitschrift Challenge und war Mitbegründerin der Schwarzen Literaturbewegung "Harlem Rennaissance". Als Schriftstellerin feierte sie große Erfolge in den frühen dreißiger und vierziger Jahren. Mit The Living is Easy erschien 1948 ihr erster Roman. Ihr zweiter Roman, Die Hochzeit, erschien 1995 erstmals in den USA und wurde zu einem internationalen Bestseller. Nachdem sie viele Jahre auf Martha's Vineyard gelebt hatte, verstarb Dorothy West 1998 in Boston.

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Die Hochzeit (ISBN: 9783455010657)

Die Hochzeit

 (5)
Erschienen am 02.06.2021

Neue Rezensionen zu Dorothy West

Cover des Buches Die Hochzeit (ISBN: 9783455010657)
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Rezension zu "Die Hochzeit" von Dorothy West

Nicht alles passt in schwarz-weiß-Raster
evaczykvor 3 Jahren

Wenn Dorothy Wests schon in den 50-er Jahren geschriebener Roman "Die Hochzeit" etwas deutlich macht, dann dies: Nicht alles passt in schwarz-weiß-Muster, auch nicht die Einteilung von Menschen in Hautfarben. Und das Aussehen kann trügerisch sein, etwa im Fall von Shelby, der Braut: Sie ist blond und blauäugig - und dennoch sowohl nach eigener Einschätzung wie der aller Mitmenschen, die ihren Hintergrund kennen, schwarz. Dass sie nun ausgerechnet einen weißen Jazzmusiker heiraten will , passt ihren ebenfalls sehr hellhäutigen und wohlhabenden Eltern eigentlich gar nicht so recht. Sie befürchten, dass Shelby eine Schranke überschreitet, sich von den eigenen Leuten entfernt.

Shelbys weiße Urgroßmutter, als Tochter eines Plantagenbesitzers aufgewachsen, ist dagegen höchst erfreut. Wird sie den Tag erleben, an dem ihre Ur-Urenkel als weiß gelten? Sie hat zwar sowohl ihre Enkelin, Tochter einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters, liebevoll-streng aufgezogen und die meiste Zeit ihres Lebens auf der "schwarzen" Seite der Gesellschaft verbracht. Doch auch wenn sie zu schwarzen Menschen eine wesentlich innigere Beziehung hat als zu dem verachteten "armen weißen Pack", fühlt sie sich im Exil, sehnt sich danach, wieder bei "ihren Leuten" sein zu können. Dass Liz, die ältere Schwester Shelbys, einen ausgesprochen dunkelhäutigen Mann geheiratet hat und das Kind äußerlich nach dem Vater schlägt, hat sie nicht verwunden.

Rasse ist ein großes Thema in diesem Roman, und diesmal geht es nur am Rande um weiße Vorurteile gegen Afroamerikaner. Dorothy West stammte ebenfalls aus einer wohlhabenden schwarzen Familie, gehörte zu den Künstlern des "Harlem Revival", die den Ruf des Viertels als Zentrum afroamerikanischer Kultur begründeten. Black diamonds wurden die arrivierten Schwarzen in Südafrika genannt, Auch die in diesem Buch vorgestellte Gruppe gehört einer sozialen Schicht an, die mit Bildung und Wohlstand punkten kann und in Sachen Statusdenken in der Sommerfrische auf Martha´s Vineyard den Nachbarn der weißen Feriendomizile nicht nachsteht. Dass der soziale Aufstieg von Härten begleitet war, zeigt West ebenfalls.

Hilft das "helle" Aussehen in der weißen Mehrheitsgesellschaft? Die Eltern von Liz und Shelby haben bei der Wahl ihres Ehepartners diese Überlegung offenbar einbezogen - denn bei außerehelichen Beziehungen bevorzugen beide dunkelhäutige Partner. Und auch Liz schwärmt von der Virilität schwarzer Männer, wirft ihrer Schwester vor, Sex und Leidenschaft seien für sie wohl nicht so wichtig, da sie beschließt, ihr Leben mit einem Weißen zu teilen.

Gleichzeitig bleibt die "schwarze" Selbstwahrnehmung - wie sehr sich der eigene Blick und der von Fremden da unterscheidet, wird Shelby erstmals klar, als sie sich als kleines Kind in den Wäldern der Sommerfrische verirrt und in einer "weißen" Feriensiedlung auftaucht. Zwar ist das Verschwinden eines Kindes überall auf der Insel verbreitet worden, doch alle halten nach einem schwarzen Kind Ausschau. Dass das blonde kleine Mädchen das gesuchte Kind ist, ist lange Zeit niemandem bewusst. Und für Shelby wird das Erlebnis zum prägenden Punkt der Wahrnehmung als "Farbige", ein Begriff, der heutzutage wohl nicht mehr politisch korrekt ist.

