Isolde Charim

 4 Sterne bei 5 Bewertungen
Autor*in von Ich und die Anderen, Die Qualen des Narzissmus und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Isolde Charim, geboren in Wien, Studium der Philosophie in Wien und Berlin, arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der "taz" und des "Falter". 2006 erhielt sie den Publizistik-Preis der Stadt Wien. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Kuratorin am Bruno Kreisky Forum. Bücher u.a.: "Lebensmodell Diaspora. über moderne Nomaden" (Hrsg. gem. mit Gertraud Auer 2012). Bei Zsolnay erschienen Ich und die Anderen. Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert (2018), für den sie den Philosophischen Buchpreis 2018 erhält, sowie Die Qualen des Narzissmus. Über freiwillige Unterwerfung (2022), für den sie mit dem Tractatus-Preis des Philosophicum Lech 2023 ausgezeichnet wurde. 2022 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Isolde Charim

Cover des Buches Ich und die Anderen (ISBN: 9783552058880)

Ich und die Anderen

 (2)
Erschienen am 12.03.2018
Cover des Buches Die Qualen des Narzissmus (ISBN: 9783552073098)

Die Qualen des Narzissmus

 (1)
Erschienen am 26.09.2022
Cover des Buches Lebensmodell Diaspora (ISBN: 9783837618723)

Lebensmodell Diaspora

 (0)
Erschienen am 01.03.2012

Neue Rezensionen zu Isolde Charim

Cover des Buches Die Qualen des Narzissmus (ISBN: 9783552073098)
Dr_Ms avatar

Rezension zu "Die Qualen des Narzissmus" von Isolde Charim

Was, wenn alles viel einfacher ist?
Dr_Mvor 9 Monaten

Mitte des 16. Jahrhunderts fragte sich ein Intellektueller, warum sich Menschen freiwillig Tyrannen unterwerfen. Man findet die Quelle in der Vorrede zu diesem reichlich komplizierten, aber mehr als fragwürdigen Text. Freiwillige Unterwerfung beobachtete die Autorin auch während der unsäglichen Corona-Maßnahmen. Und scheinbar war das für sie der Anlass, sich diesem Problem aus philosophischer Sicht zu widmen. Ihre Erklärung für diese seit Jahrhunderten immer wieder beobachtbare freiwillige Unterwerfung ist ein angeblicher Narzissmus, der sich erst in den letzten Jahren als gesellschaftliches Phänomen entwickelt hat.

An dieser Stelle (bereits in der Vorrede) bin ich das erste Mal an diesem Buch gescheitert. Wieso, so habe ich mich gefragt, sieht die Autorin nicht, dass sie sich mit dieser Antwort in einen krassen und mehr als offensichtlichen Widerspruch manövriert? Und wieso hat ihr das niemand gesagt? Wenn sich Menschen bereits vor knapp 500 Jahren (und sicher auch viel früher schon) freiwillig unterworfen haben, dann kann doch die Erklärung dafür nicht in einem modernen Phänomen liegen.

Mein Verdacht ist, nachdem ich mich im zweiten Anlauf durch diesen Text gequält habe, dass es Isolde Charim überhaupt nicht um eine Erklärung für freiwillige Unterwerfungen ging, sondern vielmehr um den von ihr ausgemachten Narzissmus. Sie brauchte vielleicht einen Aufhänger für ihr Thema. Und da kam ihr die Pandemie gerade recht.

Da ich eine naturwissenschaftliche Ausbildung habe, beeindrucken mich Texte wie dieser nicht. Im Gegenteil: Sie ermüden, denn üblicherweise beginnen sie mit unscharfen Begriffen. Das ist auch hier so. Für Narzissmus existiert eine Definition. Sie betrifft allerdings eine psychische Erkrankung. Doch Frau Charim fängt nun an, diesen Begriff auf ein gesellschaftliches Phänomen zu trimmen, also weg von einer Einzelpersönlichkeit und hin zu einer Massenerscheinung. Damit verschwimmt der Begriff und alles gerät ins Diffuse. Daraus kann einfach nichts wirklich Handfestes oder gar Nützliches entstehen.

Zu allem Überdruss kommt dann auch noch Freudsche Denkmuster ins Spiel, also etwas, was auch aus zahlreichen schwer fassbaren Begriffen und halbgaren Theorien besteht, für die es keinen wirklichen Beweis gibt.

Ich kann mir zwar irgendwie vorstellen, was Frau Charim mit dem von ihr ausgemachten Narzissmus meint, aber wirklich erklären kann ich es genauso wenig wie sie. Freiwillige Unterwerfung erklärt das reichlich aufgeblähte und komplizierte Geschwätz jedoch nicht. Wie auch? Wenn das Phänomen neu ist, warum haben sich dann bereits früher Menschen freiwillig unterworfen?

Es gibt Untersuchungen, die ziemlich sicher belegen, dass Menschen sich eher für Sicherheit als für Freiheit entscheiden würden, hätten sie eine Wahl. Begehrt man gegen Unfreiheit oder Unterdrückung auf, dann geht man ein hohes Risiko für die eigene Sicherheit ein. Das meiden die meisten Menschen offenbar.

