Cover des Buches Der letzte Krieg der Engel (ISBN: 9781482551051)
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Rezension zu Der letzte Krieg der Engel von Patricia Jankowski

Leider ab der Mitte nicht mehr nachvollziehbar

von inflagrantibooks vor 11 Jahren

Rezension

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inflagrantibooksvor 11 Jahren
Die Ebenen von Armageddon wimmeln vor Kreaturen. Schwarz geflügelte, gepanzerte, Schuppen bewehrte, Fell tragende, geifernde. Die finale Schlacht steht bevor. Auf der einen Seite Gott, auf der anderen Helal, der Morgenstern, Dunkler Fürst der Hölle. Und zwischen ihnen die Auserwählte, die Eine. Geboren, in der letzten Schlacht zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel die Entscheidung herbeizuführen. Leandra Deveron will diese Aufgabe nicht. Und sie will auch den Engel nicht, den ihr Gott zur Seite gestellt hat, damit er sie schützt und ausbildet. Sie glaubt nicht an Gott, nicht an Engel, nicht an den Teufel. Die Erkenntnis, dass es dies alles wirklich gibt, entfacht eine unbändige Wut in ihr. Wo war Gott die ganze Zeit? Ein Mensch voller Zweifel, gezwungen, sich für die richtige Seite in diesem uralten Kampf zu entscheiden.


Das Cover passt zum Inhalt und es spiegelt in meinen Augen die Demut und die Zerrissenheit der Engel wieder, die durch die Flammen dargestellt wird. Es wäre vielleicht etwas besser gewesen, wenn noch mehr auf die dunkle Seite eingegangen wäre. Oder auf die Frau, die im Klappentext erwähnt wird.

Die Geschichte beginnt mit einer Diskussion unter Engeln. Es steht ein Krieg bevor und nun müssen die stärksten und besten Krieger unter den Engeln als Ausbilder berufen werden. Arameel, ein ehrwürdiger alter Engel, wird als Vermittler auf die Erde geschickt und die zwei verstoßenen Engel für die Dauer der Ausbildungszeit zurück ins Paradies zu holen. Arel und Yarden leben seit vielen tausend Jahren unter den Menschen und nur Yarden ist bereit, für begrenzte Zeit im Paradies auszuhelfen. Arel allerdings widersetzt sich Gottes Auftrag und erhält, wie er denkt als Strafe, die Aufgabe, auf eine menschliche Frau aufzupassen. „Die Eine“ (Leandra) wird in einer Prophezeiung erwähnt und trägt zum Ausgang des anstehenden Engelkrieges bei. Leandra und Arel haben einige Probleme miteinander zu lösen, bis es am Ende zu der großen Entscheidung kommt.