Mir wurde beim Lesen wieder einmal bewusst, wie unterschiedlich die USA und die afrikanischen Länder - mit Ausnahme vielleicht von Südafrika - heute sind, wenn es um die "Schwarz" und "Weilß"-Einteilung geht. In einem Land wie Kenia gilt schon ein "Capuchino-Kind" mit einem weißen und schwarzen Elternteil nicht als wirklich schwarz, in den USA scheint weiterhin der "eine schwarze Blutstropfen"  der Definition des alten Südens zu genügen, Menschen als schwarz zu kategorisieren.

 Dass Spaltung nicht nur eine Sache der Hautfarbe ist und Abgrenzung auch auf schwarzer Seite erfolgt, zeigt Dorothy West in ihrem Buch, das auch ein Stück Zeitdokument der US-Gesellschaft der 50-er Jahre - vor der Bürgerrechtsbewegung, vor Black Power, vor Martin Luther King ist. Das macht "Die Hochzeit" einerseits zum Einblick in eine nicht zu ferne Vergangenheit, zum anderen zur Warnung von Schubladendenken. Zuschreibungen und Stereotypisierungen, die auch heute noch existieren.


Cover des Buches Die Hochzeit (ISBN: 9783455010657)
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Rezension zu "Die Hochzeit" von Dorothy West

Wie eine junge Frau sich gegen äußeren und innerfamiliären Rassismus behauptet
KateRappvor 3 Jahren

Unterhaltsam und nicht ohne Ironie für den Rassismus sowohl der Weißen als auch der schwarzen Community beschreibt Dorothy West (1907-1998),Mitbegründerin der Harlem Renaissance, den Tag der Hochzeit von Shelby Cole. Diese ist mit einem weißen brotlosen Musiker verlobt, anstatt einen erfolgreichen schwarzen Arzt zu ehelichen und enttäuscht damit beide Seiten ihrer sehr heterogenen Familie, ihre hochnäsige weiße adlige Urgroßmutter ebenso wie ihren schwarzen Vater.

Dieses Portrait einer schwarzen Familie der Fünfziger Jahre, die sich im Sommer in ihrem Wochenendhaus auf Marthas Vineyard aufhält, thematisiert neben Rassismus auch den Klassismus, der beinahe noch schärfere Grenzen zieht. 

„Zwischen weißen Aristokraten und weißem Pack aber bestand überhaupt keine Kommunikation, weil der magnetische Reiz der Farbe fehlte und mit ihm jede Anziehungskraft.“

Die unterschiedlichen Schattierungen der Protagonisten von Honigfarben, über Haselnussbraun bis zu schwarz, die blauen, grünen und grauen Augen in den verschiedenfarbigen Gesichtern, unter blondem, kastanienbraunem, schwarzem Haar werden mit einer Besessenheit für die Nuancen des Hauttons beschrieben, da sie die Nuancen der zwischenmenschlichen Beziehungen, des Machtgefälles innerhalb der Familie widerspiegeln:

„Mittlerweile hatte sich herausgestellt, dass Corinne hell genug war, um als weiß durchzugehen- das besondere Gütesiegel der blaublütigen Gesellschaft, in der sie aufwachsen und sich ihre Vorurteile bilden sollte.“

Geruhsam widmet sich die Geschichte erst dem weißen Zweig der Familie, dann dem schwarzen, und bisweilen meint man den singenden Ton mündlicher Überlieferung in den Rückblenden wahrzunehmen, einen ganz eigenen Sound, der aus den Erinnerungen der ehemaligen Sklaven aufzusteigen scheint. Es sind genau diese Erinnerungen, die für mich die Anziehungskraft dieses Buches ausmachen.

Doch die Hochzeit, zu der die Erzählung in Volten immer wieder zurückkehrt, reißt bei Shelbys Vater, der sie bis zum Schluss von ihrer Entscheidung abbringen will, alte Wunden auf. Ist er doch einer jener Erwachsenen, die einer Generation angehören, „die in ihrem Selbsthass erstickte, dem grausamen Verbrechen der Bigotterie, schädlicher noch als körperliche Erniedrigungen, denn dieser Selbsthass war gleichbedeutend mit geistiger Vergewaltigung, mit dem Verlust der Menschenwürde.“

Dorothy West schildert in ihrem Buch die Standhaftigkeit der jungen Frau, die einer neuen Generation angehört und sich ihr Leben nicht von Rassismus und Klassismus diktieren lassen will, und rechnet nebenbei mit den ewig Frauenschlagenden Machos und überholten Frauenbildern ab. Eine inhaltlich, stilistisch und atmosphärisch bereichernde Lektüre!