Und darüber hinaus existieren Urängste, etwa die Angst vor dem Ausschluss aus der Gruppe, der früher mit dem sicheren Tode in der Wildnis geendet hätte. Das ist in noch unseren Genen gespeichert. Gegen den Rudelführer aufzubegehren gehörte schon immer zu den größten Risiken von Herdenmitgliedern. Und deshalb erheben sich Menschen in der Regel in Massen nur, wenn entweder die Gefahr nicht besonders groß oder die Alternative zum Aufbegehren noch schlimmer ist.

Darüber hinaus sind Herrscher in der Regel gut organisiert, die Masse aber nicht. Ich will das hier nicht alles ausweiten, sondern lediglich am Rande erwähnen, weil es die viel schlüssigere Erklärung für eine freiwillige Unterwerfung ist. Wenn man nämlich nichts gegen ein System der Unterdrückung tun kann, ist es viel weniger riskant, sich zu unterwerfen oder sich ihm gar anzudienen.

Anstatt sich also bei Freud zu bedienen, hätte sich Frau Charim besser mit Massenpsychologie befassen sollen, zumal es auf diesem Gebiet genug Literatur gibt, die das von ihr beklagte Phänomen viel besser und schlüssiger erklären kann.

Cover des Buches Ich und die Anderen (ISBN: 9783552058880)
M

Rezension zu "Ich und die Anderen" von Isolde Charim

Alles ginge auch anders
M.Lehmann-Papevor 6 Jahren

Alles ginge auch anders

„Die Illusion der homogenen Gesellschaft“.
So benennt Isolde Charim ihren „Blick zurück“ in die Zeit. In jene, gerade in der Gegenwart wieder lautstark werdenden Vorstellungen von „klarer Welt“ (nicht unbedingt heiler Welt), in der durch eine vermeintliche Homogenität (meist „von oben“ verordnet und gesichert), der einzelne zumindest eine klar vorgegebene „Identitätslinie“ vorgelegt bekam.

Da, wo „Schwarze“ als exotisch galten und nicht im Alltag begegneten, da, wo andere religiöse Vorstellungen ein Nischendasein führten (wenn überhaupt) und die eigene „Staatsordnung“ als der Weisheit letzter Schluss und für vernünftige Menschen als gar nicht anders möglich betrachtet werden konnten.

Nun war diese Welt allerdings immer schon überaus vielfältig. Eigentlich kann man formulieren, dass diese Vielfältigkeit „nur nicht weiter auffiel“. Was wiederum den Begriff der „Illusion einer homogenen Gesellschaft“ näher erläutert (neben den immer schon vorhandenen, nur eher „unter dem Radar“ sich befindenden nicht-homogenen Strukturen weiterführt).

Im Rahmen des „Versinkens“ alter Welten (Charim nennt konkret „die Welt ihrer Wiener Kindheit“ und die „DDR“), Ergebnisse schleichender, länger andauernder Prozesse, vor allem aber angesichts einer globalisierten Welt, in der nicht nur „ähnliche“ Kulturen aus Nachbarländern miteinander in alltäglichen Kontakt treten, sondern auch „fremde“ Kulturen im geographischen Bereich dauerhaft ansässig werden, entsteht eine „Pluralität“ als „Normalzustand“. Mit Folgen für die Fragen der Identität der Menschen in vielfacher Hinsicht.

Ein wichtiger Moment in der Überlegung, welchen Umgang man politisch und persönlich mit dieser Pluralität findet, ist die Beobachtung Charims, dass, im Rückblick, als „homogen“ zu bezeichnende Gesellschaften nicht „vom Himmel“ gefallen waren, sondern ebenfalls zu ihren Zeiten, oft unter massiver Einwirkung von Gewalt und Krieg, erst „hergestellt wurden“.

Ein erster und wichtiger Anhaltspunkt, der wie ein Thema sich durch die Kapitel des Werkes im Hintergrund zieht. Und der die Herausforderung der Moderne benennt: Wie kann eine gewisse Homogenität in der vorliegenden, realen Vielfalt von Traditionen, Kulturen und Lebensentwürfen hergestellt werden, ohne zugleich repressive Maßnahmen oder gar Kriege in Kauf zu nehmen?

„Begegnungszonen“, so könnte eine Ent-Emotionalisierung der Debatte und der inneren Verunsicherungen angegangen werden. Eine „nüchterne Verbindung“ als Begegnungsraum für „Nicht-Ähnliche“, in dem die Unterschiede sorgsam nach und nach relativiert werden könnten.

Was dem entgegensteht, welche Begriffe in der aktuellen Diskussion vielleicht zu unreflektiert als „Parolen“ benutzt werden, wie sich Gesellschaften früherer Zeiten entwickelten und dass dies alles immer mit den Fragen von „Pluralität“ und Identität verknüpft war, sowie der Frage, wie individuelle „Andersartigkeiten“ immer bereits vorhanden waren und sich erst langsam Raum verschaffen konnten, das liest sich zwar politisch recht einseitig ausgerichtet, in den Fakten und Überlegungen aber sehr interessant mit dem Verweis auf eine technisch zunächst recht simpel erscheinende Möglichkeit der „Annäherung durch Relativierung“.

Wobei durchaus Konflikte nicht verleugnet werden, aber als „eingehegte Konflikte“ in anderer Form ausgetragen werden könnten.

„Pluralisierung ist kein äußerliches Verhältnis. Ob man will oder nicht, sie verändert alle – alte Einheimische und neue“.

Besser wäre es allemal, diesen Pluralismus gestaltend anzugehen und nicht in reinen Abwehrhaltungen oder übertriebener Euphorie alleine zu verbleiben.

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