Cover des Buches Deutschsein für Anfänger (ISBN: 9783038481041)
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Rezension zu Deutschsein für Anfänger von Emitis Pohl

Beeindruckender Beitrag zur Flüchtlingsdiskussion - von einem ehemaligen Flüchtling!

von cho-ice vor 7 Jahren

Rezension

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cho-icevor 7 Jahren
In diesen Tagen wird heiß diskutiert über die Frage, was erfolgreiche Integration bedeutet. Emitis Pohl, als Iranerin geboren, aber seit vielen Jahren in Deutschland lebend und arbeitend, legt hier eine 250 Seiten starke Streitschrift mit ihren persönlichen, praxiserprobten Antworten vor. In DER Silvesternacht in Köln war sie live dabei, mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Was sie erlebt hat, so schreibt sie, habe sie dazu bewegt, sich öffentlich zu äußern. So entstand 2016 auch dieses Buch. „Deutschsein für Anfänger“ beschreibt zunächst auf humorvolle und klare Weise den einzigartigen Weg der Zugewanderten hinein in die deutsche Kultur und Gesellschaft. Und gerade weil sie aus erster Hand weiß, was Integration sie gekostet hat und welche Hürden ihr dabei begegnet sind, kann sie so überzeugend allgemeingültige Leitlinien für den Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden vorstellen. Der Untertitel „Integration ist meine Pflicht“ beschreibt prägnant ihr Herzensanliegen und ihre tiefe Überzeugung: Ja, eine erfolgreiche Integration kann durch das Umfeld und die Aufnahmegesellschaft gefördert werden – aber letztlich ist der eigene Wille zur Integration entscheidend. Umso wichtiger ist es daher, diesen Willen zu fördern und auch zu fordern, auf vielfältige Weise. Die lebendige Sprache, die inhaltliche Dichte und der leicht ironische Unterton haben mich stellenweise an die (sehr guten) Bücher von Markus Spieker erinnert. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, ich würde Frau Pohl bei einer Tasse Kaffee (oder vielleicht doch einem längeren, leckeren Abendessen?) gegenübersitzen und sie säße vor mir, leidenschaftlich sprechend und dabei lebhaft gestikulierend. Ihr Temperament scheint auf jeden Fall auch durch die schwarz-weißen Zeilen hindurch – ein großes Plus des Buches und daher ein dickes Lob an den Verlag! Einen Stern Abzug vergebe ich trotzdem aus zwei Gründen:
Zum einen gab es für meinen Geschmack zu viele Wiederholungen kleinerer Details aus Frau Pohls Leben. Das ist sicher der nicht streng chronologischen Erzählstruktur geschuldet. Es ergibt zwar durchaus Sinn, die Kapitel nach Themen zu ordnen, aber die Umsetzung hätte meines Erachtens noch etwas besser sein können. Man kann dem Leser zutrauen, die beschriebenen Hintergründe auch über mehrere Seiten hinweg zu behalten.
Zum anderen schweigt sich Frau Pohl bis auf wenige Randbemerkungen zum Thema Religion und ihren eigenen Überzeugungen dazu völlig aus. Der Glaube ist scheinbar bewusst kein Thema. „Warum erscheint das Buch dann in einem christlichen Verlag?“, frage ich mich. Abgesehen von diesen beiden Kritikpunkten ist „Deutschsein für Anfänger“ aber ein wichtiges, authentisches und überzeugendes Buch, dem ich eine weite Verbreitung wünsche. Ich empfehle es allen, die sich mit der Flüchtlingsfrage und ihrer Bedeutung für die deutsche Gesellschaft auseinandersetzen – und allen, die gern ansprechende Biografien lesen.
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