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Buecherschmauss avatar

Rezension zu "Die Hochzeit" von Dorothy West

Colours
Buecherschmausvor 3 Jahren

Nur zwei Romane veröffentlichte die afroamerikanische Autorin Dorothy West neben zahlreichen Erzählungen in den 91 Jahren ihres Lebens. Der ersten, The living is easy, erschien 1948. Da war West 41 Jahre alt. Der Erfolg blieb aus, vielleicht weil das Publikum von einer Schwarzen Autorin etwas anderes erwartete. West, die aus einer der reichsten Familien Bostons stammte – der Vater wurde noch als Sklave geboren, kam dann aber mit Lebensmittelhandel zu Geld -, schrieb über das wohlhabende Schwarze Bürgertum. Chauffeure, Kricket-Turniere auf gepflegtem englischen Rasen, Ferien auf Martha´s Vineyard, das war nicht das, was man von Autor:innen der Harlem Renaissance erwartete. Dieser sozialen, kulturellen und künstlerischen Bewegung, die ein neues Selbstbewusstsein der Schwarzen Bevölkerung ausdrücken wollte, fühlte sich Dorothy West zugehörig. Allerdings war sie wenig politisch, die radikalen Black Panther und Malcolm X verachtete sie regelrecht. Erst die Überredungskünste einer Nachbarin auf Matha´s Vineyard, einer Lektorin namens Jackie Kennedy Onassis, ermutigten Dorothy West, ihren zweiten Roman Die Hochzeit zu vollenden. Er erschien 1995, drei Jahre vor Wests Tod und wurde, auch dank der Unterstützung von Oprah Winfrey, ein Erfolg und prominent verfilmt.

Schauplatz des Romans ist Martha´s Vineyard, jene Nobelferieninsel vor der Küste Massachusettes, wo die Reichen der Ostküste ihre Ferienvillen besitzen. Es ist ein Spätsommertag im Jahr 1953, der Tag der Hochzeit von Shelby Coles. Die Familie Coles besitzt ein Haus im „Oval“, der Siedlung der afroamerikanischen Oberschicht. Die Familie Coles ist, auch durch die Urgroßmutter, die eine Südstaaten-Weiße ist, eine sehr hellhäutige Familie, die sich darauf auch einiges zugutehält. Dass Shelbys Schwester Liz einen sehr dunkelhäutigen Mann geheiratet hat und auch ihre Tochter Laurie dunkel ist, sieht man gar nicht gern. Andererseits ist man auch von Shelbys Bräutigam, dem weißen Jazzmusiker Meade wenig begeistert. Irgendwie ist man ja doch rassenbewusst und außerdem hat Meade nicht nur den falschen Beruf, sondern stammt auch aus keiner vornehmen Familie.

Farbnuancen der Haut als Distinktionsmerkmale spielen in Die Hochzeit für Dorothy West eine ebenso große Rolle wie Klassenunterschiede. Wie vielschichtig und komplex die sozialen Schichtungen waren und wie komplex deshalb die Identitätsbildung, zeigt das Buch auf eindrückliche Weise. Ebenso, wie absurd diese ganzen Klassifizierungen waren und sind. Das wird besonders deutlich in der Episode, als die sechsjährige Shelby sich eines Tages auf Martha´s Vineyard verirrt. Eine großangelegte Suchaktion scheitert daran, dass in der Vermisstenmeldung nach einem „farbigen Kind“ gesucht wird, Shelby aber blond und blauäugig ist.

Nicht nur bis in die 1930er Jahre, in der diese Episode spielt, reichen die Rückblenden, ausgehend vom Tag der Hochzeit, zurück. Bis zu den Vorfahren von Shelbys Vater, dem Harvardabsolventen und erfolgreichen Arzt Clark Coles, reichen die Fäden. Da wurde einst vom Sklavenhalter Old Sir mit seiner Sklavin Ebenholzfrau die zartbraune Butternussfrau gezeugt. Deren ehrgeiziger und heilkundiger Mann, Preacher genannt, legte praktisch den Grundstein für einen Familienzweig mit Ärzten. Und die blaublütige Südstaaten-Urgroßmutter Caroline der mütterlichen Linie verarmte nach dem Bürgerkrieg, da ihr Vater auf der falschen Seite stand. Mit großem Kummer musste sie ertragen, dass ihre Tochter den Sohn ihrer Schwarzen Hausangestellten ehelichte.

So vielschichtig wie komplex, so prägend wie absurd, wird die Bedeutung von Rassen- und Klassenunterschieden dargelegt. Gerade auch der Rassismus, der innerhalb der BPOC-Gemeinde herrschte oder auch immer noch herrscht, und sich gerade obsessiv mit der Hautfarbe beschäftigt, ist in letzter Zeit häufiger in Romanen thematisiert worden, beispielsweise in Brit Bennetts Die verlorene Hälfte. Im Herbst erscheint auch der fast kanonische Roman zum Thema, Seitenwechsel von Nella Larsen, die auch der Harlem Renaissance angehörte, neu. Die Leser:innenschaft ist mittlerweile sensibilisierter und interessierter an der Thematik. Das ist sehr positiv. Schön, dass ein so fein, psychologisch genau und ruhig erzählter Roman wie Die Hochzeit dadurch auch wieder Aufmerksamkeit erhält. Ein wenig altmodisch, mehr 1950er als 1990er Jahre im Erzählstil, wenig kämpferisch, dafür aber wunderbar zu lesen und fesselnd.

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