Hart, verstörend, aber gut.
von Gulan
Kurzmeinung: Düster, hart, verstörend. So was liest man selten aus deutschen Landen. Die Autorin sollte man sich merken.
Rezension
Die Autorin hat mit diesem Buch wirklich harte Kost vorgelegt. Das Buch ist hart, schonungslos und die Charaktere sind durch die Bank gestörte Persönlichkeiten. Nach Sympathieträgern sucht man vergebens. Ernst-August Malminger als zuständiger Kommissar ist auf dem absteigenden Ast. Sowohl beruflich als auch privat. Er lebt seit Jahren vor seiner Frau und Tochter getrennt, hat die Tochter schon lange nicht mehr gesehen. Im Job hat er als Experte für den Mord an der schwarzen Dahlie einige Meriten erworben, aber die hohen Erwartungen seitdem kaum noch erfüllen können. Er ist alkoholabhängig, launisch, chauvinistisch, ungepflegt und im Umgang mit den Kollegen ziemlich unausstehlich.
Sein Assistent Botho Lübke wurde jahrelang von Malminger unterdrückt, so dass er nun eigene Ziele verfolgt. Er unterschlägt Beweise, damit Malminger den Fall nicht lösen kann. Lübke unterhält eine lockere Beziehung zu der Halbjapanerin Namiko. Sie ist ebenfalls Polizistin, emotional sehr unterkühlt, hackt sich in fremde Computer und sieht den Fall ebenfalls als Chance, um endlich den Sprung von der Sitte zur Kripo zu schaffen.
Die Autorin legt großen Wert auf die Figuren. Zahlreiche Personen tauchen auf und werden zum Teil ausführlich porträtiert, wie beispielsweise Trixi, die kokainsüchtige Freundin des Mordopfers, ihr brutaler Zuhälter Lou, sein Kompagnon Castro, ebenso der Komplize des Mörders oder der demente Gerichtsmediziner Dr. Wemmels. Ständig wechselt die Perspektive und die jeweiligen Charaktere gewähren auch über Rückblicke in ihre Vergangenheit tiefe Einblicke in ihre Psyche.
Das gilt auch für den Mörder, einen Soziopath ersten Ranges, der ausführlich seine persönliche Entwicklung reflektiert. Diese Psychogramme sind überaus faszinierend und teilweise sehr verstörend. Sie machen auch den Reiz dieses Krimis/Thrillers aus.
Etwas kritisieren möchte ich, dass die eigentliche Handlung angesichts der ausgiebigen Figurenzeichnungen etwas in den Hintergrund tritt. Lange Zeit passiert nicht viel, man wird lediglich über vergangene Ereignisse bei Laune gehalten – das allerdings zugegeben ziemlich gut.
Alles in allem ein starker deutscher hardboiled-Krimi. So was liest man hierzulande leider viel zu selten. Die düstere Atmosphäre zieht das Buch aus den zahlreichen „kaputten“ Figuren. In die Entwicklung der Handlung hätte noch etwas mehr hineingesteckt werden können. Die Autorin sollte man sich aber auf jeden Fall merken.