Cover des Buches Fünf Kopeken (ISBN: 9783847905356)
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Rezension zu Fünf Kopeken von Sarah Stricker

Sprachakrobatik

von anushka vor 10 Jahren

Rezension

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anushkavor 10 Jahren
Die Mutter, optisch nicht gerade ansehnlich, wird vom Großvater auf Leistung getrimmt und darf nichts weniger als ein Wunderkind sein, während die Großmutter sie mit ihren Ängsten erdrückt. In alldem werden ihr zudem die Gefühle aberzogen, denn das Jammern eines Kindes wird nicht ertragen, wenn die Ursache nicht mindestens so schlimm ist wie die Kriegsgefangenschaft des Großvaters in einem russischen Lager. Und was passiert, wenn sich ausgerechnet so jemand verliebt?

Die Erzählerin der Geschichte ist eigentlich eine Randfigur. Anna, die Tochter, erzählt die Lebensbeichte der Mutter, deren Vornamen der Leser nie erfährt (oder ich mir einfach nicht merken konnte?). Durch ihre, teils bissigen, Randkommentare erfährt man noch mehr über den Charakter der Mutter, aber wenig vom Leben der Tochter. Auch wenn zu Beginn sehr direkt und mitleidlos betont wird, dass die Mutter hässlich gewesen sei, ist das nie so richtig Thema, denn die Mutter hat durchaus ihre Jungs- und Männergeschichten ohne dass je explizite Zweifel an ihrer Optik deutlich werden. Leider empfand ich auch die Geschichte als etwas trivial: Frau verliebt sich, ist von ihren Gefühlen überwältigt und begeht einen Fehler nach dem anderen (allerdings ist dieses Buch keineswegs Chick-Lit, auch wenn die Beschreibung jetzt etwas danach klingt). Gerade jemand, der derart intelligent sein soll, handelt derart irrational und erdrückend, dass ich mich teilweise fremdgeschämt habe und so sehr unangenehm durch das Buch berührt war. Zudem ist keiner der Charaktere (vielleicht mit Ausnahme der Tochter) auch nur annähernd sympathisch. Sie wirken alle wie Karrikaturen und vielleicht sollen sie ja genau das auch sein. Und auch die Liebe zu dem entsprechenden Mann wird nicht nachvollziehbar, da man sich bereits bei der Schilderung des Äußeren "abgeturnt" fühlt, was die etlichen, recht expliziten Sexszenen auch irgendwie unangenehm (und die Sehnsucht der Mutter wenig verständlich) machte.

Ein Lichtblick war die Sprache der Autorin, die recht ungewöhnlich und künstlerisch daherkam. Leider fällt es jedoch schwer, so etwas 500 Seiten lang zu lesen. Die Sprache schlägt ein ums andere Mal Purzelbäume und die sprachliche "Show" überdeckte für mich immer wieder die Geschichte. Meine übliche Lesegeschwindigkeit war deutlich gebremst und ich musste mich des Öfteren richtiggehend aufraffen weiterzulesen. Als Urlaubslektüre ist dieses Buch ungeeignet. Man muss sich beim Lesen schon sehr konzentrieren, denn Satzteile werden weggelassen oder sollen gleich mehrere Teilsätze bedienen. In hektischen Situationen werden die Sätze nur noch bruchstückhaft; eigentlich eine gute Idee zur Verdeutlichung der Situation, aber nach einigen Malen einfach nur noch anstrengend zu lesen.

Das Ende und der trockene Humor haben mich letztendlich noch etwas mit dem Buch versöhnt, aber aufgrund der vielen anfänglichen, euphorischen Leserstimmen hatte ich mir mehr erwartet und bin etwas enttäuscht von "Fünf Kopeken".
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