Cover des Buches Das Schmetterlingsmädchen (ISBN: 9783404167814)
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Rezension zu Das Schmetterlingsmädchen von Laura Moriarty

Hinter den Kulissen der 20er

von NiWa vor 9 Jahren

Rezension

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NiWavor 9 Jahren
Mitten in den Goldenen Zwanziger bricht die 15jährige Louise nach New York auf, um sich ihren größten Traum zu erfüllen: sie will Tänzerin werden! Allerdings lässt sie nicht einmal ihre gleichgültige Mutter allein diese Reise antreten und so kommt es, dass die moralisch gefestigte Mittdreißigerin Cora zur Anstandsdame wird.

Jedoch sind Mutter und Tochter ahnungslos, welche Geheimnisse Cora aus ihrer Vergangenheit und ihrem Leben mit sich nach New York trägt, und dass sich hinter der prüden Fassade eine dramatische Geschichte verbirgt. Eine Geschichte, von der nicht einmal Cora ahnt, welchen unerwarteten Weg sie noch einschlagen wird.

Und was für eine Geschichte! Im Vordergrund steht gar nicht Louise, wie es der Klappentext vermuten lässt, sondern die Anstandsdame Cora: verheiratet, angesehen, gesittet. Langweilig würde man meinen. Ganz und gar nicht!

Denn hinter Coras konservativem Gehabe verbirgt sich eine Frau, die sich auf latente Weise gegen die überholten Moralvorstellungen ihrer Zeit stellt. Sie wird durch New York noch mehr in ihren Ansichten bestärkt und gewinnt neue Perspektiven, die zeigen, dass es so einiges zu überdenken gilt. Doch das ist nicht das Einzige, was ihr in der berauschenden Metropole widerfährt …

Vor allem geht es aber um die 20er-Jahre. Dabei beschränkt sich die Autorin nicht nur auf die typischen Bilder, die einem im Kopf umgehen, die Prohibition, junge Frauen mit Bubikopf und einer Zigarettenspitze in der Hand, durchtanzte Nächte und alles umarmender Ausgelassenheit, sondern hier wird facettenreich das Thema der Emanzipation behandelt. Aber es ist nicht auf die Emanzipation der Frauen beschränkt, denn es geht um alle Menschen, die hinter den moralischen Gitterstäben ihrer Gesellschaft ausharren - egal ob Schwarz, Weiß, Mann, Frau, Städter oder Farmer, und sich nach und nach einen Weg aus diesem Gefängnis feilen, vielleicht sogar, um danach erneut eingeschlossen zu sein:

„All diese Mädchen hatten sich von ihren Korsetts befreit, aber essen durften sie anscheinend nichts.“ (S. 131)

Louise Brooks, dieses 15jährige Mädchen, dem Cora ihre Reise nach New York verdankt, ist dagegen nur eine Nebenfigur, die sich von Anfang bis Ende wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Allerdings ist sie eine Nebenfigur, die für die Stimmung und Erwartungen ihrer Generation als stellvertretende Ikone steht und ein Stummfilmstar der 20er-Jahre war.

Denn Louise Brooks hat tatsächlich gelebt. Sie war für ihr ausschweifendes Leben, so manches Techtelmechtel - u.a. mit Charlie Chaplin und Greta Garbo - bekannt und nach ihrem Tod hat ihr die Band OMD mit dem Lied „Pandora’s Box“ noch einmal die Ehre erwiesen:



Es ist ein Gesellschaftsroman, der einen Blick hinter die Kulissen der 20er-Jahre wirft, und dabei nicht nur mit diesem berauschenden Jahrzehnt besticht, sondern einem zu Anfang - genau wie Cora - etwas distanziert gegenübertritt, um einen zu packen und einfach nicht mehr loszulassen.
Ein Buch, dem ich mich aufgrund des Titels sehr skeptisch genähert habe, das mir dann einen ordentlichen Schubs in die Goldenen Zwanziger gegeben hat und mich sogar noch nach der Lektüre weiterhin fasziniert und mich nicht mehr entkommen lassen will.

Für alle, die an den 20er-Jahren, der damaligen Gesellschaft oder einfach an einem guten historischen Roman interessiert sind, spreche ich eine absolute Leseempfehlung aus.
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