Cover des Buches Populärmusik aus Vittula (ISBN: 9783442731725)
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Rezension zu Populärmusik aus Vittula von Mikael Niemi

Jung sein unterm Nordlicht

von Stefan83 vor 12 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 12 Jahren
Geschichten über das Erwachsenwerden gibt's mittlerweile wie Sand am Meer. Mikael Niemis "Populärmusik aus Vittula" sticht was den Inhalt angeht auch nicht unbedingt aus der Menge heraus. Die Art und Weise, wie der schwedische Autor uns dieses Thema allerdings näher bringt, ist durchaus einzigartig. In erster Linie wäre da der Aufbau der Story zu nennen. Diese folgt keinem stringenten roten Faden, sondern ist vielmehr in kurze einzelne Geschichten unterteilt. So wie man sich selbst eher schlaglichtartig an gewisse Ereignisse und Episoden aus Kindheit und Jugend erinnert, so baut Niemi auch seinen Roman auf. Für den Gelegenheitsleser macht das den Zugang zum eigentlichen Plot etwas schwierig, da man der Entwicklung der einzelnen Charaktere nur schwerlich folgen kann. Immer wieder gibt es zeitliche Sprünge, die einen echten Lesefluss verhindern und dazu führen, dass man droht den Überblick zu verlieren. Dem Anspruch eines Unterhaltungsromans wird der Roman dadurch nur streckenweise gerecht. Dafür überzeugt er aber anderweitig. Niemi erzählt unbefleckt von jeglichen moralischen Predigten, legt ehrlich und offen den Finger in die Wunde und schreckt auch vor ekligen Schilderungen nicht zurück. Neben dieser oftmals harten, schonungslosen Sprache überzeugt "Populärmusik aus Vittula" mit genialem Wortwitz, der desöfteren zum Schmunzeln verführt. Torndedals Einwohner sind mehr als nur schrecklich verschroben und werden dennoch so authentisch skizziert, dass es nie ins Lächerliche zu kippen droht. Hat man sich auf der einen Seite noch darüber amüsiert, wie unbeholfen Matti und Niila ihre ersten Annäherungsversuche Richtung weibliches Geschlecht starten, schluckt man auf der nächsten hart, ob der geschilderten häuslichen Gewalt und dem Alkoholmissbrauch. In dieser schroffen, durch die laestadianisch eingestellte Bevölkerung spaßfreien Umgebung, wird der Musiklehrer Greger zum Vorbild und Rettungsanker. Vom Rock N' Roll der 60er Jahre angesteckt, lassen die Jungen ihren Träumen in der Musik freien Lauf und bringen den Fortschritt nach Tornedal. Insgesamt ist "Populärmusik aus Vittula" ein derbes, komisches, aber auch melancholisches Buch aus dem Land des fahlen Nordlichts, das zutiefst menschlich das Thema Erwachsenwerden behandelt. Eine erfrischend ehrliche Lektüre, die nur streckenweise, wenn sich zum Beispiel Niemi in mystischen Erzählungen verliert, etwas zäh gerät und die im Endeffekt dann doch weniger mit Musik zu tun hat, als es der Titel vermuten lässt.
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