Cover des Buches Die Winter im Süden (ISBN: 9783446230484)
Rezension zu Die Winter im Süden von Norbert Gstrein

Rezension zu "Die Winter im Süden" von Norbert Gstrein

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 16 Jahren

Kurzmeinung: Sehr gutes Buch in dem Gstrein endlich in seine Rolle als Erzähler reinfindet. Lesenswert.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 16 Jahren
Marija, fünfzig und in Wien lebend, hat sich mit ihrem Mann auseinander gelebt und sucht Abstand zu ihm in dem sie den Sommer 91 alleine in Jugoslawien verbringt, dem Land ihrer Kindheit aus dem sie und ihre Mutter nach dem zweiten Weltkrieg geflohen waren. Marija möchte das Land noch einmal sehen, Zagreb wie es mal war bevor es vom nahenden und alles verschlingenden Krieg aufgesogen wird. Ludwig, ein Ex-Polizist den es nach dem Tod seiner Kollegin und Geliebten nach Buenos Aires verschlagen hat, lernt zufällig Claudia kennen und wird von ihrem Mann als Leibwächter angeheuert. Der alte Mann, wie so viele nach dem letztem Weltkrieg ans Ende der Welt emigriert, ist ein schon etwas älterer Zausel der nicht Nazi genannt werden kann aber dennoch die alten Werte zu schätzen weiß. Aufmerksam verfolgt er die Nachrichten aus der alten Heimat und gebärdet sich wie ein kleiner Junge dem es nicht schnell genug gehen kann auch selber in diesem Konflikt einzugreifen. Den alten Kampf gegen den Kommunismus wieder mit seinen alten Waffenbrüdern aufzunehmen und sein Heimatland Jugoslawien doch noch von diesem Partisanen- Unrat zu befreien. Während nun Marija ihr Heil in einer schnellen und haltlosen Liebe zu einem Soldaten sucht erlebt Ludwig Monate der Idylle und Ruhe deren einziger Makel der etwas wunderliche alte Mann ist. Doch als jener alte Mann selber in den Krieg zieht und Ludwig mit sich nimmt kollidieren ihrer beider Leben. Zwei Dinge die beim lesen von Norbert Gstreins Buch [b]Die Winter im Süden[/b] gleich auffallen sind zum einen die Thematik des Krieges in Jugoslawien, jener scheint Gstrein, wie auch schon in [i]Das Handwerk des Tötens[/i], nicht mehr loslassen zu wollen und zum anderen die bedächtige Erzählweise mit der er seine Geschichte darbietet. Er vergeht sich nicht in unnützen Betrachtungen und philosophischen Aphorismen wie andere Autoren aber dennoch hält er den Leser zum langsamen lesen und nachdenken an in dem er zeilenlange Sätze ineinander verschachtelt und mit Komata spickt. Auch findet man in der Charakterisierung von Marijas verschwunden geglaubten Vater Anwandlungen an sein vorhergehendes Buch wieder. Nur durch den indirekten Blickwinkel Ludwigs lernen wir diesen namenlosen alten Mann kennen. Nie tritt er selber als erzählende Figur auf und bleibt dem Leser somit viele Antworten zu seiner Vergangenheit und seiner früheren Familie schuldig. Norbert Gstreins Sprache ist klar, präzise und verständlich. Obwohl auf blumige Bilder verzichtet wird wirken Worte nie steril und behalten ihre Kraft auch wenn man schon 10 Seiten weiter ist. Es sind brechende Charaktere in einer zerstörten Welt die durch das erzählerische Geschick des Schreibers zusammengehalten werden. Schwankend zwischen dem Krieg der mal war und dem Krieg der da noch kommt sind es Sünder auf der Suche nach Absolution die ausziehen um vielleicht nicht Erlösung aber vielleicht doch Antworten zu finden, nur um am Ende doch wieder in das Leben zurückzukehren aus dem sie versucht haben auszubrechen. Ohne Zeigefinger und Moral schreibt Gstrein nicht vom Krieg sondern vom Leben das von ihm verformt und deformiert wird. Und genau so wie jede Zeit ihren eigenen Krieg hat bringt auch jeder Krieg seine eigene Art von Menschen mit sich die vortrefflich gezeichnet in Gstreins Büchern wieder zu finden sind.
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