Ich habe das Buch schon seit einigen Tagen ausgelesen, brauchte aber erst einmal Abstand, um Emotional wieder klarer denken zu können. Warum? Finden wir es heraus.
Als aller erstes sei gesagt, das die Autorin schreiben kann. Ich traf auf einen flüssigen Schreibstil, der sich bis zum Ende hin hielt, gepaart mit genau der richtigen Menge an Adjektiven und dem gekonnten Gebrauch des „Show don´t tell“, was wirklich die reinste Freude war. Aber (es gibt immer ein aber …), mangelte es hier und da an der Logik.
Patricia Jankowski entführt den Leser in eine Welt voller Engel, Misstrauen und weitreichenden Entscheidungen. Das Augenmerk lag bei Arel, dem verstoßenen Engel, denn aus seiner Sicht ist die Geschichte geschrieben. Obwohl der Klappentext etwas anderes andeutet, stehen doch die Engel und ihre Welt im Mittelpunkt.
Der Anfang gefiel mir wirklich gut. Die Autorin schafft es mit treffenden Worten und aussagekräftigen Sätzen die Welt der Engel darzustellen und uns als Leser, erste Informationen zu vermitteln, ohne in den Informationsüberschuss zu verfallen. Mir blieb genug Freiraum um mein Kopfkino anzukurbeln und mir ein eigenes Bild vom Paradies und seinen Bewohnern zu machen. Auch wenn es am Anfang mit den doch recht eigenen Engelsnamen verwirrend wirken kann, kommt man dort sehr schnell rein und kann die einzelnen Engel problemlos unterscheiden.
Arel als Engel ist anders, was wahrscheinlich daran liegt, das er gezwungen ist, schon sehr lange auf der Erde zu leben. Wenn die Engel direkt aus dem Paradies bei ihm erscheinen, dann strahlen diese ergebene Demut aus. Sie sind nicht überheblich, nur stehen sie irgendwie über den menschlichen Dingen. Arel ist abgeklärter. Zwar vermisst er die Nähe von Gott und den Frieden im Paradies, aber er hat seine eigene Meinung, weswegen er auch verstoßen wurde. Obwohl er seinem alten Mentor Arameel Respekt zollen sollte, nennt er ihn immer wieder „alter Mann“ und „Mann“, was in diesem Moment zwar die Andersartigkeit von ihm unterstreicht, aber in meinen Augen ein bisschen zu viel gesagt wird. Ich finde es gut, das durch die menschliche Sprache gezeigt wird, das Arel schon sehr lange auf der Erde lebt und sich den Menschen anpasst, aber mit den Aussagen „alter Mann“, wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Arel kümmert sich nicht um menschliche Belange und will Leandra eigentlich auch gar nicht beschützen. Im Verlauf der Geschichte kämpft Arel mit einem inneren Zwiespalt. Engel können keine Gefühle empfinden, aber genau das tut er für Leandra. Es dauert sehr lange, bis Arel sich auf diese Empfindungen einlässt und sie auch genießen kann. Diesen Konflikt und diese erzwungene Nähe zu den Menschen, die er nicht erträgt, sind sehr gut dargestellt. Arel ist von Anfang an eine greifbare Person, die bis zum Schluss an Tiefe gewinnt. Die Erklärung für seine Gefühle macht das Ende der Geschichte in meinen Augen und auf ihn als Person bezogen viel tragischer.
Es gab ein paar Stellen, da ging die Logik von Arel allerdings verloren. Er ist in einem Gespräch mit einem Mönch und erwähnt, das er aus dem Paradies geflogen ist. Drei Sätze später fragt derselbe Mönch, ob es stimmt das Arel aus dem Paradies verbannt wurde und der Engel bestätigt es. Das war an dieser Stelle für mich eine Doppelinformation und hat den Mönch nur irgendwie dumm wirken lassen. Außerdem finde ich, das Arel sich selbst nicht einig ist, ob er nun ein Gregorie ist oder nicht, da er immer wieder widersprüchliche Aussagen darüber tätigt. Das erste Zitat sagt mir, das er mal einer war, das Zweite, dass er einer ist, da er sich auch immer mal wieder selbst als ein Gregorie bezeichnet.
»„Ist das so?“ Arel runzelte die Stirn. „Nun ja, ich war auch mal ein Gregorie, oder? Scheinbar verliert man das nie ganz.“«
»Diese Gedanken verfolgte er nicht weiter. Es brachte ihn nicht voran, über Dinge nachzudenken, die er nicht ändern konnte. Das war eine Angelegenheit von ganz oben, nichts für einen Gregorie.«
Für Verwirrung sorgt die Autorin auch an der Stelle, als Arel und Leandra im Kloster eintreffen. Denn obwohl sie in der Morgendämmerung ankommen, dann schlafen und mit den Mönchen zu Abend essen, heißt es, sie hätten nur am Nachmittag ein paar Stunden geschlafen. Im Grunde sind das nur Kleinigkeiten, die aber an dem eigentlich fast perfekten Bild von Arel nagen und in dem Moment auch meinen Lesefluss gestört haben.
