Cover des Buches Zürcher Finsternis (ISBN: 9783863585938)
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Rezension zu Zürcher Finsternis von Pascal Gut

4,5 Sterne für menschliche Krater, weil Abgründe hier nicht reichen

von Antek vor 9 Jahren

Rezension

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Antekvor 9 Jahren

Tamara, Silvias 12-jährige Tochter verschwindet auf dem Weg zur Schule spurlos. Auch intensive Suche der Polizei bringt kein Ergebnis und so wird der Fall zur Seite gelegt. Kommissar Mario, der sich inzwischen mit der Mutter angefreundet hat, bringt sie erst einmal an einem geheimen Ort unter, damit sie zu Kräften kommen kann. Ein Jahr später betritt Phillip Haldener die Dienststelle und behauptet, Tamara damals entführt zu haben. Er will die Kommissare zu dem Mädchen führen. Seine Bedingung ist allerdings, dass auch die Mutter mitkommt. Mario ist nicht wohl bei der Sache. Phillip ist der Meister der Manipulation, höchst intelligent bringt er selbst die besten Verhörspezialisten aus dem Konzept. Lebt Tamara wirklich noch, oder was hat Phillip Haldener wirklich vor? Silvia, von dem Funken Hoffnung, dass ihre Tochter noch leben könnte, angetrieben, will sich auf jeden Fall auf diesen Deal einlassen.

Pascal Gut hat hier einen Krimi geschaffen, den ich ja eher als Psychothriller beschreiben würde, weil sich eben solch grausame menschliche Abgründe auftun. Ich war besonders gegen Ende hin wirklich zeitgleich geschockt und gefesselt von der Abartigkeit der Motive.

Mario, ein Kommissar, der nicht so ganz in das Schema F passt. Neben dem Fall hat er hier noch schwer mit seinem Outing zu kämpfen. Obwohl er seine Frau und seine Tochter abgrundtief liebt, muss er sich endlich eingestehen, dass er sexuell eben auf Männer steht. Dass sich Frau und Tochter völlig abschotten und keinerlei Kontakt mehr zu ihm haben wollen, macht ihm wirklich schwer zu schaffen. Dieser innere Konflikt wird sehr gut dargestellt. Immer wieder fließt auch seine kritische Anschauung zu Politik und Vergangenheit der Schweiz mit ein, was sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden deutlich zeigt. Auch Phillip Haldener, die weitere Hauptperson, wird toll gezeichnet. Man erfährt über seine Kindheit, man wird Zeuge seiner perfiden und abartigen Psychospielchen. Vor allem auf Silvia und Mario hat er es abgesehen und die Fahrt mit ihm kann man als Psychoterror schlechthin bezeichnen. Silvias Trauer um ihre Tochter, die aufkeimende Hoffnung, ihr innerer Kampf, wie weit sie gehen soll, auch das wird meiner Meinung nach brillant dargestellt.

Spannung war für mich von Anfang bis Ende allzeit präsent. Mich haben Haldeners Psychospielchen gefesselt, ich war ständig hin- und hergerissen, lebt Tamara noch oder nicht, schreckliche Entdeckungen während der Ermittlungen haben mich schwer schockiert und auch bei Haldeners Zielen hat mich der Autor wirklich aufs Glatteis geführt.

Gut gefallen hat mir auch, dass immer wieder ein paar Schweizer Begriffe vorkommen, für Dialekt bin ich immer zu haben.

Nicht ganz so gut gefällt mir, wenn ein Ermittler suspendiert wird und dann eigentlich doch die gesamten Ermittlungen liefert. Ich mag es immer lieber so realitätsnah wie möglich und frage mich dann immer, warum das nicht geht. Wenn dann vielleicht noch das menschliche Bedürfnis zur Toilette zu gehen nicht in dieser Ausführlichkeit dargestellt worden wäre, würde Zürcher Finsternis von mir eindeutig 5 Sterne bekommen. So fällt mir die Entscheidung nicht ganz so leicht. 4 oder 5 ist hier die Frage und ich bedauere zu tiefst, dass es 4,5 Sterne nicht gibt.

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