Das die Geschichte aus Sicht des Engels geschrieben ist, gefiel mir wirklich sofort von Anfang an. Wie gesagt, der Klappentext lässt zwar auf etwas anderes schließen, aber Geschichten die aus Sicht der weiblichen Schlüsselfigur geschrieben sind gibt es nun wirklich genug.
Allerdings, und das ist wirklich schade, geht genau deswegen die weibliche Hauptprotagonistin vollkommen unter. Sie ist ein reiner Mitläufer, ein Nebencharakter von dem ich überhaupt kein Bild habe. Kann man ihre anfängliche, äußerst sprunghafte Launenhaftigkeit noch auf die Entführung durch einen Engel schieben, so wird die Aufmüpfigkeit im Laufe der Geschichte einfach nur Unglaubwürdig. Leandra ist undurchsichtig und ich kann ihr Handeln an keiner Stelle nachvollziehen. Außer am Anfang, wo sie aus der Kirche flieht, ist mir der Rest ihrer Taten ein reinstes Rätsel. Sie hinterfragt nur oberflächlich die Prophezeiung und will kaum etwas über das Wie und Warum wissen. Auch das es Engel, Gott und den Teufel gibt, scheint sie nicht weiter zu wundern. Leandra freundet sich augenscheinlich mit Arel an nur um im nächsten Augenblick etwas ganz anderes zu denken. Ihre Gedanken sind stellenweise zutiefst verbittert, ohne das mir klar war, woher diese Verbitterung kommt. Immer wieder wird erwähnt, wie wichtig Leandra ist, schließlich ist sie „die Eine“, die den letzten Krieg der Engel entscheidet. Man rechnet mit einem wirklich großem Ende, denn Leandra hat über Wochen Schwertkampftraining und quält sich durch das Sportprogramm von Arel.
Plötzlich taucht der Teufel auf, sie entscheidet sich nach zwei, drei Sätzen auf seiner Seite zu stehen, obwohl sie kurz vorher noch zusammengebrochen ist, weil wieder ein Siegel geöffnet wurde und Menschen starben. Und anscheinend war das auch die Entscheidung, die alles beeinflusst, denn am Ende macht Leandra nichts. Sie steht auf einem Berg und schaut dem Krieg zu. Keine Zerrissenheit, kein innerer Konflikt. Die Wut, die im Klappentext angesprochen wird kommt zwar hier und da mal zur Sprache, aber erklärt ihr Verhalten genauso wenig, wie die erwähnten Zweifel, die man beim Lesen ebenfalls nur schwer entdecken konnte. Auch dieses ständige Beschimpfen des Engels als „schwanzlose Missgeburt“, „schwanzloser Gefährte“ oder einfach nur „schwanzlos“ erklärt sich mir nicht und wirkt zu übertrieben. Vor allem da Leandra selbst meint, die Männer wollten nur Sex von ihr, ist sie in meinen Augen doch verdammt darauf fokussiert. Sie soll wohl auch stark und selbstständig rüberkommen, was durch ihre ständige eigene Aussage, das sie keine Kraft mehr hat, widerlegt wird. Das Schwertkampf alles andere als leicht ist, nehme ich ihr sofort ab, aber sie legt kein bisschen Kampfgeist an den Tag. Sie will alles auf dem leichten Weg und ist mir einfach nur unsympathisch. Für mich war Leandra, obwohl als Schlüsselfigur beschrieben, flach und charakterlos. Auch wenn ihre bisher gelebtes Leben zu ihrer Entscheidung beigetragen hat, ist ihr Handeln doch zu sehr gepresst und einfach nicht nachvollziehbar.
Der Antagonist ist ein Teufel, im wahrsten Sinne des Wortes. Ihn vom Aussehen her, als dunklen Engel darzustellen, fand ich erfrischend neu und hat mir ein wirklich interessantes Kopfkino beschert. Allerdings wurde auch hier an der Darstellung gespart. Seine Motive und Handlungen sind natürlich nachvollziehbar, aber mit Leandra hat er ein lächerlich leichtes Spiel. Auch hätte mich interessiert, warum er anatomisch anders ist, als die anderen Engel, wenn er doch auch mal einer war. Ein bisschen mehr Boshaftigkeit hätte dem Bösen hier gut getan. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, wen er öfters erschienen wäre und man so einen tieferen Einblick bekommen hätte. Am Ende erfährt man zwar, warum der Krieg sein musste, und was der Teufel sich dadurch versprochen hat. Doch gerade dieses Ende lässt ihn auch eher Naiv und alles andere als Intelligent dastehen, wenn er die von Gott gesprochene Schlussfolgerung nicht selbst bedacht hat. Seine Höllenwesen sind dunkel, eklig und eben böse, aber sie tauchen zu wenig auf um einen direkten Bezug zu ihnen herstellen zu können.
Während Arel und Leandra durch das Land reisen, werden die sieben Siegel gebrochen und auf der Erde bricht Chaos und Tod aus. Hier muss gesagt werden, dass diese Idee zwar nicht neu ist, aber doch verdammt viel Potenzial hat. Zwischenzeitlich hab ich mir selbst Gedanken um das Wie und Warum der Religion gemacht und einiges hinterfragt. Die Autorin wirft genug Informationen in die Geschichte, ohne das es zu religiös wird. Allerdings scheint mir das Brechen der Siegel und die dadurch entstehenden Katastrophen auf der Erde wichtig, denn sie läuten das Ende der Menschheit ein. Leider wird darauf aber noch weniger eingegangen, als auf die Prophezeiung oder Leandra selbst. Würde es nicht immer mal wieder erwähnt werden, das gerade die menschliche Welt untergeht, könnte man es recht schnell vergessen, denn während der Reise von Arel und Leandra passiert gar nichts, dass auf Chaos und Zerstörung schließen ließe. Anstatt nur immer mal zu erwähnen, das wieder ein Siegel gebrochen wurde, hätte die Autorin hier ruhig eine szenische Darstellung wählen können, um so dem Leser das Ausmaß des Untergangs viel näher zu bringen. Die Welt der Engel hingegen, das Paradies, ist wunderbar dargestellt und nur durch ein paar sehr gut ausgewählte Worte wird dem Leser ein Bild in den Kopf gepflanzt. Was diese Welt angeht hat die Autorin wirkliches Geschick bewiesen, wovon sie aber der menschlichen Welt noch etwas hätte abgegeben können.
Ich hatte das Gefühl, dass die Geschichte sich ab ungefähr der Hälfte nicht so entwickelt hat, wie die Autorin das vielleicht geplant hatte. Der rote Faden, denn ich in Arel sah, ging völlig verloren. Ich hatte keine Ahnung mehr, was jetzt eigentlich noch mal das Kernproblem war und wer von den Figuren für das vorrankommen der Handlung wichtig ist. Wenn vorher das Augenmerk auf Arel lag und Leandra nur nebenher erwähnt wurde, so kam ab einem bestimmten Punkt ein reinstes Durcheinander auf mich als Leser zu. Plötzlich geht es doch um Leandra, worauf aber außer dem Klappentext rein gar nichts hingearbeitet hat. Dann ist es wichtig, wie sie mit dem Engel umgeht. Wenn man dachte, dass die beiden mindestens Freundschaftlich zusammen unterwegs sind und sich langsam annähern, ist Leandra plötzlich von dem Engel angewidert und ekelt sich vor ihm. Sie hasst ihn, sie liebt ihn und im Grunde redet sie gar nicht richtig mit ihm. In einigen Szenen hatte ich das Gefühl, das die Missverständnisse erzwungen waren, und sich nicht aus der Geschichte heraus entwickelt haben. Das Ende ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ein überraschendes Ende ist fantastisch … wenn es zum Rest der Geschichte passt. Während der ganzen Zeit sieht man die Entwicklung zwischen Leandra und Arel, auf die am Ende nur mit ein paar Sätzen eingegangen wird, als wäre sie unwichtig gewesen. Die Erkenntnis, die Leandra am Ende erhält, sollte ihr eigentlich das Ausmaß ihrer Entscheidung vor Augen führen, aber ihr ist das wohl gar nicht bewusst, was sie alles verloren hat. An dieser Stelle ist auch die Erklärung für die Gefühle des Engels, diesmal in Bezug auf Leandra und die Geschichte gesehen, unpassend und erzwungen. Die Erklärung ist in meinen Augen nur dafür da, um Leandras Elend zu untermauern, aber kommt zu plötzlich. Was wieder wirklich schade ist, den zu Arel passt es perfekt.
Die große Schlacht am Ende, der letzte Krieg auf den alles in der Geschichte hinarbeitet ist so schnell vorbei, dass ich mich als Leser fühlte, als hätte ich etwas wirklich wichtiges verpasst. Ich fieberte mit Arel mit und fragte mich, was nun passiert und dann … war es auch schon vorbei. Die Diskussion, die Gott und der Teufel am Ende führen, liest sich wie ein Witz auf Kosten der Menschheit. Als würde Gott es nicht interessieren, was mit der Welt passiert. Es ist als wäre die Erde nur der Spielplatz für die Differenzen, die die beiden miteinander haben, obwohl ja irgendwie Leandra damit zu tun. Was in diesem Moment vollkommen untergeht.


Patricia Jankowski hat mit „Der letzte Krieg der Engel“ einen interessanten Denkansatz geschaffen. Die Geschichte beginnt fantastisch im Paradies, die Darstellung Gottes ist neu und Arel als verstoßener Engel hatte sofort meine ganzen Sympathie-Punkte. Leider lässt diese Euphorie langsam aber sicher nach und hinterließ bei mir eine emotionale Ratlosigkeit. Ich brauchte einige Tage Abstand zur Geschichte um die Rezension schreiben zu können, ohne mich zu sehr emotional einzubringen. Der Schreibstil und das Schreibniveau halten sich bis zum Ende hin sehr hoch, aber die Logik bröckelt und der rote Faden geht ab ungefähr dem Mittelteil vollkommen verloren. Was für mich als Engelsgeschichten-Geheimtipp anfing, gipfelte leider in einem höllischem Chaos.

„Der letzte Krieg der Engel“ bekommt von mir 2 von 5 Marken. Arel war ein herausragender Charakter und die Art und Weise des Schreibniveaus waren erfrischend. Aber wenn der rote Faden verloren geht nützt auch leider ein überaus sympathischer Engel nichts mehr.




Liebe Grüße

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